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Kapitel 7

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Dann war Sebastian fort. Mit vielen guten Wünschen und nach innigen Umarmungen ritt er die lange Auffahrt hinunter, um dann am verwaisten Pförtnerhaus auf die Poststraße Richtung Beaconsfield einzubiegen. Kurz darauf machte sich Mrs Allington auf den Weg zu ihrer Schwester, um ihr die freudige Nachricht zu verkünden, dass nicht nur sie selbst, sondern auch die junge Lady Amabel für einige Monate bei ihr einzuziehen gedachte. Wie immer kutschierte Jack den altersschwachen Gig und sie klammerte sich auf der Ladefläche an Körbe und Taschen, in die sie diesmal allerdings nicht nur Obst und Gemüse aus dem Glashaus gepackt hatte, sondern auch die ersten ihrer Habseligkeiten. Inzwischen war sie bereits wieder auf dem Heimweg. Maud hatte sich überglücklich darüber gezeigt, dass, wie sie es ausdrückte, das Leben nicht ganz aus ihrem Heim verschwinden würde.

Mrs Allington lehnte sich im Gig zurück und lächelte zufrieden. Nichte Prudence hatte gleich zwei Zusagen auf die Bewerbungen als Kindermädchen erhalten und sich für die Stelle bei vier kleinen Mädchen entschieden. In einem liebenswürdigen Brief hatte man ihr versichert, wie sehr man sich auf ihr Kommen freute und dass man ihr einen eigenen Raum Tür an Tür mit dem Kinderzimmer eingerichtet habe. Da das Anwesen zudem im nahen Winchmore Hill lag, konnte Prudence zu Recht darauf hoffen, in freien Stunden ihrer Mutter dann und wann einen Besuch abstatten zu können. Der Bote, der die freudige Nachricht übermittelt hatte, wurde ohne zu zögern mit einer Zusage nach Hause geschickt.

Wie war es doch oft im Leben? Verpasste man eine Chance, kam so schnell keine zweite. Ergriff man jedoch die erste, stand schon die zweite auf der Schwelle. So war es auch in diesem Fall. Kaum hatte der Bote den Heimweg angetreten, da kam auch schon der Postillion mit dem Schreiben einer anderen Lady, diesmal aus Chelmsford in Essex. Man habe sich für sie entschieden, stand darin geschrieben, und der Majordomus würde sich höchstpersönlich nach Beaconsfield bemühen, um sie abzuholen. Als Datum wurde der kommende Freitag, nämlich der Vormittag des 15. Mai 1812 festgelegt. Für eine Absage war es zu spät. Da Prudence bereits am Donnerstag abgeholt werden würde, würde es ihrer Tante überlassen bleiben, den Mann zu empfangen und von der Änderung seiner Pläne in Kenntnis zu setzen. Das Lächeln der Haushälterin vertiefte sich. Es überraschte sie, dass sie sich um den jungen Marquess nicht größere Sorgen machte, doch sie war zuversichtlich, dass er die kommenden Monate gut überstehen würde.

Wer weiß, ging es ihr durch den Kopf, vielleicht tut ihm das Abenteuer sogar gut und festigt seine Persönlichkeit.

Er würde erst einundzwanzig Jahre alt sein, wenn er all seine Pflichten als Herr über weitläufige Ländereien übernahm. Ländereien, die seit dem Tod des Vaters enorm gelitten hatten. Es würde eine reife Persönlichkeit brauchen, wollte er das Vertrauen der Pächter gewinnen und sich ihren Respekt verdienen. Ihr nächster Gedanke galt Maud. Prudence würde es durch die gute Stelle schaffen, die Kranke finanziell zu unterstützen. Und sie selbst konnte sich endlich persönlich um deren Bedürfnisse kümmern. Alles schien sich zum Guten zu wenden, allein um Amabel machte sie sich Sorgen. Wie sollte sie die lebhafte junge Dame acht Monate lang in einem kleinen Hinterzimmer verstecken können?

»Da wären wir wieder, Tante Alli«, unterbrach Jack ihre Gedanken und zog mit dem Gig eine Schleife über den Vorplatz.

»Oh, das ist aber schnell gegangen!« Mrs Allington fuhr aus ihren Gedanken auf, sah sich erstaunt um und erkannte, dass sie tatsächlich bereits vor dem großen Haustor standen. Nun, da sie offiziell als Tante der Herrschaft galt, stand ihr der Kücheneingang nicht mehr zur Verfügung. »Kannst du bitte das Tor für mich aufsperren, bevor du den alten Gaul versorgst?«

Jack nickte, half ihr vom Wagen und schnappte sich einen der Körbe. Dann lief er voran und zog dabei den Schlüssel aus der Hosentasche.

»Willkommen zu Hause, Eure Ladyschaft!«

Grinsend hielt er die schwere dunkelgrüne Tür für sie auf. In diesem Augenblick brachte ein lautes Trommeln von Fäusten gegen eine Zimmertür sein Lächeln wieder zum Verschwinden. Er starrte zuerst die Haushälterin an und dann blickten sie beide Seite an Seite in das obere Geschoss hinauf. Abermals knallte eine Faust gegen die Zimmertür.

