Читать книгу The Rolling Stones - Stanley Booth - Страница 16

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She said: „Daddy, this old World Boogie

Gone take me to my grave

Gone take me to my grave.“

Bukka White: „World Boogie“

schon vor zehn Uhr morgens saß ich mit dem Rücken zum majestäti­schen Panorama von Los Angeles im Wohnzimmer und redete über ein beiges Telefon mit dem Mitarbeiter einer Reiseagentur, der mir mitteilte, dass Jack Kerouacs Begräbnis nur per Taxi oder Leihwagen von Boston aus zu erreichen sei. Dafür war keine Zeit, aber da ich den Brief aufge­geben hatte und die Stones laut Sandison planten, die nächste Woche im Studio zu verbringen und „Let It Bleed“ fertigzustellen, konnte ich heim­fahren und versuchen, mich auf die Tournee vorzubereiten.

Nach einem Einkaufstag – eine Lederjacke, eine Unze Gras – fuhr ich mit Chip Monck und Jan Stewart, die unterwegs waren, um die Halle zu inspizieren, in der die Stones in Chicago auftreten sollten, zum Flughafen. Die beiden waren ein kurioses Paar: Stu mit seinem ordentlichen schwar­zen Haar, hinten und an den Seiten kurz geschnitten und in Khakikosen, Golf-Shirt und Hush Puppies – dazu als Kontrast Monck in seiner kali­fornischen Cowboyausrüstung mit roten Wildlederhosen. Monck war wie­der im Sitzen eingeschlafen. Er war der einzige Mensch, den ich kannte, dem es gelang, beim Einschlafen überheblich zu wirken.

Ich fragte Stu, der den Wagen lenkte, ob die Stones für die Tour ein Flug­zeug chartern würden. Stu sagte, das wisse noch niemand, es sei aber vielleicht keine schlechte Idee; Keith hatte Flugverbot bei Alitalia, „weil er von Rom bis London in der Toilette blieb und es mit der verrückten Anita getrieben hat“.

Um elf Uhr abends flog ich mit einem Flugzeug voller müder alter Leute, die vom Urlaub in Singapur zurückkamen und sehr still waren, nach Memphis. Christopher erwartete mich am Ausgang. Es ist schon vor­gekommen, dass Leute sie fragten, ob sie ein Kind oder eine Erwachsene ist. Christopher ist einen Meter fünfzig groß, aber – wie Hermia in Sha­kespeares „Sommernachtstraum“ – „mag sie auch nur klein sein, ist sie doch ungestüm und wild“.

Christopher arbeitete an diesem Tag, mit Maschinen und Menschen redend, von drei Uhr bis Mitternacht für Omega Airlines und ihre Augen, die sich wie das Meer verändern, schauten müde und rot aus. Als ich Christopher, die Großenkelin des Kapitäns eines Mississippidampfers, ken­nenlernte, war das Familienvermögen zerronnen und sie lebte mit ihrer Mutter wie verkrachte russische Fürstinnen in einem staatlichen Wohnbauprojekt in Memphis. Ihre Eltern hatten sich, bevor sie zur Welt ge­kommen war, getrennt und sie kannte ihren Vater nicht. Seit Christopher ein kleines Mädchen gewesen war, hatten sie in der Siedlung logiert. Ihre Mutter, weder ihrer Erziehung noch ihrer Neigung nach für niedere Dien­ste geschaffen, hat weder gekocht noch aufgeräumt. Sie aßen in einem Lokal namens „Mae’s Grill“ oder andernfalls Sandwiches und Wiener Würstchen zu Hause. Als sie sehr jung war, ging Christopher in eine pri­vate Tagesschule. Eines Tages – sie war ungefähr fünf – rief ihr Vater in der Schule an und sagte Christopher, er werde sie jetzt holen kommen. Er kam dann doch nie, aber er hatte sie in Furcht versetzt.

