Читать книгу Vampirmächte - Stefanie Worbs - Страница 11
Lillien
ОглавлениеSie hörte ein Krachen und Scheppern von draußen. Es klang, als sei irgendetwas explodiert. So schnell Lilly konnte wusch sie sich die Hände - sie hatte Mrs Thomas bei den Vorbereitungen für das Mittagessen geholfen -, dann lief sie nach draußen. Denniz und Memphis standen beide am untersten Treppenabsatz zur vorderen Veranda.
Denniz hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und sah schuldbewusst drein. Memphis stand mit verschränkten Armen neben ihm und schüttelte den Kopf. Dann fiel Lillys Blick auf den Brunnen. Ein Lachen entfuhr ihr und die beiden Jungs schauten zu ihr auf.
„Endlich“, brachte sie raus und hielt sich den Bauch.
„Ich weiß wirklich nicht, wo das witzig ist“, grummelte Memphis. Denniz warf ihr ein verstohlenes Dennizgrinsen zu. Die hässliche Fontänenfigur war nur noch ein Trümmerhaufen. Sie spritzte noch Wasser, allerdings in alle Himmelsrichtungen. Eine monströse Wurzel schlang sich kreuz und quer um ihre Reste herum. Sie war direkt aus dem Brunnen gewachsen.
Lilly gesellte sich zu ihren Freunden, betrachtete das Chaos und lachte erneut. Das neue Trümmergebilde, sah bei Weitem besser aus, als die ursprüngliche Figur.
„Das hat doch was“, scherzte sie und stieß Memphis neckisch in die Seite. Er grummelte etwas vor sich hin, während er den Steinhaufen musterte.
„Ich repariere das“, versuchte Denniz, ihn weiter zu beschwichtigen.
„Ach ja? Und wie?“
„Ich … ehm … also.“ Mehr brachte er nicht heraus.
Lilly half ihm. „Mit etwas mehr grün würde es echt hübsch aussehen. Als würde ein Baum im Brunnen wachsen.“ Beide Jungs sahen sie an. Memphis verwirrt, Denniz dankbar.
„Das krieg ich hin“, sagte Denniz freudestrahlend. „Darf ich?“, fragte er dann vorsichtig an Memphis gewandt.
„Meinetwegen. Schlimmer kann es ja nicht werden.“
Denniz trat vor und legte eine Hand auf die riesige Wurzel. Sekunden später sprossen überall kleine Ästchen, die immer weiter wuchsen und sich verzweigten. Dann wuchsen auch kleine Blätter an den Enden und zum Schluss sah es so aus, als würde tatsächlich ein Baum im Brunnen stehen.
Die Äste hielten die ursprüngliche Fontäne davon ab, zu weit zu spritzen, denn jetzt tropfte das Wasser an einzelnen Zweigen runter und zurück in den Brunnen. Die Trümmer der Figur bildeten einen schönen, fast natürlich aussehenden, Steinhaufen um den Baum herum.
Lillys Augen weiteten sich. „Denniz, das ist der Wahnsinn!“
„Danke.“ Er grinste breit und trat zurück.
„Memphis, guck dir das an. Echt mal, das ist so viel besser als vorher.“ Lilly war wirklich begeistert, von Denniz’ Werk.
Memphis musterte die neue Gartendekoration. „Es hat was. Zugegeben.“
„Lassen wir es?“, fragte Denniz hoffnungsvoll. Memphis schwieg einen Moment, dann stieß Lilly in wieder sanft in die Seite. Er schaute sie an und sie lächelte aufmunternd.
„Ja okay“, gab er schließlich nach und ließ die Arme sinken, wobei er eine Hand um ihre Taille legte und die andere in seiner Hosentasche vergrub. „Das Ding war eh alt.“
„Und hässlich“, fügte Lilly an.
„Es war nicht hässlich!“, protestierte Memphis.
