Читать книгу Vampirmächte - Stefanie Worbs - Страница 5
Quentin
Оглавление„Verfluchter Mist! Wieso geht das nicht?“ Das Glas flog geradewegs gegen die Wand. Jedoch nicht, weil der Zauber funktioniert hatte. Quentin hatte es geworfen. Es zerbrach in tausend Stücke und Splitter flogen ihm entgegen. Er machte sich nicht die Mühe, sich zu schützen. Das taten seine Zauber für ihn. Wenigstens das konnte er.
Miriam spähte um die Ecke. Ein gehässiges Grinsen lag in ihren Zügen. „Was machst du, Quent? Du sollst doch nicht mit scharfen Sachen spielen.“ Sie trat auf ihn zu, unter ihren Schuhen knirschte das Glas.
„Lass mich in Ruhe!“ Er war nicht in der Stimmung für ihre Spitzen.
„Versuchst du dich wieder an Dingen, für die du noch zu klein bist?“
„Sei still!“
„Oh Quentin. Armer, kleiner Quentin. Bist du traurig, weil du nichts kannst?“
„Ich kann mehr als du! Ohne mich wären wir schon lange aufgeflogen! Und jetzt verschwinde, Miriam! Ich habe keinen Bock auf dich.“
„Ich will aber nicht gehen. Los, zeig mir, an was du übst.“
Quentin warf ihr einen verächtlichen Blick zu. Miriam mochte er am wenigsten vom ganzen Zirkel. Sie war länger dabei als er und bildete sich deshalb ein, was Besseres zu sein. Raphael lobte sie allerdings auch ständig für ihre Spielchen. Sie fühlte sich als was Besonderes, auch deshalb, weil sie der einzige Wasserelementarier war, den Raphael bis jetzt gefunden hatte. Er suchte zwar noch nicht lange so intensiv wie heute, doch Wasser war eines der schwer aufzufindenden Elemente bei Vampiren. Quentin hatte bis zu seinem Eintritt in den Zirkel nicht mal gewusst, dass es Vampire gab, die zaubern konnten.
Bis vor ein paar Jahren hatte er Einiges noch nicht gewusst. Nicht mal, dass er ein Hexer war. Vor drei Jahren war er dann aber auf Nala getroffen. Sie hatte ihm erzählt, dass sie Dinge tun konnte und dass sie ihn so gefunden hatte. Sie hatte ihm gezeigt, was das für Dinge waren und ihm erklärt, dass er das auch konnte. Er, Quentin, der dürre Junge, der er damals gewesen war, über den sich immer alle lustig gemacht hatten. Es war nicht so, dass er unbeliebt gewesen war. Es hatte durchaus Leute gegeben, die ihn gemocht hatten. Aber er hatte sie nicht gemocht. Er war schon immer ein Einzelgänger gewesen und würde es auch bleiben.
Nicht mal hier im Zirkel pflegte er großen Kontakt zu den anderen. Er zog es vor, allein zu sein. Vielleicht waren auch deshalb Schutzzauber seine Spezialität. Sein Können was das anging, hatte Raphael beeindruckt und ihn dazu bewogen, Quentin in den Zirkel aufzunehmen. Quent hatte ablehnen wollen, doch Nala hatte ihn überredet.
Ihm schlägt man nichts ab, waren ihre Worte gewesen. Außerdem bin ich auch dabei. Komm schon, das wird lustig. Also hatte er zugesagt. Von da an war Quentin derjenige gewesen, der für den Schutz sorgte. Jeder hatte seine Aufgabe im Zirkel, bis auf Miriam, wie es schien. Sie war einfach nur da und nervig.
„Quent? Los! Mach was!“, forderte sie erneut und klang gereizt dabei.
„Hau ab! Ich habe keinen Bock auf dich!“, wiederholte er genervt.
„Langweiler“, murrte die Vampirin und rutschte von dem Tisch, auf den sie sich gesetzt hatte. „Mit dir kann man echt nichts anfangen.“
Er warf ihr einen verschwinde endlich - Blick zu und sie stapfte durch die Scherben davon.
