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Die Kultivierung des inneren Supervisors

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Wie kultiviert man nun diesen inneren Supervisor? Was braucht er, um zu wachsen und zu gedeihen? Ich habe oben von kritischer Selbstreflexion geschrieben. Es ist wichtig, hier das richtige Maß zu finden. Letztendlich soll der innere Supervisor ja eine unterstützende, wohlwollende Instanz sein, nicht eine uns feindlich gesonnene. Ist die kritische Selbstreflexion zu harsch, unterminieren wir unser Selbstvertrauen, schüchtern uns selbst ein, paralysieren uns und erzielen eher den gegenteiligen Effekt: eine Lernstörung. Angst ist kein guter Lehrmeister.

Sind wir mit unserer kritischen Selbstreflexion zu lasch, zu selbstgefällig, sind immer die anderen schuld. Wenn die Gruppe schlecht läuft , ist es an der Zeit, sich zu fragen: Wie trage ich als Gruppenleiter selbst dazu bei?

Schon bevor ich in eine neue Gruppe komme, ist mein innerer Supervisor aktiviert. Ich nehme meine eigene Befindlichkeit, Phantasien, Erwartungen und Befürchtungen wahr, hege vage Vermutungen über die Gruppenteilnehmer und bin mit einem flexiblen Plan und Strukturvorschlag ausgestattet (siehe zum Beispiel im vorigen Kapitel: »Wir fangen an«).

Für eine kritische Selbstreflexion brauche ich immer wieder einen inneren Abstand vom Geschehen. Erst dann wird es mir möglich, mich selbstreflexiv ganzheitlich wahrzunehmen, Zeuge des Geschehens zu werden und zu Aussagen auf der Metaebene zu kommen.

Mögliche Fragen, die ich mir zum Beispiel stellen könnte, sind:

• Wie fühle ich mich im Moment in der Gruppe?

• Wie ist mein Atem?

• Was sind meine Körperempfindungen?

• Was habe ich gerade gemacht?

• Welche Wirkung haben einzelne Gruppenmitglieder auf mich?

• Was halte ich zurück?

• Was würde ich jetzt gerne tun?

• Was brauche ich von der Gruppe?

• Fühle ich mich im Kontakt?

• Was ist vorherrschendes Thema?

Darüber hinaus muss ich in der Lage sein, differenziert wahrzunehmen, was in meinem Umfeld passiert, in der Gruppe und in dem Umfeld, in das die Gruppe und ich gemeinsam eingebettet sind.

Erkenntnistheoretisch ist es klar, dass es sich hier nicht um objektive Wahrheiten handeln kann … Alles was ich wahrnehme, ist subjektiv gefärbt und verändert sich durch meine Beobachtung.

Mit diesem Hintergrundwissen lasse ich meine Aufmerksamkeit schweifen. Manches, was in der Gruppe passiert, wird für mich zur Figur und weckt mein Interesse. Anderes erscheint eher nebensächlich und ich entwickele Vermutungen und Phantasien (Projektionen) was die Gruppe als Ganzes, ihre Teilnehmer und die Beziehungen untereinander und zu mir betreffen (siehe hierzu auch das Kapitel «Klärung des Gruppenprozesses«).

Für den Anfänger beim Gestaltgruppenleiten ist es oft schwierig, diesen nötigen inneren Abstand vom Gruppengeschehen zu gewinnen. Durch die Gestaltmethode werden oft intensive Prozesse angestoßen; auch beim Gruppenleiter, wenn er im Kontakt bleibt. Die Ereignisse können sich manchmal überschlagen. Das kann sich dann anfühlen wie beim »Zauberlehrling« von Johann Wolfgang von Goethe:

»Herr, die Not ist groß!

Die ich rief, die Geister

werd ich nun nicht los.«

Wenn der Gruppenleiter sich überwältigt fühlt von den tiefen, emotionalen Prozessen, die er oder andere auslösten, so bekommen das die Gruppenmitglieder genau mit und der Angstpegel in der Gruppe wird steigen. Das kann natürlich auch erfahrenen Gruppenleitern passieren, aber sie haben es schon oft erlebt und geübt, diese Erfahrung zusammen mit der Gruppe zu verarbeiten, um wieder sicheren Boden zu gewinnen.

Der erste Schritt für den Anfänger ist, ein sicheres Gespür dafür zu bekommen, wenn er sich den Ereignissen in der Gruppe nicht mehr gewachsen fühlt, wenn ihm die emotionale Intensität zu viel wird oder er einfach eine Pause braucht. Im Kapitel »Techniken, die aus der Tiefung führen« beschreibe ich einige mögliche Interventionen, um den Ausdruck schwieriger überwältigender Gefühle zu begrenzen und zu dosieren. Dies ist auch zum Schutz der übrigen Gruppenmitglieder besonders zu Beginn einer Gruppe wichtig.

Viele beginnende Gruppenleiter sind sehr aufgeregt und handeln schnell. Wenn ich etwas schnell mache, spüre ich nicht so viel. Meine Aufmerksamkeit richtet sich ausschließlich darauf, so schnell wie möglich fertig zu sein. Dann brauche ich zwar keine Aufregung, Zweifel oder Angst zu spüren, bin aber auch nicht im Kontakt mit der Gruppe. In der Gestaltarbeit geht es schließlich immer um Kontakt und das braucht meist Zeit, sowie Toleranz für Unsicherheit, wie eingangs ausführlich beschrieben. Es ist schon viel gewonnen, diesen Prozess bei sich selbst zu erkennen, ohne sich dafür zu verurteilen.

Zusammen mit dem äußeren oder inneren Supervisor könnte man den Fragen nachgehen, was einem helfen würde, mit dieser Aufregung, den Zweifeln und der Angst anders umzugehen und was man bräuchte, um das anfängliche Tempo etwas zu drosseln.

Hier einige Empfehlungen, die für den Leser vielleicht hilfreich sind, die aber der jeweiligen konkreten Situation entsprechend immer wieder abgewandelt und angepasst werden müssen.

• Ein erster wichtiger Schritt kann schon sein, der Gruppe die Aufregung und Nervosität mitzuteilen und sich genügend Zeit zu lassen, um die Resonanz der Gruppenmitglieder wahrzunehmen. Meist wird es eine positive Resonanz sein. Wenn nicht, dann dient es der Orientierung. Ich habe eine wichtige Information über diese Gruppe, dass sie mir im Moment nicht sehr wohlwollend begegnet und ich gut auf mich aufpassen werde.

• Kleinschrittig vorgehen: Erst mal mit dem großen Zeh das Wasser testen, anstatt gleich ins Tiefe zu springen. Oder Tipptopp spielen: Ich gehe einen kleinen Schritt, ihr geht einen kleinen Schritt, so kommen wir uns langsam näher. In der Gestaltsprache nennen wir es Vorkontakt.

Dazu kann gehören, bewusst den Gruppenraum wahrzunehmen. Ist er groß, hell, bequem und leise genug? Fühle ich mich wohl?

• Viele kleinere Pausen einplanen, in denen sich der Gruppenleiter mit seinem inneren Supervisor zurückziehen kann, Abstand vom Gruppengeschehen gewinnt und die Ereignisse Revue passieren lassen kann.

Gestalttherapie mit Gruppen

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