Читать книгу Phönix Band 3 - Stefanie Worbs - Страница 14

Tyree

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„Bay?“

„Mhh?“

„Ich will laufen.“

Bays Blick fliegt von den Namenskarten, die er für die Gegenstände im Raum schreibt, zu mir. „Okay.“ Dann runzelt er die Stirn. „Denkst du, das wird schon was?“

„Ich kann reden.“

„Mag sein. Aber deine Beine sind doch noch viel zu schwach.“

„Aber ich kann wieder reden. Jetzt will ich laufen.“ Ich habe mir Ziele gesetzt und Bay ist mein Mittel, sie zu erreichen. Er hat versprochen, alles für mich zu tun. Da muss er jetzt also durch.

„Na gut. Ich werd mal gucken, ob dein Therapeut da ist. Dann können wir ...“

„Nein. Ohne ihn. Ich mag ihn nicht. Er ist doof.“

Bay grinst. „Aber er weiß, wie es geht. Ich hab doch kein Plan wie Physio funktioniert.“

„Ich will keine ...“ Das Wort bleibt mir im Hals stecken. „Ich will ihn nicht. Ich will mit dir üben.“

Er schiebt die Unterlippe vor und hebt die Schultern. „Wie du willst. Aber übertreib es nicht. En schlägt mich grün und blau, wenn du dir wehtust.“

Ich muss grinsen. Das würde der Elf tatsächlich tun. Mir fällt immer mehr auf, wie sehr er auf meine Sicherheit bedacht ist. Obwohl er genauso offensichtlich versucht, sich zu zügeln. Ich mag Enyo. Ich meine, ich weiß ja, das da mal was gewesen sein soll, zwischen uns. Aber es ist merkwürdig, dass ich jetzt nicht so wirklich weiß, was es war.

Ich hab den Elf echt gern. Er ist zuvorkommend und lieb. Er hilft mir bedingungslos bei allem. Himmel, er badet mich sogar und wenn ich dran denke, dass ich nicht mal allein aufs Klo konnte und er selbst da helfen musste. Aber er hat nie auch nur einen Ton gesagt, dass er es nicht wollte. Er hat nie gelacht oder sich über mich lustig gemacht. Enyo Izar hat immer alles getan, damit ich es leichter habe und er tut es auch heute noch.

Er muss mich wirklich lieben, geht es mir nicht das erste Mal durch den Kopf. Liebe ich ihn auch noch? Oder kann ich das wieder? Was ist dieses Gefühl, dass immer wieder aufkommt, wenn ich ihn sehe? Kann das Liebe sein? Ich kenne ihn doch kaum. Aber ich habe ihn gekannt. Ich habe ihn geliebt.

„Erde an Ty?“

Verwirrt schaue ich auf. „Was?“

Bay grinst. „Wo warst du gerade, mh?“

„Nirgends. Los. Fangen wir an“, fordere ich und strecke ihm die Arme entgegen.

„Das will ich schon seit fünf Minuten, aber du warst ja nirgends.“

„Klappe. Los jetzt.“

Er greift statt meiner Hände nach meiner Mitte und hebt mich aus dem Rollstuhl. An sich gedrückt, hält er mich oben und macht einen Schritt zurück, damit wir genug Platz haben. Ich kann den Boden an meinen Zehenspitzen fühlen, denn ich habe keine Schuhe an.

„Bereit?“, fragt Bay und ich nicke. Ganz langsam lässt er mich runter, bis ich komplett stehe, aber trotzdem noch seinen Halt habe. „Soll ich loslassen?“

„Ja.“

Doch schon als er seinen Griff minimal lockert, merke ich, dass meine Beine mich nicht tragen. „Stopp!“

Sofort greift er wieder fester zu. „Alles klar?“

„Nein. Warte kurz.“ Ich atme tief durch und nicke dann zum Zeichen, dass er es noch mal probieren soll. Wieder lässt er langsam locker, bis ich erstaunlicherweise allein stehe. Seine Arme liegen noch um meine Mitte, doch ich halte mich selbst mit wackeligen Knien oben. Allerdings nur für ein paar Sekunden, dann ist die Kraft weg und Bay greift wieder zu, bevor ich zu Boden sinken kann.

