Читать книгу Weil du so schön bist... - Stefanie Rock - Страница 8

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Lena knipste das Nachtlicht an, es war erst fünf Uhr morgens. Eigentlich hatte sie noch genug Zeit, bis sie im Büro sein musste, aber sie würde ewig brauchen ehe sie wieder einschlief. Entschlossen stand sie auf, nahm sich ein Handtuch aus dem Schrank und nahm eine lange Dusche. Eine halbe Stunde später föhnte sie sich ihre langen braunen Haare und dachte über gestern Abend nach. Mit chinesischem Essen und dem Klassiker „Interview mit einem Vampir“ ließen sie den Abend gemütlich ausklingen. Schon morgen fliegen Alexa und Tom nach Ägypten. Drei ganze Wochen würde sie ihre kleine Schwester vermissen müssen. Die beiden verband ein sehr inniges Verhältnis.

Alexa ist 27 Jahre alt und eine tolle junge Frau. Die knappen zwei Jahre Altersunterschied machten sich kaum bemerkbar. Lena und Alexa waren nicht nur Schwestern, sondern auch Freundinnen. Trotzdem war die Rollenverteilung totales Klischee, die große Schwester „beschützte“ die Kleine. Tom, den Freund ihrer Schwester mochte sie auch sehr, die beiden waren seit drei Jahren ein Paar und Lena beneidete die beiden manchmal, weil sie einfach so gut zusammen passten. Alexa hatte erfolgreich eine Ausbildung zur Hotelkauffrau abgeschlossen. In den letzten Jahren arbeitete sie sich recht schnell hoch und es sah so aus, als ob ihr im nächsten Jahr die stellvertretende Leitung übertragen werden würde. Lena traute ihr das zu und war jetzt schon mächtig stolz auf ihre kleine Schwester. Nebenbei war sie in ihre Fußstapfen getreten und modelte hier und da für verschiedene Firmen.

Die Schwestern „Große“ hatten optisch viel Glück gehabt und konnten sich nebenberuflich die Haushaltskasse etwas aufbessern. Alexa machte sich nicht viel aus „Schönheit“, sie achtete zwar auf Kleidung und Make-Up, war aber nie arrogant oder eingebildet. Sie sagte immer: „Dafür kann ich weder Singen noch Tanzen, oder habe irgendein kreatives Talent.“ So sah Lena das auch.

Als sie sich so im Spiegel betrachtete und sich das Gesicht eincremte, hielte sie plötzlich inne. Sie reckte ihr Kinn in Richtung ihres Spiegelbildes und begutachtete ihre verheilende Wunde am Hals. Wieder eine Erinnerung mehr. Es war sicherlich keine schöne Erinnerung, aber Lena wusste, in ein paar Jahren, wenn nur noch ein hellrosa Strich übrig geblieben war, würde sie vielleicht einmal tief einatmen und wissen, dass sie es überlebt hatte. Sie klebte ein neues Pflaster auf die frisch vernähte Wunde und zog sich an. Sieben Uhr, Lena nippte an ihrem Kaffee und sah auf die Küchenuhr.

Ich habe immer noch so viel Zeit.

Normalerweise beginnt ihr Dienst um zehn Uhr, aber sie wusste, dass ihr Chef Carsten schon um acht Uhr in der Kanzlei war, also entschied sie, sich gleich auf den Weg zu machen.

„Guten Morgen, Herr Scholz.“

Lena legte ihre Handtasche auf den Stuhl, in der allerdings nicht viel zu finden war, bis auf einen Labello vom Regal zu Hause, eine Zeitung vom Kiosk, den Zweitschlüssel zur Wohnung und einem alten Portemonnaie. Mit dem Rest hatte jetzt der Dieb seine Freude. Glücklicherweise besaßen ihre Schwester und ihre Eltern die beiden Ersatzschlüssel für ihre Wohnung. Alexa trug den Schlüssel immer bei sich und hatte ihn Lena auf die Kommode im Flur gelegt.

