Читать книгу Gestalttherapie mit Gruppen - Stefan Hahn - Страница 14
Ihnen könnte nichts mehr einfallen
ОглавлениеOftmals haben Teilnehmer zu Beginn einer Gruppe wenig Bewusstheit über ihre Interessen, Bedürfnisse und Befindlichkeit oder sie sind gehemmt, diese offen zu äußern. Es kommt zu keiner Prägnanz von Figurbildung (in Gestaltsprache). Irgendwie fehlt die Energie bei allem, was die Teilnehmer und die Gruppenleitung unternehmen. Es entsteht kein Spannungsbogen, kein müheloser Fluss, es mangelt an Konzentration.
Welche Gestaltmethoden stehen Ihnen zur Verfügung, wenn Sie zu Beginn einer Gruppe im Trüben fischen und es zu keiner klaren Figurbildung kommt? Die Versuchung mag groß sein, eine neue Übung anzuregen, vielleicht eine, die Sie selbst kennen gelernt haben und die Ihnen gut gefiel. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden, aber zurückhaltendes Überprüfen der Gruppensituation ist vorzuschalten.
• Was ist in der Gruppe bisher passiert?
• Was sind die bereits benannten Themen?
• Welche Gefühle, Gedanken und Interesse löst das in Ihnen aus?
• Ist hier etwas offen (ein Bedürfnis, eine Frage, ein Anliegen, ein Konflikt)?
• Spüren Sie eine Anspannung?
• Möchten Sie etwas vertiefen?
• Welche vielleicht nur zaghaften Versuche der Kontaktaufnahme gibt es, die Sie aufgreifen können?
Aus dieser Reflexion des Gruppenprozesses können sich ganz natürlich Interventionen für den Gruppenleiter ergeben, mit denen er sich an einzelne Gruppenmitglieder oder die Gruppe als Ganzes wendet. Diese Interventionen gewinnen ihre überzeugende Einladungskraft aus der klaren Figurbildung. Sie haben genau den Nerv der Gruppe getroffen, wenn jetzt die Energie wieder fließen kann.
Als Gruppenleiter verfolgen Sie dabei ihr persönliches Interesse an den einzelnen Teilnehmern, an den Interaktionen sowie am Gruppenprozess. Handeln Sie aus authentischem Interesse und Anteilnahme, werden Sie Ihre Angst vorübergehend vergessen. Hierbei ist persönliches Interesse nicht mit reiner Neugier zu verwechseln. Ihr Interesse und ihre Anteilnahme dienen der Förderung von Kontakt- und Wahrnehmungsfähigkeiten der Gruppenmitglieder und sind hierfür unabdingbare Voraussetzung.
Natürlich können Ihr Interesse und Ihre Anteilnahme auch auf Ablehnung bei den Teilnehmern stoßen. Dies ist sogar häufig der Fall. Nur selten geschieht diese Ablehnung jedoch offen und direkt, oftmals nicht einmal bewusst. Die Art und Weise, wie Gruppenteilnehmer sich dem Interesse und der Anteilnahme des Gruppenleiters verschließen, sind so zahlreich wie es Teilnehmer gibt. Wichtig für Sie ist, es zu erkennen, innezuhalten und nachzuspüren, welche Gefühle und Impulse dies in Ihnen auslöst.
Eines dieser Gefühle mag ein altvertrautes sein: Angst. Angst, in der Gruppenöffentlichkeit als inkompetent zu erscheinen und das beschämende Gefühl ertragen zu müssen, abgeblitzt zu sein. Angst davor, von allen anderen mit Ihrem Interesse abgewiesen zu werden.
Vielleicht nehmen Sie Ihre Angst hauptsächlich als Herausforderung wahr: »Dem werde ich es zeigen, ich lasse mich doch nicht so einfach abweisen, schließlich meine ich es doch gut.« Oder Sie ziehen sich gekränkt zurück und erleben die Abweisung als Niederlage.
Je nach persönlicher Toleranz für diese Unsicherheit im Kontakt mit den Gruppenteilnehmern, ziehen Sie es jetzt vielleicht doch vor, noch eine Übung zu machen. So können Sie wenigstens für sich sorgen und wieder etwas Verdauungspause und sicheren Abstand von der Gruppe gewinnen.
In den Kapiteln »Der therapeutische Prozess« und »Interventionsmöglichkeiten bei Kontaktunterbrechungen im Gruppengeschehen« gehe ich näher darauf ein, welche vielseitigen Möglichkeiten es noch gibt, mit dieser Form von Widerstand anders umzugehen.