Читать книгу Phönix Band 3 - Stefanie Worbs - Страница 8

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Tyree

Dumpfe Geräusche fliegen um mich herum. Nichts davon kann ich zuordnen. Als wäre ich unter Wasser und die Welt spielt sich darüber ab.

Bin ich unter Wasser? Plötzliche Panik ergreift mich, als mir einfällt, dass man unter Wasser gar nicht atmen kann. Doch fast sofort schwindet die Angst, zu ertrinken, denn es ist, als würde mir stetig ausreichend Luft in die Lungen gepumpt werden. Das kann ich nur dankend annehmen, denn ich habe keine Kraft, irgendetwas selbst zu tun. Nicht mal meine Augen kann ich öffnen. Ich glaube, ich liege.

Oder schwebe ich? Die Geräusche nehmen zu und ab. Werden lauter und leiser. Verstummen ganz und pochen dann wieder monoton in meinem Schädel. Ich habe Kopfschmerzen. Dann nicht mehr. Dann doch wieder und dann wieder nicht.

Es ist merkwürdig. Alles ist seltsam weit entfernt von mir und doch spüre ich eine Präsenz, die nie verschwindet.

Was ist das? Nur bruchstückhaft fließen diese Eindrücke auf mich ein. Aber die Präsenz ist stetig da. Alles andere verschwindet und wenn die Schwärze, die sich ab und zu einstellt, wieder geht, ist die Präsenz das Erste, was ich bemerke.

Zu Anfang hatte ich furchtbare Angst, weil das alles hier so merkwürdig war. Doch was es auch immer ist, dass stetig da ist, es beruhigt mich. Ich kann mich daran festhalten, um nicht fortzutreiben. Ein paar mal habe ich den Halt verloren, doch dann war wer auch immer wieder da und hat mich aufgefangen.

Was ist das hier? Wo bin ich? Wer bin ich? Dann ist etwas anders.

War es schon mal so? In meinen Ohren rauscht es laut und es fühlt sich an, als würde mein Blut träge und zäh durch meine Adern pumpen. Panik steigt in mir auf, denn der stetige Luftstrom, der meine Lungen mit Sauerstoff versorgt, versiegt nach und nach.

Nein. Nein! Ich kann nicht atmen, wenn er mir nicht hilft! Ich werde sterben! Oder bin ich schon tot? Ich habe keine Ahnung, wie lange ich hier bin. Wie viel Zeit vergangen ist, seit ... seit ...

... seit was? Weil ich darüber nachdenke, bemerke ich erst jetzt, dass ich es selbst schaffe, genug Luft in meine Lungen zu bekommen, um nicht zu ersticken. Ich kann atmen und es tut nicht weh, wie vorher immer. Es ist anstrengend, aber okay.

Ob ich jetzt auch meine Augen aufbekomme? Nein. Egal wie sehr ich es auch versuche, meine Lider sind zu schwer.

Oh man. Also bleibe ich, wie ich bin. Ich muss liegen. Schweben wäre sinnfrei. Stehen unmöglich. Schwimmen tue ich ganz sicher nicht, denn ich kann ja atmen. Himmel, wie sehr mich das erleichtert. Weil ich sonst nichts tun kann, versuche ich die Geräusche um mich herum zuzuordnen. Bisher hatte ich weder Interesse daran, noch genügend Kraft oder Konzentration. Aber wenn atmen geht ...

Ich glaube, Stimmen zu hören, also bin ich nicht allein. Ihr Gerede ergibt keinen Sinn. Es ist, als wäre eine dicke Wand zwischen mir und ihnen. Es sind viele Stimmen, aber mehr als gesummte Gespräche, kann ich nicht erkennen. Das ist anstrengend, also lasse ich es erst mal wieder.

Wenn ich liege, dann sicher auf einem Bett. Ich versuche, die Finger zu krümmen, um zu ertasten, aus welchem Stoff das Bettzeug ist.

Verdammt. Noch anstrengender. Lass es lieber. Der Geräuschpegel nimmt ab und es wird still. Doch wer auch immer schon die ganze Zeit hier ist - es kann ja nur eine Person sein, wie ich mir immer sicherer werde -, bleibt. Ich kann sie spüren. Keine Berührung oder so. Es ist eher die Tatsache, nicht allein zu sein. Ich weiß, da ist jemand und ich bin mir sicher, es ist immer die gleiche Person.

Ich wache auf, ohne die Augen zu öffnen. Es ist das unzähligste Mal, dass ich einschlafe, obwohl ich ja offensichtlich sowieso nicht ganz wach bin. In der vergangenen Zeit habe ich mir angewöhnt, immer zuerst zu versuchen, die Augen aufzumachen, wenn ich aus diesem einen Schlaf in den anderen wechsle.