Er setzt mich zurück in Rollstuhl und grinst. „Guter Anfang.“

„Pff. Das war gar nichts.“ Es war nicht ansatzweise das, was ich wollte.

„Kleine“, kommt es tadelnd von ihm. „Was hab ich dir gesagt?“

„Ja. Ich weiß. Eile mit Weile.“

„Richtig. Du hast gestanden. Das war gut.“

„Ich will laufen!“

„Wirst du. Gib dir Zeit.“

„Ich - will - laufen!“ Meine Augen brennen, weil ich das wirklich will und es frustriert mich ja sowieso, so unbeholfen zu sein. „Bitte Bay.“ Eine Träne löst sich, doch ich wische sie energisch weg.

Er hebt die Hände und macht mit beiden eine Komm-her-Geste. „Na dann los. Lauf.“

Mit beiden Armen stemme ich mich hoch, wobei es nur Millimeter sind, denn auch meine Arme sind gerade mal so stark wie warmer Wackelpudding. Es reicht allerdings, dass ich nach vorn kippe und aus dem Stuhl gefallen wäre, hätte Bay mich nicht gefangen.

Er lacht leise, setzt mich wieder zurück und geht in die Knie, damit wir auf Augenhöhe sind. „Starke Leistung, Kleine. Aber weißt du was? Wenn du auf die Nase fällst und dir wehtust, wird Enyo fuchsteufelswild. Er wird dich an diesem Stuhl festketten und dann hast du keine Möglichkeit mehr für irgendwas.“ Jetzt kommt sein Blick von unten nach oben und ist tröstend und neckend zu gleich.

Ich verschränke resigniert die Arme vor der Brust.

„Also“, fährt er fort. „Ich würde sagen, du zügelst deinen Tatendrang ein bisschen. Ich kenne dich, Menschenmädchen. Du willst alles und am liebsten gleich. Aber hier geht das nicht. Ich verspreche dir aber, dass wir das so schnell wie es eben möglich ist, hinbekommen. Okay?“

„Mhh“, grummle ich nur, weil das sicher nicht schnell genug ist.

„Ty.“

„Was?“

„Ich hab’s dir versprochen und ich halte, was ich verspreche“, lässt er mich ernst wissen, also nicke ich zustimmend. „Sehr schön. Und jetzt machen wir das anders.“

Während Bay Decken und Kissen auf dem Boden verteilt, geht mir durch den Kopf, dass er Enyo ziemlich ähnlich ist. Auch wenn er nicht ganz so beschützerisch ist. Aber Bay ist auch nur ein Freund, keine Liebesbeziehung. Wobei En das ja auch nicht ist. Also nicht mehr. Himmel auch, wie unwirklich und verwirrend.

„Bay?“

„Jupp?“ Er schaut nicht auf, von seinem Tun.

„Liebt Enyo mich?“

Jetzt hebt der Elf den Blick doch zu mir und stoppt kurz. „Ich würde es nicht Liebe nennen“, grinst er schelmisch.

„Wie meinst du das?“

Bay verteilt weiter Decken und Kissen und richtet einen Platz her, an dem ich weich fallen werde, sollte ich es tun. „Na ja. Was hat er dir denn alles schon erzählt? Ich meine, über euch.“

„Nicht viel. Nur dass wir hergekommen sind. Du hast gesagt, wir sind so.“ Ich wiederhole Basils Geste von damals aus dem Krankenhaus. Zeige- und Mittelfinger verschlungen.

