Читать книгу Todesnacht - Stephen Booth - Страница 12

Оглавление

7

Schöner Scheunenumbau, stellte Cooper fest. »Da hat jemand wirklich gute Arbeit geleistet. Wahrscheinlich ganz schön viel wert, meinst du nicht?«

»Mehr, als ich jemals haben werde.«

Fry stieg aus dem Wagen und ging über den Kies, als Cooper davonfuhr. Eigentlich war es mehr als nur ein Scheunenumbau. Sie sah eine ganze Ansammlung von Farmgebäuden, die drei Seiten eines Quadrats bildeten und einen Hof umgaben. Eine zweigeschossige gemauerte Scheune war renoviert und mit einer Terrassentür und Flügelfenstern versehen worden. Ein Traktorschuppen war zu einer Doppelgarage mit Werkstatt umgebaut worden. Eines der beiden Garagentore stand offen, und die Schnauze eines blauen BMW war zu sehen.

Den Informationen aus der Zentrale zufolge hießen die Nachbarn auf dieser Seite Ridgeway – Martin und April. Fry machte einen kleinen Umweg, ehe sie über den Hof zum Haus ging, und sah durch die Fenster in eines der Nebengebäude hinein. Ein Billardzimmer. Ein Fitnessraum. Und eine Sauna. Sehr angenehm.

Die Ridgeways selbst sahen aus, als seien sie soeben der Zeitschrift Derbyshire Life entstiegen. Sie hatten den Country-Look perfektioniert: Cord und Kaschmir, Tweed und gewachste Baumwolle. Fry war nicht im Geringsten überrascht, als sie ihren Dialekt hörte und feststellte, dass beide aus Luton stammten.

»Das geschäftige Treiben haben wir natürlich bemerkt«, sagte Martin Ridgeway, der den Cord und die gewachste Baumwolle über einem Antartex-Hemd trug. »Und vor etwa einer Stunde war ein junger Constable hier und hat uns gefragt, ob uns am Sonntag in den frühen Morgenstunden irgendetwas Verdächtiges aufgefallen ist.«

»Und ist Ihnen etwas aufgefallen, Sir?«

»Nein.«

Er bat Fry ins Haus, und sie vermutete, dass der junge Constable nicht so weit gekommen war. Sie wurde in ein Esszimmer geführt, in dem sechs gedrechselte Stühle um einen polierten Tisch standen. Eine Wendeltreppe mit schmiedeeisernem Geländer führte zu einer Galerie im Obergeschoss hinauf, das früher vermutlich als Heuboden gedient hatte.

»Wir sind bei der Nachbarschaftswache, wissen Sie«, sagte Ridgeway. »Aber unser Koordinator behauptet, dass ihm die Polizei keine Informationen gibt. Hat es schon wieder einen Einbruch gegeben?«

»Schon wieder?«

Seine Augen weiteten sich vor Erstaunen. »Sie wissen nicht einmal etwas davon?«

»Nein, tut mir leid. Wir untersuchen derzeit einen Todesfall mit ungeklärter Ursache.«

»Gütiger Himmel! Das wussten wir gar nicht. Aber bei all dem Aufhebens hätten wir uns eigentlich denken können, dass es sich um eine brisante Angelegenheit handelt. Wer ist denn gestorben?«

»Miss Rose Shepherd, aus Bain House.«

»Oh«, sagte Ridgeway.

Er klang ausgesprochen unverbindlich, als wollte er weder zu bestürzt noch zu erfreut über die Neuigkeiten wirken.

Fry dachte an Keith Wade, den Nachbarn der Mullens in der Darwin Street. Es war ein merkwürdiger Zufall, dass sowohl Ridgeway als auch Wade der Nachbarschaftswache angehörten, einer von ihnen in einer begüterten ländlichen Gemeinde, der andere in einer Wohnsiedlung in Edendale. Auf den ersten Blick gab es keine Ähnlichkeiten zwischen den beiden, doch theoretisch musste Martin Ridgeway ebenso gut über seine Nachbarn informiert sein wie Wade.

»Was wissen Sie über Rose Shepherd, Sir?«, erkundigte sie sich.

Ridgeway drehte den Kopf. Durch die Türöffnung sah Fry einen Raum, bei dem es sich offenbar um ein häusliches Arbeitszimmer handelte, und einen Schreibtisch, der mit Computerequipment vollgestellt war.