„War es“, sagten sie und Denniz gleichzeitig.
Memphis lachte auf und die beiden stimmten ein, als er meinte: „Kein Sinn für Kunst.“
Nach dem Brunnenunfall lief der Tag so vor sich hin. Jeder ging etwas anderem nach. Lilly verzog sich in den Stall, nachdem sie mit der Köchin das Mittagessen beendet hatte. Da sie keinen Hunger hatte, ließ sie das Essen aber ausfallen.
Im Stall standen vier Pferde. Auch eine Neuerung, die Lilly mitgebracht hatte, wenn man das so sagen wollte. Auf ihrer damaligen Erkundungstour durch das Haus und die anliegenden Gebäude, war ihr ein halb verfallenes Gemäuer aufgefallen. Es war keine Ruine, aber auch nicht in bestem Zustand gewesen. Beim Betreten hatte Lilly gesehen, dass es sich um alte Stallungen gehandelt hatte.
Es gab fünf große Boxen auf jeder Seite. Eine Sattelkammer und einen Heuboden. Das Dach war löchrig gewesen und die Türen und Fenster undicht oder ganz kaputt. In einer der Boxen hatte Lilly einen Führstrick aus Leder gefunden. Er war alt und verwittert gewesen und hatte sich rau unter ihren Händen angefühlt. Sie hatte ihn mit ins Haus genommen und die Jungs nach dem Stall gefragt.
„Wir hatten vor vielen Jahren mal Pferde. Sie gehörten zum Nachlass. Irgendwann sind sie gestorben und wir haben keine Neuen gekauft. Seitdem steht der Stall leer“, hatte Memphis erklärt.
„Ich wollte damals wieder welche haben, aber der Hausherr hat nein gesagt“, hatte sich Hayley beschwert. Denniz war der Meinung gewesen, man könne ja jetzt wieder welche halten. Lillys Augen hatten angefangen zu leuchten bei der Vorstellung. Zumindest hatte Memphis ihr das später erzählt.
Er hatte den Ausdruck gesehen und nur kurz überlegt. „Dann brauchen wir einen Stallmeister.“
„Das heißt heute Pferdewirt.“ Denniz hatte den Kopf geschüttelt und die Augen verdreht.
„Dann brauchen wir eben einen Pferdewirt“, hatte Memphis sich verbessert.
„Und einen süßen Stalljungen“, hatte Hayley grinsend angefügt.
„Sagst du ja?“, hatte Lilly gespielt quengelig wissen wollen.
„Meinetwegen“, war seine leicht seufzende Antwort gewesen, auch wenn er sich ein Lächeln nicht hatte verbeißen können.
Lilly hatte einen kleinen Satz in die Luft gemacht, die Distanz zwischen ihnen mit zwei schnellen Schritten überbrückt, ihm einen Kuss auf die Wange gedrückt und ihm ein Danke ins Ohr gehaucht. Wobei sie selbst von einem zum anderen gegrinst hatte.
„Da muss nun erst eine Neue kommen, damit hier mal Veränderungen stattfinden“, hatte sich Hayley erneut beschwert, dabei aber gelächelt. Zwei Wochen später war der Stall grundsaniert und Lilly von Motorengeräuschen geweckt worden. In Windeseile hatte sie sich angezogen und war hinausgerannt. Vor dem Haus hatten zwei große Pferdetransporter gehalten.
Memphis war schon dabei gewesen, beim Ausladen zu helfen. Mit geübter Hand hatte er gerade ein großes Englisches Vollblut aus einem der Hänger geführt. Das Tier war von dunklen Braun und seine Augen glänzten neugierig. Ein Mann hatte Memphis die Zügel abgenommen und das Pferd auf eine der großen Rasenflächen neben der Auffahrt geführt. Dort war eine Weide entstanden. Die Fläche grenzte an die Stallungen und war früher schon zu diesem Zweck genutzt worden.
