Читать книгу Die stürmische Braut - Sophia Farago - Страница 9
Kapitel 3
Оглавление„Dabei hatte ich mich so gefreut, Freddy wiederzusehen“, schloss Vivian Barnett den Bericht über die Geschehnisse in Mrs Cliffords Büro ab und warf ihrer Freundin Kate einen Blick zu, der ihre Enttäuschung klar zum Ausdruck brachte. „Ich habe doch ohnehin selten die Gelegenheit, mit einer meiner Schwestern allein zu sein. Freddy ist so klug. Sie würde sicher wissen, wie ich meine Zukunftspläne am besten in die Tat umsetzen kann. Doch stattdessen muss ich nun die lästige Goodhew aushalten. Vier Tage lang!“ Mit einer dramatischen Geste hob sie ihre Hände zum Himmel. „Kannst du dir das vorstellen, meine Liebe? Diese vier Tage werden mir wie fünf Jahre vorkommen.“
Kate hatte sich neben den großen Schrankkoffer gesetzt, den der Hausdiener auf das gemeinsame Bett gewuchtet hatte, und seufzte. Ob sie dies tat, weil sie mit ihrer Freundin mitlitt, oder ob sie damit ausdrücken wollte, wie wenig sie von deren Zukunftsplänen hielt, wusste sie selbst nicht so genau.
Vivian hatte sich in der Zwischenzeit zu ihrem Schrank umgewandt und entnahm ihm die ersten Kleider. Viele waren es nicht, denn Mrs Clifford verlangte Bescheidenheit. Die Garderobe war ohne Ausnahme dunkelblau, schlicht und ohne jeden Zierrat. Es wurde großer Wert darauf gelegt, dass sie einfach zu reinigen war, damit das Personal der Schule keinen unnötigen Aufwand damit hatte. Eigene Zofen für die Schülerinnen, wie sie, dem Vernehmen nach, in manch anderen Anstalten erlaubt waren, waren Mrs Clifford keinen zweiten Gedanken wert. Wie sollen junge Frauen künftig einen großen Haushalt leiten, wenn sie sich nicht einmal um sich selbst kümmern können?, war ihre Devise. Wenn ihre Schützlinge erst einmal verheiratet waren, dann konnten sie sich von vorne und hinten bedienen lassen. Aber nicht vorher. Und schon gar nicht in ihrem Haus.
Kate stand auf und half, Vivians Schuhe in kleinen Baumwollsäckchen zu verstauen.
„Ich weiß, du willst es nicht mehr hören“, begann sie zögerlich, „ich muss es dennoch wiederholen. Mir wird angst und bang, wenn ich an die Pläne für deine Zukunft denke. Gibt es denn nicht doch etwas, womit ich dich umstimmen könnte? Willst du sie wirklich immer noch umsetzen?“
Ihrem Blick war unschwer zu entnehmen, dass sie inständig auf ein Nein hoffte, es aber nicht wirklich erwartete. Sie kannte Vivian. Wenn die sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann brauchte es schon schwerwiegende Argumente, um sie davon abzubringen. Und diese Argumente hatte sie nicht. Vivian stopfte das Kleid, das sie eben in der Hand gehalten hatte, achtlos in den wuchtigen Koffer und ließ sich nun ihrerseits auf das Bett fallen.
„Und ob ich das will!“, rief sie aus, und es klang trotzig. Dann sprang sie wieder auf und ergriff die Hand ihrer Freundin. „Ach, Kate, kannst du dich denn nicht in meine Lage versetzen? Ich mache das doch nicht für mich. Ich mache es für uns. Für alle adeligen Mädchen Englands.“ Sie holte weit aus, um auch diese Worte mit einer dramatischen Geste zu unterstreichen. „Wir haben keine Rechte, Kate. Müssen immer still, brav und gehorsam sein. Wenn wir Vermögen haben, dann bestimmt zuerst unser Vormund und dann unser Ehegatte, was damit zu geschehen hat. Man muss uns nicht einmal nach unserer Meinung fragen. Und beim Erbe werden wir auch übergangen. Das kannst du doch nicht gutheißen, Kate.“
Ihre Freundin zuckte mit den Schultern. „Es geht nicht darum, was ich gutheiße, Vivi. Und es geht – und nun spring mir bitte nicht gleich an die Kehle – auch nicht darum, ob du das gutheißt. Es sind die Regeln unserer Gesellschaft, denen wir uns zu unterwerfen haben, ob wir wollen oder nicht.“
„Unsinn!“, fuhr Lady Vivian auf. „Memmengeschwätz!“
Sie griff nach ihrer Haarbürste aus Schildpatt, die vor dem runden Frisierspiegel auf der Kommode lag, und schleuderte sie in den Koffer.