»War sie Ausländerin?«, sagte er unbestimmt. »Wir haben im Ort das Gerücht gehört, dass sie Ausländerin wäre.«

»Soweit wir wissen, nicht. Haben Sie sich jemals selbst mit ihr unterhalten, Mr. Ridgeway?«

»Nein. Warum hätte ich das tun sollen?«

»Na ja, sie hat gleich nebenan gewohnt.«

Er schüttelte den Kopf. »Das hier sind schließlich keine Doppelhäuser. Ich weiß gar nichts über sie.«

Fry ertappte sich dabei, wie sie ein Mahagoni-Barometer anstarrte, das im Esszimmer an der Wand hing. Sie war aus diesen Dingern noch nie schlau geworden. Was hatte es zu bedeuten, wenn das Quecksilber oben oder unten war? Sie bevorzugte Wetterhäuschen oder wie diese Dinger hießen, mit zwei kleinen Figuren. Bei denen war wenigstens immer klar, was sie einem sagen wollten. Entweder Sonne oder Regen und keine Zweideutigkeiten.

»Sagten Sie nicht, Sie wären bei der Nachbarschaftswache?«

»Wir behalten die Sicherheit von Häusern im Auge, aber wir spionieren nicht unseren Nachbarn hinterher.«

Fry sah eine Frau im Garten herumhantieren. »Ist das Ihre Frau? Könnte ich sie einmal fragen?«

»Wenn Sie möchten.«

Die Schiebetür zum Garten stand offen, da es dafür auch Ende Oktober noch warm genug war. Das war auf jeden Fall besser als der überheizte Wintergarten der Lowthers.

April Ridgeway trug den Kaschmir, in Kombination mit einer gewachsten Thermoweste und Gartenhandschuhen. Als Fry sie fragte, gab sie eine ähnliche Antwort wie ihr Mann. Sie hatte nie mit der Bewohnerin von Bain House gesprochen. Im Ort sei zwar über Miss Shepherd geredet worden, sie betonte jedoch, dass sie Klatsch kein Gehör schenke.

»Wie lange wohnen Sie schon in Foxlow?«

»Seit neun Monaten.«

»Dann hat Miss Shepherd also bereits in Bain House gewohnt, als Sie eingezogen sind?«

»Das nehme ich an.«

»Sie interessieren sich für wild lebende Tiere, Mrs. Ridgeway?«, erkundigte sich Fry und beobachtete, wie sie ein Stück Maschendraht an einem Vogelhaus befestigte.

»Sehr sogar. Das tun wir beide, nicht wahr, Martin?«

»Das ist einer der Gründe, warum wir hierhergezogen sind, in den Nationalpark«, stimmte ihr Ehemann zu. Er trat von dem Vogelhaus zurück und betrachtete die Arbeit seiner Frau.

»Der Maschendraht soll die Grauhörnchen abhalten«, sagte er.

Fry runzelte die Stirn, da sie sich wunderte, weshalb Tierfreunde Futter in ihrem Garten verteilten und dann versuchten, wild lebende Tiere davon abzuhalten, es zu fressen. Doch seit sie in Derbyshire war, hatte sie gelernt, dass es auf dem Land Dinge gab, die sie niemals verstehen würde.

»Leider konnten wir nirgendwo hinziehen, wo es noch Eichhörnchen gibt. Wir sind Mitglieder eines Tierschutzvereins, der sich um ihre Erhaltung bemüht. In Derbyshire sind Eichhörnchen nämlich ausgestorben. Eigentlich sogar in den gesamten Midlands, wissen Sie.«

Fry wusste das nicht, und eigentlich war es ihr auch egal. Vielleicht hätte sie Ben Cooper hierherschicken und sich selbst stattdessen um die Nachbarn auf der anderen Seite von Bain House kümmern sollen.

»Früher konnten Eichhörnchen ganz Großbritannien von einer Seite zur anderen durchqueren, ohne auch nur einen Fuß auf den Boden setzen zu müssen«, erklärte Ridgeway, der sich ihr Schweigen zunutze machte. »Damals hatten wir noch richtige wilde Wälder, und zwar Kiefernwälder, die seit der Eiszeit hier gewachsen waren. Aber diese Bäume sind inzwischen abgestorben oder wurden gefällt. Und dann kamen die Grauhörnchen.«

»Wenn Sie sich mit der Tierwelt beschäftigen, würde mich interessieren, ob Ihnen in der Gegend vielleicht Wilderer aufgefallen sind?«, fragte Fry.