Memphis war wieder im Trailer verschwunden und hatte das zweite Pferd geholt. Ebenfalls ein Englisches Vollblut. Allerdings eine Fuchsstute. Sie war etwas kleiner als ihr Artgenosse und schien ein ruhigeres Wesen zu haben. Denniz hatte sich zu Lilly gesellt und die Arbeit der Männer mit beobachtet. Dann war der zweite Trailer geöffnet worden.
„Jetzt kommen unsere“, hatte Denniz voller Vorfreude gesagt und auch in Lilly hatte sich ein freudiges Kribbeln ausgebreitet.
Dann war Memphis mit einem großen nachtschwarzen Friesen auf sie zugekommen. Er hatte ihr die Zügel gereicht und nur gesagt: „Deiner.“ Dabei hatte er ihr, sein für sie bestimmtes Lächeln geschenkt. Das Tier war wunderschön. Sein Fell glänzte in der Sonne und sein Blick war aufmerksam und konzentriert. Er hatte den Kopf gesenkt und Lilly hatte ihm eine Hand auf die Stirn gelegt. Die Chemie zwischen ihnen hatte sofort gestimmt.
Auch Denniz hatte einen Friesen bekommen. Der war sogar noch größer als Lillys. Allerdings fand sie ihren hübscher. Denniz’ Friese war nicht schwarz, sondern dunkelbraun. Und er hatte einen Schelm in den Augen, der so gut zu Denniz passte, dass sie leise lachen musste.
Sie hatten die Tiere zur Eingewöhnung auf der Weide gelassen und Lilly hatte sie den ganzen Tag beobachtet. Am nächsten Morgen waren Hufschmied und Sattler gekommen, um für jedes Tier das passende Zubehör anzufertigen und sie ordnungsgemäß zu beschlagen. Lilly hatte es kaum erwarten können, das erste Mal auf ihrem zu reiten. Sie konnte nicht reiten, was sie schon am Abend, an dem Memphis zugestimmt hatte die Pferde anzuschaffen, gestanden hatte. Doch die drei anderen konnten es und hatten zugesagt ihr beim Lernen zu helfen.
Mittlerweile konnte sie es gut. Hawk, so hatte sie ihren Hengst getauft, hatte ihr viel geholfen. Sein sanftes Gemüt und die ausgeglichene Art, die er an den Tag legte, machten es ihr leicht. Wind streckte den Kopf über die halbhohe Holzwand, die die Boxen trennte.
Er und Hawk waren unzertrennlich geworden. In den Boxen gegenüber standen Misty und Crazy Dean. Misty gehörte zu Hayley und Crazy Dean zu Denniz. Der Name war ihm spontan eingefallen, als er den Friesen auf der Weide beobachtet hatte. Der Hengst war wie ein Irrer über die Wiese gesprungen und gerannt, hatte sich gewälzt und sich damit kräftig eingesaut. Der Stalljunge hatte mit ihm die meisten Probleme, denn Dean machte seinem Namen alle Ehre. Verrückt durch und durch. Denniz war der Einzige, der ihn bändigen konnte.
Misty war ein ruhiges Pferd und die einzige Stute. Allerdings zickig. Sie schnappte gern mal zu, wenn man ihr zu nahekam und sie schlechte Laune hatte. Wind, Lilly hatte auch ihm seinen Namen gegeben, war Memphis’ Pferd. Der Name war ebenfalls perfekt. Zum Einen wegen Memphis’ eigenem Element und zum Anderen, weil er der Schnellste der vier war.
Nun entschied Lilly, einen Ausritt zu wagen. Es dauerte wie immer eine Weile Hawk zu satteln. Er war so groß, dass sie einen Tritt brauchte. 15 Minuten später stand er aber fertig im Stall. Sie saß auf und drückte ihm die Fersen in die Flanken. Er reagierte sofort und preschte los. Die Stalltüren waren offen und so konnte sie ohne Umwege direkt auf den Wald zuhalten. Dort ließ sie ihr Pferd dann laufen. Mal folgte Hawk einem Wildpfad, mal einem Trampelpfad von Menschen. Und manchmal lief er quer durchs Dickicht. Lilly genoss die Stille.
