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Lindsay Mullens Eltern wohnten am Hang oberhalb von Darley Dale, ein paar Meilen nördlich von Matlock. Fry folgte der Wegbeschreibung, die sie bekommen hatte, und hielt nach einem Restaurant namens Shalimar Ausschau, dann bog sie links in die Northwood Lane ein und fuhr den Hügel hinauf. Die Lowthers wohnten fast ganz oben in einem großen Bungalow, dessen hintere Fenster hinunter auf die A6 von Bakewell blickten.

Um zur Eingangstür zu gelangen, mussten sie und Murfin einen langen Gartenweg hinaufgehen. Abgesehen vom obligatorischen Brunnen und Dutzenden von Terracotta-Töpfen, in denen sich nicht viel befand, schien der Garten zum größten Teil aus Kies und Pflastersteinen zu bestehen.

»Ich mag diese Art von Garten. Ohne Pflanzen.«

Und Gavin hatte recht. Es gab ein Vogelbad, eine Sonnenuhr, eine Engelsstatue aus dekorativem Stein. Dazu eine Menge Gartenmöbel: eine Veranda unter einem grünen Sonnenschirm, eine Holzbank im Schatten einer Laube und ein Garten-Barbecue auf einem Holzdeck, das sich ein Stück weiter unten befand. Auf den letzten Metern stellten sie fest, dass sie auf schmiedeeisernen Trittstufen in Form flacher Schildkröten gingen, zwischen Solarlampen, die aussahen wie edwardianische Gaslaternen. Neben der Eingangstür stand ein schmiedeeiserner Kaminofen mit Gittertür, der mit Flugrost überzogen war.

Ein paar Minuten später saßen sie Henry Lowther in seinem Wintergarten an einem Couchtisch aus Eichenholz gegenüber, der zum Fußboden passte.

»Entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie hier empfange«, sagte er, »aber Luanne schläft gerade, und wir sollten sie nicht aufwecken. Die nächsten Wochen werden schwierig genug für das Kind. Das arme Ding.«

»Luanne ist Ihr jüngstes Enkelkind, Sir?«

»Ja.«

»Wie kommt es, dass sie letzte Nacht hier bei Ihnen war?«

»Wir kümmern uns seit ein paar Tagen um sie. Wissen Sie, Luanne schläft in letzter Zeit keine Nacht durch. Die arme Lindsay konnte sich so gut wie nie ausruhen, deshalb haben wir ihr angeboten, sie eine Weile abzulösen.«

»Ich verstehe. Und wie geht es Ihnen? Wenn Sie Hilfe benötigen, können Sie gerne mit einem unserer psychologischen Betreuer sprechen.«

»Nein, wir kommen schon zurecht«, erwiderte Lowther. »Luanne braucht uns, und es ist das Beste für uns, eine Aufgabe zu haben. Sie wissen schon, was ich meine …«

Lindsay Mullens Eltern wirkten gefasst – keinerlei Anzeichen für Hysterie, keine Wutausbrüche. Doch Fry bekam Mrs. Lowther kaum zu Gesicht, ehe sie, den Tränen nahe, wieder verschwand. Ihre Augen waren gerötet, da sie bereits zuvor geweint hatte.

»Meine Frau ist noch nicht in der Lage, darüber zu sprechen«, erklärte ihr Ehemann. »Ich hoffe, Sie haben dafür Verständnis.«

»Ja, selbstverständlich. Es tut mir leid, dass ich Sie mit Fragen belästigen muss, Sir.«

»Das ist eben Ihre Pflicht.«

Nach Frys Geschmack war es im Wintergarten viel zu warm. Als sie sich umblickte, sah sie, dass der Heizkörper der Zentralheizung über einen eigenen Thermostat verfügte. Sie fragte sich, ob Mr. Lowther es merken würde, wenn sie ihn heimlich herunterdrehte. Doch er sah sie erwartungsvoll an, so wie Hinterbliebene es nach einem plötzlichen Todesfall manchmal taten, als glaubten sie, sie sei in der Lage, die Verstorbenen durch Zauberei wieder lebendig zu machen.