Kate schnappte nach Luft. „Wie ungerecht du doch manchmal bist! Dein Eifer in Ehren, aber er ist noch lange kein Grund, mich zu beleidigen.“
Natürlich bedauerte Vivian die unbedachten Worte umgehend, und sie eilte zu ihrer Freundin, um sie herzlich zu umarmen. „Ich wollte damit nicht sagen, dass du ein Feigling bist, Kate. Nichts läge mir ferner. Ich wollte damit nur sagen, dass wir mutiger sein müssen, wenn wir etwas verändern wollen. Und dass wir die richtigen Männer an unserer Seite brauchen, damit so eine Veränderung gelingt. Das ist alles.“
„Die richtigen Männer“, wiederholte Kate. „Ich kann es gar nicht erwarten, den Richtigen für mich zu finden. Wie ärgerlich, dass meine erste Saison erst nächstes Jahr stattfinden wird. Du kommst in wenigen Tagen nach London. Ach, wie sehr ich dich beneide! Und wie sehr ich dich vermissen werde, Vivi! Ich werde sehr allein sein ohne dich.“
Sie umarmte ihre Freundin und drückte sie fest an sich. Diese ließ sich das gern gefallen. Als sie sich wieder freigemacht hatte, wies sie mit der Rechten auf das Ölgemälde über dem Bett: „Aber du bist doch gar nicht allein, du hast doch Raphael.“
Kate folgte ihrem Blick und lachte: „Wie recht du doch hast, meine Liebe. Raphael wird mir ein wunderbarer Gesprächspartner sein. Er hört gut zu, ohne dazwischenzureden. Vor allem aber hat er keine Zukunftspläne, die mich erschrecken.“
Nun lachten sie beide.
Ein Gönner von Mrs Cliffords Institut war vor Jahren nicht nur nach Rom gereist, er hatte dort auch die Gemälde in Kirchen, Villen und Museen studiert. Und schließlich in einem Anfall von Selbstüberschätzung einige davon mit Ölfarben nachgemalt. Diese Kunstwerke zierten nun die Schlafräume der Mädchen. So bekam Mrs Clifford sie nur selten zu Gesicht und konnte dem Gönner trotzdem ehrlich versichern, sie habe alle seine Werke im Haus aufgehängt. Womit es ihr auch noch gelang, diesen zu jährlich wiederkehrenden finanziellen Zuwendungen zu bewegen. Über dem Bett, das Kate und Vivian sich teilten, hing eine Kopie von Tobias und der Erzengel Raphael des Malers Giovanni Girolamo Savoldo. Eine wahrlich wenig gelungene Interpretation allerdings. Mit einem ernst dreinblickenden Erzengel mit dunklem Haar, schwarzen Augen und buschigen Augenbrauen.