Eine ganze Weile später, fand sie sich an einem Strand wieder. Ab und zu hatte sie Hawk gelenkt, denn dank der Ausritte, kannte sie sich nun langsam aus. Ein Kontrollblick auf ein Straßenschild verriet ihr, dass sie die Coast Road erreicht hatte. Lilly lenkte Hawk zum Wasser und sah sich um. Hier war es schön. Das Wasser der Bucht schlug sanfte Wellen auf dem Sand und die Seevögel riefen sich gegenseitig.
Diese Stelle werde ich mir merken. Da es langsam spät wurde, wendete sie und trat den Heimweg an. Der Abend war hereingebrochen, als Lilly endlich zu Hause ankam. Sie führte Hawk gerade die ausgekieste Zufahrt hoch, als Memphis aus dem Haus kam und binnen eines Wimpernschlags bei ihr war. Hawk erschrak und stieg, sodass Lilly die Zügel loslassen musste. Doch er wich nur ein paar Schritte zurück und verharrte dann, während Memphis Lilly umarmte und festhielt. Perplex stand sie einfach nur da, bis er sie losließ und von oben bis unten musterte.
„Ist alles okay?“, fragte sie argwöhnisch.
„Jetzt ja. Tu das nie wieder! Hörst du!“, wies Memphis sie zurecht.
Lilly war verwirrt. Sie ritt öfter allein aus, auch mal den ganzen Tag, und Memphis hatte nie etwas dagegen gesagt. „Was ist denn los?“ Sanft nahm sie sein Gesicht in die Hände. Sie sah Angst in seinen Augen und gleichzeitig Erleichterung. „Memphis, was ist passiert?“
„Komm erst mal rein.“ Er schnappte sich Hawks Zügel und ihre Hand, dann zog er beide Richtung Haus. Vor der Tür wartete der Stalljunge. Memphis reichte ihm die Zügel und zog Lilly weiter.
„Ich mache Hawk fertig.“ Sie tat das immer selbst.
„Nein, komm rein.“ Ohne ein weiteres Wort zog er sie weiter und erst im Esszimmer ließ er sie los. Er half ihr aus der Jacke und bedeutete ihr, sich zu setzen. Lilly tat es, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen. Denniz und Hayley betraten ebenfalls den Raum. Denniz schaute wie immer, als wollte er gleich sagen, er habe Hunger.
Hayley hatte einen Hauch der Angst um sich, wie Lilly es auch bei Memphis gespürt hatte. Sie und Denniz setzten sich, während Memphis am Kamin Stellung bezog. Ein Feuer brannte darin und warf eine wohlige Wärme in den Raum. Keiner sprach. Mrs Hamilton deckte den Tisch für das Abendessen und verschwand wieder. Denniz schnappte sich zwei Toasts und begann, Marmelade darauf zu verteilen.
Erst nach dem zweiten Bissen fiel ihm auf, dass sonst keiner aß. „Was ist denn mit euch los?“
Lilly zuckte mit den Schultern, dann nahm auch sie sich ein Toast.
„Wir haben vielleicht ein Problem“, teilte Memphis schließlich mit.
„Und das wäre?“ Denniz sprach mit vollem Mund, was ihm von allen Seiten tadelnde Blicke einbrachte. Er warf einen entschuldigenden Blick in die Runde, schluckte und fragte noch mal: „Und das wäre?“
„Als wir heute Morgen in der Stadt waren, habe ich Raphael gesehen.“
Stille trat ein, bis Hayley sie brach. „Er denkt es. Es ist nicht sicher.“
„Ich bin mir sicher!“
„Nichts ist sicher, bis Raven wieder da ist. Vielleicht bringt er Entwarnung.“
„Raven?“, fragte Lilly verwirrt.
