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Drei Wochen. Drei verdammte Wochen! Lilly stand an der Tür zum Keller und klopfte an. Sie musste sich höllisch zusammenreißen, um die Tür nicht einzuschlagen. Die wenige Nahrung und das eingesperrt sein, machten ihr zu schaffen. Keiner der drei Vampire hatte das Grundstück für längere Zeit verlassen.

Sie hatten sich an den Plan gehalten und waren immer zusammen und nur mit extra Schutzzaubern zum Jagen in den Wald aufgebrochen. Es war frustrierend. Da sie nicht wählen konnten, was sie jagten und immer das Erstbeste nahmen, war die Auswahl sehr beschränkt. Und es war stets zu wenig. Nur ein Mal hatte sich eine Gruppe Wanderer im Wald aufgehalten und es war den drei Freunden gelungen, zwei von der Gruppe zu trennen. Lilly hatte den Jungs den Vortritt gelassen. Memphis war immer mürrischer geworden, auch wenn er sich bemühte, es nicht zu zeigen. Dass er sich von Tierblut ernähren musste, passte ihm gar nicht.

Den Vorrat an Blutkonserven hatten sie eingeteilt. Für den Ernstfall hatten sie einen kleinen Anteil davon beiseite getan. Sie hätten allein davon überleben können, doch der Preis wäre ein fast totaler Ausfall gewesen. Wenn sie nicht tranken, wurden sie schwächer und verfielen in eine Art Winterschlafmodus. Was dem viel besagten Austrocknen vorausging. Keiner wollte so was riskieren, deshalb hatte es zwei Ausflüge pro Woche in den Wald gegeben. Doch diese waren viel zu kurz gewesen, um genug trinken zu können.

Während die Untoten also versuchten, das Beste aus der Situation zu machen, vergrub Hayley sich in ihrem Keller oder war den ganzen Tag unterwegs. Sie besuchte ihre Magierfreunde in der Stadt und versuchte sie auf ihre Seite zu ziehen. Leider vergebens.

„Komm rein“, rief Hayley von drinnen und Lilly trat ein. Hinter der Tür führte eine dunkle Treppe runter in die Kellerräume. Lilly fasste das ebenso dunkle Geländer und stieg die Stufen hinab. Der Hauptraum wurde von Kerzen erhellt. Unzählige davon leuchteten in Haltern an den Wänden, auf den Tischen oder an der Decke. Ohne Magie wäre die Erste wohl schon runtergebrannt, bevor man mit dem Anzünden der Letzten fertig war. Es gab hier unten durchaus Elektrizität, doch was wäre das für eine Stimmung gewesen?

Hayley mochte das Mystische und lebte es voll aus. Lilly fand, es passte zu ihr. Nicht nur, weil Hayley eine Hexe war. Unten angekommen hielt sie auf den großen Tisch in der Mitte des Raumes zu. Die Hexe stand dort, in gleich mehrere Bücher vertief. Lilly ließ die Finger über einige der Seiten gleiten und beobachtete Hayley gegenüber kurz.

„Hast du schon was gefunden?“, fragte sie und wusste bereits, welche Antwort sie bekommen würde.

Hayley seufzte und schaute auf. „Nein.“

Erstaunlich wie ruhig sie bleibt. Angesichts der Tatsache, dass sie die Frage gefühlt, alle fünf Minuten gestellt bekam.

„Hat Rave was gefunden?“

„Auch nicht. Er ist heute Morgen losgeflogen und noch nicht wieder da.“

„Memphis wird immer brummiger. Wir müssen bestimmt bald in die Stadt.“

„Ich weiß.“ Wieder seufzte die Hexe. Sie hatte ihre stärksten Zauber gewirkt, während die drei im Wald unterwegs waren. Es kostete sie jedes Mal enorme Kraft.

„Hayley?“

„Mhh?“

„Kennst du dich mit Elementarvampirismus aus?“

Die Hexe schaute auf, ihre Stirn in Falten gelegt. „Wie meinst du das?“

„Memphis hat gesagt, uns gibt es, weil wir im menschlichen Leben Magier geworden wären. Und dass wir so stark gewesen wären, dass wir ein Element in unser neues Leben mitgenommen haben.“

„Das stimmt. Und weiter?“

„Mir ging durch den Kopf, dass du ja auch mit den Elementen zauberst. Da ich auch zaubere, müsste ich doch vielleicht auch noch andere Dinge tun können, als nur das Wasser zu beeinflussen.“

Hayleys Augenbrauen zogen sich noch weiter zusammen. „Meinst du, dass du so zaubern können müsstest wie ich?“

„Ja“, antwortete Lilly knapp.

