Читать книгу Phönix Band 3 - Stefanie Worbs - Страница 16

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Enyo

Als ich nach Hause gekommen bin, war Lillith noch da und ihr Gesprächsthema mit Ty und Bay hat meine Laune in den Keller sinken lassen. Natürlich ging es ums Zaubern und was man alles so anstellen kann mit Magie. Basil hat sich ziemlich schnell verabschiedet und auch die Hexe unauffällig gedrängt, zu gehen. Ich weiß nicht, ob Ty das gemerkt hat, aber wenn, hat es sie nicht gestört.

Mittlerweile geht es wieder mit meiner Stimmung, doch an Schlaf ist nicht zu denken. Es ist dunkel im Schlafzimmer und sicher schon spät in der Nacht. Ich bin in Gedanken daran, was passieren kann, wenn mein Mädchen jetzt doch wieder voreilig wird und sich übernimmt.

„En?“, kommt es leise vom Bett her. „Bist du wach?“

„Ja“, antworte ich ebenso leise.

„Ich kann nicht schlafen. Hast du Lust zu reden?“, fragt sie so unschuldig, dass es meine trüben Gedanken wegwischt.

„Klar. Über was denn?“

„Was du willst.“

Jetzt muss ich lachen. „Frag einfach“, gebe ich ihr zurück, weil ich weiß, dass es sicher Fragen sind, die sie wachhalten.

Auch Ty lacht leise und bestätigt mich somit. „Lillith hat was von Zaubern gesagt, die die Erinnerung zurückholen können. Oder zumindest könnten sie mir helfen. Was hältst du davon?“

Ich schließe die Augen und unterdrücke ein Aufseufzen. „Ehrlich? Nicht viel.“

„Warum?“

„Weil ... ich denke ...“ Ich stoße die Luft aus. „Es ist so viel passiert, Ty. Was, wenn es zu viele Erinnerungen auf einmal sind?“

„Bay hat das auch gesagt. Warum erzählst du es mir nicht?“

„Weil es schlimme Dinge sind.“

„So schlimm, dass du Angst hast, ich würde es nicht verkraften?“

„Ja.“

„Vertraust du mir?“

„Ja!“ Wie könnte ich nicht?! Ich liebe dich, Tyree Aleárth!

„Dann glaube mir, wenn ich dir sage, dass es okay ist, wenn ich es weiß. Ich will es wissen, En. Erzähl es mir. Bitte.“

Lange schweige ich und hadere mit mir. Ich wusste, dass der Punkt irgendwann kommt. Jetzt ist er da und ich habe im Gefühl, dass ich mein stures Mädchen nicht mehr davon abbringen kann. Außerdem hat sie ja auch ein Recht auf die Wahrheit. Aber es ist so viel.

„Was willst du wissen“, frage ich schließlich in die Stille und hoffe, sie sagt jetzt nicht alles. Vielleicht habe ich die Möglichkeit, schonend anzufangen und bröckchenweise.

„Wer bin ich?“

„Tyree Aleárth. Eine Nachfahrin des mächtigsten Magierclans der Menschheit.“

„Wer bist du?“

„Enyo Izar. Sohn von Arnon Izar. Einem Elf, der zu einer Kriegerfamilie gehört.“

„Warum hassen wir uns? Also Menschen und Elfen, meine ich.“

Ich seufze und kurz und erkläre ihr dann ohne große Reden, warum die Verfolgung noch immer stattfindet.

„Deshalb wird die Stadt belagert? Weil die Elfen, die Menschen die hier leben, töten wollen? Aber was ist mit den anderen Völkern in Ryél?“

„Sie werden wohl ebenso sterben, wenn wir verlieren. Bis auf die Elfen. Die bekommen Prozesse wegen Verrat.“

„Warum sind wir hier? Du, deine Geschwister und ich.“

„In meiner Heimat, wo du auch kurze Zeit gelebt hast, ist etwas passiert und ich musste dich fortbringen. Bent, Bay und Cara haben mir geholfen.“

„Und was ist mit Ristan? Warum darf ich ihn nicht kennenlernen? Warum bist du so mürrisch, wenn es um ihn geht?“

Wieder muss ich leise lachen. So muss sie sich damals im Anwesen gefühlt haben. Als ich so viele Fragen hatte.

„Warum lachst du?“, kommt es immer noch leise von ihr.