„Ja. Ich habe ihn losgeschickt. Er soll einen Erkundungsflug machen. Aber er ist noch nicht zurück“, erklärte die Hexe.
„Denkst du wirklich, Raphael ist hier? Du meinst, er hat uns gefunden?“, schaltete sich Denniz ein und schaute fragend zu seinem Freund.
„Ja das denke ich.“
„Aber er weiß nicht, wo genau wir sind, oder?“
„Keine Ahnung. Ich hoffe nicht.“
Lilly dämmerte es. Deswegen der Miniaufstand wegen dem Ausritt. „Warum erzählst du das erst jetzt? Ich wäre nicht ausgeritten, hätte ich es gewusst.“
„Ich wollte keine Panik verbreiten.“
Denniz meinte: „Und warum kommst du jetzt damit? Du hättest auf Rave warten können. Vielleicht ist wirklich nichts.“ Memphis antwortete nicht, doch Lilly konnte noch immer die Angst in seinen Augen sehen.
Er dachte, Raphael könnte mich irgendwie angreifen oder mir was antun. Also half sie Memphis. „Wir sollten auf Raven warten. Bis er wieder da ist, bleiben wir einfach im Haus. Er kann ja nicht ewig wegbleiben.“ Sie schaute die Runde rum.
„Das halte ich für das Beste“, stimmte Memphis ihr schon etwas erleichterter zu. Endlich setzte auch er sich, allerdings nicht auf seinen Platz, sondern neben Lilly. Ihr war der Appetit nun doch wieder vergangen und auch Memphis aß nichts. Denniz ließ sich, wie immer, nicht aus der Ruhe bringen. Hayley aß zwar, schwieg aber die ganze Zeit.
„Ich bin dann oben. Ich muss dringend duschen.“ Lilly schnupperte an ihren Sachen. Nicht dass sie schlecht gerochen hätte, aber der Geruch nach Pferd und Stall klebte an ihr. Memphis drückte kurz ihre Hand und sie verließ den Raum.
In ihrem Bad zog sie sich aus und stellte sich unter die heiße Dusche. Leise summte sie vor sich hin. Das Singen hatte sie sich abgewöhnt, nachdem sie einen Tag lang für ständige Witzeleien gesorgt hatte. Sie hatte ausgelassen ihr Lieblingslied unter Dusche gesungen und dabei total vergessen, dass sie nun in einem Haus voller Vampire lebte. Die beiden Jungs hatten jeden Vers gehört und sie damit aufgezogen. Denniz meinte zwar, so schlimm wäre es nicht gewesen, doch seitdem verkniff sie sich jegliche Anwandlung zu singen, wenn die beiden in Hörweite waren.
20 Minuten später drehte sie das Wasser ab und wickelte sich in ein Handtuch. Nur damit bekleidet ging sie zurück in ihr Zimmer. Es klopfte.
„Komm rein“, sagte sie, ohne zu wissen, wer es war.
Memphis betrat den Raum und Lilly versteifte sich, als sie ihn sah. Er grinste verstohlen und schloss die Tür hinter sich. Sie bewegte sich keinen Millimeter aus Angst, das Handtuch könnte verrutschen.
Er kam auf sie zu, hob die Hände um ihr Gesicht und küsste sie ein Mal sanft auf die Lippen. „Ich habe etwas für dich“, sagte er und griff in die Hosentasche. Er zog ein Seidensäckchen hervor und öffnete es. An einer langen Kette baumelnd, kam ein Anhänger zum Vorschein.
Lilly betrachtete ihn kurz und sah dann Memphis fragend an.
„Das ist ein Engelsrufer“, erklärte er. Er schüttelte ihn leicht und die Kugel im Käfig ertönte sanft. „Eigentlich ist er dafür gedacht deinen Schutzengel herbeizurufen. Ich dachte allerdings, es wäre passender, wenn er mich rufen kann.“ Er lächelte verschmitzt.