„Du wirst sehen, das Jahr geht schneller vorüber, als du denkst“, versuchte Vivian Kate noch weiter aufzumuntern. „Und dann kommst auch du nach London. Vielleicht bin ich da ja dann schon verheiratet, führe ein großes Haus und kann dir helfen, deinen Traumprinzen zu finden.“
„Das wäre schön“, antwortete ihre Freundin sehnsuchtsvoll. „Wobei ich mir nicht sicher bin, ob wir uns je darauf einigen werden, wer der passende Gatte für mich sein könnte. Ich werde nämlich vor allem nach einem Gentleman Ausschau halten, der mich liebt und der mir Geborgenheit und Schutz bietet, und nicht nach einem, der mit mir die Weltordnung auf den Kopf stellen möchte.“
„Ach, vergiss doch die Liebe!“, rief Vivian gerade so, als hätte sie diese schon tausendmal erfahren und ihr gesamtes bisheriges Leben nicht unter den strengen Augen zuerst ihrer Mutter und dann ihrer Lehrerinnen verbracht. „Miss Fellows sagt, Liebe wird überbewertet und ist einer klugen Frau nicht würdig. Gegenseitiger Respekt ist das, worauf man eine gute Ehe aufbaut.“
„Respekt und Liebe müssen sich doch nicht ausschließen“, begehrte Kate auf und bewies damit ihren wachen Verstand. „Beides kannst du auch von einem Mann bekommen, der uns im Alter näher steht. Dazu brauchst du dir keinen Greis zu suchen, der …“
„Ich suche keinen Greis“, unterbrach sie Vivian, „sondern einen Gentleman mit Lebenserfahrung. Miss Fellows sagt, dass junge Männer nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind, ausschließlich Pferde, Saufgelage und den Spieltisch im Kopf haben und sich keinen Deut um die Wünsche und Pläne ihrer Gattinnen scheren.“
„Sicher gibt es auch andere …“, warf Kate ein, die das nicht glauben wollte.
Vivian war viel zu begeistert von Miss Fellows, als dass sie irgendeinen Widerspruch zulassen konnte.
„Ich werde mir einen Gatten um die fünfzig oder sechzig suchen“, sagte sie daher, „der sich die Hörner bereits abgestoßen hat, wie Miss Fellows es nennt. Einen Gatten, mit dem ich über wichtige Dinge des Lebens diskutieren kann, der meine Meinung neben seiner gelten lässt. Der nicht annimmt, um vieles klüger zu sein, nur weil ich eine Frau bin. Natürlich kommt ausschließlich der Träger eines Titels infrage, denn ich möchte, dass er meinen Anliegen im Oberhaus Gehör verschafft …“
„Die Hörner abgestoßen?“ Kate hielt in der Aufgabe inne, Vivians Strümpfe ordentlich zusammenzulegen. „Was mag das wohl bedeuten? Ich habe noch nie einen Mann mit Hörnern gesehen, du etwa?“
Vivian musste zugeben, dass sie auch keine Ahnung hatte, was Miss Fellows genau damit gemeint haben könnte.
„Außerdem sucht ein wahrer Gentleman keine kluge Ehefrau“, ergänzte Kate und fischte die Bürste aus dem Koffer, um sie wieder auf die Kommode zu legen. Schließlich würde Vivian sie vor ihrer Abreise noch mehrfach brauchen.
„Der, den ich finden werde, schon“, erwiderte Vivian mit derselben Sicherheit. „Das ist ein weiterer Grund, warum für mich kein junger Mann infrage kommt. Miss Fellows meint nämlich, dass junge Männer sich dadurch sicherer und selbstbewusster fühlen, dass sie uns Frauen kleinmachen und uns keine Rechte zugestehen wollen. Miss Fellows meint, solche Dandys würden eine Gemahlin nur als Schmuckstück auswählen, um sie ihren Freunden als Trophäe zu präsentieren. Und dann schicken sie sie auf ihre Landsitze und kümmern sich nicht weiter um sie, während sie sich selbst in London oder bei Jagdgesellschaften vergnügen. Ihre Angetrauten fristen auf dem Land ein ödes Dasein, inmitten einer immer größer werdenden Schar von Kindern. Miss Fellows meint …“
„Ja, ich weiß, was Miss Fellows meint“, fuhr Kate dazwischen. Bemüht, das Thema zu wechseln, hob sie ein Paar Reitstiefel hoch: „Möchtest du die tatsächlich mitnehmen? Sie sind so abgetragen, dass es an der Zeit ist, sie durch neue zu ersetzen. Bestimmt gibt es in London einen Schuster, der …“
Vivian war mit einem Satz auf den Beinen und riss ihr die Schuhe aus der Hand: „Das sind meine Glücksstiefel“, rief sie aus und drückte sie an ihre Brust. „Die gebe ich nie und nimmer her. Wenn du wüsstest, auf welch fabelhaften Ausritten die mich schon begleitet haben!“
Kate hatte eine unüberwindbare Angst vor Pferden. Sie war daher bei all diesen fabelhaften Ausritten nicht mit von der Partie gewesen, aber sie kannte die begeisterten Schilderungen darüber.
