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Kapitel 2

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Mrs Cliffords Institut für Höhere Töchter, östlich von Bath, in der Grafschaft Somerset Ende März 1814

„Was soll denn das heißen, Freddy kommt nicht? Sie hatte doch geschrieben, sie würde mich abholen, damit wir gemeinsam zur Hochzeit unserer Schwester Penelope nach Lancroft Abbey reisen können.“

Vivian Barnett, die junge Lady, die diese empörten Worte ausstieß, war vor wenigen Tagen achtzehn Jahre alt geworden. Sie trug ihre rotbraunen Haare zu einem festen Knoten gedreht und am Hinterkopf aufgesteckt, so wie es die Schulordnung vorschrieb. Doch sie war viel zu temperamentvoll, als dass sich nicht längst ein paar Locken gelöst hätten und sich an den Schläfen und im Nacken kringelten. Das schlichte dunkelblaue Kleid ohne jede Spitze oder Verzierung wies sie als Schülerin des Instituts aus. Die Tatsache, dass sie eine Geige in der Linken hielt, zeigte, dass man sie aus dem Musikunterricht geholt hatte, als die Schulleiterin nach ihr rufen ließ. Das Instrument hielt sie jedoch nicht davon ab, lebhaft zu gestikulieren.

Mrs Clifford thronte hinter ihrem wuchtigen Schreibtisch, eine große, korpulente Gestalt mit einer riesigen blassblauen Haube auf den grau-weiß melierten Haaren. Neben ihr wirkte Miss Goodhew, die Kunstlehrerin, die in ihrem Schatten Aufstellung genommen hatte, noch um einiges schmaler als sonst. Sie knetete ihre Finger und kicherte nervös. Dem schenkte keine der beiden anderen auch nur die geringste Beachtung, denn Miss Goodhew kicherte stets nervös. Wenn sie nicht gerade sprach. Und sie sprach gern und viel. Doch in diesem Augenblick schwieg sie und überließ ihrer Vorgesetzten das Wort.

„Lady Panswick, also Ihre verehrte Frau Mama, hat uns mitgeteilt, dass Ihre Schwester Frederica, die Countess of Derryhill, unpässlich sei. Es besteht kein Grund, darüber in Empörung auszubrechen, denn …“ Weiter kam sie nicht.

„Unpässlich?“, unterbrach Vivian sie mit sichtlichem Unglauben. „Unpässlich? Was soll denn das schon wieder heißen? Freddy hat doch eine Rossnatur. Die ist nie unpässlich, es sei denn, sie wäre mit dem Gesicht voran ins Efeu gestürzt. Sie ist doch nicht etwa wirklich ins Efeu gefallen, oder, Mrs Clifford?“

„Davon ist mir nichts bekannt“, erwiderte die Schulleiterin indigniert und warf einen tadelnden Blick zu der hochgewachsenen, dürren Gestalt neben sich, die noch stärker zu kichern begonnen hatte. Dann wies sie ihre Schülerin zurecht: „Es ist völlig fehl am Platze, bei einer Dame von einer Rossnatur zu sprechen, Lady Vivian“, sagte sie streng. „Diener haben Rossnaturen. Bauern sicherlich auch. Aber eine Lady, und mehr noch eine Countess, ist von jener zarten Konstitution, die ihr ihrem Rang nach zusteht.“

Vivian staunte nicht schlecht. Es war ihr noch nie aufgefallen, dass man den Schülerinnen hier im Institut eine zarte Konstitution zugebilligt hätte. Dabei waren sie doch allesamt Töchter aus den besten Häusern.

„Tatsache ist“, fuhr Mrs Clifford fort, „dass die Kutsche heute leer eingetroffen ist und die Viscountess gebeten hat, Ihnen eine Lehrerin als Duenna für die Heimreise zur Verfügung zu stellen. Miss Goodhew hat sich freundlicherweise bereit erklärt, Sie zu begleiten. Ich hoffe, Sie wissen dieses Entgegenkommen zu schätzen“, fügte sie noch hinzu, als der fassungslose Gesichtsausdruck ihres Gegenübers Widerspruch erahnen ließ.

Die Kunstlehrerin wiederum nickte begeistert und hörte zu kichern auf. Denn nun sprach sie: „Ist das nicht ein Abenteuer, meine teure Lady Vivian? Vier Tage in einer Kutsche. Was sage ich: in einer Kutsche? Nein, das ist keine gewöhnliche Kutsche. Ich habe das Gefährt von meinem Zimmer aus gesehen. Ihre verehrte Mutter war so überaus großzügig, uns ihren Reiselandauer zur Verfügung zu stellen. Sicher ist er mit allem Komfort ausgestattet und die Federung butterweich, nicht so wie die derben Holzkarren, die wir hier in unserem … äh … ich will damit sagen, es wird eine wunderbare Reise werden. Wir werden jede Menge Spaß haben, wir beide, nicht wahr?“

Sie sah Vivian erwartungsvoll und gleichzeitig flehentlich an.

Vier Tage mit dieser Schnatterliese eingesperrt auf engstem Raum?, dachte diese jedoch entsetzt. Das überlebe ich nicht. Es musste eine andere Lösung geben, und sie brauchte auch nur einige Augenblicke, um zu wissen, welche.

„Was ist mit Miss Fellows?“, dämpfte sie die Vorfreude der vorgesehenen Anstandsdame, indem sie stattdessen ihre Lieblingslehrerin ins Spiel brachte. Nämlich die Frau, der sie nicht nur geschichtliches Wissen, sondern eine breite Palette an Lebensweisheiten verdankte. Mit der es sich so vortrefflich diskutieren ließ. Die, die sie gelehrt hatte, eine Meinung zu haben. Und sie auch immer und immer wieder ermutigte, diese auch zu vertreten. In Begleitung von Miss Fellows würden die vier Reisetage nicht nur wie im Flug vergehen, sie würden auch äußerst angenehm und unterhaltsam sein.

„Also, ich muss doch sehr bitten …“ Mrs Clifford kniff ihre dünnen Lippen zusammen und mahlte mit den Backenzähnen.

„Ich habe noch einige Fragen zur Geschichte unseres Königreichs, müssen Sie wissen, Mrs Clifford“, setzte Vivian rasch hinzu, in der Hoffnung, die Schulleiterin mit Wissbegierde zu überzeugen. „Miss Fellows könnte den Unterricht auf der Reise fortsetzen …“

Miss Goodhew war blass geworden und hatte so stark zu kichern begonnen, dass sie davon Schluckauf bekam. Der Blick, den ihr ihre Vorgesetzte zuwarf, hätte vernichtender nicht sein können.

„Es ist entschieden, Lady Vivian“, fuhr sie stattdessen ihre Schülerin an. „Die Geschichtslehrerin ist unabkömmlich.“ Sie hob energisch die Hand. „Ich will keine Widerworte hören. Und nun hinauf mit Ihnen in Ihre Kemenate! Packen Sie Ihre Koffer. Morgen nach dem Frühstück geht die Reise los. Nutzen Sie den heutigen Abend, um sich von Ihren Mitschülerinnen zu verabschieden.“

Die stürmische Braut

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