„Du bist wie ich damals. Als ich dich zu mir geholt habe, hatte ich tausend Fragen an dich. Wie ihr Menschen lebt. Wie du gelebt hast. Und wie du es geschafft hat, zu überleben.“

Sie lacht leise. „Und? Hast du viel gelernt?“

„Ein bisschen was. Du warst immer sehr zurückhaltend, mit deinen Antworten. Vorsichtig.“

„Wie du heute.“

„Ja.“ Mehr kann ich dazu nicht sagen. Es ist mir auch schon aufgefallen. Je mehr ich von Ty erfahre, je besser ich sie kennenlerne, desto mehr stelle ich fest, wie ähnlich wir uns sein können. So sehr wir uns in vielen Dingen unterscheiden, so sehr ähneln wir uns in anderen. Unsere Gleichheiten kommen vor allem dann zum Tragen, wenn sich die Umstände entweder auf ihre oder auf meine Seite drehen.

„Was ist jetzt mit Ristan?“

„Ty.“ Ich vergrabe das Gesicht in den Händen.

„Bitte, En. Ich will mich erinnern.“ Kurz ist es still, dann haucht sie nur: „Ich will mein Leben zurück.“ Ihre Stimme ist schwer und bedrückt und mein Mädchen ist den Tränen nahe.

Ohne nachzudenken, stehe ich auf und gehe zu ihr. „Darf ich?“, frage ich an ihrem Bett und auch Ty zögert nicht und schlägt die Decke für mich zurück. Ich lege mich zu ihr und ziehe sie an meine Brust. „Ich erzähle dir, was du wissen willst. Nur versprich mir, dass du mit allem zu mir kommst. Fragen, Ängste, Unsicherheiten. Ty, bitte. Versprich mir, dass ich für dich da sein darf.“

Ihre Finger graben sich in mein T-Shirt und eine Welle von Wärme und Heimweh fluten durch mich. Diese winzige Geste löst so viel in mir aus. Dann nickt mein Mädchen unmerklich und ich ziehe sie noch etwas fester an mich. Was ich ihr jetzt erzählen werde, wird sehr viel schwerer für sie, als es schon allein für mich ist.

Entgegen meiner bisherigen Einstellung, ihr nur das zu sagen, wonach sie mich fragt, erzähle ich ihr nun doch unsere ganze Geschichte. An den schweren Stellen schlägt mir ihr Unglaube und der Schock entgegen, als würde ich gegen eine Wand laufen. Trotz dass ich wirklich versuche, alles so sanft wie möglich rüberzubringen, sind es einfach sehr viele harte Fakten. Ich ende mit der Zeit im Krankenhaus und wie sie schlussendlich aus dem Koma aufgewacht ist. Danach folgt eine bleierne Stille, die mir in den Ohren wehtut.

Allein Tys Atemzüge und ihr Herzschlag bewirken, dass ich nicht aufspringe und aus dem Raum und dem Tower ins Freie stürme, um all dem zu entkommen.

„Ein Baby“, kommt es schließlich ganz leise von ihr.

„Ja“, bestätigte ich und muss meine eigenen Tränen darüber zurückhalten.

Wieder ist es eine gefühlte Ewigkeit still, dann spüre ich, wie mein Mädchen den Kopf hebt und erwidere ihren Blick. „Danke, Enyo Izar.“

„Wie geht es dir jetzt?“, will ich wissen, weil ich es gerade überhaupt nicht einschätzen kann.

„Ich weiß nicht. Komisch.“

„Ich bin hier. Egal, was du brauchst.“

„Ich weiß. Auch dafür danke ich dir.“

Trotz der Schwere im Raum muss ich schmunzeln. „Mein Mädchen“, kommt es mir über die Lippen.

„Mein Elf“, sagt sie leise und etwas unsicher.

„Darf ich das denn noch sein?“, will ich wissen.

Ty atmet schwer ein und aus und was sie dann sagt, lässt meine Welt in sämtlichen Farben leuchten. „Du warst es schon immer und wirst es auch bleiben.“

Jetzt gibt es auch für den Rest meiner Tränen kein Halten mehr und ich ziehe Ty so fest an mich, dass sie auflacht.

„Du zerdrückst mich, Elf“, lacht sie, doch ich lasse nicht locker. Stattdessen vergrabe ich meine Nase in ihrem Haar und atme ihren Duft tief ein.

„En?“

„Mh?“

„Liebst du mich noch?“

„Bei allen Göttern, natürlich!“, raune ich in ihre Haare, während noch immer Tränen über meine Wangen rollen.

„Ich glaube, ich liebe dich auch irgendwie“, lässt sie mich wissen und jetzt ist es ganz aus. Ich war nie der Typ, der leicht losheult, aber ehrlich mal - wenn das Mädchen, das deine Welt ist, fast gestorben wäre und dir dann nach einem Gedächtnisverlust doch wieder sagt, dass sie dich liebt ...

