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Teil 1 – Kapitel 10

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Die beiden folgenden Tage verliefen ähnlich. Jerry ging mit dem Kompass in der Hand voraus und bahnte den Weg, Thomas kam hinterher. Mit der Zeit hörten auch die kleinen Streitereien langsam auf. Die beiden waren zwar nicht die besten Freunde geworden, aber sie hatten es satt, ihre Kraft damit zu vergeuden, sich gegenseitig zu beschuldigen und am Zeug zu flicken.

Eigentlich hatte Jerry sich sehr dafür interessiert, warum Thomas verfolgt wurde und was überhaupt der Grund dafür gewesen war, dass der Bruder sich persönlich in die Höhle des Löwen gewagt hatte, aber im Moment war Jerry zu frustriert, um sich diese Geschichte erzählen zu lassen.

Es war mühsam, bei diesen klimatischen Verhältnissen durch den Dschun­gel zu wandern und dabei ständig in Angst sein zu müssen, dass man sich zu nah an eine menschliche Siedlung begeben hatte, wodurch ihre Position den Verfolgern bekannt werden konnte. Denn das war ihre einzige Chance, dass sie unerkannt im Urwald vorankamen und irgendwann über die grüne Grenze - im wahrsten Sinne des Wortes grün - nach Guyana gelangten. Und man konnte nur hoffen, dass bis dahin die ganze Suche nach ihnen offiziell abgeblasen worden war oder die Personalien nicht mehr so streng kontrolliert wurden, so dass sie von Georgetown aus einen Flieger in die USA nehmen konnten. Eigentlich waren das zu viele “Glücks­fälle”, fand Jerry. Aber er beschloss, nicht zu viel darüber nachzudenken, damit er nicht völlig den Mut verlor und vor allem, weil er dann noch mehr gefrustet sein würde, als er es ohnehin schon war.

Schließlich ist es doch für mich völlig egal, wie die Sache ausgeht, dachte er zwischenzeitlich verbittert. Ich kann eh nicht zurück nach San Juan de las Galdonas. Wo soll ich hin? Wenn wir es schaffen und in die USA fliegen, bin ich wieder da, wo ich vor zehn Jahren auch schon war und abgehauen bin, weil ich es nicht mehr ertragen konnte. Wenn wir es nicht schaffen und sie uns gefangennehmen, stecken sie uns entweder in den Knast oder sie bringen uns zu ihren Auftraggebern. Die werden uns zuerst sehr unsanft fragen, was wir wissen, und wenn wir es ihnen schließlich erzählt haben, werden sie uns liquidieren. In keinem Falle eine erfreuliche Aussicht, für die es sich zu leben lohnt. Das einzige, was mich antreibt, ist die Angst, in irgendeinem Rattenloch von südamerikanischem Knast zu verrotten oder getötet zu werden. Vielleicht würde ich es ja gar nicht so schlimm finden zu sterben, denn ich habe mein Leben in den letzten Jahren wirklich genossen und war glücklich, aber ich habe Angst vor einem Verhör. Das Problem ist nämlich, dass dir keiner glaubt, dass es dir lieber ist, sofort zu sterben. Die foltern dich vorher noch und bringen dich dann erst um, selbst wenn du ihnen alles gesagt hast, was sie wissen wollen. Sonst denken sie nämlich, du weißt noch viel mehr, weil du so gesprächig bist. Na ja, was soll’s, im Moment sieht es nicht rosig aus. Selbst schuld, wenn man sich seine Chancen selbst verbaut. Wieso habe ich Tom eigentlich geholfen? Vielleicht ist Blut doch dicker als Wasser. Auch wenn ich ihn auf den Tod nicht ausstehen kann, aber irgendwie hat er mir leid getan, als er da auf dem Rücksitz des Streifenwagens saß, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ich glaube, Tom war in seinem ganzen Leben noch nie gefesselt. Er muss eine furchtbare Angst gehabt haben. Das würde er natürlich niemals zugeben, weil er viel zu stolz dazu ist, aber es entspricht doch der Wahrheit. In was ist er da bloß reingeraten? Was hatte Tom noch gesagt: ‘Ich werde die Drogenkartelle zerschlagen, und dann kannst du an deinen geliebten Strand zurück!’ Der glaubt das wirklich.

Oh Mann, dachte Jerry, wieso ist es noch keinem aufgefallen, dass mein Bruder an Größenwahn leidet.

Paradoxe Gerechtigkeit

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