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Tyree - Einen Monat später

Am Kalender fehlt ein neues Blatt, was mir sagt, dass ein weiterer Monat rum ist. Es sind jetzt also schon zwei Monate, die ich in diesem gottverdammten Rollstuhl sitze, fast drei sogar, seit ich aus dem Koma aufgewacht bin und in denen ich nichts geschafft habe.

Okay, wenigstens kann ich mittlerweile ganz gut selbstständig essen und auch sonst habe ich wieder mittelmäßige Befehlsgewalt über meine Gliedmaßen. Aber ich kann noch immer nicht laufen. Auch das Sprechen fällt mir noch mehr als schwer. Kurze, einfache Sätze gehen. Wie hab hunger oder nerv nicht.

Nerv nicht, sage ich meisten zu Enyo. Denn er nervt schon ab und an. Ich weiß, dass er es gut meint, denn er will mich bei allem unterstützen. Aber manchmal übertreibt er es. Ich kann nicht mal niesen, ohne dass er sofort Gewehr bei Fuß steht und den Notarzt rufen will.

Ich will wirklich endlich selbstständig werden, doch bisher tut keiner großartig was. Der Heilerelf, der hier nebenan wohnt, trainiert morgens mit mir und dann war es das. Die Therapeutin kommt nur noch sporadisch vorbei, denn ich kann ja eh nicht viel sagen. Die Sprachtherapie ist Kinderkacke und besteht aus nicht viel mehr als mamama und dadada. Ich bin doch kein Baby mehr, verflucht! Auch mein Gedächtnis ist noch nicht wieder da.

Irgendwas ist da wohl noch nicht ganz richtig in meinem Kopf und sie wollen mich nicht überfordern. Das - nervt! Weil ich selbst weiß, dass ich es schaffen würde. Aber ich brauche Hilfe. Ich kann nicht allein aufstehen und gehen üben. Und Enyo ist viel zu vorsichtig, wenn es um irgendwelche anderen Therapien geht. Er behandelt mich wie ein rohes Ei.

Sein Bruder Basil meint, Enyo und ich waren mal ein Paar. Ich war wohl richtig heftig verliebt in den Elfen. Bei der Vorstellung habe ich ein komisches Gefühl. Irgendwas in mir sagt, dass es nicht richtig war, wie es war. Also nicht, dass ich ihn geliebt haben soll, sondern das wir uns geliebt haben.

Ich erinnere mich noch, dass Menschen - wie ich einer bin - und Elfen sich gegenseitig hassen. Eigentlich. Aber irgendwie ergibt das keinen Sinn, denn um mich herum sind beide Völker und sie verstehen sich blendend. Überhaupt ergeben einige Dinge keinen Sinn für mich. Warum bin ich eigentlich hier?

Ich war wohl sehr krank und Enyo und seine Brüder haben mich hergebracht. Aber warum? Hatte ich dort, wo ich herkam, keine Chance auf Heilung? Und wo komme ich her? Warum bin ich mit Elfen hergekommen, obwohl wir uns hassen sollten?

Auch habe ich mitbekommen, dass draußen Einiges vor sich geht. Die Stadt hier wird anscheinend gerade belagert. Und man höre und staune, von Elfen. Es ist alles verwirrend. Ich würde gern mit jemandem darüber reden und mir Antworten holen, aber En blockt immer ab, wenn ich versuche, ihm klarzumachen, dass ich was wissen will. Und Cara lässt mich gar nicht zu Wort kommen. Es ist so frustrierend und es wird nicht besser.

Die Tür hinter mir geht auf, dann steht Bay neben mir. Seine Hand legt sich kurz zur Begrüßung auf meine Schulter, dann lässt er sich in das Sofa fallen, das unweit von mir steht.

En kommt aus dem Bad und ebenfalls zu uns. „Ich muss zu Said“, erklärt er und geht vor mir in die Knie. „Bay bleibt hier, falls du was brauchst. Soll ich dir was mitbringen? Vielleicht was zu essen oder einen Saft von dem Stand unten?“

Ich brauche viel zu lange für die Antwort, aber weil ich antworten will, muss En eben warten, bis ich die Worte auskotze. „Saft bitte.“

Er nickt lächelnd, erhebt sich und gibt mir einen Kuss aufs Haar, dann hebt er für seinen Bruder die Hand und geht.

„Ist es okay, wenn ich ein bisschen lese?“, fragt Bay und hält ein Buch hoch. Ich nicke nur und wende meinen Blick wieder nach draußen. Das ist derzeit meine Hauptbeschäftigung. Aus dem Fenster gucken. Wahnsinnig aufregend.

Irgendwann werden meine Augen schwer und ich lehne den Kopf an die Kopfstütze vom Rollstuhl. So sehr ich dieses Teil hasse, es ist ungemein praktisch, überall schlafen zu können, ohne erst eine Möglichkeit zu finden, wo man sich hinlegen kann. Wenigstens ist der Rollstuhl bequem.