»Können Sie mir sagen, wann Sie von dem Feuer erfahren haben, Sir?«

»Ja. Brian hat angerufen und es uns gesagt. Das ist unser Schwiegersohn.«

»Brian hat es Ihnen gesagt? Um welche Uhrzeit war das?«

»Ach, du liebe Güte, das kann ich nicht mehr genau sagen. Irgendwann in den frühen Morgenstunden. Ich war so schockiert, dass ich nicht nachgesehen habe, wie spät es war. Na ja, vielleicht habe ich auch auf die Uhr gesehen, ohne es zur Kenntnis zu nehmen. Brian hat gesagt, dass er vom Krankenhaus anrufen würde – daran erinnere ich mich noch. Zunächst dachte ich, er selbst hätte einen Unfall gehabt, und ich verstand nicht, was er mir sagen wollte. Wahrscheinlich war ich noch nicht richtig wach.«

Vermutlich war es in dem Wintergarten so warm, weil überall Pflanzen standen: Fuchsien, Baumfarne, Bougainvilleen. In der Küche waren Fry Kakteen und Tradeskantien aufgefallen sowie ein Kräuterrad aus Holz. Sie mochte zwar wenig Ahnung davon haben, was in der freien Natur wuchs, mit Hauspflanzen kannte sie sich jedoch aus. Als sie eine Zeit lang bei Pflegeeltern gelebt hatte, denen eine kleine Gärtnerei in Halesowen gehörte, war es ihre Aufgabe gewesen, die Etiketten der Töpfe zu beschriften – und wehe, wenn sie dabei einen Fehler machte und eine Art nicht erkannte.

Zwischen diesen Pflanzen krochen sicherlich auch Spinnen und kleine Insekten umher. Sie setzte sich genau in die Mitte des zweisitzigen Bambus-Sofas, um einen möglichst großen Abstand von dem Dschungel zu halten, sodass Murfin nichts anderes übrig blieb, als mit einem der beiden Sessel vorliebzunehmen.

»Wie hat Brian denn beschrieben, was geschehen ist?«

»Beschrieben? Na ja, er sagte, er wäre daheim angekommen, und das Haus hätte in Flammen gestanden. Ich nehme an, er war am Abend ausgegangen. Brian war sehr besorgt, wissen Sie – verständlicherweise. Und er hatte sich verletzt, als er versucht hatte, ins Haus zu gelangen. Unter diesen Umständen wundert es mich, dass er überhaupt so geistesgegenwärtig war, uns anzurufen. Aber ich bin froh, dass er es getan hat. Ich weiß nicht, wie wir sonst von dem Brand erfahren hätten.«

»Nun, wir hätten irgendwie Ihre Adresse herausgefunden und einen Polizisten vorbeigeschickt.«

»Ich glaube, das wäre noch schlimmer gewesen«, sagte Lowther. »Falls überhaupt irgendwas schlimmer sein kann als das.«

Den offiziellen Unterlagen zufolge war Mr. Lowther von Beruf Geschäftsführer. Nach Frys Erfahrung sahen die meisten Geschäftsführer aus, als hätten sie sich zu viele Firmenmittagessen und Rotary-Club-Dinner einverleibt. Lowther jedoch nicht. Er war ein stattlicher Mann, hatte sich allerdings seine schlanke Linie bewahrt. Ging er regelmäßig Squash spielen, oder liefen die Geschäfte nicht so gut?

Einen Augenblick lang war Mr. Lowther von den Wedeln eines Baumfarns abgelenkt, die neben seinem Sessel herabhingen. Er streckte die Hand aus, um etwas von der Pflanze abzureißen, und wirkte dabei wie jemand, dem überhaupt nicht bewusst war, was er tat. Als er sich hinüberbeugte, bemerkte Fry, dass er seine Hemdsknöpfe nicht richtig zugemacht hatte. Ein Knopfloch war leer, und der zugehörige Knopf war weiter unten geschlossen, sodass ihm ein Teil seines Hemds unordentlich über den Hosenbund hing.