Hayley überlegte. „Also genau genommen benutze ich nicht die Elemente wie du. Ich ziehe die Kraft aus der Umgebung.“

„Aber Luft, Erde, Feuer und Wasser sind doch Kräfte. Und du hast mal gesagt, du ziehst auch Kraft aus der Erde.“

„Ja, deswegen arbeite ich hier unten.“

„Wenn du also die Kraft für deine Zauber aus der Erde ziehst, müsste das dann nicht auch mit Wasser gehen?“

„Sicher, aber dazu müsste es selbst Kräfte haben. Die Erde ist das einzige Element, was diese Eigenschaft hat. Sie hat die Kraft, Leben erblühen zu lassen. Sie nähert auch die Magie. Dieses Element ist ureigen und deshalb unsere Grundmagie. Bei Wasser ist das wieder anders. Eine Welle zum Beispiel hätte Energie, die ich nutzen kann. Ein ruhiger See hat keine. Außer vielleicht den Druck tief unten. Du kannst das Wasser aber dazu bringen nach deiner Pfeife zu tanzen, selbst wenn es eine Pfütze ist, die keinerlei Kräfte hat.“

„Und du nicht?“, hakte Lilly nach.

„Jein. Ich nutze eben nicht das Wasser der Pfütze, sondern die Kraft der Umgebung. Zum Beispiel den Schub der Welle, wenn es einen gibt.“

Lilly schwieg. Sie wusste nicht genau, wie sie erklären sollte, was sie meinte. Sie hatte über die Sache „Hexe sein“ nachgedacht. Wäre sie kein Vampir geworden, hätte sie eine mächtige Hexe werden können. Auch wenn Memphis ihr erklärt hatte, dass Vampirismus und Magie nicht zusammen in einem Körper existieren sollten, hatte Lilly überlegt, da sie selbst ein Element beherrschte, warum sollte sie dann nicht auch noch andere Magie beherrschen?

Sie teilte ihre Gedankengänge mit Hayley. „Weißt du, ich hätte doch eine Hexe werden können, als ich noch Mensch war. Jetzt bin ich ein Vampir, der Magie wirken kann. Wieso sollte ich nicht auch andere Kräfte nutzen können?“

„Deine und meine Magie, sind nicht gleich, Lilly. Wie ich schon sagte, kannst du das Wasser dazu bringen, dir zu dienen. Ganz ohne fremde Hilfe. Ich kann das auch, aber ich brauche dazu die Kraft von anderen Elementen. Die Pfütze ist ein gutes Beispiel. Du kannst die Pfütze gefrieren lassen, allein weil sie aus Wasser ist. Ich kann sie auch gefrieren lassen. Allerdings muss ich sie entweder in Bewegung versetzen und diese Energie nutzen oder ich ziehe die Kraft für den Zauber aus der Umgebung. Zum Beispiel der Erde oder aufkommendem Wind. Oder von Leuten, die gerade da sind.“

„Warum ist das so unterschiedlich? Ist Magie nicht gleich Magie?“

„Unter Magiern schon. Ihr seid eine andere Spezies. Warum das so anders ist, hat noch keiner rausgefunden. Es gibt so wenige von euch. Bisher hat wohl noch keiner daran gedacht, es zu hinterfragen.“

Lilly verzog das Gesicht. Sie glaubte nicht, dass noch niemand auf die Idee gekommen war, dieser Sache nachzugehen. Aber offensichtlich wusste Hayley hier auch nicht weiter. „Hat schon mal ein Elementarier versucht, so zu zaubern wie ihr?“

„Bestimmt. Allerdings denke ich, wenn es funktioniert hätte, wüssten wir das.“

„Kannst du mir trotzdem zeigen, wie du das machst? Ich will es auch probieren.“

Wieder schaute Hayley sie nachdenklich an. „Ich kann es dir erklären, aber versprich dir nicht zu viel davon.“

Lilly nickte. „Es ist einen Versuch wert. Wenn es klappt, hätten wir zumindest einen Vorteil gegenüber Raphael.“

Die Hexe sah nicht überzeugt aus. Trotzdem schlug sie das Buch vor sich zu und ging zu einer kleinen Gruppe Tische. Lilly folgte ihr. Die Tischchen waren überladen mit Kram. Kleine Flaschen und Döschen. Papiere und Schriftrollen. Bücher, Federn, Zweige, Blätter, Steinchen. Lillys Blick blieb an dem Chaos hängen.

