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Inspektion und Ganganalyse
ОглавлениеNach der Anamnese nehme ich immer zunächst die Untersuchung mit den Augen vor, die sogenannte Inspektion. Für eine vollständige Untersuchung von Fuß und Sprunggelenk ist es meiner Einschätzung nach immens wichtig, dass die Patienten beide Füße freimachen und entweder die Hosenbeine über das Kniegelenk krempeln oder noch besser die Hose ganz ausziehen. Eine Untersuchung, bei der nur der „Problemfuß“ mit den Beschwerden entkleidet wird, birgt das Risiko einer Fehlbeurteilung in sich. Eine dünne linke Wade kann isoliert betrachtet beispielsweise durchaus zum Typus eines sehr schlanken Patienten gehören. Ist die Unterschenkelmuskulatur auf der rechten Seite aber deutlich besser ausgeprägt, liegt dem vielleicht eine Nerven- oder Muskelerkrankung am linken Bein zugrunde. Ebenso irreführend kann es sein, wenn der Patient auf der beschwerdefreien Seite sogar noch den Schuh anbehalten darf. Dann erscheint das Bein um die Stärke der Sohle beziehungsweise die Absatzhöhe länger. Zudem nutze ich die einleitende Betrachtung der Schuhe und deren Abnutzungszeichen („Abrieb“) an der Sohle, um dem Gesamtbild der Füße meiner Patienten ein weiteres Mosaiksteinchen hinzuzufügen.
[31 a–d] Zehengang – Fersengang – Fußaußenrandgang – Fußinnenrandgang
Es folgt nun eine knappe orthopädische Orientierung über die Beinachsen und Beinlängen sowie eine kurze Prüfung der Hüft- und Kniegelenke. Hat der Patient bei der Anamnese über relevante Rückenbeschwerden geklagt, nehme ich auch hier eine orientierende Untersuchung vor. Die eigentliche Untersuchung beginnt immer mit der Beobachtung der Füße in „Funktion“. Also bitte ich meine Patienten, nachdem sie sich entkleidet haben, sich vor mich hinzustellen und anschließend barfuß vor mir auf und ab zu gehen.
Veränderungen der Fußkontur und der Hautfarbe wie bei Durchblutungsstörungen oder Entzündungen lassen sich schon im Stand erkennen, ebenso wie Schwellungen und eventuell vorhandene Blutergüsse; von offensichtlichen Fehlstellungen beispielsweise der Zehen einmal ganz abgesehen.
Für die Ganganalyse des Patienten beobachte ich den sogenannten Gangzyklus, also die Zeitspanne zwischen zwei Fersenauftritten desselben Fußes. Der Gangzyklus wird sowohl für das rechte als auch das linke Bein in eine Standphase und eine Schwungphase unterteilt. Die Standphase beginnt mit dem Aufsetzen der Ferse, bevor der Fuß über die gesamte Fläche abgerollt wird. Sie endet schließlich mit dem Abstoßen des Fußes an den Zehen. Dann geht der Zyklus in die Schwungphase über. Diese Phasen überlappen sich, so dass es in jedem Gangzyklus einen Abschnitt gibt, in dem beide Füße gleichzeitig am Boden sind. Dieses Zeitintervall wird Doppelstandphase genannt.
Die Betrachtung und Beobachtung der Füße beim Gehen zeigt erste Auffälligkeiten wie zum Beispiel eine bei Belastung zunehmende Fersenfehlstellung, ein Absinken des Längsgewölbes oder eine Spreizfußverstärkung. Die Schrittlänge sollte rechts und links gleich sein. Ich achte auf Abweichungen vom normalen Gangbild wie beispielsweise ein Hinken oder eine Fehlbelastung des Fußes, etwa die betonte Belastung des Fußaußenrandes bei schmerzhaften Problemen an der Großzehe.
Anschließend prüfe ich noch verschiedene Funktionen und lasse meine Patienten auf den Zehenspitzen und den Fersen mit hochgezogenen Zehen gehen, dann auf dem Fußaußenrand und dem Fußinnenrand.
Nun reiche ich meinen Patienten beide Hände zur Stabilisierung. Ich bitte sie, ein Bein vom Boden abzuheben und sich dann mit dem anderen Bein auf die Zehenspitze hochzudrücken. Schafft mein Patient den einbeinigen aktiven Zehenspitzenstand nicht, ist dies ein klarer Hinweis auf eine Schwäche der Achillessehne – insbesondere dann, wenn ihm der Stand auf der Gegenseite problemlos gelingt. Hierfür gibt es eine ganze Reihe möglicher Ursachen, an die ich nun bei der weiteren Untersuchung denken muss. Nachdem ich mir so einen ersten Eindruck von den Füßen meiner Patienten verschafft habe, bitte ich sie, sich auf der Untersuchungsliege auszustrecken, und setze mich auf meinen Hocker ans Fußende.
[32 a–b] Einbeiniger Zehenspitzenstand: Ausgangs- und Endposition