„Okay. Ich denke, ich nehm die Kurzfassung.“ Er begutachtet sein Werk kurz, kommt zu mir und hebt mich aus dem Stuhl. Auf den Decken lässt er mich wieder runter und setzt sich neben mich. „Die ganze Geschichte kann er dir erzählen. Die ist mir zu lang. Jedenfalls hat er dir vor einiger Zeit sehr geholfen. Allerdings hast du ihm auch geholfen. En hat eine kleine Schwäche, die du ausgleichst. Du machst das unbewusst, aber du tust es.

Wie und wann genau ihr euch verliebt habt, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass En alles für dich tun würde. Er hat ...“ Bay stoppt und hält kurz die Luft an, dann fängt er sich und sagt: „Er liebt dich nicht einfach nur, Ty. Er vergöttert dich. En hat Dinge für dich getan, die bei Weitem nicht jeder für jemand anderen tun würde. Und wenn man bedenkt, dass er ein Elf ist und du ein Mensch bist?“ Er hebt die Brauen und zieht eine Schnute. „En, hat ziemlich was für dich riskiert.“

„Was hat er getan?“

„Unter anderem hat er Ristans Zorn auf sich gezogen, weil er dir geholfen hat. Und er hat seine Heimat für dich verlassen. Okay. Jetzt sind wir fast alle hier. Ich meine Ristan und Cara sind auch da. Aber En hat sie verlassen, um dich zu schützen und dir zu helfen.“

„Schutz? Vor wem?“, hake ich argwöhnisch nach.

Bay verzieht das Gesicht. „Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen darf.“

„Sag’s mir!“

Er grinst wieder. „Dein Charakter ist jedenfalls immer noch genau der Gleiche. Fordernd und direkt.“

Jetzt muss ich auch grinsen. „Danke. Also“

„Ty, ehrlich. Es ist eine Menge passiert. Viele Sachen, die echt heftig waren. Ich bin wirklich nicht der Richtige, der dir das erzählen sollte.“

„Warum denn? Du bist hier. Du hilfst mir auch. Wir sind Freunde.“

„Wirklich?“ Bays Grinsen wird ein Lächeln.

„Ja!“, halte ich mit Nachdruck fest.

„Das freut mich. Danke.“

Für einen Moment mustere ich ihn nachdenklich. „Wir waren es nicht, stimmts?“

Er schüttelt traurig den Kopf. „Nein. Ich meine, wir haben uns nicht gehasst, denke ich. Ich hab dich nicht gehasst. Aber wir waren definitiv keine Freunde.“

„Erzählst du mir das?“, frage ich vorsichtig nach. Wieder so eine merkwürdige Situation. Seit ich aus dem Krankenhaus raus bin, habe ich kaum Leute gesehen, weil ich auch kaum draußen war. Immer nur kurz, wenn ich rüber zu den Ärzten musste. Aber Bay war eine Konstante. Er war oft dabei und auch jetzt ist er ja hier. Wie kann es also sein, dass wir keine Freunde waren?

Mir kommt ein Gedanke. Was, wenn er sich schuldig fühlt und deshalb hier ist? Will er etwas gut machen? Hat er an meiner Situation gerade etwa schuld?

„Bay? Was hast du getan?“, frage ich gerade heraus.

Sein Blick hält meinen fest und es dauert eine ganze Weile, bis er sich überwindet. „Ich ... ich habe ... dich verraten.“ Er wendet die Augen ab und lässt den Kopf hängen. „Du weißt das eigentlich. Ich habe es dir gesagt und du meintest auch, du hast mir verziehen, aber du würdest es nicht vergessen.“

Ich muss schmunzeln. „Aber ich habe es vergessen.“

Er schaut auf und ist argwöhnisch, wahrscheinlich, weil ich grinse.