„Das hat mir alles Rave gebracht“, erklärte Hayley. „Leider ist nichts Brauchbares dabei. Wobei …“ Sie griff nach einer schwarzen Feder und reichte sie an Lilly weiter. „Hier, damit können wir arbeiten.“

Lilly betrachtete die schwarze Feder, während Hayley sich eine Schüssel schnappte und in dem kleinen, angrenzenden Bad verschwand. Kurz darauf kam sie wieder raus, die Schüssel randvoll mit Wasser.

Sie stellte sie auf den großen Tisch in der Mitte und winkte Lilly zu sich. „Ich weiß nicht, ob es unter die Kategorie leicht fällt. Aber was anderes fällt mir nicht ein.“ Die Hexe bedeutete ihr, sich zu setzen und Lilly nahm auf einem von zwei Stühle platz. Hayley nahm ihr die Feder wieder aus der Hand und legte sie neben die Schüssel. „Versuch die Feder anzuheben, indem du die Energie vom Wasser nutzt.“

„Das ist leicht.“ Ohne nachzudenken, ließ Lilly Eis aus der Schüssel wachsen. Es kroch schnell über den Tisch zur Feder, umschloss sie und hob sie an. Ein Blick in Hayleys Gesicht zeigte ihr allerdings, dass es nicht das war, was die Hexe gemeint hatte.

Sie schüttelte den Kopf. „Das war dein Element. Ich meinte, du sollst sie anheben, ohne das Wasser damit in Berührung kommen zu lassen. Entziehe dem Wasser Kraft, um die Luft in Bewegung zu versetzen.“

Das war schon eine Herausforderung. Lilly packte das Eisgebilde, zerbrach es und ließ die Stücke in die Schüssel fallen. Dort taute sie es wieder auf. Nun hatte sie wieder Wasser in und die Feder neben der Schüssel. Sie überlegte, wie sie es anstellen könnte und ihr fiel ein, wie Memphis damals den Wasserdampf um ihre Hand hatte spielen lassen. Er hatte den Dampf mithilfe der Luft bewegt. Aber wie konnte Lilly das umsetzen?

Eine Zeit lang starrte sie die beiden Sachen vor sich auf dem Tisch an. Hayley hatte sich wieder ihrem Buch gewidmet, doch aus dem Augenwinkel konnte Lilly sehen, dass die Hexe ihr immer wieder prüfende Blicke zuwarf.

Memphis hatte den Dampf zwar bewegt, doch er hatte sein Element genutzt, um das zu tun. Er hatte also nicht die Kraft daraus gezogen, sondern damit gezaubert.

„Wie fühlt es sich an, wenn du zauberst?“, fragte Lilly in die Stille.

„Wie meinst du das?“

„Wenn ich zaubere, fühle ich eine Art Energie durch mich strömen. Wenn ich dann zum Beispiel was berühre, fließt diese Energie durch meine Hand. Oder ich setze sie einfach frei und versuche sie in die richtige Richtung zu lenken, bevor sie meinen Körper verlässt.“

„Ach so, mhh, also im Prinzip ist das bei mir auch so.“

Also schon mal eine Gemeinsamkeit, überlegte Lilly. „Du sagst, du ziehst die Kraft aus der Umgebung. Also kommt sie nicht von dir?“

„Nicht ausschließlich. Als Hexe ist man anfangs nur so stark wie der eigene Körper. Wenn man älter wird, lernt man, wie man der Erde Kraft entzieht, oder eben anderen Dingen. Diese Kraft nutzt man dann gemeinsam mit der eigenen. Je mächtiger ein Magier ist, desto weniger Kraft muss sie oder er von anderen nehmen.“

