Читать книгу Scarlett Taylor - Stefanie Purle - Страница 5

Kapitel 3

Оглавление

„Was würde Bianca wohl davon halten, wenn ich wirklich meine Wohnung kündige und hier einziehe?“, frage ich am nächsten Morgen.

Chris zieht die Augenbrauen hoch, während er die Pfanne mit seinem Spiegelei schwenkt. „Sie würde sich wundern, warum wir so lange gewartet haben.“

„Lange gewartet?“, wiederhole ich verdutzt. „Ein knappes halbes Jahr ist doch nicht lange!“

„Für Normalsterbliche vielleicht nicht. Aber für Gefährten schon.“, sagt er und lässt seine Eier auf einen Teller gleiten.

Da ich keine anderen Gefährten kenne, weiß ich nicht, wie sie es normalerweise handhaben. Ich kenne mittlerweile zwar ein paar Mannwölfe, aber niemand davon hat vor Kurzem seine Gefährtin gefunden. „Wie läuft es denn normalerweise bei Gefährten?“, frage ich Chris deshalb.

Er trägt seinen Teller zur Kücheninsel und setzt sich mir gegenüber. „Theoretisch könnten Gefährten, wenn sie sich erstmal gefunden haben, gleich heiraten und zusammenziehen. Es gibt ja keine Zweifel mehr. Die Gefährtenverbindung ist die sicherste Verbindung überhaupt.“

„Aber man hat doch trotzdem noch einen freien Willen“, entgegne ich. „Wenn jetzt zum Beispiel ein Mannwolf sich nicht fest binden will, dann hat er doch die Wahl, oder nicht?“

Chris lächelt. „In der Theorie schon. Aber warum sollte er das wollen? Warum sollte er seine Gefährtin verlassen?“

„Ich weiß nicht, vielleicht weil er lieber Single bleiben möchte, oder sich noch austoben will?“

Er schüttelt mit dem Kopf. „Nein, Scarlett. Der Mannwolf, und auch der Werwolf ist ab einem gewissen Alter auf der Suche nach seiner Gefährtin. Es ist sein Instinkt, wenn du so willst. Er sucht nach ihr, und wenn er sie gefunden hat, dann lässt er sie nie wieder gehen.“

„Und was ist, wenn sie aber nicht will?“

Jetzt sieht er mich verdutzt an. „Für sie gilt dasselbe. Sie hat ihr Leben lang nach ihm gesucht“, erklärt er und denkt kurz nach, während er weiterkaut. „Vielleicht hast du noch deine Probleme es zu verstehen, weil du eben kein Mannwolf bist und nicht dein Leben lang auf der Suche nach einem Gefährten warst.“

Ich lehne mich zurück und halte meinen Kaffeebecher in beiden Händen. „Ich habe schon nach jemandem gesucht, ich nannte es nur nicht Gefährten“, erwidere ich.

„Nein, das ist etwas anderes“, entgegnet er. „Nach seiner Gefährtin zu suchen, ist wie nach seiner anderen Hälfte zu suchen. Ohne sie fühlt sich der Mannwolf bloß wie ein halbes Wesen. Sie ist der Sinn seines Lebens, ohne sie macht das Leben keinen Sinn.“

Verträumt blicke ich ihn an und schmelze innerlich bei dem Gedanken dahin, dass dieser wunderschöne Mann offenbar wirklich so für mich empfindet.

„Ja, Scarlett, das bist du für mich: Der Sinn meines Lebens“, wiederholt er lächelnd. „Und deswegen gibt es auch keinen Grund, warum du nicht hier einziehen solltest.“

„Du gehst also davon aus, dass ich für dich genauso empfinde, auch wenn ich kein Mannwolf bin?“, necke ich ihn.

Selbstbewusst nickt er. „Ich gehe nicht nur davon aus, ich weiß es sogar sicher.“

Und auch ich weiß, dass es stimmt. Mit Chris ist es ganz anders, als in all meinen früheren Beziehungen. Ich liebte ihn vom ersten Moment an, und das magisch warme Kribbeln auf meinem Brustbein, zeigt mir immer wieder, dass er wirklich mein Gefährte ist. Ich zweifle auch nicht an ihm, oder daran, dass wir zusammengehören. Nur manchmal frage ich mich, warum ich, als weiße Hexe, die Gefährtin eines Mannwolfs sein kann. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich manchmal Angst, dass irgendwann ein weiblicher Mannwolf auftaucht, der auch die Gefährtin von Chris ist und dass sich unsere Gefährtensache als Fehler der magischen Natur herausstellt.