In der Tür blieb sie noch mal stehen. „Dina sagt, du sollst zur Versammlung kommen. Jetzt.“ Dann verschwand sie endlich.
„Schon wieder? Ich bin gespannt, ob wir diesmal mehr Infos bekommen“, murmelte Quentin leise zu sich selbst. Er hob eine Hand und ließ sie durch die Luft fahren. Nichts geschah.
Er seufzte in dem Moment, in dem Nala an der Tür vorbeikam. „Quent, kommst du?“ Sie folgte seinem Blick und sah die Scherben. Dann hob sie die Hand in der gleichen Geste wie er und alle Splitter flogen auf einen kleinen Haufen. Er warf ihr einen entnervten Blick zu.
„Du schaffst das schon noch. Komm los, sie warten alle.“
Quentin folgte ihr schweigend. Es war einfach nur noch frustrierend. Wieso bekam er solche Zauber nicht auf die Reihe?
Im Saal herrschte Stimmengewirr, als die beiden eintraten. Sie setzten sich auf ihre Plätze und während Nala sofort in ein Gespräch mit Marco vertieft war, blieb Quentin weiter stumm. Sein Blick glitt der Reihe nach an der Tafel entlang. Neben ihm saß wie immer Nala und neben ihr Marco.
Am Kopfende war Raphaels Platz, doch der Älteste war noch nicht da. Auf der anderen Seite, quasi zu Raphaels Linken, saß Dina. Sie schwieg, allerdings war sie auch in irgendwelche Notizen vertieft. Dann kam Vincent und dann Miriam. Sie saß wie immer genau gegenüber von Quent. Vor ihr stand das obligatorische Glas Wasser. Sie spielte ständig mit ihrer Macht. Das konnte einen verrückt machen. Gerade so als wolle sie, dass jeder sah, was sie konnte.
Quentin war froh, dass die beiden anderen Elementarier nicht so versessen aufs Zaubern waren. Dina und Vincent, die beiden Windvampire, waren da sehr viel genügsamer. Dina war ausgesprochen mächtig, doch dank ihres Alters auch weise genug, nicht damit anzugeben. Vincent war ebenfalls sehr stark, doch auch er beschränkte sich nur auf die verpflichtenden Übungsstunden. Wäre er nicht im Zirkel gewesen, hätte er vermutlich gar nicht gezaubert. Quentin wusste, dass Vince nur durch Raphael von seiner Macht erfahren hatte. Ohne ihn hätte er wahrscheinlich die Ewigkeit unwissend verbracht oder es irgendwann durch Zufall entdeckt.
Vince war ebenfalls noch nicht lange dabei. Doch er hatte in der relativ kurzen Zeit im Zirkel eine Menge gelernt. Ganz im Gegensatz zu Quentin selbst. Quent konnte tun, was er wollte, er brachte keinen ordentlichen Zauber zustande. Das Glas vorhin, hätte sich eigentlich mit dem Wasser aus der Karaffe nebenan füllen sollen. Stattdessen war die Karaffe zersprungen. Er schüttelte den Kopf und senkte den Blick auf seine Hände.
Ich werde nie mehr sein, als der Hexer, der nur Schutzzauber beherrscht. Das allerdings konnte er wirklich gut. Er war sich sogar sicher, dass dies auch der einzige Grund war, warum er überhaupt noch im Zirkel war. Wenigstens zeigte Raphael deswegen keine Abneigung gegen ihn. Er behandelte ihn anständig und mit den anderen gleichgestellt.
„Lasst uns anfangen“, tönte dessen ruhige Stimme nun durch den Raum und sofort verstummten alle Gespräche. „Wir haben viel zu besprechen.“ Er kam heran, setzte sich und wandte sich an Dina. „Was hast du rausgefunden?“
Dinas Stimme klang ebenso ruhig wie die des Ältesten. Die beiden ähnelten sich genauso sehr, wie sie sich unterschieden. Sah man sie zusammen, hätte man denken können, sie wären eine Seele. Getrennt gesehen, hätte man sie nie zusammen vermutet. Doch sie harmonierten miteinander, wie niemand sonst es tat.
