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5.Im ersten Haus des Ortes

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Swetlana hatte ein Zimmer in einer Pension bewohnt, gemeinsam mit ihrer Kollegin Martina, einer stämmigen Belgierin mit tschechischem Vater, die im Spa des Pulracher als Masseurin arbeitete. Die Pension war von der einfacheren Sorte und ganzjährig vom Hotel fürs Personal angemietet worden. Es war ein karger, aber sauberer Raum mit zwei Betten und zwei Nachttischen, einem großen Schrank und einem WC mit, immerhin, Badewanne. Von dem kleinen Fenster konnten die beiden Bewohnerinnen den Ausblick auf ihre Arbeitsstelle genießen. Wie romantisch. Beide hatten sich etwas wohnlicher eingerichtet, mit Postern und Fotos über ihren Betten. Bei Swetlana waren es italienische und amerikanische Schauspieler mit einem deutlichen Tom-Holland-Schwerpunkt, dem aktuellen Spider-Man. Über Martina, die mit verheulten Augen auf ihrem Bett saß, hingen jede Menge Familienfotos.

»Es tut mir sehr leid um Ihre Kollegin«, sagte Kerschbaumer.

»Freundin«, verbesserte Martina und schluchzte auf.

»Ich weiß, es ist jetzt sehr schwer, darüber zu sprechen. Aber können Sie sich vorstellen, wer zu einer solchen Tat fähig wäre?«

Martina schüttelte energisch den Kopf. Kerschbaumers Hand bekam eine Träne ab.

»Ist Ihnen in der letzten Zeit etwas Ungewöhnliches aufgefallen? War Swetlana irgendwie verändert?«

»Sie war wie immer«, brachte Martina mit erstickter Stimme hervor.

»Hatte Swetlana einen Freund?«

Martina schüttelte den Kopf. Und Kerschbaumer erkannte, dass hier und heute wenig zu holen war.

»Die Spurensicherung wird gleich da sein«, sagte er. »Ich bitte Sie, das Zimmer zu verlassen und nichts mitzunehmen. Hier ist noch meine Karte. Melden Sie sich, wenn Ihnen noch etwas einfällt.«

Martina blickte verdutzt auf Kerschbaumers Visitenkarte, eine Reaktion, die er in den letzten Jahren immer wieder bei jungen Leuten beobachtet hatte, denen Visitenkarten mit aufgedruckten Namen und Telefonnummer drauf wie ein geheimnisvolles Relikt aus der Zeit der Pyramiden vorkamen.


Hinter dem Rezeptionstisch des Hotels Pulracher kam ein serviler Kerl hervorgeschossen (Krawatte, Siegelring), der sich als »Guest Manager« vorstellte. Den Kopf unter dem gegelten und scharf zurückgekämmten Haar permanent schräg haltend, entschuldigte er die Abwesenheit der Chefin: »Frau Pulracher ist auf einem wichtigen Termin in Wien«, hechelte er. »Sie ist soeben von uns unterrichtet worden und kommt gleich morgen Vormittag zurück.«

Kerschbaumer nickte. »Ich würde gern mit einigen Ihrer Mitarbeiter sprechen.«

»Aber selbstverständlich, selbstverständlich. Sie haben nichts dagegen, wenn ich dabei sein werde?«

Kerschbaumer hatte etwas dagegen.

Doch auch hier zeigte sich schnell, was Kerschbaumer schon von vielen Ermittlungen kannte: Unter dem Schock einer schweren Straftat stehend, gab das Umfeld nur Gestammel und Banalitäten von sich. Er sprach mit den Mitarbeitern des Zimmerservice, mit Köchen und mit einer weiteren Spa-Mitarbeiterin, mit der Swetlana in der letzten Saison zusammengewohnt hatte. Sie war, bestätigten alle, fröhlich und beliebt gewesen (niemand sagte je etwas anderes über eine frisch Ermordete), niemand könne sich auch nur irgendetwas erklären. Kerschbaumer seufzte. Hier war nicht viel zu holen. Er würde ein paar Tage vergehen lassen müssen. Und er wusste jetzt schon, dass dieses Zeitfenster niemandem schmeckte. Nicht den Vorgesetzten, nicht den Medien, und genau genommen nicht einmal ihm selbst.

Die Tote im Stadl

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