„Es geht wieder darum, dass du kein Mannwolf bist, richtig?“, unterbricht Chris meine Gedanken.

„Nein... Oder vielleicht doch...“, stammle ich und seufze. „Ich habe bloß Angst, dich irgendwann zu verlieren“, gebe ich zu und lasse alte Ängste und Unsicherheiten der Vergangenheit aus mir sprechen.

Chris steht auf, geht um die Kücheninsel herum und stellt sich vor mich. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und sieht mich ernst an. „Scarlett... Seit Generationen arbeitet meine Familie daran, den Vertrag des Vatikans zu erfüllen, damit die Folgegeneration weniger Werwolf ist, als die vorherige. Und offenbar kann meine Generation nun Gefährten haben, die nicht Mannwölfe oder Werwölfe sind. Das bedeutet aber nicht, dass wir deswegen weniger Gefährten sind, in Ordnung?“

Ich nicke und er beugt sich herab um mich zu küssen. „Entschuldige, dass ich immer wieder damit anfange“, sage ich. „Es ist nur so neu für mich, dass mich jemand genauso sehr liebt, wie ich ihn.“

Chris Lächeln zeigt einen Hauch von Mitleid, als er sanft mit seinen Fingern über meine Wange fährt. „Ich liebe dich, Scarlett. Und ich werde dich immer lieben. Ich wusste es, als ich dich auf dem Parkplatz hinter Elviras Büro gesehen habe. Schon als du aus deinem Auto ausgestiegen bist und ich dich sah, wusste ich, dass du meine Gefährtin bist.“

Ich denke zurück an die Zeit, als ich noch keine Ahnung hatte, wer mein Vater ist oder das Elvira in Wirklichkeit als Parapsychologin arbeitet. Es kommt mir vor, als wäre es gestern gewesen. Jedoch hat sich mein Leben seitdem komplett verändert. Ich bin nicht mehr die dicke arbeitslose Scarlett, die keinen Freund länger als zwei Monate halten kann! Heute bin ich die zwar immer noch die dicke Scarlett, die aber jetzt als Parapsychologin arbeitet, nebenberuflich die weiße Hexenkönigin ist und wahrscheinlich bald bei ihrem Gefährten einzieht!

Lächelnd sehe ich in Chris´ moosgrüne Augen und nicke. „Okay, dann mach mal ein bisschen Platz für meine Sachen“, sage ich und sein Lächeln wird breiter.

„Also ziehst du zu mir und kündigst deine Wohnung?“

Wieder nicke ich. „Ja!“

Mit einem Kuss besiegeln wir die Entscheidung.

Am Nachmittag fahre ich mit dem Kündigungsschreiben in der Hand zu meiner Wohnung und stecke sie dem Vermieter in den Briefkasten. Nun bleiben mir noch drei Monate, meinen Kram zu verkaufen, oder in Kisten zu packen und rüber zu Chris zu schleppen.

Als ich die Treppen meines früheren Zuhauses emporsteige, fällt mir schon auf, dass es hier nichts gibt, was ich vermissen werde. Auch wenn ich auf einem ländlichen Dorf gelebt habe, so ist mir dieser Apartmentkomplex schon zu weit von der Natur entfernt. Seitdem ich die weiße Königin geworden bin, ist der Drang, immer wieder in die Natur zu gehen, immens. Jeden Morgen muss ich barfuß auf dem Gras vor Chris´ Haus laufen, ansonsten treibt mich die innerliche Unruhe in den Wahnsinn. Ich wünschte, ich könnte mit jemandem darüber reden, der es versteht. Fletcher kann meine Gefühle zwar nachempfinden, aber er ist keine königliche Hexe, und deswegen ist sein Drang der Natur zu begegnen nicht ganz so stark, wie meiner.