Christopher wuchs, was Männer anbelangt, in vollkommener Ahnungslosigkeit auf. In Büchern sah sie Fotos von römischen Statuen mit Feigenblättern und dachte, dass Männer so beschaffen wären. In der Highschool hatte sie kein einziges Rendezvous, aber sie las Thackeray, Henry James, Jane Austin. Sie wusste damals mehr über das Leben als ich jetzt.

Ich war neunzehn, als ich sie kennenlernte und einen arroganteren jungen Narren hat es nie gegeben. Unbelastet von Bildung und Erfahrung sah ich keinen Grund, warum ich nicht das Niveau von Poe oder Melville erreichen können sollte. (Nicht Mark Twain – ich hatte keinen Schaum vor dem Mund.) Ich war auch ein großartiger und zynischer Liebhaber. Christopher vergab mir.

Fast zehn Jahre waren vergangen. Christopher hatte sich durchs Col­lege gearbeitet und ihre Mutter aus der Sozialwohnung befreit. Sie hatte als Hauslehrerin, am Empfang eines Spitals und als Sekretärin eines Spar- und Kreditinstituts gearbeitet. Ich hatte Karate unterrichtet und für die staatliche Wohlfahrt gearbeitet, war ein Pinkerton-Agent gewesen und hatte von meinen Eltern gelebt und versucht, das Schreiben zu erlernen. Jetzt war ich ein sogenannter Journalist. Christopher hatte für eine Fluglinie ar­beiten wollen, um reisen zu können. Wir waren auch gereist, aber Omega änderte Christophers Arbeitsplan alle paar Wochen, so dass sie selbst dann an Jetlag litt, wenn sie nirgendwo hingekommen war. Wir arbeiteten beide durchgehend, aber das einzige Geld, das wir gespart hatten, waren 2.000 Dollar von der „Saturday Evening Post“, die wir als Rücklage für die Sto­nes-Tournee horteten.

Ich blieb bis zum nächsten Freitag, dem 31. Oktober, in Memphis. Jeden Tag saß ich zu Hause und wartete auf den von meiner Agentur telefonisch in Aussicht gestellten Verlagsvertrag, der aber nicht kam. Es machte mir keinen Spaß, aber ich blieb, vielleicht weil diese Odyssee nur an Halloween beginnen konnte.

Ich wachte spät auf und sauste zum Flughafen, um den Flug nach L. A. zu erreichen. Ich küsste Christopher zweimal, sie fuhr zur Arbeit und ich rannte zum Flugzeug.

Man kann sich an alles gewöhnen und in den Jahren des Schreibens für Magazine hatte ich mich daran gewöhnt, Zeit in den pastellfarbenen Innenräumen von riesigen, feuerspuckenden Jets damit zu verbringen, mich zu betrinken. Diesmal warf ich meine schwarze Reisetasche hin und ließ mich in den Sitz fallen, um Champagner zu trinken, nicht der beste, aber auch nicht schlecht. Im „New Yorker“ las ich über die „World Series“ und ich entwickelte eine starke Sympathie für die New York Mets, die in diesem Jahr vom letzten Platz zum Weltmeister aufgestiegen waren, und für die Stewardess, die laufend mein Glas nachfüllte. Jo hatte mir am Vor­tag telefonisch versichert, dass mich jemand vom Flughafen abholen würde, aber als ich ankam, schaute ich mich um, fand niemanden und rief im Oriole-Haus an. Sandison sagte mir, sie hätten eine Fahrerin namens Mimi losgeschickt und er, Sandison, sei „schmählich abberufen“ worden und müsse nach England zurückkehren. Ich hatte Keith und Mick über Sandison reden gehört und war nicht verwundert, dass er ging. Ich setzte mich hin, um auf Mimi zu warten. Ich hatte vergessen zu fragen, wie ich sie er­kennen würde, aber ich brauchte es nicht zu wissen, da sie nie kam. Nach fast einer Stunde nahm ich ein Taxi.

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