Einen Moment lang atme ich einfach ruhig und konzentriere mich auf mein Vorhaben. Dann teste ich, was ich schon so oft versucht habe. Es kostet mich unglaubliche Mühe, diese winzige Bewegung zu tun, doch dann wird es hell. Nicht sehr viel, nur ganz wenig. Als hätte jemand das Licht hinter einem Schleier angeknipst. Träge blinzle ich, doch der Schleier verschwindet nicht. Oh man. Ich dachte, es würde besser werden, wenn ich nur endlich die Augen aufbekäme. Aber das hier ist nicht besser. Die verschwommene, matte Dunstschicht macht mich schwindelig, also schließe ich die Augen wieder.

Warte, ich darf nicht aufgeben. Komm schon, reiß sich zusammen! Das ist nur Licht! Mühevoll hebe ich meine Lider erneut und blinzle wieder.

Wie bekomm ich diesen blöden Nebel weg? Ein Geräusch lenkt mich ab, dumpf und leise. Dann klickt es seltsam aufgeregt im Takt.

„En? Bist du wach? Wölfchen dreht gerade durch. Du musst ... Ty!“

En? Wölfchen? Ty? Was?!

Es ruckelt, als würde mein Bett verschoben werden. Jemand lacht und es schickt mir eine Welle von Wärme, Zuneigung und Zuhausegefühl durch den ganzen Körper.

Wer ist das? Ich mag ihn. Er soll weiterlachen. Das Licht hinter dem Schleier wird heller und plötzlich wird es auch lauter. Viel mehr Stimmen schallen durch den Raum, was mir Kopfschmerzen verursacht.

Licht aus! Macht das Licht aus! Ich kann gerade so einen merkwürdig gequälten Laut von mir geben.

„Sie hat Schmerzen! Macht was!“

„Dimmt das Licht wieder.“

„Sie ist wach?“

„Schafft den Wolf raus!“

„Hörst du mich, Ty?“

„Bringt den verdammten Wolf aus dem Raum!“

„Kleine.“

„Wölfchen komm schon.“

Jemand zieht erst mein rechtes dann mein linkes Augenlid nach oben. Schmerzhaft helles Licht blendet mich. Am liebsten würde ich das Licht wegschlagen, doch meine Arme hören nicht auf mich.

Ich konnte stöhnen, also wiederhole ich diesen Laut.

„Weg damit!“

Das Licht verschwindet und ich kann meine Augen ausruhen.

„Nein! Bitte bleib wach!“

Der Mann klingt so besorgt. Fast panisch. Mit Mühe blinzle ich wieder, damit er sieht, dass ich wach bin.

„Bei allen Göttern, mein Mädchen!“

Eine ganze Weile lang ist es laut und unruhig um mich herum. Ich halte meine Aufmerksamkeit an dem fest, der die ganze Zeit mit mir spricht. Seine Stimme ist beruhigend. Irgendwann merke ich auch, dass er meine Hand hält, doch ich kann den Druck nicht erwidern. Ab und zu wird seiner fester. Ich habe das Gefühl, er hat Angst.

Ich würde ihn gern ebenso beruhigen, wie er mich beruhigt. Leider kann ich aber nichts anders tun, als hier zu liegen und zu versuchen, die Augen offen zu halten. Das ist wohl das Einzige, was seine Angst abnehmen lässt. Aber es ist so anstrengend ...

Als ich die Augen das nächste Mal öffne, ist es wieder dunkel um mich. Dämmerungsdunkel. Ich kann kleine Lichter ausmachen und wie sie sich bewegen. Im Zickzack immer auf und ab. Ziemlich lang verfolge ich diese kleine Linie, bis ich realisiere, dass sie meinen Herzschlag darstellt. Und erst da wird mir richtig klar, dass der Schleier teilweise verschwunden ist. Zumindest ist er irgendwie nur noch auf dem linken Auge. So richtig zuordnen kann ich es nicht. Aber ich sehe was. Sehr viel mehr als vorhin.

Jemand rührt sich an meiner Seite, dreht sich, murrt und setzt sich dann auf. Mit dem Rücken zu mir sitzt er auf der Bettkante und fährt sich durchs Haar. Das grüne Licht der Monitore beleuchtet ihn und ich kann etwas schwarzes auf seinem nackten Rücken ausmachen.

Sind das Flügel? Eine Zeichnung von Flügeln? Ein Tattoo? Gerade geht mir durch den Kopf, dass es echt riesig ist und höllisch wehgetan haben muss, da dreht er den Kopf. Mein Blick gleitet langsam von seinem Rücken zu seinen Augen. Selbst im Dämmerlicht kann ich sehen, dass sie hellgrau sind. Sie leuchten fast.

„Hey Kleine“, spricht er wirklich leise und dermaßen liebevoll, dass es mir sofort wieder eine Welle von Wärme durch den Körper schickt.