„Mir sind Äußerlichkeiten so etwas von egal“, setzte Vivian da auch schon fort und erzählte ihr damit nichts Neues. „Sind Lebenserfahrung, ein wacher Verstand, ein gutes Herz und eine umfassende Bildung nicht tausendmal mehr wert als eine hübsche Fassade? Ich jedenfalls interessiere mich dafür, was auf der Welt vor sich geht. Ich will den Dingen nicht nur auf den Grund gehen, ich will sie auch verändern. Glaubst du, dabei würde mir ein hübsches Gesicht helfen …?“
„Aber du hast doch ein hübsches Gesicht“, widersprach ihre Freundin etwas ratlos. „Deine Haut ist makellos weiß, du hast eine hübsche, kleine Nase, und um deine großen blauen Augen beneiden dich die meisten hier.“
„Ich bin rothaarig und damit völlig aus der Mode“, widersprach nun Vivian ihrerseits, und es hatte nicht den Anschein, als würde ihr das etwas ausmachen. „Falls Rothaarig überhaupt je in Mode war, woran ich mich nicht erinnern kann. Und ich habe Sommersprossen.“
„Du bist nicht rothaarig, deine Locken haben einen Schimmer wie frische Kastanien im Herbst“, stellte Kate richtig und bewies damit unverkennbar ihr Faible für Poesie. „Aber lenke nicht ab. Deine Reitstiefel sind abgetragen und unbrauchbar geworden, da kannst du mir erzählen, was du willst.“
„Reden wir doch nicht stundenlang über Stiefel.“ Vivian drückte die schmutzigen Schuhe noch enger an ihre Brust. „Reden wir darüber, wie ungerecht es ist, dass wir Frauen keinen Sitz im House of Lords einnehmen können. Wir sind schließlich auch adelig.“
Sittenstrenge Personen, die Lady Vivian Barnett nicht kannten, hätten ob dieser unglaublichen Worte wohl die Nase gerümpft, doch Kate waren die Ansichten ihrer Freundin nur zu vertraut.
„Das liegt wohl daran, dass wir keine Lords sind. Sobald es ein House of Ladies gibt, kannst du dich ja um einen Sitz bewerben.“
Dann lachten sie beide. Ein House of Ladies? So etwas würde es wohl nie geben. Was sollte es auch bewirken?
„Wie dem auch sei, in jedem Fall empfahl mir Miss Fellows, nach einem freundlichen, klugen, älteren Mann Ausschau zu halten. Sie meinte, so einen würde ich am besten an den Augen erkennen. An gütigen Augen mit kleinen Fältchen drum herum.“
„Iiiih!“, rief Kate und schüttelte sich, als wäre ihr eine Spinne zu nahe gekommen oder, in ihrem Fall, wohl eher ein Pferd. „Falten um die Augen hat der Vater meiner Mama auch. Planst du allen Ernstes, dich mit einem Großvater zu vermählen, Vivi?“
„Warum denn nicht?“, fragte Vivian, die sich das insgeheim ebenso wenig vorstellen konnte. Allerdings konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen, verheiratet zu sein. Und einem Mann zu gestatten, so nahe an sie heranzutreten, dass sie sich küssen konnten, das konnte sie sich am allerwenigsten vorstellen. Wenn sie das Küssen doch bloß vorher mit irgendjemandem üben könnte! Um sicherzustellen, dass nicht alles in einer Blamage endete, wenn es mit dem richtigen Verehrer tatsächlich ernst wurde. Doch das waren so intime Gedanken, die wollte sie nicht einmal mit ihrer Freundin teilen.
