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ZWEITES KAPITEL Blut Ein ganz besonderer Saft

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Das zweite Element, das zur Legitimierung von Ungleichheit herangezogen zu werden pflegt, ist das Blut. In seiner Beschwörung waren sich bis auf wenige Ausnahmen (etwa: Lagarde) die meisten Ideologen der Rechten einig, von den ästhetischen und nationalreligiösen Fundamentalisten über die Völkischen bis hin zu Neoaristokraten, alten und neuen Nationalisten und planetarischen Imperialisten.1 „Der letzte menschliche Grund, auf den wir allen Aufgang oder Untergang menschlich zurückführen müssen“, heißt es bei Moeller van den Bruck, „ist nun einmal das Blut. Geist wird – immer menschlich, nicht metaphysisch gesprochen – aus Blut erzeugt: und wo das Blut fehlt, da gehen dann aus der Menschheit weder Persönlichkeiten noch Werke hervor. Messen freilich läßt sich dieses Blut nicht: aber es gibt ein viel sichereres Maß: es läßt sich an den Wirkungen erkennen“ (D V, 15).

Die Einigkeit hörte jedoch rasch auf, sobald es an die nähere Bestimmung ging, was nun genau unter Blut verstanden werden sollte. Die einen wollten darin mehr eine biologisch-stoffliche Qualität sehen, der allerdings im Sinne der Lehre vom psycho-physischen Parallelismus gewisse geistig-seelische Eigenschaften entsprechen sollten. Die anderen wollten darunter mehr eine seelische Energie oder Geisteshaltung verstanden wissen und polterten mächtig gegen den ‘Materialismus des Blutes’ und die damit verbundenen ‘zoologischen’ Implikationen – ohne sich allerdings hierdurch davon abhalten zu lassen, das Blut im durchaus stofflichen Sinn für die Weitervererbung der erworbenen Eigenschaften in Anspruch zu nehmen (Lepsius 1994, 70ff.).

Zur Kontroverse darüber, ob das Blut ein Stoff war, dem bestimmte nichtstoffliche Eigenschaften zukamen, oder etwas Nichtstoffliches, das sich im Stoff materialisierte, kam ein weiterer Gegensatz, der die Rechte spaltete: Der Gegensatz zwischen denen, die auf qualitative Unterschiede im Blut rekurrierten, um damit bestimmte Stratifikationsmuster zu legitimieren, die u.U. nations- bzw. staatsübergreifend sein konnten (Blut im Sinne von Rasse), und denen, die das Blut vor allem heranzogen, um Kategorien wie Nation oder Volk aufzuladen, die also das meinten, was Ferdinand Tönnies den „Blutbegriff Volk“ genannt hat (Tönnies 2000, 375). Beide Deutungsmuster, das hat Hannah Arendt richtig erkannt, standen in Deutschland in enger Wechselbeziehung (Arendt 1975, II, 78ff.). Eine eindeutige und dauerhafte Fusion gingen sie indes, entgegen der Auffassung Arendts, nicht ein. Das soll in diesem Kapitel anhand der Schicksale verfolgt werden, die der Rassenbegriff in Deutschland hatte. Im nächsten Kapitel wird das Spannungsverhältnis dann aus umgekehrter Perspektive, vom Nationsverständnis aus, in den Blick genommen. Da der Nationalsozialismus zu den Rassenlehren kaum etwas Eigenständiges beigetragen, vielmehr schon Vorhandenes übernommen und auf eklektische Weise mit nationalistischen Motiven kombiniert hat, wird er ebenfalls erst im nächsten Kapitel zu behandeln sein.

Ordnungen der Ungleichheit – die deutsche Rechte im Widerstreit ihrer Ideen 1871 – 1945

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