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Kapitel 5

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„Ja?“, hake ich aufgeregt nach und springe vor Freude und Erleichterung hoch. „Wo ist es?“

Chris schnüffelt erneut in der Luft, dann setzt er sich in Bewegung. Ich folge ihm und lasse mich von ihm tiefer und tiefer in den Wald hineinführen.

Wir laufen gut zehn Minuten stramm gen Süden, bis er abrupt stehenbleibt. „Hier müsste sie sein“, sagt er und blickt sich um. „Ihr Geruch ist hier am stärksten.“

Zusammen durchsuchen wir die Gegend, blicken in hohe dunkle Baumwipfel und fahren mit den Augen die Äste ab. Plötzlich begibt Chris sich auf die Knie und tastet den Boden ab.

„Was machst du da?“, frage ich und hocke mich neben ihn.

„Ich glaube, hier ist etwas...“

Zusammen schieben wir Blätter, Äste und Tannennadeln beiseite. Dicker, grauer Fels erscheint unter dem lockeren Waldboden und wir blicken uns an.

„Ein Portal?“, frage ich.

Chris zuckt mit den Schultern. „Könnte sein. Auf jeden Fall endet hier unten die Spur.“

Hastig und fahrig wische ich den Dreck vom Felsen, der tief im Boden liegt und den ich ohne Chris niemals entdeckt hätte. Er ist ungefähr zwei Meter lang und einen Meter breit. Ich springe über ihn drüber, knie mich davor und schaufle ihn mit bloßen Händen frei.

„Es muss ein Portal sein! Sieh doch, Chris!“, rufe ich aufgeregt und deute auf die zwei darunterliegenden Steine und den Hohlraum dazwischen.

Chris hilft mir mit seinen Pranken auch den Hohlraum von Erde, Blättern und Dreck zu befreien. Ich spüre ein Kribbeln auf der Haut und weiß, dass wir uns etwas Magischem nähern.

„Es ist ganz sicher ein Portal“, versichere ich ihm und mir selbst. „Und ich weiß, wie ich es öffnen kann!“

Chris sieht mich erstaunt an. „Hat Roberta dir das beigebracht?“

„Nein. Sie hat mir gezeigt, wie ich ein zerstörtes Portal wieder aufrichte. Wie ich eines öffne, weiß ich aus den Büchern.“

Ich gehe ein paar Schritte zurück, richte den Blick auf die Felsen und verbinde mich mit den Elementen. Nach und nach kommen sie zu mir: Die Erde, das Wasser, Feuer und Luft. Der Wind beginnt um die Bäume herum zu peitschen, warme Regentropfen rieseln hernieder und der Boden unter unseren Füßen fängt an zu beben.

Chris stellt sich neben mich und beobachtet die aufbrausende Magie um uns herum. Ein warmer Lichtstrahl leuchtet kurz aus dem Hohlraum heraus auf unsere Füße, und ich weiß, dass ich nun das Portal mit der Kraft meiner Gedanken und der Macht meiner Magie geöffnet habe.

„Wie hast du das gemacht?“, will Chris wissen, als sich der Sturm legt und es wieder aufhört zu regnen. „Stand das in den Büchern?“

Ich nicke. „Ja. Ich brauche nur die Elemente zu rufen, manchmal auch die Geistwesen, und daran denken, was geschehen soll. Und dann geschieht es.“

Chris lächelt. „Wahnsinn... Und nun ist das Portal geöffnet?“

Wir blicken beide zu den Steinen, die halb unter der Erde vergraben sind. Alles sieht noch so aus, wie vor meinem Zauber. Der warme Lichtstrahl ist wieder weg, doch mein Gefühl sagt mir, dass das Portal nun geöffnet ist. „Ja, ich glaube schon.“

„Und was jetzt?“

Ich muss zugeben, dass ich gehofft hatte, Roberta oder Matilda würden nach meinem Zauber aus dem Hohlraum herausgekrabbelt kommen, doch leider passiert das nicht. „Offenbar kommen sie nicht von selbst. Wir müssen sie holen.“

Ich nehme Chris bei der Hand und gehe auf die Steine zu.

„Bei einem dunklen Portal muss man sich darauf stellen und gelangt in die Hölle. Hast du gelesen, was bei einem weißen Portal geschieht?“, hakt er nach und zögert ein wenig.

„Ich habe gelesen, dass Portale zu den unterschiedlichsten Orten führen können. Eine königliche weiße Hexe kann sie umprogrammieren. Aber die meisten Portale führen in die Welt der Geistwesen.“

Chris nickt nachdenklich und sieht dann mit schiefem Blick zum Portal. „Zwängen wir uns durch den Hohlraum, oder wie können wir es betreten?“

„Ich weiß es nicht“, gebe ich zu. „Aber wir probieren es einfach!“

Ich hocke mich seitlich vor die Öffnung und ziehe Chris an seinem Arm zu mir herunter. Er verwandelt sich zurück und kniet in seiner menschlichen Gestalt neben mir. Fest umklammere ich seine Hände, schließe halb die Augen und bewege meinen Fuß in den Hohlraum. Chris tut es mir gleich.