Lilly überlegte laut: „Ich kann zaubern, ohne Kraft zu ziehen. Bei mir kommt sie einfach von mir.“

„Ich denke, das ist so, weil ihr stärker seid. Ihr seid keine Menschen wie wir. Außerdem wurdet ihr aus der Magie heraus geboren.“

„Die Magie, die wir als Menschen schon haben, addiert sich also mit der, die wir bekommen, wenn wir Vampire werden.“

„Das ist eine Theorie.“

„Gibt es noch eine?“

„Es gibt Unzählige“, lachte Hayley. „Du bist nicht die Erste, die sich damit beschäftigt. Jedenfalls glauben Einige, dass ihr deswegen zaubern könnt. Eure menschliche Magie war schon extrem stark. Normalerweise würde sie bei der Verwandlung verschwinden, aber es bleibt ein Rest in euch. Gemischt mit der Magie im Vampirblut, ergibt es Elementarier.“

„Das ist es doch?!“ Lilly sprang auf vor Begeisterung.

„Was?“ Hayley wirkte verwirrt.

„Wenn das stimmt. Also … warte.“ Lilly schwieg kurz, um ihre Gedanken zu ordnen. „Pass auf. Ich war ein Mensch. Ich hätte eine starke Hexe werden können, wenn ich nicht verwandelt worden wäre. Jetzt ist das aber passiert. Trotzdem hat ein Teil meines Hexentalents die Verwandlung überstanden. Ein Teil meiner menschlichen Magie sozusagen.

Der wurde mit der Magie im Vampirblut gemischt, was ihn wieder stärker gemacht hat. Der menschliche Teil meines Talents ist also noch da. Der, bei dem ich hätte lernen müssen Kraft zu entziehen, statt nur meine eigene zu nutzen.“

Für diese Rede erntete Lilly allerdings nichts als einen verständnislosen Blick. „Du bist eine mächtige Hexe“, erklärte sie anders. „Du kannst sehr starke Zauber wirken. Würde ich dich jetzt verwandeln …“

„Heißt das noch lange nicht, dass ich ein Elementarier werden würde“, unterbrach Hayley sie.

„Warum denn nicht? Ich war nicht mal eine ausgebildete Hexe und bin trotzdem einer geworden.“

„Weil du uraltes magisches Blut in deiner Linie hast. So Starkes, dass es auch ohne Ausbildung gereicht hat.“

„Dann müssten ja aus meiner Familie auch alle Elementarier werden, wenn man sie verwandelt.“

„Nein.“

„Weil?“

„Weil du dir das einfacher vorstellst, als es ist. Uns gibt es schon seit unzähligen Jahren. Euch gibt es erst seit ein paar hundert. Trotzdem, in diesen paar hundert Jahren gab es auch einige von deiner Sorte. Denkst du wirklich, die hätten nicht alles versucht, um sich zu vermehren?

Ganze Familien wurden verwandelt, in der Hoffnung sie würden die Elemente beherrschen. Nur weil einer von ihnen es konnte. Ganze Hexenzirkel wurden ausgelöscht deswegen. Es gab Kriege zwischen Magiern und Vampiren, weil ihr dachtet, ihr müsstet uns nur verwandeln um mehr von deiner Art zu bekommen.“

Beide schwiegen.

„Okay, dann also Zufall oder was auch immer“, begann Lilly wieder. „Jedenfalls ist der Teil noch in mir, der mich zur Hexe gemacht hätte. Vielleicht nur ein Kleiner, aber er ist noch da. Und das heißt, dass ich auch die Macht einer Hexe haben müsste, oder? Ich müsste Zauber auch auf deine Art wirken können.“

Hayleys Augen verengten sich. „Wenn man es genau nimmt, ja. Aber wie willst du den Teil finden? Dein Blut hat sich gemischt, als du verwandelt wurdest. Das Gift könnte den Teil auch vernichtet haben oder verändert. Wie willst du rausfinden, ob der Teil wirklich noch da ist?“

„Magie vielleicht?“

„Nein. Komm, ehrlich. Als hätte ich nicht schon genug zu tun.“ Jetzt klang Hayley genervt.

