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Kapitel 9

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Die schweren Bücher in meinen Händen wollen mir ihre Informationen nicht telepathisch übermitteln, so sehr ich mich auch auf sie konzentriere. Ich blättere mit dem Daumen am Schnitt entlang, doch außer einem lauen Lüftchen, strömt mir nichts entgegen.

„Vielleicht musst du dich mit den Elementen verbinden?“, versucht Chris mir zu helfen.

Offenbar kann es ja nicht so schwer sein, da Roberta davon ausgeht, dass ich selbst dahinterkomme, wie man auf magische Weise liest. „Wäre möglich. Ich versuche es mal.“

Ich lege das Buch mit dem Titel „Elemente und Objekte“ zur Seite und nehme das andere Buch hoch, während ich mich hinstelle. „Weiße Objektzauber“ steht auf dem Buchrücken. Mit hüftbreit auseinandergestellten Beinen suche ich Halt im weißen Sand. Die feinen Körnchen kratzen an meinen Fußsohlen, während ich mich mit dem Element Erde verbinde. Salzig warme Luft strömt in meine Lungen. Die pralle Sonne am Himmel, die auf meiner Haut brennt, repräsentiert das Element Feuer und das satte Rauschen und Platschen der Wellen wird immer lauter, je mehr ich mich auf das Element Wasser konzentriere. Alle Elemente sind schon um mich herum, was es viel einfacher macht, sich mit ihnen zu verbinden. Der Wind nimmt zu, die Sonne wird heißer, die Wellen lauter und der körnige Sand unter meinen Füßen beginnt zu vibrieren.

„Und was jetzt?“, frage ich und sehe zu Chris herab, der im Schneidersitz neben mir im Schatten sitzt.

Er zuckt mit den Schultern und streicht sich die zerzausten Haare aus der Stirn.

Ich schließe die Augen, während der warme Wind meinen halbnackten Körper streift und rufe die Geistwesen an. Doch diesmal mache ich es anders: Ich befehle ihnen nicht zu erscheinen, sondern frage sie gedanklich, ob ich beim magischen Lesen ihre Hilfe benötigen werde.

Kurz darauf ertönt ein leises Klingeln und ich öffne wieder die Augen. Dutzend surrende Elfen schwirren um mich herum und ich bedanke mich für ihr Kommen. Sie geben mir telepathisch zu verstehen, dass sie mich begrüßen und wissen, dass ich völlig ahnungslos bin. Sie senden mir Verständnis entgegen und versichern mir, dass sie gewillt sind, mir zu helfen.

Dann beginnen sie mich zu umkreisen. Ihre kleinen, leuchtenden Flugkörper umschwirren meinen Kopf, bis ich nur noch ihr warmes Leuchten sehen kann. Meine Hände mit dem Buch werden angehoben und tauchen in dem schwirrenden Kreis auf, der mich umhüllt. Der Buchdeckel fliegt offen und ich schließe instinktiv die Augen. Ich höre das Rascheln des alten Pergaments, spüre den Luftzug, den die kreisenden Elfen erzeugen und dann geschieht es plötzlich.

Mein Kopf wird durchströmt von Informationen. Sie prasseln auf mein Gehirn ein, wie Regen auf eine Sandburg. Für einen kurzen Moment wird mir schwindelig und mein Magen dreht sich, doch dann ist es auch schon vorbei.

Ich öffne wieder die Augen und sehe, dass die letzte Seite des Buches aufgeschlagen in meiner Hand liegt. Die kreisenden Elfen verlangsamen ihr Tempo und fliegen mit einer klingelnden Melodie davon.

Mit offenem Mund sehe ich Chris an, der mittlerweile neben mir steht und mich neugierig mustert.

„Hat es funktioniert?“, will er wissen und schaut den davonschwirrenden Elfen hinterher.

„Ich glaube schon“, antworte ich und nicke bedächtig.

Langsam und noch immer ein wenig schwindelig lege ich das Buch zurück in den Sand. Der Wind nimmt wieder ab, die Hitze der Sonne zieht sich ein wenig zurück und auch das Platschen und Krachen der Wellen wird wieder leiser. Auf wackeligen Beinen gehe ich zu einer der vielen Palmen und suche den Boden darunter nach zwei geeigneten Palmwedeln ab. Instinktiv weiß ich, dass ihre Größe, Form und Farbe keine Rolle spielt. Allerdings ist es wichtig, dass ich die Palme um Erlaubnis bitte, also greife ich nach den Wedeln und sehe zu ihr hoch, während ich sie gedanklich frage, ob ich ihre abgeworfenen Äste haben darf. Der hohe Stamm beugt sich sanft im Wind und ich weiß seltsamerweise, dass ich dies als ein „Ja“ werten darf.

Ich lege die Palmwedel in den Sand und stelle mich davor. Mit beiden Händen wische ich durch die Luft und ein Windhauch zieht an mir vorbei. Konzentriert denke ich an zwei große Handtücher, die vor mir im weißen Sand liegen, und schon scheinen sich die Blätter zu verdichten. Ihre Struktur ändert sich, die glatten, fast scharfen Kanten werden weich und für einen Moment verschwimmt das Bild vor mir, als hätte ich etwas im Auge. Doch sobald ich blinzle, ist die Verwandlung auch schon abgeschlossen und vor uns liegen zwei dunkelgrüne Handtücher im Sand.

Völlig perplex drehe ich mich zu Chris um und schlage die Hände vor den Mund. Er wirkt weniger geschockt, als ich es bin. Er nickt zufrieden und in seinen Augen funkelt ein wenig Stolz.

