Читать книгу Gestalttherapie mit Gruppen - Stefan Hahn - Страница 21

Die Auswertung des bisherigen Gruppengeschehens

Оглавление

Einer Auswertung des bisherigen Gruppengeschehens können folgende Fragen dienen:

• Was ist bisher passiert?

• Wie fühle ich mich?

• Was sind die Themen?

• Gibt es etwas, dass ich jetzt klären oder wissen möchte?

• Wer ist bisher aktiv am Gruppengeschehen beteiligt, wer eher passiv und zurückgezogen?

• Wie ist die Energie in der Gruppe?

• Kommen die meisten Impulse von mir?

• Werde ich in meiner Rolle als Gruppenleiter akzeptiert?

• Zeichnen sich Konflikte ab?

• Beziehen sich die Gruppenmitglieder hauptsächlich auf mich oder auch aufeinander?

• Gibt es irgendjemand, der mir Sorgen macht?

• Gibt es jemanden, der mich stark an jemand anderen erinnert (Gefahr von fixierter Projektion)?

• Was wäre jetzt förderlich für den Gruppenprozess – ein Impuls für die Gruppe als Ganzes, Partnerarbeit, Triaden oder Kleingruppenarbeit oder Einzelarbeiten in der Gruppe oder zwischen Gruppenteilnehmern?

Bei der Beantwortung dieser Fragen kristallisieren sich wichtige Themen und mögliche Impulse heraus, die der Gruppenleiter in die Gruppe geben kann. Dies ist eine Ansammlung möglicher Fragen, die natürlich nicht alle und immer beantwortet werden müssen.

Wenn der Gruppenleiter nach einer Pause keine klare Idee hat, wie es weitergehen könnte, gibt es immer die Möglichkeit, die Gruppe zu fragen.

»Was ist für euch jetzt im Vordergrund? Woran seid ihr interessiert?

Was ist euer Bedürfnis? Was beschäftigt euch?«

So kann er sicher sein, die Kooperation der Gruppe zu gewinnen, auch wenn dies in den Anfangsstadien einer Gruppe oft die Konfluenz fördert und hilft, sich anbahnende Konflikte vorerst zu vermeiden.

Dieses konfluente Stadium im Gruppenprozess ist zu Beginn normal und entspricht dem Sicherheitsbedürfnis der Teilnehmer und des Gruppenleiters. Man versichert sich zuerst der Gemeinsamkeiten und der grundlegenden Akzeptanz. Auf diesem sicheren Boden werden bald auftauchende Unterschiedlichkeiten als weniger bedrohlich für den Einzelnen und die Existenz der Gruppe erlebt (vgl. Kapitel »Klärung des Gruppenprozesses« und »Ich, Du und Wir im Gruppenprozess«).

Zu einem späteren Zeitpunkt im Gruppenleben kann es dann durchaus vorkommen, dass sich die Gruppenmitglieder selbst wünschen, Konflikte zwischen einzelnen Gruppenteilnehmern zu klären.

Die wohl wichtigste Funktion des inneren Supervisors besteht darin, sich immer wieder darauf zu besinnen, im Kontakt mit sich zu bleiben. Da der Gruppenleiter sehr gefordert ist, seine Aufmerksamkeit auf das vielschichtige Gruppengeschehen zu richten, verliert er sich leicht selbst.

Erinnert er sich immer wieder daran, sich in seinen inneren Raum zurückzuziehen, wie oben beschrieben, kann er sich auch wieder klarer seinem Gegenüber nähern. Es handelt sich um eine Pendelbewegung, den natürlichen Rhythmus von Kontakt und Rückzug. An seinem Modell können die Gruppenmitglieder lernen.

Fast eben so wichtig ist die Aufgabe des inneren Supervisors, Ausschau nach meinen Gegenübertragungen zu halten (vgl. Kapitel «Übertragung und Gegenübertragung«).

• Mit welchen Gruppenmitgliedern entstehen festgefahrene Beziehungsmuster, unbefriedigender Kontakt?

• Welchen Anteil habe ich daran?

• Was stört mich am anderen?

• Wie sollte er anders sein?

• Kann ich mal versuchen, mich in mein Gegenüber hineinzuversetzen?