Sobald wir den Boden unter dem Felsen berührt haben, wirbeln wir herum und landen Sekunden später hart auf einem Steinboden.

„Chris?“, rufe ich, beinahe hysterisch und drehe mich um.

„Hier!“, erwidert er hinter mir und setzt sich ächzend auf.

Ich blicke mich um und erkenne, dass wir in einer Höhle gelandet sind. Die Felsen sind rötlich orange und helles Licht dringt aus einer halbrunden Öffnung herein. Es ist beinahe unerträglich warm, stickig und staubig. Ich rapple mich auf und komme geduckt zum Stehen.

„Lass uns nachsehen, was dort draußen ist“, sage ich und gehe mit Chris geduckt in Richtung Höhlenausgang.

Mein Herz klopft vor Aufregung bis hoch in meinen Hals. Ist dies wirklich ein Portal, welches von Roberta genutzt wurde? Wo hat es uns hingebracht, und was werden wir hinter dem Ausgang vorfinden? Es ist schon ein wenig beängstigend, wenn man durch ein Portal an einen anderen Ort geschleudert wird, und auch ein wenig waghalsig, wie mir nun erst bewusst wird. Wer auch immer das Portal errichtet hat, hätte uns auch mitten im Meer aussetzen können!

Die Hitze wird immer stärker, je näher wir den gleißenden Sonnenstrahlen am Ausgang der Höhle kommen und ich spüre bereits, wie sich Schweißtropfen auf meiner Stirn bilden. Ich bin definitiv viel zu warm angezogen für dieses Wetter!

Wir blinzeln gegen das helle Licht und blicken auf eine rote Sandwüste, die spärlich mit kleinen hellgrünen Grasflecken, steppenartigen Büschen und dürren Bäumen bedeckt ist.

„Ach, du Scheiße“, rutscht es mir heraus und ich schlage die Hand vor den Mund. „Wo sind wir hier denn gelandet?“

Chris lehnt sich aus der Höhle, blickt nach oben, unten und zu allen Seiten. Dann springt er leichtfüßige vom Rand der Höhle hinab und landet in der staubig roten Erde, drei Meter unter mir. „Uluru!“, ruft er zu mir hoch.

Mit aufgerissenen Augen schaue ich zu ihm herunter. „Was?“

„Uluru!“, wiederholt er und grinst.

Ich schüttle mit dem Kopf. „Was willst du mir damit sagen?“

Er lacht und blickt nach oben gegen den Felsen über mir. „Wir sind offenbar mitten im Uluru gelandet“, sagt er, stemmt die Hände in die Hüfte und genießt den Ausblick.

„Uluru?“, hake ich unwissend nach und hocke mich auf den Boden der Höhle, nahe dem Rand. Unter mir sind drei Meter glatter, rötlich grauer Fels. Chris steht inmitten von dünnen Bäumchen, die sich im warmen Wind biegen. „Wie komme ich hier bloß runter?“

„Ja, Uluru“, sagt Chris und steigt wieder zu mir hoch. „Mehr bekannt als Ayers Rock.“

„Australien?“, kreische ich förmlich und schaue in die weite Steppe. Es ist noch immer unbegreiflich für mich, was Magie alles ausrichten kann. Offenbar kann man mit der Macht der Magie auch halbe Weltreisen innerhalb von Sekunden unternehmen. „Das echte Australien?“

Wieder lacht Chris. Er hebt mich hoch, trägt mich auf seinem Arm und springt aus der Höhle hinab zum Boden. Es geht so schnell, dass mein ängstliches Kreischen erst ertönt, als wir schon unten sind.

„Bei Euch Hexen weiß man es ja nie genau. Es könnte natürlich auch eine Illusion sein, wie im Schloss deines Vaters“, sagt er und setzt mich wieder ab. „Allerdings sieht es verdammt echt aus.“

Zusammen schauen wir an dem rötlich braunen Felskoloss empor. Er ist so riesig und massiv, dass ich mir ganz klein vorkomme. Seine Oberfläche ist von mehreren Löchern gespickt, die allesamt kleine Höhlen sein könnten. Ich muss den Kopf weit in den Nacken legen, um seinen höchsten Punkt zu sehen. Darüber ist hellblauer Himmel ohne eine einzige Wolke und hinter uns knallt die heiße Sonne in unseren Rücken.

Ich komme mir vor, als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet, so fremdartig wirkt alles auf mich. „Ayers Rock...“, sage ich andächtig und blicke dann zu Chris. „Wie hast du diesen Berg vorher genannt?“

„Uluru“, antwortet er und zieht seine Jacke aus. „So nannten die Aborigines diesen Inselberg.“

Auch ich streife meinen Mantel ab und lege ihn an den Fuß des Berges in den orangefarbenen Sand. „Warum führt dieses Portal uns nach Australien? Und wieso verliert sich Matildas Spur in dem Portal. Was tut sie hier?“, sinniere ich vor mich hin, wobei ich mich weiter umblicke.

