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Kapitel 11

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Die Tatsache, dass ich zwei ganze Tage in der Bibliothek verbracht habe, schüttle ich mit einem gleichgültigen Achselzucken ab. Sicherlich hätte ich gerne vorab dafür gesorgt, dass Chris Zuhause ist, und nicht 48 Stunden bei Roberta auf mich warten muss, aber es scheint ihn nicht gestört zu haben. Die beiden sind sich noch nähergekommen, was mich wirklich freut. Allerdings scheint Roberta noch mehr Gefallen an ihm gefunden zu haben, denn bei jeder sich bietenden Gelegenheit berührt sie ihn und zwinkert ihm zu. Chris lächelt dann freundlich und erwidert das Zwinkern.

Bei meiner Rückkehr aus der Bibliothek saßen sie im Garten und tranken Tee, doch nun, da ich zurück bin, ist es an der Zeit aufzubrechen.

Mein neues Wissen hat mir Wege aufgezeigt, wie ich Mario und die eingesperrten weißen Wesen im Schloss des ehemaligen schwarzen Königs befreien kann. So verlockend es auch sein mag, noch ein paar Tage auf der Insel oder im pompösen Cottage meiner Tante zu verbringen, ich entscheide mich dagegen.

„Wenn du das wirklich durchziehen willst, dann komme ich mit“, sagt Roberta, als ich ihr von meiner Idee erzähle, wie ich zum dunklen Schloss gelangen kann.

„Nein!“, protestiere ich lautstark. „Ich werde nicht zulassen, dass er dich noch einmal tötet! Falls Elliot noch lebt, dann muss ich alleine mit ihm fertig werden!“

Roberta sieht hilfesuchend zu Chris, doch der blickt mit zusammengezogenen Augenbrauen mürrisch gen Boden. „Ich bin immer noch dagegen, dass du zum Schloss gehst, Scarlett“, zischt er leise, mit einem leichten Knurren in der Kehle.

Ich seufze. „Ja, und das verstehe ich auch, Chris. Aber ich weiß nun mehr über Magie, als jemals zuvor!“, versuche ich ihn zu überzeugen und ergreife seine Hand. „Ich kenne Abwehrzauber, Bannzauber, Zeitenzauber und noch viel mehr! Sollte er uns angreifen, werde ich mich wehren können!“

Er verstärkt seinen Handgriff und sieht mich aus dunklen Augen an. „Es ist etwas anderes, nur darüber zu lesen, als sie wirklich selbst anzuwenden, Scarlett! Erfahrung bekommt man nicht aus Büchern!“

Seine Sorge um mich rührt mich, aber gleichzeitig fühlt sich sein barscher Ton einengend an. Ich straffe die Schultern, recke das Kinn und begegne seinem Blick. „Ich bin die weiße Königin, und es ist meine Pflicht, die weißen Wesen aus dem Kerker des schwarzen Königs zu befreien!“

Chris schnaubt und schüttelt mit dem Kopf. „Wie bereits gesagt, du bist auch meine Gefährtin und ich werde nicht zulassen, dass du dich in solch eine Gefahr begibst.“

Roberta kommt näher und legt je eine Hand auf unsere Schultern. „Chris, sie muss es tun. Es ist in ihrem Blut“, beginnt sie und ich nicke zustimmend. „Aber du wirst es nicht alleine schaffen, Kindchen“, sagt sie nun an mich gewandt. „Du brauchst Chris und sicherlich noch ein oder zwei weitere Dämonologen, die dich begleiten. Elliot hat Dämonen gesammelt, so viele, dass man sie nicht zählen kann!“

„Aber sie können mir nichts tun“, entgegne ich. „Töten seine Dämonen mich, ist auch er tot.“

Roberta nickt sanft. „Ja, das schon. Aber es gibt Schlimmeres, als den Tod.“

Ich schlucke bei dem Gedanken, was die Dämonen mir antun könnten, würden sie mich in die Finger kriegen. Der Tod wäre im Vergleich dazu wirklich eine Erlösung.