„Sie haben sie mitgebracht. Am Flughafen konnte ich einen Blick auf das Mädchen werfen.“ Dina schob dem Ältesten etwas hin. Quentin erkannte ein Foto, aber nicht wer oder was darauf zu sehen war.
„Wo haben sie sie hingebracht?“, fragte Raphael weiter.
„Vermutlich zu ihrem Wohnsitz. Ich bin mir mittlerweile sicher, dass wir hier richtig sind. Vor zwei Monaten sind sie auch von hier aus aufgebrochen. Da sie nun zurückgekommen sind, denke ich, können wir davon ausgehen, dass sie ihren festen Wohnsitz hier haben.“
„Und wo ist hier?“
„Ganz genau weiß ich es nicht. Sie sind verschwunden, als sie Netherfield passierten. Ich denke, ein Zauber verbirgt sie.“
„Konntest du ihnen bis dahin folgen?“
„Nein.“ Dina schüttelte sachte den Kopf. „Marco hat ihre Spur bis dahin verfolgt.“
Raphael wandte sich nun an ihn. „Was konntest du in Erfahrung bringen?“
„Ich glaube ebenfalls, dass sie ihren festen Wohnsitz irgendwo dort haben. Sie waren mit zwei Autos unterwegs und eins war voll mit Koffern. Außerdem sind sie in Heathrow gelandet. Hill oder Gatwick wären zwar näher an East Sussex gewesen, ich glaube aber, sie wollten ihr die Stadt zeigen.“
„Mich interessiert nicht, was du glaubst. Ich will wissen, was du weißt.“ Der Älteste sprach noch immer ruhig.
Marco lehnte sich trotzdem zurück und schluckte. „Ich, also, wie Dina gesagt hat, ich konnte ihnen bis Netherfield folgen, dann sind sie verschwunden. Ich hab versucht, sie wiederzufinden, aber ohne Erfolg.“ Er schluckte erneut und musterte den Ältesten mit vorsichtigem Blick.
„Was ist passiert, als sie verschwanden? Haben sie sich in Luft aufgelöst? Warst du nicht an ihnen dran?“
„Doch, ich war genau hinter ihnen. Aber es war, als wäre ich …“ Er verstummte und ließ den Satz unbeendet, wohl aus Angst vor Raphaels Reaktion.
„Du warst was?“, hakte dieser nach, immer noch komplett ruhig. Quentin überlegte, ob der Älteste überhaupt jemals die Fassung verlor. Er konnte wütend sein oder traurig. Er konnte euphorisch oder mies gelaunt sein, wenn er sprach, klang er ruhig und ausgeglichen. Nur der Tonfall seiner Stimme schwankte ein wenig. Aber selbst das, war wirklich minimal.
„Ich war … es war wie als wäre ich kurz eingeschlafen.“ Marco flüsterte die Worte halb. Es war ihm sichtlich unangenehm.
„Bist du es denn?“
„Nein! Ganz sicher nicht! Es fühlte sich nur so an. Wie Sekundenschlaf. Ich habe nur kurz geblinzelt und da waren sie weg.“
„Wo sind sie hin?“ Jetzt war Raphaels Blick auf Quentin gerichtet.
„Das kann ich nicht sagen. Es war sicher ein Schutzzauber. Ich kenne diese Art der Magie. Es ist eine Art Erstschutz. Sozusagen das erste Mittel, um mögliche Verfolger abzuschütteln. Er hat anscheinend funktioniert.“
„Offensichtlich. Was kannst du tun?“
„Ich muss mir das ansehen. Am besten wäre es, wenn wir ihnen folgen könnten, wenn sie außerhalb des Zaubers sind und ihn dann betreten. So kann ich den Umkreis ermitteln und herausfinden, wo in etwa die Quelle ist. Das wiederum führt uns zu ihrem Wohnsitz.“
„Das wollte ich hören, Marco.“ Raphaels Blick richtete sich wieder auf ihn.
Marco rutschte unbehaglich auf dem Stuhl hin und her. „Ich, ich kenne mich da nicht so aus“, gab er kleinlaut zu.