Hi ... ja hi wer? Wer ist er?

Er erhebt sich, zieht einen Stuhl heran und setzt sich dann frontal zu mir ans Bett. Seine Hand greift meine, er senkt seine Lippen darauf und schließt kurz die Augen.

Wer bist du?, will ich fragen, aber mein Mund tut nicht, was ich will. Stattdessen kommt wieder nur ein merkwürdiger Laut.

Sein Blick fliegt hoch und mustert mich, dann hebt er denn Kopf und flüstert: „Wie geht’s dir? Brauchst du was? Hast du Durst?“

Ich habe keine Ahnung, wie es mir geht. Seltsam stumpf beschreibt es wohl am besten. Was ich brauche? Ja, im Moment nichts. Aber Durst habe ich tatsächlich. Das würde ich ihm gern sagen, doch wieder kommt nur ein aghghh aus meinem Mund.

Schöne Scheiße. Er erhebt sich trotzdem, kommt näher zu mir und hebt meinen Kopf vorsichtig an, um einen Arm darunter zu schieben, dann hält er mir einen Becher mit Schnabel oben an die Lippen. Ganz sachte hilft er mir, winzige Schlucke zu nehmen.

Wie konnte er aus meiner Buchstabenkotze raushören, dass ich Durst habe? Langsam legt er meinen Kopf wieder ab und sitzt dann erneut in meinem Sichtfeld. Seine Augen glitzern und ich meine, es sind Tränen, die darin schimmern.

Du musst nicht traurig sein. Ich bin ja jetzt wach, denke ich, als sich eine der Tränen löst.

„Du hast keine Vorstellung, wie glücklich du mich gerade machst“, sagt er dann ganz leise.

Ah, keine Trauer. Glück. Weil ich wach bin? Okay. Er ist leicht zufriedenzustellen.

„Kannst du sprechen?“, will er wissen und legt den Kopf schief.

Vogel. Hab ich nicht gerade bewiesen, dass es nicht geht. Aber gut. Ich probier’s noch mal. Noch hab ich genug Kraft, denke ich. Doch mehr als ein hagrgr kommt wieder nicht.

„Okay. Gut. Streng dich nicht zu sehr an. Alles okay. Du verstehst mich, das ist gut.“

Ja, irgendwie beruhigt mich das auch. Auch wenn es schöner wäre, könnte ich sagen, was ich denke. Und es wäre nicht ganz so peinlich.

„Weißt du, wo du bist?“

Nope. Kein Plan. Du weißt es. Sag es mir. Meine Augen halten seine fest und, ehrlich, der Junge ist talentiert. Entweder kann er Gedanken lesen oder er macht einfach zufällig das Richtige.

Jedenfalls antwortet er auf meine stumme Frage: „Du bist im Krankenhaus. Schon eine ganze Weile. Weißt du warum?“

Ehm ... nee. Verrate mir auch das.

Wieder klappt die Sache mit dem Blick, denn er sagt: „Du hattest eine schwere Verletzung am Kopf. Es hat sehr lange gedauert, bis du wieder zu dir gekommen bist. Erinnerst du dich?“

Nein man! Ich schließe die Augen. Ich hab keine Ahnung. Ich weiß ja nicht mal, wer ich bin und ich weiß nicht, wer du bist, obwohl du mich ganz offensichtlich kennst. Moment. Du kennst mich! Wieder suche ich seinen Blick und probiere die Augen-Nachricht-Sache. Wie ist mein Name?

Er runzelt die Stirn und bleibt stumm.

Verdammt! Komm schon! Wer bin ich? Am liebsten würde ich ihn schütteln, aber meine Kraft reicht ja nicht mal, um seine Fragen mit einem Nicken oder Kopfschütteln zu beantworten.

„Ist alles gut? Tut dir was weh? Ty!“

Ha! Ty! Das muss mein Name sein. Ich entspanne mich merklich, was auch ihm nicht entgeht.

„Hast du Schmerzen?“, will er trotzdem wissen.

Keine Schmerzen. Ich bin nur müde. Das war anstrengend. Ich schließe die Augen und atme so tief durch, wie es mir möglich ist.

„Okay. Schlaf. Ich bleibe hier.“

Krass. Wirklich beeindruckend, was er tut. Als hätte er einen Draht direkt zu meinen Gedanken. Mir ist kalt. Kannst du mir noch eine Decke holen?

Das Bett ruckelt und dann liegt er wieder neben mir. Seine Wärme greift sofort auf mich über. Irgendwie ist es merkwürdig. Ich hab kein Plan, wer er ist, aber seine Nähe kommt mir so vertraut vor. Er legt einen Arm um mich und ich kann seinen Atem sachte an meinem Hals spüren.

Du bist wunderbar. Dich hab ich gern.

Phönix Band 3

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