»Wilderer?«

»Sie wissen doch sicher, was ich meine, Sir.«

»Oh, wir wissen sehr genau, was Sie meinen. Wenn uns bekannt wäre, dass hier so jemand sein Unwesen treibt, würden wir es sofort melden. Aber was hat das mit dem Todesfall mit ungeklärter Ursache zu tun, den Sie untersuchen? Wurde die Dame etwa von Wilderern erschossen?«

»Das wissen wir leider nicht.«

Er betrachtete ihre Unwissenheit als Bestätigung seiner eigenen Ängste. »Das ist ein weiteres Problem für unsere einheimische Tierwelt, wissen Sie. Tiere sind die ersten Opfer, wenn die Gesellschaft auseinanderbricht. Man braucht nur an all die Geschichten über illegale Einwanderer zu denken, die Schwäne stehlen und auf den Feldern Schafe abschlachten.«

»Dann lesen Sie also die Daily Mail?«, stellte Fry ungeduldig fest.

»Ihrem Dialekt nach zu schließen stammen Sie auch nicht aus dieser Gegend.«

»Nein, ich bin nicht von hier.«

»Ein Stadtmensch? Birmingham, wenn ich raten darf?«

»Sehr nah dran.«

»Ah, dann ist mir schon klar, warum Sie hierhergekommen sind. Auf der Suche nach dem echten England, wie wir.«

»Nein, ganz und gar nicht.«

»Ich weiß, dass es nicht politisch korrekt ist, das zu sagen, aber viele Ihrer Kollegen teilen unsere Ansichten.«

»Ich nicht.«

Ridgeway lächelte und deutete auf das Vogelhaus. »Manchmal kommen uns Grauhörnchen wie die Einwanderer der Tierwelt vor. Schließlich sind sie nichts anderes als Ungeziefer – Ratten mit buschigem Schwanz.«

Fry spürte Wut in sich aufwallen, doch sie hatte sich vorgenommen, toleranter den Leuten gegenüber zu sein, mit denen sie zu tun hatte. Auch gegenüber solchen, die sie so wütend machten wie Martin Ridgeway.

Sie schlug in ihrem Notizbuch nach – einerseits, um ihre Verärgerung zu verbergen, andererseits, um sich an die Fragen zu erinnern, die sie sonst zu stellen vergessen hätte.

»Ist jemandem von Ihnen in letzter Zeit im Ort ein blauer Vauxhall Astra aufgefallen? Nein? Irgendein anderes Fahrzeug, das Ihnen verdächtig erschien?«

»Nein.«

»Haben irgendwelche Fahrzeuge bei Bain House gehalten?«

»Wir sehen die Zufahrt von Bain House von hier aus nicht, also hätten wir es nicht bemerkt.«

»Und haben Sie am Samstagabend oder in den frühen Morgenstunden am Sonntag irgendetwas Ungewöhnliches gehört?«

»Unsere doppelt verglasten Fenster sind sehr gut. Wir hören nachts nicht viel Lärm.«

»Noch eine letzte Frage, Sir – besitzen Sie irgendeine Schusswaffe?«

Ridgeway zögerte. »Ich habe ein Luftgewehr.«

»Oh? Mit welcher Leistung?«

»Nicht mehr als sechzehn Joule, also brauche ich dafür keinen Waffenschein. Ich bin nämlich ein gesetzestreuer Bürger.«

»Wozu brauchen Sie ein Luftgewehr? Nein, sagen Sie es mir nicht – lassen Sie mich raten. Sie brauchen es, um Grauhörnchen zu schießen.«

»Und Krähen, Saatkrähen und Elstern, die die Eier von Singvögeln stehlen. Sie sind alle als Schädlinge klassifiziert, also ist es erlaubt, sie auf Privatgrund zu schießen.«

»Ich verstehe. Aber was ist das Problem mit den Grauhörnchen?«

»Die Invasion der Grauhörnchen hat unsere einheimischen Eichhörnchen gezwungen, sich in abgelegene Schutzgebiete zurückzuziehen, in geschützte Wälder in Wales und Schottland. Ihre Zahl geht ständig zurück, weil sie machtlos sind gegen eine fremde Spezies.« Ridgeway trat einen Schritt näher zu ihr hin und senkte die Stimme. »Uns geht es genauso wie den Eichhörnchen. Wir werden vom Ungeziefer verdrängt.«

»Ich glaube, ich bin hier fertig«, sagte Fry.