„Ich wusste, dass du es kannst“, sagt er und legt den Arm um meine Schulter.

Ich blicke mit stockendem Atem zurück auf die Handtücher, deute auf sie und stammle ein paar unverständliche Worte. Chris lacht und zieht mich dichter an seine Seite.

„Du bist die weiße Hexenkönigin. Die mächtigste Hexe der Welt. Also kannst du auch Palmwedel in Handtücher verwandeln“, haucht er in mein Haar und beendet jeden Satz mit einem Kuss auf meinen Scheitel.

„Ich dachte, solche Zauber wären nur mit dunkler Magie möglich“, sage ich, ohne den Blick von den Handtüchern im Sand zu nehmen.

Chris lässt mich los und geht zu einem der ehemaligen Palmwedel. Geschmeidig senkt er sich herab und legt sich rücklings darauf. Ich gehe in die Knie und fasse die Ecke des Handtuchs an. Zwischen Daumen und Zeigefinger erfühle ich den rauen Stoff und kann kaum glauben, dass er vor wenigen Sekunden noch ein Palmwedel war. Genauso wenig kann ich glauben, dass wir auf einer zeitlosen Insel sind, die eigentlich nur ein Zimmer eines Cottages ist, das von innen größer als von außen ist und das wir durch den Ayers Rock betreten haben.

Kopfschüttelnd stehe ich wieder auf und blicke auf Chris herab, der auf das Handtuch neben ihm klopft.

„Ich kann nicht...“, stammle ich und weiche einen Schritt zurück.

Chris richtet sich auf. „Was kannst du nicht?“

Noch immer mit dem Kopf schüttelnd gehe ich einen weiteren Schritt zurück. „Ich kann mich nicht einfach da hinlegen und Nichtstun! Ich weiß so gut wie gar nichts von alldem hier!“, rufe ich aus, werfe die Arme in die Luft und deute um mich herum. „Angeblich bin ich die weiße Hexenkönigin, doch ich weiß und verstehe so gut wie nichts! Selbst du, als Mannwolf, kannst die Magie akzeptieren und annehmen. Ich hingegen bin absolut und total überfordert!“

Mein beinahe hysterischer Ton lässt Chris aufspringen. Er nimmt meine wild umherfuchtelnden Hände und hält sie fest. „Scarlett, das ist nicht deine Schuld. Dein Vater...“, beginnt er doch ich winke ab.

„Ich weiß, dass es nicht meine Schuld ist und das mein Vater alles darangesetzt hat, dass ich niemals etwas Magisches erlerne, doch es sind schon Monate vergangen, nachdem er den Fluch von mir genommen hat! Und was habe ich getan? Nichts!“

„Das stimmt doch gar nicht“, widerspricht Chris in ruhigem Ton, der den totalen Gegensatz zu meiner aktuellen Stimmlage bildet.

„Oh doch! Ich habe in ein paar Büchern gelesen, wie ein Mensch! Ich weiß ein bisschen über Schutztiere, Ortungszauber und Hexenkräuter, aber das war es auch schon! Und dabei bin ich die weiße Königin!“

Ich sehe in Chris´ Augen, dass er verzweifelt überlegt, wie er mir helfen kann. Er macht den Ansatz, mich an sich zu ziehen und zu umarmen, doch meine aufgebrachte Haltung lässt ihn sein Vorhaben überdenken. Bevor er etwas sagen kann, mache ich mich von seinen Händen los.

„Ich muss endlich lernen, was es bedeutet, die weiße Königin zu sein, Chris. Ich habe keine Zeit hier rumzusitzen, das geht einfach nicht.“

Ein wenig enttäuscht lässt Chris die Schultern sacken und nickt. „In Ordnung. Und was willst du stattdessen tun?“

„Ich muss lesen, auf magische Art! Alle Bücher! Alles! Ich muss alles wissen, denn wenn mein Vater noch lebt, dann muss ich auf seinen nächsten Zug vorbereitet sein!“, sage ich bestimmt und stapfe in Richtung Tür.

Chris sammelt rasch die Bücher ein und hastet hinter mir her. Zusammen verlassen wir das Inselparadies und stoßen hinter der Tür mit Roberta zusammen, die uns fragend und grinsend zugleich ansieht.

„Es waren nur ein paar Minuten, Roberta“, sage ich, bevor sie fragen kann, wie lange wir weg waren. „Ich habe keine Zeit, ich muss lesen!“

Ich zwänge mich an Roberta vorbei und lasse sie achselzuckend zurück.

„Der Liebeszauber der Insel müsste auch bei euch wirken“, höre ich sie grüblerisch hinter mir zu Chris sagen. „Ich war schon mal mit einem Mannwolf darin und da hat er gewirkt.“

Chris gibt ein leicht erschrockenes kurzes Lachen von sich. „Er hat auch gewirkt, aber sich für einen eventuellen Schachzug ihres Vaters vorzubereiten, ist ihr momentan wichtiger.“

Roberta schnalzt mit der Zunge. „Tut mir leid für dich... Soll ich vielleicht...“

„Nein!“, rufe ich aus dem Flur und ernte ein Lachen von beiden.

„Schon gut, Kindchen, ich lass deinen Gefährten in Frieden. Er würde eh nicht mit mir fertig werden!“

Mit einem Grinsen auf den Lippen und dem dunklen Lachen von Chris in meinen Ohren, verschwinde ich in der Bibliothek mit den tausend Büchern und schließe die Tür hinter mir.

Scarlett Taylor

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