Ein leiser Schluchzer dringt mir aus der Kehle und schüttelt mich. „Meine“, kann ich nur flüstern.

„Ja?“, fragt sie frech, wie früher immer.

„Ich hätte dich heiraten sollen, als ich noch die Chance dazu hatte.“ Das - war - zuviel. Scheiße, En! Was denkst du dir?! Du hast sie gerade erst wiedergewonnen, man! Verdammter Dreck! Wie versteinert halte ich still und bete zu allen mir bekannten Göttern, dass sie mich jetzt nicht bescheuert schimpft und von sich stößt.

„Was hält dich jetzt davon ab?“, kommt es leise von ihr.

„Was?“ Ich muss fragen. Hat sie das gerade wirklich gefragt? Hat sie gerade wirklich durch die Blume ja zu meinem vollkommen unüberlegten und wirklich unpassendem Antrag gesagt?

„Warum willst du es jetzt nicht mehr?“, wiederholt sie, hebt erneut den Blick zu mir und sieht mich ernst an.

„Würdest du es denn wollen? Mich an deiner Seite haben, bis zum Schluss?“

Ihr Blick bleibt ernst. „Was du mir gerade erzählt hast, was wir alles schon durchgemacht haben. Du hast mir das Leben gerettet. Du hast diesem Duan die Hand für mich abgeschlagen, obwohl ich in den Augen der meisten von euch, gar nichts wert bin. Du bist aus deiner Heimat geflohen und hast die Hälfte deiner Familie für mich verlassen.

Wir sind quer durchs Land gereist und als wir bei meiner Tante waren, bist du bei mir geblieben, obwohl sie dich hätte töten können. Du warst die ganzen Wochen im Krankenhaus bei mir. Niemand wusste, ob ich wieder aufwache. Aber du warst da. Du hast es nicht zugelassen, dass sie mir die Chance nehmen.

Du hast immer an mich geglaubt und mich nie aufgeben. Und auch seit ich wieder wach bin, bist du es, der alles für mich tut. Ohne Bedingungen. Einfach so. En. Ich wäre das dümmste Mädchen der Welt, wenn ich zu einem wie dir nein sagen würde.“

„Oh Ty! Mein Mädchen.“ Ich drücke ihr einen Kuss aufs Haar. „Es wäre mir eine Ehre, dein Mann zu sein.“

„Prima. Dann sind wir uns einig“, grinst sie. „Ich mag dich nämlich auch nicht wieder hergeben.“

Die Stille, die daraufhin folgt, ist leicht und harmonisch. Angenehm und beruhigend. Die Kleine an meiner Seite will meine Frau werden. Sich an mich binden, obwohl ich für sie ja eigentlich immer noch nicht mehr als ein Freund sein sollte. Anscheinend bin ich doch mehr. Irgendwie.

Sie glaubt wieder, dass sie mich liebt, geht es mir durch den Kopf, was mich abermals zum Schmunzeln bringt. Da muss also was sein. Irgendein Gefühl, so klein es auch sein mag, das ihr sagt, dass da mal was Großes war.

Ihre kleine Rede hat mich tief berührt. Jeder andere hätte mich durchgeknallt geschimpft, bei dem, was ihr gerade alles erzählt habe. Nicht, dass es nicht die Wahrheit war. Sie kann mir glauben, ich werde sie nie belügen. Aber so wie sie gesagt hat, was ich für sie bin, hat es mein Herz springen lassen. Dass ich für sie da bin, ist aber ganz normal für mich. Es hat mich weder Überwindung noch Antrieb gekostet. Sie ist mein, also kümmere ich mich um sie. Was anderes kam gar nicht infrage.

Aber für Ty war es mehr. Für sie war es nicht selbstverständlich. Sie weiß nicht, wie sehr ich sie liebe und hat es deshalb wohl ganz anders aufgefasst. Logisch. Sie wacht auf und weiß nichts mehr. Dann kommt da einer, der alles tut und macht und das ohne zu murren, beklagen oder dafür bezahlt zu werden. Unsere Situation ist so bizarr.

Vielleicht sollte Lillith diesen Zauber doch versuchen, überlege ich ernsthaft. Ty weiß jetzt alles. Wir warten noch ein paar Tage, bis sich alles gesetzt hat und sie sicher ist, dass sie auch die Erinnerungen ertragen kann. Vielleicht können wir das auch irgendwie aufteilen. Eins nach dem anderen eben. Meine Kleine sollte sich erinnern. Aber ganz ehrlich, wenn sie es tut, werde ich sie noch mal richtig fragen.

Das war doch kein Antrag, En! Bei allen Göttern, das kannst du besser.

Phönix Band 3

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