Ich träume wirres Zeug von Verfolgungsjagden und Wölfen und einem alten Bauernhof. Ein Gesicht schiebt sich immer wieder vor mein inneres Auge, doch ich kann es nicht genau erkennen. Ich weiß, dass es zu jemandem gehört, der mir nicht gut gesinnt ist. Es bereitet mir Schmerzen, immer wenn das Gesicht auftaucht. Aber ich weiß auch, dass immer kurze Zeit später Enyo in meinen Träumen erscheint und dann ist von jetzt auf gleich alles gut.

Zumindest solange, bis er fortgerissen wird, als würde ihn ein Sog nach hintenziehen und weg von mir. Danach ist alles still. Nur ab und zu höre ich Stimmen, die mit mir reden. Sie bitten mich und weinen und sie erzählen mir Dinge, die keinen Sinn für mich ergeben.

Ich kenne diesen Traum schon so gut. Ich habe ihn wirklich oft geträumt in den letzten Wochen. Doch plötzlich ist etwas anders. Eine der Stimme wird lauter, deutlicher. Ich kann sie verstehen!

Ich schrecke hoch und bin sofort hellwach. Mein Blick fliegt zu Bay, der immer noch auf dem Sofa sitzt, mich aber forschend ansieht.

„Bay“, kommt es mir unvermittelt über die Lippen.

„Anwesend.“

„Du ... ich ...“ Ich atme schwer. „Bay!“

Er zieht die Brauen zusammen. „Ja?“

„Bay“, sage ich seinen Namen ein drittes Mal, nun aber nur noch gehaucht. Ich habe mich erinnert, Bay! Oh Himmel! Basil, Basil! Doch natürlich hört er meine Gedanken nicht.

„Ist alles okay? Hast du Schmerzen?“

Ich schüttle energisch den Kopf. „Ich ... ich ...“ Ich halte inne, schließe die Augen und atme tief durch. Noch mal, Ty. Langsam. Als ich die Augen wieder öffne, sieht Bay mich immer noch argwöhnisch aber auch alarmiert an. „Du ... sast ...“ Denkstopp. Das war falsch. Komm schon, Ty! „Du hast ... sast ...“ Man! Verfluchter Scheißdreck! Ich stoße genervt die Luft aus und resigniere. Das wird nichts.

„Okay. Langsam, Ty“, meint Bay, legt das Buch weg und rutscht bis zur Sofakante vor. Er sucht meinen Blick und hält ihn dann fest. „Ich“, sagt er und deutet auf sich.

Ich nicke.

„Habe ich was getan?“

„Ja“, flüstere ich nur.

„Okay. Wann? Ist es lange her?“

„Ja“, antworte ich schon lauter und hoffe, wir kommen so ans Ziel.

„Gut.“ Er überlegt. „Wir waren nicht oft zusammen seit dem Krankenhaus. War es hier oder noch dort?“

„Da.“

„Im Krankenhaus also.“

Ich nicke.

Seine Hand legt sich nachdenklich über seinen Mund, als er mich grübelnd mustert.

Komm schon Bay! Du bist doch nicht blöd. Du hast mit mir gesprochen! Ich habe dich gehört! Ich hab noch geschlafen, aber du hast gesagt, du würdest alles tun, wenn ich nur wieder aufwache. Enyo hätte meine Gedanken schon erraten, geht es mir frustriert durch den Kopf.

„Man, Ty“, seufzt er und fährt sich dann durchs Haar und lässt die Hände am Hinterkopf liegen. „Gib mir noch einen Anhaltspunkt.“

Auch ich atme tief ein und konzentriere mich auf das, was ich sagen will. Hoffentlich kommt das auch aus meinem Mund. „Ich Schaf.“ Okay. Nicht ganz richtig. Mist.

Bay muss ein Auflachen unterdrücken. „Joar. Wenn du meinst.“

Arschloch. Gut, nochmal. Mit einem grimmigen Blick versuche ich es erneut. „Schlafen.“ Danke! Das war richtig. Weiter. „Ich schlafen.“

„Ah. Okay.“ Sein Blick hellt sich auf, doch schon einen Moment später wird er verwirrt. „Moment. Du schläfst. Du hast geschlafen im Krankenhaus. Haben wir dich geweckt?“

Ich schüttle den Kopf und wieder ist es eine Weile still, bis ich sage: „Hörer.“ Himmel! Man! Es sind einzelne Worte, verflucht noch mal! Was ist daran schon schwer! Himmel, Arsch und Zwirn! „Ich Hörer.“ Ich seufze. Ach scheiß drauf. Dann eben nicht. Ich wende den Blick von Basil ab und schüttle den Kopf. Das wird nichts.

Er muss meinen Frust spüren, denn er meint: „Gib nicht auf. Das wird schon. En meint, ich soll jetzt öfter mal vorbeikommen. Wenn du willst, können wir üben.“

Ich zucke nur mit den Schultern. Mir egal. Ich bin gerade eh genervt von allem.

