Читать книгу Verteidigung in Mord- und Totschlagsverfahren - Steffen Stern - Страница 21
4. Als Suizide verkannte Tötungsdelikte
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Jedes Jahr wählen in Deutschland nach den offiziellen Statistiken etwa 10.000 Menschen den Freitod; 2010 wurden exakt 10.021 Todesfälle infolge „vorsätzlicher Selbstbeschädigung“ erfasst[48]. Diese Zahlen sind deutlich höher als die der Verkehrstoten. Die meisten der Verzweifelten erhängen bzw. strangulieren sich (4.450)[49], weit weniger erschießen sich, vergiften sich durch Medikamente, leiten Abgase ins Auto oder ertränken sich, andere stürzen sich aus großer Höhe in den Tod, öffnen sich die Pulsadern oder werfen sich vor Autos oder Züge. Auch bei einer unbekannten Zahl von Verkehrsunfällen sind mutmaßlich Selbstmordabsichten im Spiel. Suizide im Straßenverkehr, die mitunter schwer oder gar nicht als solche zu erkennen sind, fließen dann nur in die Statistik für Verkehrsopfer ein[50]. Die Anzahl der nach neuerer Definition als Parasuizide bezeichneten erfolglosen Selbstmordversuche, zu denen das Statistische Bundesamt keine Daten erhebt, liegt nach Schätzungen um das Zehn-[51] bis Zwanzigfache[52] höher.
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Doch vermutlich scheiden längst nicht alle vermeintlichen Selbstmörder freiwillig aus dem Leben. Auch wenn – soweit ersichtlich – hierzu kein verlässliches Zahlenmaterial existiert, ist davon auszugehen, dass die wenigen nachgewiesenen Fälle, in denen ein Tötungsdelikt als Selbstmord verschleiert werden sollte[53], nur die Spitze des Eisberges darstellen. In der Annahme, ein lebensmüder Fahrgast habe sich vor den Zug geworfen, bleibt womöglich unentdeckt, dass der Betreffende mutwillig ins Gleisbett gestoßen worden ist[54].