»Mach sofort auf, du dummes Ding!«, forderte eine männliche Stimme. »Ich habe es mit Freundlichkeit versucht, aber ich kann auch anders. Ich werde dir schon noch zeigen, wer von uns beiden das Sagen hat!« Ein weiterer Faustschlag war zu hören und noch einer, gefolgt von einem Schmerzensschrei, der ohne Zweifel, genauso wie das Gebrüll, von Mr Tuckenhay stammte. »So mach doch auf! Biiiiiitte!« Anscheinend erschien es ihm nun aussichtsreicher, sich vom Fordern auf ein jämmerliches Flehen zu verlegen. »Heiraten musst du doch ohnehin, das hat Edi, also dein Onkel, längst beschlossen. Warum denn dann nicht mich?«

Jack erwachte aus seiner Schockstarre.

»Na, warte, Bursche«, murmelte er und wollte eben die Treppe hochstürzen, als ihn ein fester Griff zurückhielt.

»Warte einen Augenblick«, flüsterte Mrs Allington ihm zu. »Ich möchte hören, was er sonst noch zu sagen hat.«

»Er will dich zur Ehe mit einem der Steward-Brüder zwingen«, fuhr Mr Tuckenhay da auch schon fort. Aus seiner Stimme war unschwer zu erkennen, dass er bereits jetzt, am frühen Nachmittag, ausgiebig dem Alkohol zugesprochen hatte. Er ließ ein wieherndes Lachen hören. »Ausgerechnet einen von denen. Beide sind ein Ausbund an Hässlichkeit und stinken, dass es niemand in ihrer Nähe aushält. Ihre dreckige Hundemeute ist ihnen lieber als jeder Mitmensch. Die einzige Person, die sie lieben, ist der eigene Bruder. Heiratest du einen, heiratest du beide. Das kannst du doch nicht wollen. Oder? Oder? Willst du das?« Als er keine Antwort bekam, begann er abermals gegen die Zimmertür zu trommeln. »Mach auf, ich kann dich retten. Ich bin der Einzige, der dich retten kann.«

»Nein, das bist du nicht«, knurrte Jack und Mrs Allington sah keinen Grund mehr, seinem Oberarm nicht loszulassen. Mit weit ausholenden Schritten, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, stürmte er ins obere Geschoss und fand Mr Tuckenhay, wie erwartet, vor Amabels Zimmertür vor. Ihn am Kragen zu packen, mit festem Griff von dort wegzuziehen und das Ganze mit einem Faustschlag zu krönen, war eins. Tuckenhay sank wimmernd auf die Knie und hielt sich die Hand gegen die blutende Nase.

»Lass gefälligst unsere Herrin in Ruhe!«, fauchte Jack ihn an und schüttelte seinen rechten Arm aus, um die Faust gleich wieder zu ballen. »Wenn du ihr noch einmal zu nahekommst, dann weißt du, was dich erwartet.«

»Ich weiß vor allem, was dich erwartet, Bürschchen«, antwortete Tuckenhay und nestelte ein Taschentuch aus seiner Hose, um es sich an die Nase zu drücken. »So weit kommt es noch, dass ein dahergelaufener Rotzlöffel ungestraft davonkommt, wenn er einen Gentleman niederschlägt. Ich werde behaupten, du hättest mich berauben wollen, dann landest du am Strick!«

»Das werden Sie nicht tun«, sagte eine strenge Stimme. Die beiden Männer fuhren herum und sahen Mrs Allington den Flur entlangschreiten.

Sie sieht wahrhaftig wie die Lady aus, die sie zu sein vorgibt, dachte Jack beeindruckt und grinste erleichtert. Die Worte des unangenehmen Besuchers hatten ihm doch im ersten Moment einen ordentlichen Schrecken eingejagt. Dass Dienstboten draußen in der Welt keinerlei Rechte hatten, das wusste er nur zu gut von den Erzählungen der Kollegen am Stammtisch im Lion & Heart.

»Sie wollen mich aufhalten?«, erkundigte sich Tuckenhay spöttisch, rappelte sich hoch und begutachtete das blutige Taschentuch. Dass er ihren Blick mied, zeigte allerdings, dass er sich nicht ganz so selbstsicher fühlte, wie er zu sein vorgab.

»Ich will nicht nur, ich werde Sie aufhalten«, lautete die in kühlem Ton vorgebrachte Antwort. »Sollten Sie sich noch einmal meiner Nichte nähern, werde ich Mr Prestwood davon in Kenntnis setzen. Was meinen Sie, wie er darauf reagieren wird, wenn er erfährt, dass Sie vorhaben, seine Pläne zu durchkreuzen?«

»Das wagen Sie nicht …!«, rief Tuckenhay aus und hätte wohl noch mehr gesagt, hätte ihn nicht ein eisiger Blick zum Schweigen gebracht.

»Diese Unterredung ist beendet«, verabschiedete ihn Mrs Allington ungerührt und fügte, vom sicheren Wissen, dass sie und Amabel das Haus verlassen würden, mutig hinzu: »Ich bin sicher, Sie wollen sich nun ausruhen. Jack wird Ihnen das Abendessen aufs Zimmer servieren.«

Mr Tuckenhay rauschte mit gemurmelten Flüchen an ihr vorbei, um sich dann demonstrativ ins untere Geschoss zu begeben. Einerseits, um Mrs Allington zu beweisen, dass er sich von ihr nichts befehlen ließ, andererseits um sich in der Bibliothek einige weitere Gläser Hochprozentiges zu Gemüte zu führen. Die Haushälterin beachtete ihn nicht weiter. Sie klopfte an Amabels Zimmertür und sagte mit beruhigender Stimme: »Das Scheusal ist weg. Sie können herauskommen, meine Liebe! Es ist Zeit, die Koffer zu packen.«

Die skandalöse Verwechslung

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