„Aber es würde uns helfen. Wenn ich wie du zaubern könnte, könnten Memphis und Denniz es sicher auch. Wir hätten so viel mehr Macht, um Raphael entgegenzutreten.“

„Vielleicht. Aber es kann genauso gut Zeitverschwendung sein. Ich will dich ja nicht enttäuschen, aber ich sollte mich auf das konzentrieren, von dem wir sicher wissen, dass es uns helfen wird. Für Experimente haben wir gerade wirklich keine Zeit.“

Resigniert ließ Lilly die Schultern sinken. Hayley hatte recht. Der Gedanke, Magie wie eine Hexe wirken zu können, war verlockend. Doch es würde wirklich Zeit in Anspruch nehmen, es herauszufinden und diese Zeit hatten sie nicht. Lilly würde es aber trotzdem versuchen. Zumindest würde sie versuchen einen Zauber zu wirken, ohne das Wasser direkt zu nutzen. Alles andere musste warten, bis die Sache mit dem Hexer geregelt war.

Hayley warf ihr noch einen forschenden Blick zu, dann vertiefte sie sich wieder in ihr Buch. Lilly richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Feder. Doch ihre Gedanken kreisten weiter um das Thema Hexen- und Vampirblut.

„Hayley?“

„Mhh?“

„Was passiert, wenn man unser Blut mischt?“

Die Hexe schaute auf. „Mischt? Meinst du, wenn ihr uns verwandelt? Das weißt du doch.“

„Ja, dass ihr eure Macht verliert, ist klar. Aber hat das schon mal jemand außerhalb des Körpers getestet?“

Hayleys Augen wurden groß. „Was hast du vor?“ In ihrer Stimme schwang Argwohn und ein Funke Angst mit.

Lilly lächelte zaghaft. „Wie sieht es aus, wenn mein Blut auf deins trifft?“

„Ich habe keine Ahnung. Und ich habe auch keine Ahnung, auf was du hinauswillst. Vielleicht will ich auch keine haben.“

Lillys Blick fiel auf einen kleinen Dolch auf dem Tisch. Hayley folgte ihm und sie richtete sich schlagartig auf. Stocksteif stand sie da. Lilly konnte ihre Angst quasi riechen.

„Hey bleib mal ruhig, ich tue dir schon nichts.“ Sie hob beschwichtigend die Hände, um Hayley zu zeigen, dass sie nichts Böses im Sinn hatte.

Die Hexe warf ihr einen abschätzenden Blick zu, dann entspannte sie sich etwas. „Denke nicht, ich weiß nicht, unter welcher Spannung ihr alle drei steht. Da ist Vorsicht besser als Nachsicht.“

„Glaubst du ernsthaft wir würden dich beißen?“

„Versteh mich nicht falsch. Ich vertraue euch. Trotzdem seid ihr Blutsauger und im Moment bin ich die einzig ständig verfügbare Nahrungsquelle für euch.“ Das stimmte. Memphis hatte alle Angestellten beurlaubt. Sogar Mrs Hamilton, die sonst immer da war.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Ich will dir wirklich nichts tun. Ich hatte nur eine Idee.“

„Und die wäre?“

„Ich würde gerne sehen was passiert, wenn mein Blut auf deins trifft.“

Hayley verstand offensichtlich, worauf Lilly hinaus wollte. Sie atmete tief durch und stützte sich auf dem Tisch ab. Kurz schloss sie die Augen, öffnete sie jedoch sofort wieder. „Okay.“

„Okay?“

„Ja, okay. Es ist wirklich interessant, das mal zu sehen. Ich weiß ja auch nicht was passieren wird.“

Lilly war perplex. Auch wenn sie gehofft hatte, Hayley würde zustimmen, hatte sie nicht damit gerechnet.

„Willst du das lieber machen?“, bot sie ihr an.

„Ja.“ Die Hexe griff nach dem Dolch. Noch bevor sie irgendetwas anderes tat, sah sie Lilly direkt in die Augen. „Du bist satt, ja?“

Lilly musste grinsen. „Ja.“

„Und dir geht’s auch gut und du bist sicher, dass du dich im Griff hast?“

„Ja, ganz sicher. Alles gut.“

„Okay.“ Die Hexe holte eine zweite Schüssel aus einem Schrank, dann schob sie ihre Bücher aus dem Weg und stellte die Schüssel zwischen sich und Lilly auf den Tisch.