„Dann solltest du dich bilden. Quentin? Marco wird dir den Ort zeigen, wo er die drei verloren hat. In der Zwischenzeit wirst du, Nala“, sein Blick glitt zu ihr, „einen Zauber wirken, der uns verrät, wann sie außerhalb dieses Schutzes sind, damit Quent ihnen folgen und seine Recherchen dazu machen kann.“
„Ich würde gern mit nach Netherfield fahren. Vielleicht kann ich dort schon was tun. Sollten sie gerade außerhalb sein, kann ich den Zauber gleich dort wirken“, bat Nala den Ältesten.
„Meinetwegen.“
Sie nickte ihm dankend zu und schenkte dann Quentin ein Lächeln. Er erwiderte es. Nala war seine einzige Freundin. Er hätte nie jemanden, außer ihr, als Freund bezeichnet. Raphael wandte sich erneut an Dina und sprach leise mit ihr. Quentin wusste, dass die Magier nun eigentlich nicht mehr gebraucht wurden. Jetzt waren die Vampire dran. Trotzdem mussten alle warten, bis der Älteste die Versammlung auflöste.
Ich würde wirklich gern wissen, warum er so versessen auf dieses Mädchen ist. Es kann nicht nur daran liegen, dass sie ein Wasserelementarier ist. Miriam ist auch einer. Vielleicht will er zwei von jedem im Zirkel haben? Das würde einen Ausgleich schaffen. Vier Magier und vier Vampire.
Quentin wusste auch von Raphaels Racheplänen gegenüber dem Vampir Memphis. Auch wenn er nicht verstand, warum der alte Magier so viel Kraft in die Sache legte. Dina hatte ihm die Geschichte erzählt und Quentin konnte nachvollziehen, dass Raphael wütend war. Aber nach so vielen Jahren wären seine eigenen Rachegelüste schon abgeklungen. Bei dem Ältesten schien das nicht der Fall zu sein.
Sie hatte auch erzählt, dass es ein paar Jahre gegeben hatte, in denen Raphael nicht an den Vampir gedacht hatte. Damals war sie davon ausgegangen, es sei gut. Doch jetzt flammte sein Zorn wieder auf und er war größer denn je. Auch wenn er ihn nie zeigte. Raphaels Abneigung gegen diesen Memphis, schien mit jedem Tag zu wachsen.
Wenn aber nicht mal Dina ihn verstand - und sie war schon fast ihr ganzes Leben an seiner Seite - dann konnte Quentin sich den Kopf zerbrechen, wie er wollte. Er würde es nichts erfahren, außer der Älteste würde es erzählen. Was wahrscheinlich nie passieren würde.
Diese Sache mit dem Mädchen war genau genommen auch nur eine Ablenkung von den eigentlichen Problemen. Zwar waren sie ein kleiner Zirkel hier, doch mit drei Elementariern waren sie der mächtigste. Im Umland gab es zwei weitere Magierkreise. Der eine bestand nur aus Junghexen. Sie hatten sich erst vor Kurzem zusammengeschlossen und wollten schon die Weltherrschaft an sich reißen. Raphael hatte ihre Pläne mit einem einzigen Auftritt zunichtegemacht. Seitdem hielten sie sich im Hintergrund.
Der andere war da schon kniffliger. Es war ein gemischter Zirkel aus Hexen und Magiern. Sie hatten die Kontrolle über dieses Gebiet gehabt, bevor Raphael beschlossen hatte, sich hier niederzulassen. Immer wieder gab es kleinere Scharmützel zwischen ihnen. Sie waren ebenfalls stark, doch Dina, Miriam und Vincent brachten den Vorteil. Außerdem schützte Quentin seinen Zirkel besser als die anderen ihren.
Trotzdem war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich erneut auf sie stürzen würden. Wer die Macht hatte und sie verlor, wollte sie wiederhaben. Und das würde nicht kampflos gehen. Doch dieses Problem schien Raphael nicht zu kümmern. Zumindest schien er sich lieber seiner Rache zu widmen.
Endlich löste er die Versammlung auf. Quentin erhob sich und ging mit Nala und Marco zusammen raus. Sie würden gleich nach Netherfield aufbrechen. Insgeheim war er froh, der großen Gesellschaft entkommen zu können. Auch wenn drei immer noch zwei zu viel waren.