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3.Fastenbrechen

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Im Hotel gibt es zwei Arten von Menschen. Die einen fragen, ab wann es Frühstück gibt. Die anderen fragen, bis wann es Frühstück gibt. Wendelin Kerschbaumer, sonst Frühaufsteher, ließ es sich hier nicht nehmen, die Disponibilität des Servicepersonals aufs Äußerste auszureizen. Zu einer guten Kur, befand er, gehörte ein guter Schlaf.

Leider gehörte zu einer guten Kur auch eine gesunde Ernährung. Müsli, Obst, Tee und ähnlich freudloses Zeug. Keine der köstlichen, warmen, duftenden Semmeln, keine der in allen Rottönen lockenden Marmeladen, und schon gar nicht Spiegelei mit Speck oder ein milchiger, extragroßer Cappuccino. Und während er noch einen letzten, verzweifelten Blick auf die Brotkörbe warf, führte sein Handy rund um den erbärmlichen Müslischleim, den er sich vorgesetzt hatte, einen lautlosen Vibrationstanz auf.

»Hallo?«

Nachdem das Telefonat zu Ende geführt war, hatte sich die Sache mit dem Kururlaub vorerst erledigt. Das änderte zwar nichts an dem trüben Blick aus dem Fenster ins erbärmliche Grau dieses Vormittags, es änderte aber wohl etwas am Müslischleim. Das Erste, was Kerschbaumer tat: Er ging zum Buffet und holte sich zwei Spiegeleier mit knusprigem Speck. Dann bestellte er sich einen milchigen, extragroßen Cappuccino. Schließlich mussten die Nachrichten aus Wien erst mal verdaut werden.

Am Telefon war der atemlose Isidor Kruschannig gewesen, der Abteilungsleiter der Landespolizeidirektion Wien. Der atemlose Kruschannig war Kerschbaumers Vorgesetzter. Er hieß überall nur Annig, denn am Telefon meldete er sich so hastig, dass man nur den letzten Teil seines Namens verstand. Sein Ruhepuls musste bei etwa hundertfünfzig Schlägen pro Minute liegen. Zum Sanguiniker fehlte ihm allerdings das heitere Gemüt, denn er trug schwer an seiner Verantwortung. Am Telefon hatte er gefiept und gejapst, und allen Kollegen – auch ihm selbst – war klar, dass ein fulminanter Herzinfarkt praktisch an der nächsten Straßenecke auf ihn wartete, in hochhackigen Schuhen und verführerischen Netzstrümpfen. Vielleicht nicht heute, und vielleicht auch nicht morgen, aber doch lange vor der Wiederkehr des Halleyschen Kometen.

Das Telefonat, dessen Inhalt hier in klarem Deutsch statt in hechelndem Wienerisch zusammengefasst werden soll: Es hatte einen Mord in Bad Kleinkirchheim gegeben. Übrigens den ersten seit elf Jahren – den Selbstmord eines störrischen Bergbauern nicht mitgerechnet, der ganz aus Versehen am Abend Rattengift im Obstbrand zu sich genommen hatte und dessen Grundstück danach von den Erben endlich gewinnbringend an einen ausländischen Investor verkauft werden konnte. Jedenfalls hatte sich der zuständige Chefinspektor von der Landespolizeidirektion Kärnten, ein gewisser Hartmut Trevisol, beim Gletscherskifahren überschätzt und lag nun mit einem Schien- und Wadenbeinbruch im Klinikum Klagenfurt. Die Landespolizei hatte auf seiner Dienstebene bei den Kollegen um Hilfe gebeten, denn die Sicherheitskräfte vor Ort hätten zwar Erfahrung mit falsch parkenden Eltern, die ihre Kinder nur mal schnell zum Kinderkurs bringen wollten, sowie mit betrunkenen Nordländern in Après-Ski-Hütten, aber zu einem waschechten Mord fehle ihnen dann doch die Kompetenz. Da habe Annig sogleich den Kerschbaumer ins Spiel gebracht, wo der doch, wie Annig zwischen zwei Atemzüge schob, seit der Sache mit dem Raubmord im vierten Wiener Bezirk gewissermaßen österreichweit ein Held der Sicherheitsexekutive sei, inklusive Auftritt bei den deutschen Freunden von »Aktenzeichen XY«.

Der Landespolizeidirektor aus Kärnten habe Annigs Vorschlag dankbar angenommen; Sonderzahlungen und großzügige Anrechnung von Kerschbaumers Urlaub seien selbstverständlich, versicherte Annig. Die Spurensicherer aus Klagenfurt seien schon unterwegs, und die Bad Kleinkirchheimer Kollegen erwarteten ihn noch am heutigen Tag.

Die Tote im Stadl

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