„Ich habe es vergessen, Bay. Ich weiß nicht mehr, was war.“ Ich strecke die Hand aus und lege sie auf seine. „Es ist egal. Du bist hier und ich sehe, dass es dir noch leidtut.“

„Das tut es, Ty. So unendlich! Wenn du wüsstest.“

„Vielleicht weiß ich es irgendwann wieder. Aber auch dann ist es egal. Weil du mir jetzt hilfst. Du hättest gehen können. Ich weiß nichts mehr. Auch nichts von deiner Schuld. Trotzdem bist du hier. Wir sind also Freunde, wenn du es willst. Willst du mein Freund sein?“

Endlich hellt sich sein Gesicht wieder auf. „Sehr gern, kleines Menschenmädchen.“

Ich grinse breit. „Sehr gut. Und jetzt“, ich rutsche auf den Decken herum und hebe dann beide Arme für Bay, „will ich laufen!“

Er lacht, steht auf und zieht mich dann hoch.

Am Abend bin ich so fertig, dass ich auf dem Boden einschlafe, wo Bay das Lager aus Decken hergerichtet hat. Ich wache erst auf, als jemand mir sachte über die Wange streicht.

„Kleine?“

Ich blinzle in gedimmtes Licht und erkenne En, der neben mir sitzt. „Hi“, bekomme ich verschlafen über die Lippen, dann mach ich die Augen wieder zu, weil sie so schwer sind.

Er lacht leise. „Du hast sie ganz schön fertig gemacht“, sagt er und meint offensichtlich nicht mich.

„Ich trage nur eine Teilschuld. Sie hat mich quasi gezwungen“, erklärt Bay. „Aber keine Sorge. Alles im Rahmen. Ich meine, was wir geübt haben.“

„Kein Problem. Ich danke dir. Es ist spät, geh schlafen. Ich mach das hier.“

„Alles klar. Wir sehen uns morgen.“ Die Tür geht auf und zu, dann ist es still. En legt eine Decke über mich und steht auf. Als ich nachschaue, was er tut, sehe ich ihn in der Küche herumhantieren. Still beobachte ich ihn von meinem Lager aus, wie er sich etwas zu essen macht, dann wendet er sich mir zu und sieht, dass ich wach bin.

Mit einem Lächeln kommt er zurück, sinkt wieder neben mir auf die Decken und hält mir ein halbes Sandwich hin. „Hast du Hunger?“

„Nein“, antworte ich noch immer müde.

„Wie geht’s dir?“

Ich muss grinsen. Seine Lieblingsfrage. „Gut. Danke. Und dir?“

„Auch gut“, lächelt er und beißt in sein Abendessen.

„Was machst du den ganzen Tag?“, will ich wissen, denn seit geraumer Zeit ist er nicht mehr 24 Stunden am Tag an meiner Seite. Nicht das mich das stören würde. Er soll sein Leben nicht nach mir ausrichten. Um Himmels willen. Aber er erzählt auch nicht, was er so tut.

„Ich bin bei Said und unten im Haus. Wir bekommen in letzter Zeit mehr neue Stadtbewohner und ich helfe, sie unterzubringen und zu integrieren.“

„Aha.“ Ob er mich mal mitnehmen würde? Ich würde schon gern mal hier rauskommen. „Nimmst du mich mal mit oder ist das blöd?“

Sein Blick wird nachdenklich. „Ich denke, das könnte ich tun.“

„Aber?“

„Wir müssen sehen, dass wir nicht gerade einen Tag erwischen, an dem ich viel unterwegs bin. Meist muss ich mehrmals quer durch die Stadt, das würde glaube ich, nicht so gut funktionieren.“ Er nickt kurz zum Rollstuhl.

„Mm. Okay.“

„Wenn es nicht unbedingt, meine Arbeit sein muss, vielleicht hast du Lust, einfach so einen Tag in der Stadt zu verbringen? Wir könnten bummeln gehen. Vielleicht ein bisschen einkaufen, oder so. Oder einfach irgendwo einen Tee trinken.“

Meine Freude scheint auch ihn zu erfassen, denn auch Ens Lächeln wird breiter, als ich nicke und breit grinse.

„Gut. Ich werde morgen sehen, dass ich einen freien Tag bekomme, dann machen wir das so bald wie möglich. Und ich muss dir warme Sachen besorgen. Es ist saukalt draußen.“

Phönix Band 3

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