Lilly konnte den Dolch leicht zittern sehen. „Du musst das nicht machen.“

„Nein schon gut. Ich bin ja auch neugierig.“ Hayley hob den Dolch und stach sich mit der Spitze in den Finger. Sofort quoll ein dicker Blutstropfen hervor. Sie hielt den Finger über die Schüssel und ließ mehrere Tropfen hineinfallen, dann sah sie Lilly an.

Ihr stieg sofort der verführerische Duft in die Nase, doch sie riss sich zusammen. Sie hielt Hayley die Hand hin. Die Hexe nahm sie und stach auch ihr in den Finger. Lillys Blut tropfte auf der anderen Seite in die Schüssel und lief langsam in die Mitte, wo sich das Hexenblut gesammelt hatte. Beide starrten gespannt auf das Geschehen.

Lilly konnte den leichten Farbunterschied gut ausmachen. Hayleys Blut war heller und flüssiger, während ihr eigenes einen dunkelroten Ton hatte und leicht dickflüssig lief. Als die beiden Blute aufeinandertrafen, reagierten sie sofort.

An der Stelle wo sie sich berührten, begann es zu brodeln, als würden sie sich erhitzen. Winzige Bläschen platzten und je mehr sich die Blutstropfen mischten, desto mehr brodelte es. Dann gab es eine winzige Explosion, doch statt Hitze stieg eine kalte Wolke auf. Beide Mädchen zuckten zurück, dann starrten sie sich an und begannen zu lachen. Sie waren beide erschrocken, angesichts der Mini-Explosion.

Die Tür zum Keller flog auf und da stand Memphis auch schon bei Lilly. „Was war das?“, fragte er leicht aufgeregt und sah sich nach der Quelle des Rauches um. Der stieg noch in leichten Kringeln von der Schüssel auf und auch die Mädchen lachten immer noch.

Als Lilly sich endlich etwas beruhigt hatte, deutete sie auf die Schüssel. „Wir haben ein Experiment gemacht.“

„Aha.“ Memphis klang argwöhnisch. „Und was genau experimentiert ihr da?“

„Wir wollten wissen was mit Hexenblut passiert, wenn es auf Vampirblut trifft“, erklärte sie ihm.

Sein Blick flog zwischen ihr und Hayley hin und her. „Warum?“

„Weil es interessant war, es rauszufinden“, meinte Hayley.

„Und? Was genau habt ihr rausgefunden?“

„Mal sehen“, antwortete Lilly und beugte sich vor, um in die Schüssel zu spähen. Auch Hayley wagte einen Blick. Es war immer noch Blut darin, doch es hatte nur noch die dunkelrote Farbe und dickflüssige Konsistenz von Lillys. Von Hayleys Blut war nichts mehr zu sehen. Als hätte das eine das andere aufgefressen. Lilly griff nach der Schüssel und hielt sie sich unter die Nase.

„Es ist weg. Dein Blut ist weg. Man kann es noch riechen, aber so schwach, dass man es eher erahnt als wirklich riecht.“ Sie reichte die Schüssel Memphis.

Auch er schnupperte daran. „Stimmt. Es ist nur Lillys Blut übrig.“

Hayley griff nun ebenfalls nach der Schüssel, doch sie spähte nur hinein. „Dein Blut hat meins vernichtet.“

„Sieht so aus. Und hast du die Wolke bemerkt? Sie war kalt, obwohl es in der Schüssel förmlich gekocht hat.“

„Ja, das war seltsam.“ Die Hexe runzelte die Stirn.

„Es ist wie bei der Verwandlung“, mischte sich Memphis ein. „Heiß und kalt.“

„Ja, stimmt. Wie Schüttelfrost, nur viel schlimmer. Ist das bei allen so oder nur bei Elementariern?“, wollte Lilly wissen.

„Keine Ahnung. Bei mir war es so. Bei Denniz auch.“

„Bei mir auch“, gab sie zu.

„Da kann ich nicht mitreden. Will ich auch nicht“, fügte Hayley an und stellte die Schüssel ab. Alle drei kicherten.

Dann wandte Lilly sich an ihren Freund. „Wo ist Denniz? War die Explosion so laut, weil du gleich da warst?“

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