Als Roberta noch hier war, sagte sie mir, dass ich den morgendlichen Gang in den Wald bald begrüßen würde, wie ein Alkoholiker das erstes Bier des Tages. Sie hatte recht, ich genieße es wirklich, aber dennoch komme ich mir albern dabei vor.

Auch wenn ich meine Tante Roberta nur ein paar Tage kannte, bevor mein Vater sie tötete, so fehlt sie mir doch sehr. Sie ist, neben mir, das einzige weiße königliche Hexenblut, das existiert. Und wenn mein zukünftiges Ich recht hat, und sie noch lebt, muss ich sie finden!

Doch bislang gab es keine Spur von ihr, kein einziges Lebenszeichen, weswegen ich mich so langsam selbst frage, ob sie wirklich noch lebt. Vielleicht hat Elvira recht, und Roberta lebte zwar noch in der Wirklichkeit meines Ichs aus der Zukunft, jedoch nicht in unserer Wirklichkeit.

Ich sammle die Post ein, stecke sie in meine Handtasche und öffne die Fenster meiner Wohnung. Die Bücher, die die Scarlett aus der Zukunft mir hinterlassen hat, sind schon längst in Chris´ Haus. Auch alles, was Elvira mir zum Zaubern gegeben hat, habe ich bereits zu Chris gebracht, genau wie die meisten meiner Klamotten und Kosmetika. Das Einzige in der Wohnung, woran mein Herz noch hängt, sind die Fotoalben aus meiner Kindheit und die gerahmten Bilder von mir und meiner Mutter, bevor sie durch den Fluch meines Vaters ins Wachkoma fiel.

Also schnappe ich mir einen Karton und lade die Bilder und Alben hinein. Aus dem Schlafzimmer hole ich einen Teddy, den mir meine Mutter einstmals zum Geburtstag geschenkt hat, und eine alte, gehäkelte Decke. Eine Porzellanfigur, die meiner Oma gehörte, die ich aber nie kennengelernt habe, wickle ich in Zeitung und lege sie auch in den Karton. Den Ordner mit meinen wichtigen Unterlagen lege ich obenauf, genau wie ein paar Bücher aus meinem Bücherregal.

Dann blicke ich mich um, gehe von Raum zu Raum, auf der Suche nach Dingen, die ich in mein neues Zuhause mitnehmen möchte. Aber ich finde nichts. An den meisten Sachen hängen Erinnerungen, die ich lieber vergessen möchte. Wie zum Beispiel das Sparschwein von meinem Ex, welches er für die Ersparnisse unseres ersten gemeinsamen Urlaubs angeschafft hatte. Der Urlaub hat nie stattgefunden und auch an den Ex erinnere ich mich nicht gern. Dann der Schreibtisch, den ein anderer Verflossener besorgt hatte. Er war ein Workaholic, der auch nach Feierabend noch am Computer saß um Emails zu beantworten oder Termine für seinen Chef zu planen. Oder das Bild an der Wand mit den springenden Delfinen. Ich hatte es in Griechenland gekauft, als ich mit einem anderen Ex dort war. Er war ein paar Wochen später weg, aber das Bild blieb. Wenn ich es nun betrachte, kann ich nicht verstehen, warum ich es jemals schön fand. Das Motiv ist kitschig und auch die Malweise ist sehr amateurhaft. Kein Vergleich zu den Gemälden, die Chris kreiert.

Meine geliebte Kaffeemaschine in der Küche brauche ich auch nicht mitzunehmen, da die von Chris tausendmal besser ist. Sie war gut, als ich mir nichts anderes leisten konnte. Aber nun habe ich keine Verwendung mehr für sie.

Also nehme ich meinen Karton, hieve ihn auf meine Hüfte und verlasse meine Wohnung wieder. Wenn ich das nächste Mal wiederkomme, wird ein Container vorm Fenster stehen, in den ich alles hineinwerfen werde. Ich brauche es nicht mehr, denn es gehört nicht mehr zu mir. Die alte Wohnung zu betreten, kam mir vor, als stülpe man mir ein altmodisches Kleid über, das mir nicht passt. Ich bin aus ihr herausgewachsen, habe mich weiterentwickelt und möchte um keinen Preis der Welt wieder zurück!

Scarlett Taylor

Подняться наверх