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b) Schutzbereich und Eingriff
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Erfassen die Grundfreiheiten einen Sachverhalt (zu den allgemeinen Anforderungen an die Eröffnung des Anwendungsbereiches Rn 52 ff, zu den im Einzeln geschützten Sachverhalten unten Rn 71 ff), stellt sich die Frage, inwieweit sie einer Vorschrift des nationalen öffentlichen Wirtschaftsrechts entgegenstehen. Trotz der unterschiedlichen Formulierung geht man von einer einheitlichen Struktur der Grundfreiheiten aus[98]. Dabei lassen sich wie in der deutschen Grundrechtsdogmatik Schutzbereich, Eingriff (Beschränkung) und Rechtfertigung unterscheiden.
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Als Eingriffsformen sind die (offene oder versteckte) Diskriminierung und die Maßnahmen gleicher Wirkung anerkannt. Neben der selten gewordenen offenen Diskriminierung, bei der Vorschriften unmittelbar an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, gibt es vor allem Fälle der versteckten (faktischen bzw mittelbaren) Diskriminierung, die zwar nicht ausdrücklich Binnenmarktsachverhalte regeln, aber in ihren Auswirkungen EU-Ausländer typischerweise stärker betreffen als Inländer[99]. Da die meisten Vorschriften nicht zwischen In- und Ausländern differenzieren, handelt es sich idR um Maßnahmen gleicher Wirkung. Dieses Kriterium hat der EuGH am Beispiel der Warenverkehrsfreiheit entwickelt, aber mittlerweile auf die anderen Grundfreiheiten übertragen[100]. Verboten ist danach jede Maßnahme, die geeignet ist, „innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern“ (sog. Dassonville-Formel)[101]. Damit hat der EuGH die zunächst als Diskriminierungsverbote verstandenen Grundfreiheiten zu allgemeinen Beschränkungsverboten weiterentwickelt.
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Die Eingriffsmodalitäten sind irrelevant. Die Mitgliedstaaten sollen sich weder durch die Wahl der Handlungsform noch durch die Qualifikation der Maßnahme als privatrechtlich ihren unionsrechtlichen Pflichten entziehen können (zur Frage der Adressateneigenschaft s. oben Rn 56).
Beispielsweise maß der EuGH eine staatliche Werbekampagne als Maßnahme gleicher Wirkung an den Grundfreiheiten (▸ Klausurenkurs Fall Nr 3)[102]. Äußerungen eines Beamten sind dem Staat zurechenbar, wenn die Empfänger dieser Äußerungen den Umständen nach annehmen dürfen, dass sich der Beamte mit Amtsautorität äußert[103].
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Angesichts seines weiten Eingriffsbegriffes hat sich der EuGH mit der sog. Keck-Rechtsprechung zunächst bei der Warenverkehrsfreiheit um eine Begrenzung des Schutzbereiches bemüht. Danach fallen „bestimmte Verkaufsmodalitäten“ dann nicht in den Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit, wenn sie für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben und außerdem den Absatz in- und ausländischer Waren in rechtlich wie tatsächlich gleicher Weise berühren[104].
Eine klare Definition existiert nicht, wohl aber eine umfangreiche Kasuistik. Neben den wettbewerbsrechtlichen Vorschriften[105] sind als öffentlichrechtliche Vorschriften das Ladenöffnungsrecht und Sonntagsverkaufsverbot zu nennen (s. unten Rn 82); Entsprechendes gilt für Verkaufsbeschränkungen, zB die Apothekenpflichtigkeit bestimmter Arzneimittel[106] sowie produktbezogene Werbeverbote, etwa für alkoholische Getränke[107] oder Arzneimittel. Inwieweit sich diese zur Warenverkehrsfreiheit entwickelten Grundsätze auf die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit übertragen lassen, wird kontrovers beurteilt. Obschon der EuGH dies nur für die Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich bejaht hat[108], dürfte sich der Grundsatz auf die anderen Grundfreiheiten anwenden lassen, soweit es sich um nichtdiskriminierende und marktverhaltensbezogene Vorschriften handelt[109]. Allerdings steht die Keck-Rechtsprechung seit ihren Anfängen in der Kritik, auch durch einzelne Generalanwälte[110], ohne dass der EuGH sie trotz scheinbarer Tendenzen in dieser Richtung bisher aufgegeben hätte. Auf der Grundlage des „Drei-Stufen-Tests“, die nach dem Vorbild des Kartellrechts nach der Spürbarkeit von Handelsbeeinträchtigungen fragt, hat sich die Lösung nicht unbedingt vereinfacht[111]. Eine erhebliche Einschränkung ihres Anwendungsbereichs folgt allerdings aus der Erstreckung des Sekundärrechts auf Inlandssachverhalte, wie sie der EuGH annimmt. Damit gerät sogar das einzelhandelsbezogene Bauplanungsrecht in den Anwendungsbereich der DienstleistungsRL[112].