Als sie hinausbegleitet wurde, fragte sie sich, weshalb die Ridgeways sich die Mühe gemacht hatten, der Nachbarschaftswache beizutreten, wenn sie nichts über ihre Nachbarn wussten und die Häuser auf den angrenzenden Grundstücken nicht einmal sehen konnten. Aus ihrer Sicht gab es dafür nur einen Grund: Sie dachten, es würde Schutz für sie selbst bedeuten.

Martin Ridgeway klopfte im Esszimmer wie aus Gewohnheit gegen das Barometer. Dabei schien es sich um eine Art Ritual zu handeln, das er zelebrierte, ehe er die Tür seiner umgebauten Scheune öffnete.

Fry sah ihm über die Schulter. Ein Zeiger stand auf »stürmisch«, der andere auf »veränderlich«.

»Ist das gut oder schlecht, Sir?«, fragte sie.

Ridgeway machte ein finsteres Gesicht. »Genauso wie an jedem verdammten Tag.«

Die anderen Nachbarn von Rose Shepherd hießen Birtland. Als Cooper sie aufsuchte, stellte er fest, dass sie in einem Bungalow wohnten, den man von der Pinfold Lane aus über eine lange, kurvige Zufahrt erreichte. Das Haus war erst ein paar Jahrzehnte alt, war aber augenscheinlich nach Einführung der Nationalpark-Bauvorschriften gebaut worden. Hier gab es keine Terrassen aus roten Ziegeln und keine Säulengänge aus Gips, keine Absurditäten, wie sie bei einigen Gebäuden in den Vierziger- und Fünfzigerjahren gestattet worden waren. Dieses Haus besaß ein Dach und eine Fassade aus Naturstein, damit es sich nahtlos in seine Umgebung einfügte.

Trotzdem glaubte Cooper, er würde sich niemals an einige dieser neuen Häuser gewöhnen können. Sie sahen aus, als habe jemand mit einem Bulldozer ein Stück aus der Landschaft herausgeschnitten und eine Fläche eingeebnet, die groß genug war, um einen Bungalow hinzupflanzen. Auf die natürlichen Konturen schien dabei niemand Rücksicht genommen zu haben.

»Mrs. Birtland?«

»Ja?« Die grauhaarige Frau, die auf sein Klopfen hin die Tür öffnete, spähte argwöhnisch an einer Sicherheitskette vorbei.

Er zeigte ihr seine Dienstmarke. »Detective Constable Cooper, Kriminalpolizei Edendale.«

»Geht es um den Mord?«

»Oh, wie ich sehe, hat Sie schon jemand informiert. War das mein Kollege, der vorher da war?«

»Nein, aber so was spricht sich herum.«

Cooper lächelte. Er freute sich ausnahmsweise einmal, das zu hören. »Darf ich reinkommen? Sie können meine Dienstmarke prüfen, wenn Sie möchten.«

»Nein, ist schon in Ordnung.«

Sie hängte die Kette aus und ließ ihn in den Bungalow ein.

»Edward und Frances, ist das richtig?«

»Ich bin Frances, Edward ist mein Mann.«

»Und ist Mr. Birtland auch zu Hause?«

»Ja, Ted ist hinten. Möchten Sie eine Tasse Tee, Mr. Cooper?«

»Nein, danke, Mrs. Birtland. Ich möchte Sie nicht lange aufhalten.«

»Mr. Cooper« genannt zu werden, ließ ihn noch mehr lächeln. Das hatte in diesem Job wirklich Seltenheitswert.

»Ted«, rief Mrs. Birtland, »wir haben Besuch.«

Edward Birtland stand nicht auf, als Cooper das Zimmer betrat. Er saß in einem abgenutzten Sessel neben einem offenen, mit Schiefersteinplatten verkleideten Kamin – ein zerbrechlich wirkender Mann von ungefähr siebzig Jahren. Er streckte höflich die Hand aus, und Cooper blieb nichts anderes übrig, als sie zu schütteln. Mr. Birtlands Händedruck war kaum zu spüren.