„Lena, was machst du denn schon hier? Ich habe erst gegen zehn mit dir gerechnet, obwohl ich dich eigentlich sofort wieder nach Hause schicken sollte, laut den ´Anweisungen´ deines Vaters.“

Stirnrunzelnd hing Lena ihren Mantel an die Garderobe, „mein Dad lässt auch keine Gelegenheit aus, selbst meinen Chef beauftragt er, mir das Arbeiten zu verbieten. Zum Glück weiß ich ja, dass du mich hier brauchst und ohne mich total aufgeschmissen bist. Ist in der letzten Woche viel liegen geblieben?“

Carsten räusperte sich: „Na nun aber mal langsam, ich habe das alles auch sehr gut ohne dich hinbekommen. Ich hätte es auch nicht schlecht gefunden, wenn du dir noch eine Woche Zeit gegönnt hättest, schließlich war das nicht nur ein Kratzer, Frau Große.“

„Ja, halb so wild. Ich bin wieder hier und möchte was tun. Das lenkt mich ab und bringt mich auf andere Gedanken. Carsten hielt Lena an der Schulter fest und stoppte sie auf ihrem Weg zum Schreibtisch.

„Lena, jetzt ehrlich, geht es dir wirklich gut? Es wäre wirklich kein Problem, wenn du…“

Lena unterbrach ihren Chef, „Carsten es ist alles Okay, bitte glaube mir, ich würde es sagen, wenn es anders wäre. Die Ablenkung hier tut mir gut und ich werde es nicht übertreiben, versprochen.“

Mit hochgezogenen Augenbrauen streichelte Carsten flüchtig über Lenas Wange. „Na gut, Frau Große, dann will ich dir das mal glauben.“

Carsten öffnete die große schwere Flügeltür zu seinem Büro.

„Lena!“ rief er.

„Lena, ich brauche die Unterlagen vom Fall Bull, S. Bull, ich habe sie die letzte Woche schon gesucht und ich glaube die Akte ist verschwunden.“ Lena kam mit einem leichten Grinsen in das Zimmer ihres Chefs, in der Hand eine Akte.

„Das ich nicht lache, du kannst ohne mich! Die habe ich gerade im Fach für den Briefverkehr gefunden, was würdest du nur ohne mich machen.“ Mit einem verschmitzten Grinsen verzog er das Gesicht.

„Ich weiß auch nicht, wer die da hineingelegt hat, ich war es ganz bestimmt nicht!“ Lena winkte die Antwort ab und verließ das Zimmer mit einem Lächeln auf den Lippen.

Es war Mittag und Lenas Magen knurrte. Sie ging in die kleine Küchenzeile nebenan und öffnete den Kühlschrank. Bis auf eine Flasche Wein und ein einsames Stück Kuchen war nichts zu finden. Sie entschied sich, im Supermarkt nebenan einkaufen zu gehen. Carsten war bei einem Termin und sie hatte die Akten der letzten Woche abgearbeitet. Ihr Chef teilte sich die Kanzlei mit zwei weiteren Anwälten. Ab und an half Lena auch ihnen, in dem sie Anrufe weiterleitete oder Termine vereinbarte. Zurzeit war das nicht der Fall. Herr Böhm war gerade in einer Reha, nachdem er sich beim Skifahren mehrfach das Bein gebrochen hatte und Herr Andres war viel im Ausland unterwegs.

Als sie gerade den Schlüssel vom Schreibtisch holen wollte, erschrak sie innerlich. Oh Mist, ich habe Lisa ja ganz vergessen, die weiß noch von gar nichts.

Lisa ist Lenas beste Freundin und ist seit drei Wochen in Prag. Lisa ist Visagistin und vertreibt Kosmetikprodukte. Sie ist gerade auf einer Schulung.

Ich bin über Handy gar nicht erreichbar, bestimmt hat Lisa schon mehrfach versucht mich anzurufen. Aber sie hätte doch spätestens nach ein paar Tagen auf dem Festnetz angerufen oder Alexa eine SMS geschickt? Ich schreibe ihr einfach schnell eine E-Mail.

Sie verwarf ihren Plan einkaufen zu gehen und setzte sich wieder an den Computer. Als sie ihren Posteingang öffnete, scrollte sie ein weiteres Mal durch die eingegangenen Mails und entdeckte wirklich eine E-Mail ihrer Freundin. Die hatte sie gestern bestimmt übersehen, als sie voller Sorge ihren Kontostand überprüfte.

Weil du so schön bist...

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