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2.2.5 Weitere politikwissenschaftliche Ansätze

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Darüber hinaus gibt es viele weitere politikwissenschaftliche Ansätze, die zur Erklärung von Migration und Migrationspolitik herangezogen werden können. Bezeichnend ist dabei, dass sich die politikwissenschaftliche Auseinandersetzung mit Migration lange auf die Zielländer konzentrierte. Dies erklärte sich dadurch, dass seit der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in steigendem Maße westeuropäische Demokratien zum Ziel von Migration wurden, was die dort ansässigen Politikwissenschaftler herausforderte, Antworten auf das zunehmend als „Krise” empfundene Phänomen zu geben. Die Auswirkungen von Migration auf die Herkunftsländer wurden entsprechend im deutlich geringeren Maße untersucht, sieht man einmal davon ab, dass man sich in der entwicklungspolitischen Forschung bereits seit längerem mit den (heimischen) Ursachen der Migration (Nuschler 2003) und dem Phänomen des Brain Drain beschäftigt hat (→ 10 Migration und Entwicklung).

Neben den Auswirkungen auf die nationale Sicherheit und die Außenpolitik (s.o.) untersuchen politikwissenschaftliche (wie auch soziologische, historische und rechtswissenschaftliche) Arbeiten insbesondere die innenpolitische Dimension von Migration. Im Mittelpunkt stehen die Gewährung von Bürgerrechten und mithin verfassungsrechtliche Fragen, der Einfluss auf die soziale Struktur des Gemeinwesens, vom Staat unternommene Integrationsanstrengungen und die Problematik der nationalen Identität (Bommes und Halfmann 1998; Oberndörfer 1991). Auch die Frage, warum trotz innenpolitischen Drucks Migration immer weiter zunehme, beschäftigte viele politikwissenschaftliche Arbeiten (sog „gap hypothesis“; Joppke 1998; Cornelius et al. 2004). Der eingangs erwähnte Hollifield erklärt dieses Phänomen mit seiner These des liberalen Paradoxons liberal state thesis (Hollifield und Wong 2015, S.240). Demnach ist der liberale Staat der Schlüssel, um Migration zu erklären: Eine radikale Restriktion von Migration durch den Staat impliziert die Verletzung von individuellen Rechten. Da der Schutz individueller Rechte zentrales Kriterium des liberalen Rechtsstaates ist, kann Migration nur begrenzt eingedämmt werden, auch wenn Migration den ökonomischen oder innenpolitischen Interessen widerspricht. Weiterhin fällt es liberalen Staaten schwer, einmal gewährte Rechte zu widerrufen. Liberal-institutionelle Ansätze sehen die Zunahme von Migration zudem an die wachsende Herausbildung von internationalen Menschenrechtsregimen und die damit verbundene Individualisierung des Völkerrechts gekoppelt (Jacobson 1996).

Aufgrund der fortschreitenden Integration der Europäischen Union hat sich die Politikwissenschaft zunehmend auch dem Bereich der Migrationspolitik auf der regionalen Ebene gewidmet. So geht etwa Christoph Roos (2013) der Frage nach, ob jüngere Entwicklungen der gemeinsamen EU-Immigrationspolitik zu Rissen in der vielbeschworenen „Festung Europa“ geführt haben. Das Forschungs-Puzzle besteht dabei in der Frage, warum Staaten gemeinsame Einwanderungsregelungen etablieren, die möglicherweise auch zu einer Zunahme von Einwanderung führen können, obwohl sie die Regelung des Zugangs zu ihrem Territorium als zentralen Ausdruck ihrer Souveränität verstehen. Dabei ist zwischen Grenz- und Einwanderungskontrolle zu unterscheiden: Während erstere im Schengenraum bereitwillig externalisert und eine einheitliche Grenz- und Visapolitik beschlossen wurde, liegt die weiter reichende Einwanderungspolitik weiterhin zum Großteil in der Hand der Nationalstaaten.

Wie Roos ausführt, gibt es eine umfassende Literatur zur Grenzkontroll- und Fluchtpolitik der EU, aber vergleichsweise weniger Studien zur Einwanderungspolitik. Diese stellt ein eigenes Politikfeld dar und folgt somit möglicherweise auch einer eigenständigen Logik. Sie umfasst über den Zugang zum Territorium hinaus eine Vielzahl von Politikfeldern wie Staatsbürgerschafts-, Arbeitsmarkt-, Sozial- und Integrationspolitik. Untersuchen lässt sich die europäische Einwanderungspolitik etwa anhand von EU-Richtlinien zu Familienzusammenführung, Arbeitsmigration, langfristig Aufenthaltsberechtigte sowie Studierende und Forschende.

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