„Wenn du den wahren Standort des Schlosses herausfindest, und dich tatsächlich auf den Weg machst, um Mario und die Geistwesen zu befreien, dann brauchst du Unterstützung. Selbst wenn Elliot tot ist, wird er dafür gesorgt haben, dass dir das Eindringen in sein Schloss nicht leicht gemacht wird.“

Chris löst sich von uns, dreht uns den Rücken zu und fährt sich aufgebracht durch die Haare. „Das ist viel zu gefährlich! Das kann ich nicht zulassen!“

Robertas kleine Augen formen sich zu Schlitzen und richten ihren Blick auf Chris´ Rücken. „Sie ist die weiße Königin, Chris! Es ist ihre Pflicht, ihre Untertanen zu befreien! Deine Sorge um Scarlett in Ehren, aber du wärst ihr eine größere Hilfe, wenn du sie einfach unterstützen würdest!“

Chris´ Schultern beben und ich sehe an seinem sehnigen Hals, dass er kurz davor ist, sich zu verwandeln. Die ersten Fellhaare sprießen schon und das Grollen in seiner Kehle nimmt zu. Mit einer blitzschnellen Bewegung dreht er sich wieder zu uns um. Er will etwas sagen, doch Roberta fällt ihm ins Wort.

„Die Belgers sind die besten Dämonologen weit und breit! Wenn du und Bianca Scarlett unterstützen, wird sich kein Dämon in eure Nähe trauen! Zusammen mit der weißen Königin sind die Belger-Dämonologen quasi unbesiegbar!“, schreit sie ihm ins Gesicht.

Er wirkt für einen Moment nachdenklich, bevor er seine abwehrende Haltung langsam wieder aufgibt.

„Wenn wir es zusammen angehen, dann kann uns nichts passieren“, füge ich hinzu und hoffe auf seine Zustimmung.

Anstatt zu antworten, blickt er gedankenverloren zu Boden, während sein Fell und die Krallen sich wieder zurückbilden.

„Nicht nur, dass Scarlett ihr Versprechen einhält, diesen Mario und die Geistwesen zu befreien, sie erhöht außerdem auch noch die Zahl der weißen Wesen in der Welt, wenn sie sie aus dem Kerker befreit. Wir sind seit Jahrhunderten in der Minderheit, Chris! Meine Mutter und danach mein Bruder halten seit ewigen Zeiten weiße Wesen gefangen, damit die dunklen Wesen in der Überzahl bleiben. Wenn Scarlett dem ein Ende bereiten kann, würde das der magischen Welt eine Menge nützen!“

Bei Robertas Worten denke ich an den Fahrstuhl, der mich und meinen Vater tief nach unten in seinen Kerker beförderte. Wir passierten dutzende Stockwerke ohne anzuhalten. Was, wenn diese Ebenen vollgestopft sind mit weißen Wesen? Zwar hatte der schwarze König mir anhand einer allwissenden Waage demonstriert, dass Schwarz und Weiß im völligen Gleichgewicht stehen, aber ich weiß heute, dass das eine Lüge war. Ich spüre die Dominanz der schwarzen Wesen, auch wenn sie sich im Moment noch etwas bedeckt halten. Die weißen Geistwesen sind definitiv in der Minderheit, entweder hinter geschlossenen Portalen oder in Käfige und Zellen gesperrt.

Schreckliche Bilder von eingesperrten weißen Vampiren, Trollen, Gnomen, Feen und Meerwesen im Keller des dunklen Schlosses kommen mir in den Sinn und schnüren mir die Kehle zu.

Endlich nickt Chris. „In Ordnung... Aber ich bezweifle, dass Bianca uns helfen wird.“

Die Trauer, die in Chris Augen tritt, als er an die eisige Stille zwischen ihm und seiner Schwester denkt, raubt mir fast den Atem. Ich trete auf ihn zu und lege meine Arme um seine Mitte.