»Also«, sagte er, »wo haben Sie gehört, dass jemand getötet wurde?«

»Sie meinen den Mord?«

»Na ja …«

Frances Birtland kicherte. »Von Bernie. Unser Postbote kennt jeden.«

»Ja, natürlich.«

»Sie haben ihn noch mal nach Foxlow kommen lassen, als er fast mit seiner Tour fertig war. Auf dem Heimweg hat er ein paar Leuten davon erzählt.«

»Mir ist schon klar, dass Bernie Wilding jeden kennt. Aber ich bin gekommen, um Sie zu fragen, wie gut Sie Rose Shepherd kannten.«

»Wir kannten sie gar nicht. Sie hatte noch nicht lang im Ort gewohnt.«

»Ungefähr zehn Monate«, sagte Cooper. Doch er hörte nicht zum ersten Mal, dass eine solche Zeitspanne abgetan wurde, als handelte es sich um ein paar Tage. In einigen dieser Ortschaften musste die Familie seit Generationen ansässig sein, damit man als Einheimischer akzeptiert wurde.

»Stammen Sie aus Foxlow?«

»Natürlich«, erwiderte Mrs. Birtland. »Wir wohnen schon unser ganzes Leben lang hier. Als wir geheiratet haben, hatten wir ein Haus in der High Street. Dieses kleine Grundstück haben wir gekauft, als Ted in Rente ging. Dann haben wir den Bungalow bauen lassen, was unser ganzes Geld verschlungen hat – nur wussten wir das damals noch nicht.«

Cooper warf Mr. Birtland einen Blick zu, der traurig lächelte und seiner Frau die Hand tätschelte.

»Ich dachte, ich würde von der Firma, für die ich gearbeitet habe, eine gute Pension bekommen«, sagte er. »Aber es kam anders als geplant. Nachdem wir den Bungalow bezahlt hatten, war plötzlich nichts mehr übrig. Deshalb müssen wir jetzt von unserer Altersrente leben.«

»Die einzige Möglichkeit, wie wir unseren Lebensstandard verbessern könnten, wäre die, dass wir den Bungalow verkaufen«, sagte seine Frau.

»Und dann müssten Sie von Foxlow wegziehen, nehme ich an?«

Sie nickte. »Und das würden wir niemals übers Herz bringen.«

»Fällt Ihnen irgendjemand aus dem Ort ein, der Miss Shepherd besser gekannt haben könnte?«

Mrs. Birtland schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht.«

»Haben Sie es schon bei den Ridgeways auf der anderen Seite versucht?«, erkundigte sich ihr Mann. »Die wohnen in der umgebauten Scheune. Tja, ich sage umgebaute Scheune dazu – bis vor ein paar Jahren war das noch die Church Farm. Mein Großvater war dort Stallbursche. Er hat sein ganzes Leben für die Familie Beeley gearbeitet. Die Farm gibt es nicht mehr, und die Beeleys gibt es auch nicht mehr.«

»Eine Kollegin von mir unterhält sich gerade mit den Ridgeways. Sie glauben also, sie haben Miss Shepherd womöglich besser gekannt?«

»Das wissen wir nicht.«

»Sprechen Sie mit den Ridgeways auch nicht?«

Die Birtlands warfen sich einen Blick zu und tauschten einen Gedanken aus, den sie nicht mit ihrem Besucher teilen wollten.

»Sie sind ungefähr zur selben Zeit in den Ort gezogen wie Miss Shepherd«, sagte Birtland schließlich. »Also haben wir sie wahrscheinlich in eine Schublade gesteckt. Wir wussten von beiden nicht, woher sie stammen. Da wir ganz am Ende der Pinfold Lane wohnen, kam es uns so vor, als würden uns Neuankömmlinge vom Rest der Ortschaft abschneiden.«

»Ich verstehe.«

Birtland sah ihn erwartungsvoll an. »Sie haben uns noch gar nicht gefragt, ob wir etwas gehört haben«, sagte er.

»Das wäre die nächste Frage gewesen, Sir.«

»Ah, gut. Das geht uns nämlich nicht mehr aus dem Kopf, seit wir gehört haben, dass Miss Shepherd getötet wurde. Ist sie erschossen worden?«

Cooper beugte sich vor. »Haben Sie Samstagnacht etwa Schüsse gehört?«

»Tja, das beantwortet meine Frage«, sagte Birtland mit einem Kichern. »Wir glauben, welche gehört zu haben.«

»Um welche Uhrzeit war das?«

Birtland streckte den Arm aus, um seiner Frau abermals die Hand zu tätscheln. »Da sind wir uns nicht ganz einig, fürchte ich.«