• Wie würde ich mich als mein Gegenüber beschreiben?

• Wie erlebt mein Gegenüber mich als Gruppenleiter?

Durch derartige Perspektivenwechsel kann ich mir als Gruppenleiter oftmals selber helfen, eine andere Qualität in die Beziehungsgestaltung einzubringen.

Manchmal brauche ich meinen inneren Supervisor auch, um mir Mut zu machen, eher unangenehme Themen in der Gruppe anzusprechen oder kritisches Feedback zu geben (vgl. Kapitel «Feedback geben«).

Wenn ich mir unsicher bin, ob und wie ich etwas in der Gruppe anspreche, gibt es die Möglichkeit der Probe-Identifikation (orig.: »trial identification«; Casement 1985: 34 ff.). Ich könnte das erst im Stillen für mich machen und mich zum Beispiel fragen:

»Wie würde es Gisela wohl empfinden, wenn ich sie auf ihre Auseinandersetzung mit Tobias während des letzten Gruppentreffens anspreche? Sie wirkt so zurückgezogen heute. Ob es wohl etwas damit zu tun hat? Oder sollte ich lieber Tobias darauf ansprechen, er schaut immer so verstohlen zu ihr rüber? Vielleicht warte ich lieber noch eine Weile, beide scheinen den Blickkontakt mit mir zu meiden. Wahrscheinlich brauchen sie noch Zeit. Vielleicht spricht sie ja auch ein anderes Gruppenmitglied darauf an. Das wäre besser. Noch scheint es die anderen in der Gruppe nicht zu beeinträchtigen. Ich kann auch noch gut atmen«

Diese Art der versuchsweisen Identifikation mit einem oder mehreren Gruppenmitgliedern verhindert oft eine zu voreilige Intervention, die das eigene Potenzial der Gruppe unterminiert oder sonstwie unpassend sein könnte.

In einem anderen Fall könnte der Gruppenleiter auch laut seine Probe-Identifikation aussprechen, wie zum Beispiel:

»Als ein Mitglied dieser Gruppe wäre ich mir nicht sicher, ob es überhaupt jemandem auffallen würde, wenn ich nicht mehr käme. Ich wüsste nicht, ob mich hier jemand vermissen würde. Bisher hat niemand Gabi erwähnt, die schon seit zwei Treffen nicht mehr dabei ist.«

Gelegentlich schiebt sich auch etwas in den Vordergrund meiner Wahrnehmung, ohne dass ich es sicher zuordnen könnte. Vermutlich hat es etwas mit den Geschehnissen in der Gruppe zu tun.

Fällt es einigen oder auch der ganzen Gruppe schwer, ein wichtiges Anliegen oder Gefühl direkt zu kommunizieren, so kann dies trotzdem durch dessen Auswirkung auf den Gruppenleiter gelingen. Lasse ich mich von meinem inneren Supervisor an dieses Phänomen der indirekten Kommunikation (orig.: »communication by impact«; Casement 1985: 72 ff.) erinnern, kann ich meine Aufmerksamkeit und Phantasie auf das lenken, was gerade nicht gesagt und ausgedrückt wird.

Hierzu ein Beispiel:

In einer Gruppe, die ich als zähflüssig erlebe, bekomme ich zunehmend Magenschmerzen. Da dies für mich sehr selten ist und ich auch nichts Schweres gegessen habe, wende ich mich an die Gruppe:

»Ich sitze hier und habe seit geraumer Zeit Magenschmerzen. Ich frage mich, ob das mit dem zu tun hat, was hier gerade in der Gruppe geschieht. Gibt es denn noch jemanden hier, der auch Magenschmerzen hat?«

In den meisten Fällen wird diese Intervention die Gruppe weiterbringen und einige ermutigen, bisher Zurückgehaltenes einzubringen. Zum Beispiel:

»Ich halte mir schon die ganze Zeit den Magen, ich spüre so eine Unzufriedenheit. Alle sind hier so vorsichtig miteinander und nichts passiert.«

»Ja, das geht mir auch so, aber ich habe Angst, hier etwas zu sagen, vor allem vor dir Tamara. Du guckst mich immer so kritisch an.«

Gestalttherapie mit Gruppen

Подняться наверх