„Der ist echt schön.“ Lilly nahm den Käfig mit der Kugel darin in die Hand. „Wie meinst du das, er kann dich rufen?“
„Ich habe Hayley einen Zauber darauf legen lassen. Wenn du ihn erklingen lässt und meinen Namen hinein sagst, kann ich es hören. Dann komme ich zu dir. Egal wo du bist.“
„Das ist so süß.“ Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen leichten Kuss auf den Mund. „Danke.“
„Ich würde alles für dich tun“, gab er leise zu und senkte den Blick.
„Dann küss mich noch mal“, flüsterte sie.
Memphis hatte bei ihr geschlafen. Das erste Mal überhaupt, hatte er bei ihr übernachtet. Wenn er sich bis jetzt auch zurückgehalten hatte, diese Nacht war die schönste, die Lilly seit Langem erlebt hatte. Sie waren lange wach gewesen und aus den Küssen war immer mehr geworden. Als sie schließlich die Müdigkeit überkam, lag Lilly eng an ihn gekuschelt und lauschte jedem einzelnen seiner Atemzüge.
Der Morgen brach an und sie erwachte, wie sie eingeschlafen war, in seinen Armen. Memphis schlief noch und Lilly beobachtete ihn. Endlich war der Damm gebrochen. Memphis hatte sich entschieden, es richtig anzugehen. Die lange Zeit des Wartens war zu Ende. Lange lag sie da und sah ihm beim Schlafen zu, während die Sonne langsam die Welt draußen erhellte. Dann klopfte es an der Tür. Vorsichtig stand Lilly auf, schnappte sich die Überdecke vom Bett und legte sie sich um. Hayley stand an der Tür und wartete.
„Hayley? Was ist los?“
„Raven ist zurück. Ihr solltet runterkommen.“ Sie klang besorgt.
„Ja okay.“ Die Hexe nickte zurück und ging. Als Lilly die Tür schloss, fiel ihr auf, dass Hayley ihr gesagt hatte. Sie wusste also, dass Memphis bei hier war. War sie vorher bei ihm im Zimmer gewesen, nur um festzustellen, dass er nicht da war? Hatte sie ihn hier vermutet?
Dann fiel Lilly ihr bester Freund im Haus ein. Sie stöhnte auf und Memphis erwachte.
„Was tust du da? Komm wieder her“, forderte er sie verschlafen auf. Sie folgte seiner Bitte und ging zurück zum Bett. Dort ließ sie sich vorwärts darauf fallen und vergrub das Gesicht in den Kissen. „Hast du gut geschlafen?“, wollte er wissen und sie hörte ihn grinsen.
„Mehr als gut“, grinste sie zurück, als sie wieder auftauchte. „Aber ich glaube, es ist vorbei mit gut.“ Ihr Lächeln verschwand und Memphis’ Blick wurde fragend. „Ich denke, wir werden ein paar Sprüche von Denniz ernten und Hayley war gerade hier. Rave ist wieder da. Wir sollen runterkommen. Sie sah nicht glücklich aus.“
Er ließ den Kopf zurückfallen und atmete tief durch. „So viel zu Thema Frieden.“ Er sprach mehr mit sich selbst als mit ihr, dann erhob er sich und beugte sich zu ihr. Er küsste sie auf die Stirn und sagte: „Ich geh mich anziehen. Wir treffen uns unten.“
Lilly nickte.
Sie trafen sich schon oben an der Treppe, denn Lilly war kein Mädchen, was ewig im Bad brauchte und so war sie zeitgleich mit ihm fertig. Er lächelte ihr Lieblingslächeln, dann nahm er ihre Hand und sie gingen gemeinsam ins Esszimmer. Von den Angestellten war noch niemand zu sehen.