Читать книгу Vampirmächte - Stefanie Worbs - Страница 15
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Quentin
Nervtötend beschrieb diese Aufgabe am ehesten. Er stand zusammen mit Miriam an einer Bushaltestelle, nahe einer Abzweigung, die in den Wald führte. Der Weg lief, laut Karte, ein paar Meilen weit durch den Dallington Forest. Die zwei warteten dort fast jeden Tag darauf, dass sich einer der Gesuchten zeigte.
Diese Beobachtungen waren langweilig. Sie sollten Raphael über alles Bericht erstatten, was die Vampire taten. Außerdem sollte Quentin die Schutzzauber brechen, die ihr Grundstück umgaben. Doch das war ihm bis heute nicht gelungen. Sie waren zu stark und zu kompliziert, als dass er es in so kurzer Zeit hätte schaffen können.
Die erste Tour nach Netherfield hatte keine großen Erkenntnisse gebracht. Welche Hexe oder welcher Hexer auch immer die drei schützte, wusste genau, was er tat. Quentin konnte den genauen Ursprung des ersten Schutzwalls nicht ausfindig machen.
Doch er hatte nach einigen Wochen Recherchen zumindest die grundlegende Struktur herausgefunden. So konnte Quent den Zauber wenigstens für sich selbst brechen, was ihm erlaubte, den drei Gesuchten zu folgen, ohne dass der Schutz ihm die Sicht nahm. Er hatte auch versucht, diesen Schutz für die anderen zu brechen, doch das hatte nicht funktioniert. Nur wenn er ihnen sagte, dass ihre Ziele gerade da waren und die anderen dann ein Stück mitnahm, konnten sie die Verfolgten nach ein paar Meilen wieder sehen.
Leider ging das nur bis zum Waldrand gut. Dort war ein weiterer Wall an verbergender Magie. Diesen konnte Quentin nicht umgehen. Auch Nala und Raphael konnten nur für sich den ersten Zauber brechen. Marco bekam es gar nicht auf die Reihe. Quentin hatte dem zweiten Schutzwall folgen können und festgestellt, dass er den gesamten Wald umgab. Das war immer noch eine riesige Fläche, doch es zeigte, dass die Vampire dort ihren Wohnsitz haben mussten.
Warum sonst sollten sie einen Wald schützen? Diese Erkundung hatte den Zirkel abermals eine Woche gekostet. Die folgende verbrachten sie damit, nach weiteren solcher Schutzwälle zu suchen. Nala, Marco und er hatten die Umgebung danach abgegrast. Immer mit dem Gedanken, dieser hier könnte eine List sein, doch es war der Einzige.
Ihre Vermutung wurde endgültig bestätigt, als Quentin ein Vogel aufgefallen war. Nicht, dass ein Vogel ungewöhnlich gewesen wäre, doch dieser wurde von einem Zauber umgeben. Welcher Natur dieser war, konnte Quent aus der Ferne nicht ausmachen, doch das Tier hatte öfter den Himmel über ihnen gekreuzt und flog stets über den Wald. Er musste also sein Nest dort haben. Als sie Raphael von dem Vogel berichteten, hatte er wissend gelächelt.
Vor drei Wochen hatten sie das Mädchen dann das letzte Mal gesehen. Sie war allein ausgeritten. Quentin war ihr bis zum Meer gefolgt, um zu sehen, was sie tat. Doch sie hatte sich dort nur umgesehen und war dann wieder im Dallington Forest verschwunden. Ab hier hatte Quentin ihr nicht mehr folgen können und danach hatten die Wachschichten begonnen. Seitdem standen sie nun fast jeden Tag hier und warteten darauf, dass sich jemand zeigte.
Dina war bei Raphael und schmiedete wahrscheinlich weitere Rachepläne. Vincent fuhr eine Runde nach der anderen um den Wald und suchte großflächig mit seinem Element die Umgebung ab, während Nala und Marco sich an einer anderen, viel genutzten Einfahrt in den Wald postiert hatten. Irgendwann mussten die Vampire ja wieder auftauchen.