»Ted meint, dass es ungefähr um zwei Uhr morgens war, aber ich denke, es war eher so um drei«, sagte sie. »Ich schlafe manchmal nicht besonders gut und wache oft um diese Zeit auf.«

»Aber Sie haben nicht auf die Uhr gesehen, um sich zu vergewissern?«

»Nein, das haben wir nicht. Wir haben dem Ganzen keine allzu große Beachtung geschenkt, wissen Sie. Man hört hier oft Schüsse. Das war schon immer so, unser ganzes Leben lang. Solange nicht zu nah bei unserem Haus geschossen wird, ist uns das auch egal. Ich glaube, Ted ist nicht mal aufgewacht. Wenn er die Schüsse gehört hat, muss er sofort wieder eingeschlafen sein, mehr kann ich nicht sagen.«

Birtland lachte. »Ich nehme an, das nützt Ihnen nicht viel.«

»Können Sie sagen, wie viele Schüsse Sie gehört haben?«, fragte Cooper, da er dem Detective Chief Inspector etwas weniger vage Informationen unterbreiten wollte.

»Zwei oder drei«, sagte Mrs. Birtland.

»Oder vier«, sagte ihr Mann.

Cooper seufzte. »Vielen Dank.«

»Wir hätten uns schon noch gemeldet, als wir erfahren hatten, dass jemand getötet wurde, wissen Sie. Aber es hieß, dass Sie heute vorbeikommen würden.«

»Das ist schon in Ordnung.«

Mrs. Birtland begleitete Cooper zu seinem Wagen. »Tut mir leid, wenn wir keinen besonders gastfreundlichen Eindruck machen«, sagte sie.

»Kein Problem. Wenn Ihnen aber noch irgendwas zu Miss Shepherd einfällt oder zu irgendwelchen Leuten, die sie besucht haben …«

»Ja, natürlich, dann geben wir Ihnen Bescheid.«

»Danke.«

Frances Birtland blickte die Straße hinauf zur Ortschaft. »Wissen Sie, wir hatten immer geglaubt, es würde uns im Alter gut gehen«, sagte sie. »Aber sehen Sie uns jetzt an. Manche Kinder hier bekommen mehr Taschengeld, als wir Rente bekommen. Die Welt ist verrückt geworden, finden Sie nicht? Und wir hatten einfach das Pech, am falschen Ende unseres Lebens zu sein, als es passierte.«

Cooper wusste, was Fry gesagt hätte, wenn sie mit ihm bei den Birtlands gewesen wäre. »So viel zum Thema Nachbarschaftlichkeit. Was ist denn aus dem berühmten Gemeinschaftssinn geworden, von dem du mir immer erzählst, Ben?«

Als er Fry abholte, stand sie ungefähr hundert Meter von der umgebauten Scheune der Ridgeways entfernt an der Ecke zur High Street. Sie schien den eckigen Turm der Kirche zu betrachten, der die Eiben auf dem Friedhof und das benachbarte Cottage überragte, von dessen Vordach Geißblatt herabhing.

»Erfolg gehabt?«, fragte er, als sie zu ihm in den Wagen stieg.

»Sie haben gar nichts gehört. Ihre Doppelverglasung ist zu gut. Und du?«

»Die Birtlands haben womöglich die Schüsse gehört. Aber sie wohnen schon ihr ganzes Leben lang hier, und sie sind es gewöhnt, zu hören, dass Leute Hasen schießen.«

Sie fuhren durch das Tor von Bain House und parkten hinter dem Kleintransporter eines Hundeführers.

»Übrigens, die Ridgeways meinen, dass Rose Shepherd Ausländerin war«, sagte Fry.

»Das ist ja lustig. Die Birtlands halten nämlich die Ridgeways für Fremde.«

Fry schnaubte. »Sie kommen aus Luton.«

»Genau.«

»Oh, ich verstehe. Dann sind die Ridgeways also die bösen Neuankömmlinge. Was ist denn aus dem berühmten …«

»Ich weiß, ich weiß.«

»Außerdem hat Mr. Ridgeway nicht aufgehört, über Grauhörnchen zu reden. Er scheint geradezu besessen von ihnen zu sein.«

»Die stellen ein großes Problem dar«, sagte Cooper. »Die Regierung sollte irgendwas unternehmen, um sie auszurotten.«

Fry stöhnte nur. Und Cooper fragte sich, was er diesmal Falsches gesagt hatte.

Todesnacht

Подняться наверх