„Okay, warte. Wir fangen gleich an. Was kannst du schon sicher?“

Ich schaue auf und runzle die Stirn. „En, Bay, Bent, Cara“, zähle ich die Namen der Geschwisterelfen auf.

„Mhm. Okay. Noch was?“

„Saft, bitte, danke, nerv nicht.“

Er macht große Augen. „Sorry.“

Jetzt muss ich lachen und schüttle den Kopf. „Nein. En, nerv nicht.“

Bay verzieht das Gesicht. „Hä?“

Wieder schüttle ich nur den Kopf und fange dann anders an. „Nerv nicht. Hab hunger. Bin müde. Hilf mir.“ Jetzt sehe ich ihn fragend an. Hat er’s?

„Aaaahhh.“ Er lacht auf. „Alles klar. Das kannst du also sagen.“

„Ja.“

„Gut. Ich weiß, dass du ganz sicher total da bist, da oben.“ Er tippt sich an den Kopf. „Aber die Ärzte sagen, du musst wieder lernen, die Sachen, die du weißt, auch richtig zuzuordnen. Also ...“ Er schaut sich suchend um und tippt dann auf den Tisch. „Du weißt, dass das hier ein Tisch ist?“

Ich nicke und verziehe das Gesicht. Ich bin nicht blöd, Basil.

„Aber kannst du ihn auch so nennen?“

„isch“, sage ich und auch wenn das T fehlt, ist der Sinn wohl klar.

„Prima. Und was ist das?“ Er hebt das Buch an.

„isch.“ Nein, halt. Das ist ein Buch. Buch, Ty. B-u-c-h. „Bug.“

Bay grinst. „Fast. Buch.“

„Bug.“ Alter! Ich presse die Lippen zusammen und fixiere das Buch mit den Augen. „Buch!“

„Klasse! Super, Kleine.“ Bay freut sich ehrlich und auch ich kann nicht anders, als zu grinsen. „Wollen wir weitermachen?“, fragt er und wirkt aufgeregt.

Ich nicke und schon steht Bay und sucht allerlei Kram zusammen, dem ich dann seinen richtigen Namen geben soll.

Spät am Abend liegt der halbe Hausstand im Wohnzimmer und wir beiden sitzen mittendrin. Es macht richtig Spaß, mit ihm zu üben und so frustrierend manche Worte sind, weil ich sie einfach nicht über die Lippen bekomme, umso mehr freue ich mich über jedes richtige.

Als En nach Hause kommt und das Chaos sieht, bleibt er überrascht und verwirrt in der Tür stehen. „Was ist denn hier passiert?“

„En!“, begrüße ich ihn freudestrahlend und seine Verwirrtheit weicht einem unschlagbarem Lächeln.

„Hey. Du bist ja gut drauf“, freut er sich und kommt rüber, wobei er aufpassen muss, nicht über irgendwas zu fallen. „Was habt ihr denn hier gemacht?“

„En. En, höre“, sage ich und will seine Aufmerksamkeit.

„Ich höre“, grinst er und sinkt neben dem Rollstuhl in die Hocke.

Ich deute auf das Buch in Bays Hand. „Buch, En.“ Ich zeige auf den Stift daneben. „Stift.“ Mein Blick trifft seinen.

„Richtig. Sehr gut.“

Das war nicht alles! Warte, Elf! Voller Vorfreude zeige ich auf Bay. „Bay ist Ens Bruder.“

Ens Grinsen wird breiter. „Hey. Alles klar. Das habt ihr gemacht? Ihr habt sprechen geübt?“

Ich nicke. „Ja. Ich kann. En.“

Er nimmt meine Hand und küsst sie. „Sehr gut. Finde ich super. Nur übertreibt es nicht. Du musst langsam machen, Ty.“

Ich verdrehe die Augen. „Nerv nicht.“

Bay lacht auf und auch Enyo schmunzelt.

„Jetzt weiß ich, wie du das vorhin gemeint hast. En nervt also immer? Okay.“

„Ja, das sagt sie am liebsten“, bestätigt der Elf neben mir immer noch grinsend. „Aber ich höre nicht auf.“ Er lächelt frech zu mir. „Gut. Es ist aber spät. Für heute ist Schluss, okay?“

Ich nicke, weil ich wirklich müde werde.

„Ich helfe Ty noch kurz, wartest du, Bay?“

„Klar. Ich räum mal etwas auf hier.“ Sein Blick schweift über das Chaos.

„Nicht viel“, weise ich ihn an, denn wir brauchen die Sachen wieder. „Morgen, Bay.“

„Ganz wie die Dame es wünscht“, gibt er mir vornehm zurück und neigt leicht den Kopf. Dann schiebt En mich ins Bad, damit er mir beim Waschen und Umziehen helfen kann.

Phönix Band 3

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