„Das, was ich plane, scheint mir ein fairer Tausch zu sein“, sagte sie daher. „Ich schenke dem Gentleman einen Erben und er schenkt mir die Meinungsfreiheit, die mir als unverheiratete Frau nicht zusteht. Und kämpft mit mir Seite an Seite, um mehr Rechte für junge adelige Frauen und um deren Ausbildung. Weißt du …“
„Um deren Ausbildung?“ Kate war von ihrer Freundin so manches gewöhnt, aber jetzt war sie wirklich sprachlos. „Was soll denn nun schon wieder an der Ausbildung bei Mrs Clifford auszusetzen sein?“
„Gar nichts“, beeilte sich Vivian zu versichern. „Wir bekommen hier sicher die beste Unterweisung, die es für junge Ladys geben kann. Doch dieses Institut ist kostspielig. Was ist mit all den adeligen Mädchen, deren Eltern sich keine so teure Ausbildungsstätte leisten können? Vergiss nicht, beinahe hätte mich das Schicksal ereilt. Hätte Frederica nicht den Earl of Derryhill geheiratet … Mama hätte nach Papas Tod das Schulgeld niemals aufbringen können.“
Die Erwähnung ihrer Schwester brachte sie zum Anfang des Gesprächs zurück. Zu Mutmaßungen, was diese davon abgehalten haben mochte, ihr Versprechen, sie persönlich abzuholen, einzuhalten, und zu innigen Verwünschungen darüber, dass ausgerechnet Miss Goodhew als Ersatz ausgewählt worden war.
„Wurde schon festgelegt, wo ihr die erste Nacht auf eurer Reise verbringen werdet?“, wollte Kate wissen.
„Derryhill hat an vielen wichtigen Poststationen Pferde eingestellt. So auch im Crown and Feathers in Marlborough. Ich denke, dort werden wir die erste Etappe beenden.“
Vivian stand auf, um ihrer Freundin zu helfen. Kate war auf einen Stuhl gestiegen, um die beiden Hutschachteln zu holen, die auf dem breiten Schrank gelagert worden waren. Sie nahm die zartrosa Boxen entgegen und blies den Staub von den Deckeln. Kate, die gegen so ein Vorgehen normalerweise lautstark protestiert hätte, war abgelenkt. „Marlborough?“, wiederholte sie. „Ist das nicht viel zu weit entfernt für eine Tagesreise?“
„Aber nein, mein Bruder Bertram und ich sind die Strecke hin- und zurückgeritten, als er mich letzten Herbst besuchte. An einem einzigen Tag.“
Bertram, der Viscount of Panswick, war der drittälteste der Geschwister Barnett und knappe drei Jahre älter als Vivian. Im letzten Herbst war er aus heiterem Himmel hier aufgekreuzt, um eine Woche in ihrer Nähe zu verbringen. Er litt an Liebeskummer, über den er nicht sprechen wollte, und er wusste, dass sie nicht in ihn dringen würde. Ihm tat Vivians heitere Art gut und sie genoss die waghalsigen Ausritte an seiner Seite. Wann bekam man als unverheiratetes Mädchen dazu schon die Gelegenheit?
„Ein Ritt querfeldein geht natürlich schneller, doch mit der Kutsche seid ihr an die Poststraße gebunden“, wandte Kate ein und zuckte zusammen, als Vivian die Stiefel achtlos auf den Holzboden fallen ließ, wo sie mit einem lauten Knall landeten. Dann wurde sie stürmisch von hinten umarmt und ihre Freundin rief: „Du bist die Beste!“
Kate war alarmiert. Dieses versonnene Lächeln auf Vivians Gesicht kannte sie. Es bedeutete selten etwas Gutes.
„Was ist denn los?“, fragte sie und es klang beunruhigt. „Was führst du denn nun schon wieder im Schilde?“
„Ach, ich führe doch nie etwas im Schilde“, antwortete Vivian, bemüht, ihrer Stimme einen harmlosen Klang zu geben. „Den hohen Reithut brauchst du nicht zu verstauen, den werde ich auf meiner Reise brauchen.“
Mit diesen Worten drehte sie sich um und warf ihrem Spiegelbild einen verschwörerischen Blick zu. Sie hatte soeben einen abenteuerlichen Plan gefasst. Zu abenteuerlich, um ihn ihrer vernünftigen Freundin zu enthüllen. Hoffentlich würde Kate nicht weiter darauf bestehen. Zu ihrem Glück steckten in diesem Augenblick zwei Mitschülerinnen den Kopf zur Tür herein: „Wir haben gehört, dass du abreist, Vivian, und sind gekommen, um uns von dir zu verabschieden.“