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4. Die Dienstleistungsfreiheit

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Fehlt es an einer dauerhaften Eingliederung eines Unionsbürgers in das Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaates, ist die Dienstleistungsfreiheit einschlägig. Sachlich schützt sie nach der Legaldefinition des Art. 57 Abs. 1 AEUV selbstständige Leistungen, die gegen Entgelt erbracht werden, insbesondere auch gewerbliche Tätigkeiten (vgl Art. 57 Abs. 2 AEUV), sofern sie nicht unter die spezielleren Freiheiten fallen. Es genügt für den Binnenmarktbezug, wenn nur die Dienstleistungen die Grenze überschreiten. Art. 56 AEUV erfasst also auch solche Dienstleistungen, die der Leistungserbringer ohne Ortswechsel von dem Mitgliedstaat aus erbringt, in dem er ansässig ist (sog. Korrespondenzdienstleistung)[178]. Er schützt ferner die passive Dienstleistungsfreiheit der deutschen Leistungsempfänger, die ihnen erlaubt, von einem Leistungserbringer aus einem anderen Mitgliedsstaat angebotene Dienstleistungen zu empfangen oder in Anspruch zu nehmen[179].

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Diese Voraussetzungen sind in den Fällen 3a/b (Rn 45 ff) erfüllt. Online-Angebote wie die Uber-App in Fall 4 (Rn. 46) unterfallen der Dienstleistungsfreiheit. Auch P in Fall 5 (Rn 47) erbringt mit dem Abschluss der Franchise-Verträge eine Dienstleistung (zur Abgrenzung von der Warenverkehrsfreiheit nach der Schwerpunktformel s. bereits Rn 65). Dafür spielt es selbstverständlich keine Rolle, ob die angebotene Dienstleistung auch in Deutschland angeboten werden kann; dies ist eine Frage der Rechtfertigung. Fall 5 (Rn 47) betrifft zugleich die passive Dienstleistungsfreiheit des deutschen Unternehmens, das mit einem irischen Unternehmen einen Franchisevertrag über den Betrieb eines Laserdromes abgeschlossen hatte. Eingriffe in die Dienstleistungsfreiheit werden nach den gleichen Grundsätzen wie bei den anderen Marktfreiheiten geprüft (s. schon oben Rn 57 ff).

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Vorschriften des öffentlichen Wirtschaftsrechts sind idR Maßnahmen gleicher Wirkung (s. oben Rn 58). Ebenfalls als Maßnahme gleicher Wirkung an der Dienstleistungsfreiheit zu messen ist die Bevorzugung Ortsansässiger (s. zu kommunalen Einrichtungen Rn 392). Ein Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit stellt sich jedoch nur dann als Verstoß dar, wenn er sich nicht rechtfertigen lässt. Geschehen kann dies durch Gründe der „öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit“ (Art. 62 iVm 52 AEUV), vor allem aber aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die der EuGH für die Dienstleistungsfreiheit konkretisiert hat[180]. Der EuGH verlangt, dass die entsprechenden Vorschriften einem Allgemeininteresse dienen (dazu schon Rn 62), für die Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und erforderlich sind, die entsprechenden Interessen nicht durch Vorschriften des Herkunftslandes geschützt werden und sich im Übrigen als verhältnismäßig erweisen. Im Ergebnis gelangt der EuGH auf diese Weise häufig zu einer Anwendung des Rechts des Herkunftslandes. Diese Grundsätze greift die E-Commerce-RL für die erfassten Online-Dienste auf (dazu näher Rn 397 ff). Als besonders problematisch erweisen sich neben den Beschränkungen von Online-Angeboten vor allem auch die Werbeverbote, da sie gerade ausländischen Anbietern den Marktzutritt erheblich erschweren[181].

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Klassische Beispiele für die Kollision von Dienstleistungsfreiheit und nationalen Erlaubnispflichten lieferte wieder das Handwerksrecht, vgl Fall 3 (Rn 45)[182]: Die Erlaubnispflichten sichern die Qualität von Handwerksleistungen und liegen damit im Allgemeininteresse; es ist jedoch unverhältnismäßig, sie auf die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung zu erstrecken. Der EuGH hielt schon die bloße Pflicht zur Eintragung in die Handwerksrolle, die die Erbringung von Dienstleistungen im Aufnahmemitgliedstaat verzögert, erschwert oder (durch Verwaltungskosten und Beiträge für die Handwerkskammer) verteuert, für unverhältnismäßig. Dem trägt das geltende Recht Rechnung: § 9 Abs. 2 HwO nimmt die vorübergehende Erbringung von Handwerksleistungen von der Eintragungspflicht aus (s. unten Rn 478). Entsprechendes gilt für die allgemeinen gewerberechtlichen Anforderungen, die nach § 4 GewO in den Fällen grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung nicht eingreifen (siehe Rn 238 ff). Die Dienstleistungsfreiheit selbst wird unmittelbar nur noch außerhalb der RL relevant, insbesondere bei solchen Genehmigungserfordernissen, die von § 4 GewO und der DienstleistungsRL nicht erfasst werden. Sie ist auch bei Online-Dienstleistungen einschlägig. In Fall 4 (Rn 46)[183] werden die nicht von speziellen Richtlinien geregelten Online-Angebote erfasst; allerdings werden Verkehrsdienstleistungen iSv Art. 58 Abs. 1 AEUV vom Anwendungsbereich des Art. 56 AEUV ausgenommen. Die vermittelte Beförderungsleistung in Fall 4a (Rn 46) ist eindeutig eine Verkehrsdienstleistung, aber der EuGH qualifizierte die Vermittlung über die App als einen integralen Bestandteil, weil Uber entscheidenden Einfluss auf seine Fahrer, die Preise, Beförderungsbedingungen und die Bezahlung nimmt. An dieser Einschätzung würde sich auch dann nichts ändern, wenn es sich um gewerbliche Fahrer handelt, solange sich ein Anbieter nicht auf die reine Vermittlungstätigkeit beschränkt. Der EuGH stellt hier, genauso wie bei der Abgrenzung der Grundfreiheiten (dazu Rn 65), eine Schwerpunktbetrachtung an[184]. Im Ergebnis stellt er so diesen gesamten Bereich verkehrsbezogener Dienstleistungen von der Anwendung der Grundfreiheiten frei. Anders wäre zu entscheiden, wenn die online-basierte Tätigkeit sich auf eine echte Vermittlung beschränkt, wie es bei verschiedenen „Taxi-Apps“ und vor allem auch bei der Online-Vermittlung von Wohnraum der Fall ist, vgl dazu später Fall 32 (Rn 396).

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