Quentin hoffte, dass es bald war. Er vertrieb sich die Zeit damit, verschiedene Gegenzauber zum Schutzwall zu probieren, doch keiner richtete etwas aus. Langsam gingen ihm auch die Ideen aus. Miriam spielte mit dem Wasser einer Pfütze. Sie ließ immer wieder kleine Fontänen aufsteigen oder bespritzte Passanten. Er hatte sie mehrmals gebeten, das sein zu lassen, doch sie beachtete ihn gar nicht. Sie sprach nur mit ihm, um ihn zu beleidigen. Quentin hätte sich so gern gewehrt. Mit einem Zauber, der ihr den Mund zuklebte vielleicht. Oder mit einem kleinen Fluch, der sie einfach eine Weile schlafen ließ. Leider konnte er das eben nicht.
Es ärgerte ihn immer mehr, dass er einfach kein Talent dafür entwickelte. Wenigstens ein bisschen wäre ihm schon genug. Einfach eine kleine Bestätigung, dass er mehr konnte, als schützen oder Schutzzauber brechen. Er wollte ja niemandem schaden, außer vielleicht diesem nervigen Vampirmädchen neben sich, das gerade den nächsten Passanten im Visier hatte. Er wollte einfach nur wissen, dass er sich wehren konnte, wenn er wollte. Ohne das war er immer einfach nur das Ziel und nie die Waffe.
Ein Schatten glitt über sein Gesicht und er schaute auf. Da war wieder der Vogel. Quentin richtete sich auf und stieß Miriam an. Er deutete nach oben und sie folgte der Geste.
„Das ist wieder das Vieh, oder?“, knurrte sie.
„Ja, das ist der Vogel mit dem Zauber. Er war lange nicht da.“
„Vielleicht heißt das was.“
„Könnte sein.“ Quentin war noch in Gedanken, als zwei Pferde aus dem Wald preschten und die Straße entlang schnellten.
Ein Schlankes vornweg und ein großer Schwarzer hinterher. Auf dem Hinteren saß das Mädchen. Das Vordere ritt Memphis. Quentin hatte ihn natürlich schon gesehen. Sie hatten sie ja schon beobachtet seit, das Mädchen hier angekommen war. Anfangs zwar nur außerhalb des ersten Schutzwalles, solange bis Quent den Zauber gefunden hatte, mit dem er die Linie überqueren konnte. Danach waren sie näher herangekommen.
Der alte Vampir ging oft in den umgebenden Dörfern jagen. Mehrmals hätte der Zirkel die Gelegenheit gehabt, ihn zu fassen. Doch Raphael hatte angeordnet, sich ihm nicht zu zeigen. Er wollte nur wissen, was Memphis tat. Also beobachteten sie nur und erstatteten Bericht.
Es war Quentin ein Rätsel, was Raphael vorhatte, doch das hier wollte er sicher sofort wissen. Sie hatten seit Wochen kein Lebenszeichen von irgendeinem der Gesuchten bekommen. Dass jetzt gleich zwei unterwegs waren, würde ihn sicher interessieren. Quentin zog sein Handy aus der Tasche und drückte die Kurzwahl für den Ältesten.
Der ging nach dem ersten Klingeln ran. „Quentin?“
„Gerade sind Memphis und das Mädchen aus dem Wald gekommen. Der Vogel war auch da.“
„Gut. Folgt ihnen. Ich will wissen, wo sie hingehen und was sie dort tun. Sofort. Schickt mir Bilder oder Nachrichten. Meinetwegen ruft auch alle fünf Minuten an. Ich will alles wissen.“
„Okay.“ Quentin legte auf und gab Miriam die Anweisungen weiter. Dann stiegen sie in ihr Auto und folgten den Pferden die Straße entlang. Ab und zu verloren sie die beiden kurz, da die Vampire Wege nutzten, die für Autos verboten waren, doch sie fanden sie jedes Mal schnell wieder.
Am Strand blieben sie auf Abstand und beobachteten die beiden. Quentin hatte Raphael gerade eine Nachricht geschickt, dass sie am Strand waren und wo genau, da stand der Älteste schon hinter ihm.
„Ab jetzt übernehme ich. Wartet im Wagen. Quent? Hier.“ Er reichte ihm einen Zettel. „Wenn es so weit ist, gebe ich dir ein Zeichen, dann wirkst du diesen Zauber.“
Quentin nahm den Zettel und las ihn stumm. Dieser Zauber war machbar für ihn. Er nickte, dann folgte er Miriam zum Wagen. Raphael blieb allein am Strand zurück. Das war das erste Mal, dass er sie fortschickte.
Jetzt wird es interessant, dachte Quentin.