„Ich möchte die Zeitreisetür im Schloss ausprobieren, Chris. Vielleicht bringt sie uns noch immer in die Wildnis. Einen Versuch ist es doch wert. Und Bianca wird mit uns kommen, um sich davon zu überzeugen, dass es Arturo gut geht, und dass er nicht mit mir kommen wollte. Er wird ihr sagen, dass er mich verlassen hat, bevor ich ihn verließ. Und dann wird sie mir und dir verzeihen“, prophezeie ich und blicke zuversichtlich an ihm hoch.

Fragend huscht sein Blick über mein Gesicht, die Stirn gedankenverloren in Falten gelegt. „Das könnte sogar funktionieren“, sagt er nach einer Weile und beugt sich zu einem Kuss herab.

„Dann machen wir es so!“, rufe ich euphorisch aus.

Roberta lacht uns an und schließt die Arme um unsere aneinandergepressten Körper. „Und wenn Elliot noch am Leben ist, dann schickt mir eine Nachricht. Dann gehe ich zu deiner Mutter und erlöse sie von dem Fluch.“

Mein Herz setzt bei ihren Worten einen Schlag aus. Hoffnung durchströmt mich und ich lächle Roberta nickend zu, als sie ihre Umarmung wieder löst. Beinahe erhoffe ich mir nun, dass mein Vater noch lebt. Auch wenn das unseren Plan erheblich erschweren würde, so hätte ich dann doch wenigstens die Chance, meine Mutter wiederzubekommen. Bei dem Gedanken daran verschwimmt meine Sicht und eine Träne bahnt sich ihren Weg über meine Wange.

Bevor Chris es bemerkt, wische ich den salzigen Tropfen an seinem Hemd ab, nehme mich zusammen und sehe ihn entschlossen an. „Dann lass uns losgehen!“

Er nickt, legt seine Handfläche an meine Wange und wischt mit dem Daumen über die nasse Spur. Ich kann ihm nichts vormachen, er weiß genau, wie es in mir aussieht.

Wir verabschieden uns von Roberta und machen uns auf den Rückweg. In der Küche kritzelt sie ihre Handynummer hastig auf ein Stück Papier und drückt es mir in die Hand.

„Da ich im 17. Jahrhundert bin, dauert es ein wenig, bis ein Anruf zu mir durchgestellt wird. Das Netz hier ist ganz furchtbar“, sagt sie und beginnt zu lachen. „Aber ich werde hier warten. Wenn Elliot noch lebt, mache ich mich sofort auf den Weg zu deiner Mutter.“

Ich bedanke mich bei Roberta und nehme sie zum Abschied fest in den Arm. Aufmunternd klopft sie mir auf die Schultern und ich und stecke den Zettel mit ihrer Nummer in meine Hosentasche.

Wir gehen durch die Bücherei und mitten in das Portal hinein, welches uns wieder am Fuße des Uluru absetzt. Dann laufen wir an seinem Rand entlang, bis zur Höhle, vor der unsere Jacken noch immer liegen. Chris hebt mich leichthändig hoch und sprintet dann selbst den Höhleneingang empor. Dort drin angekommen ziehen wir unsere Jacken an und gehen durch das nächste Portal, wodurch wir wieder im Wald vor Chris´ Haus landen.

Es ist mittlerweile dunkel geworden und sobald wir wieder in unserer Realität gelandet sind, überkommt mich bleierne Müdigkeit, quälender Durst und übermäßiger Hunger. Ich habe während unseres ganzen Ausfluges weder geschlafen, noch gegessen oder getrunken. Chris spürt sofort, was mit mir nicht stimmt. Er verwandelt sich, hebt mich auf seinen Arm und rennt mit mir durch den dunklen Wald.

Als wir endlich bei seinem Haus ankommen, will ich eigentlich nur noch ins Bett, doch Chris besteht darauf, dass ich erst etwas trinke und wenigstens eine Schnitte Brot esse.

Ich kann mich nur noch daran erinnern, die Flasche Wasser zur Hälfte getrunken und einmal von meinem Brot abgebissen zu haben. Danach muss ich eingeschlafen sein, denn als ich wieder wach werde, liege ich in unserem Bett, mit Chris neben mir und der aufgehenden Sonne am Horizont hinter den Baumwipfeln.

Scarlett Taylor

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