„Matilda ist eine Gespenster-Fledermaus, oder?“

Ich nicke und beginne mit Chris an der Felswand entlang zu gehen. „Ja, genau.“

„Dann ist Australien ihre Heimat!“, stellt er fest. „Vielleicht versteckt Roberta sich deswegen hier.“

„Das ist es! Deswegen hat sie Australien ausgewählt! Damit es ihrem Schutztier gut geht!“, sage ich euphorisch, nun da mir klar wird, dass dies kein willkürliches Portal ist, sondern offenbar wirklich etwas mit Robertas Verbleib zu tun hat. „Sie muss hier irgendwo sein!“

Zusammen suchen wir den Felsen ab und blicken immer wieder in die Ferne. Wir laufen weiter und weiter den Fuß des Berges entlang, doch bislang scheinen wir die zwei einzigen Lebewesen hier zu sein.

Nach einer Weile reicht es mir und ich beginne Robertas und Matildas Namen zu rufen. Ein paar Vögel schrecken auf und fliegen aufgeregt von der Oberfläche des Felsens davon.

Die Hitze bringt Chris dazu, sein Hemd auszuziehen und im Shirt weiterzugehen. Ich kremple die Ärmel meines Pullovers hoch und fächere mir Luft zu. Als wir die äußere Kante des Berges erreicht haben, rennen wir förmlich auf den Schatten zu, der sich hinter einer buckligen Felsformation auftut. Chris wischt sich mit seinem Hemd den Schweiß von Gesicht und Nacken und bindet es sich dann um die Hüfte.

„Kannst du vielleicht irgendwie telepathisch mit ihr Kontakt aufnehmen?“, fragt er beinahe verzweifelt, doch meine Augen sind auf einen Fleck hinter ihm am Felsen gerichtet.

„Guck doch mal.“ Ich zeige mit dem Finger auf die Stelle im Stein, die sich von der Umgebung abhebt. Sie wirkt wie ein Schleier, eine Art rundes Fenster, in dem der rotbraune Felsen zu schwimmen scheint.

„Was denn?“, will Chris wissen und sieht sich verwirrt um.

„Hier“, sage ich und zeige auf die wabernde Felsenwand. „Siehst du das nicht?“

Er zieht die Augenbrauen hoch und schüttelt mit dem Kopf. „Ich weiß nicht, was du meinst.“

Vorsichtig lege ich die Hand gegen den schwammigen Fleck und mit einem Mal wird er größer. „Da! Sieh doch!“

Aber Chris schüttelt noch immer mit dem Kopf und schaut mich fragend an. „Ich sehe nichts, Scarlett. Nur den Felsen.“

Ich ziehe meine Hand zurück, woraufhin der schwammige Fleck wieder kleiner wird. Für einen Moment denke ich, die Sonne sei mir zu Kopf gestiegen und es handle sich womöglich nur um eine Art Fata Morgana, ausgelöst von Luftspiegelungen und gleißendem Sonnenlicht. Doch so oft ich auch blinzle und die Stelle betrachte, sie bleibt unverändert und klar zu sehen.

„Das musst du doch sehen!“, sage ich und deute erneut auf den Felsen.

Chris zuckt mit den Schultern und verneint. Ich seufze und tue das, was mein Bauchgefühl mir rät, denn wie ich in den letzten Monaten gelernt habe, ist dieses Gefühl mein bester Berater in magischen Dingen. Fest umfasse ich Chris Hand und gehe auf den Felsen zu. Mit einem fragenden Gesichtsausdruck lässt er sich mit sich ziehen und beobachtet, was ich tue. Wieder lege ich meine Hand auf den Felsen, an die Stelle, wo sich das Gestein aufzulösen scheint. Der wabernde Fleck wird erneut größer und zu meinem eigenen Erstaunen merke ich, dass ich meine Finger in den Felsen hineindrücken kann.

„Deine Finger...“, stammelt Chris erstaunt. „Was ist das? Ein weiteres Portal?“

„Ich weiß es nicht“, gestehe ich, nehme einen tiefen Atemzug und halte die Luft an, wobei ich erst meine Hand, dann mein Handgelenk und schließlich meinen Unterarm in den Felsen hineinschiebe.

Ich kneife die Augen zu, ziehe Chris dicht an mich und trete durch den wabernden Fleck im Stein hindurch. Sobald ich einen Schritt getan habe, zerre ich an Chris´ Hand und öffne die Augen. Er steht hinter mir, doch wir befinden uns nicht mehr vor dem Uluru, sondern in einem Zimmer, das aussieht, wie der Lagerraum einer riesigen Bücherei.

Scarlett Taylor

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