»Mehr konnte mir Brian eigentlich nicht berichten. Er sagte, dass das Haus in Flammen steht. Und dass er glaubte, Lindsay und die Kinder wären noch drin.«

»Und was haben Sie dann getan?«

»Wir sind natürlich hingefahren – in die Darwin Street. Aber das Feuer war bereits gelöscht, als wir dort ankamen. Sie wollten uns nicht ins Haus lassen. Also sind wir zum Krankenhaus gefahren, aber Brian war ruhiggestellt. Wir saßen stundenlang herum, bis jemand kam und uns sagte, dass Lindsay und die Jungen nicht überlebt haben. Das war schrecklich. Es kam uns vor, als hätten wir es als Letzte erfahren.«

»Dieser Eindruck kann manchmal entstehen. Aber die Leute müssen eben ihren Job machen.«

»Ja, ich weiß. Aber das macht es nicht unbedingt besser. Dürfte ich Sie mal etwas fragen?«

»Nur zu, Sir.«

»Haben Sie irgendeine Vermutung, wie das Feuer entstanden ist?«

»Noch nicht. Wir glauben, dass der Brandherd unten im Wohnzimmer war, aber wir müssen das Haus genauer untersuchen, bevor wir uns sicher sein können.«

Mr. Lowthers Blick schweifte wieder ab, und der Verkehr auf der A6 erregte Frys Aufmerksamkeit. Er verlangsamte sich mit einem Mal, als sich ein Fahrzeug unter die PKWs und Lieferwagen mischte und für einen völlig anderen Rhythmus sorgte. Fry bildete sich ein, das Quietschen und Klappern selbst durch die Doppelverglasung hören zu können. Einen Moment lang fragte sie sich, ob irgendwo in der Nähe Stolz und Vorurteil neu verfilmt wurde.

»Unten auf der Straße ist gerade eine Kutsche vorbeigefahren«, sagte sie. »Sie wurde von vier großen grauen Pferden gezogen.«

»Ja, das sind Gelderländer.«

Fry drehte sich um und nahm überrascht zur Kenntnis, dass Mrs. Lowther in der Tür stand, mit trockenen Augen und beinahe ruhiger Stimme. Es schien, als habe sie große Anstrengungen unternommen, um ihre Fassung zurückzugewinnen.

»Sie sind wunderschön, nicht wahr?«, sagte sie.

»Stimmt. Dann haben Sie sie also schon öfter gesehen?«

»Manchmal ziehen zwei von ihnen einen Landauer.«

Henry Lowther warf einen Blick zum Fenster, schien aber kein Interesse zu haben. »Ich nehme an, das Feuer muss durch einen Kurzschluss oder so ausgelöst worden sein. Man wird schon noch herausfinden, was schiefgelaufen ist, oder?«

»Wir wissen noch nicht, ob es ein Unfall war«, sagte Fry.

Doch Lowther schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Es kann nicht absichtlich gelegt worden sein. Ich könnte mir gerade noch vorstellen, dass einer von den Jungs mit Streichhölzern gespielt hat. Aber Brandstiftung auf gar keinen Fall.«

»Das werden wir bald wissen, Mr. Lowther.«

»Sie haben mich nicht verstanden. Niemand könnte einen Grund gehabt haben, dieses Feuer absichtlich zu legen«, sagte er. »Das ist völlig ausgeschlossen. Lindsay hätte niemals irgendjemanden verärgert. Und was Jack und Liam angeht …«

Er hielt inne, als wäre ihm soeben bewusst geworden, dass er nicht in der Lage war, die Abwegigkeit im Fall seiner Enkel in Worte zu fassen. Sein gequälter Gesichtsausdruck ließ vermuten, dass allein die Vorstellung, ihnen hätte irgendjemand etwas antun wollen, für ihn schlichtweg unmöglich war. Seine Frau wurde von einer Woge seiner Emotionen erfasst und begann abermals zu weinen.

»Was ist mit Brian?«

»Er war nicht mal zu Hause«, erwiderte Lowther.

Fry beobachtete ihn und versuchte, einen vorwurfsvollen Ton in seiner Stimme zu entdecken. Doch vielleicht war den Lowthers noch gar nicht bewusst geworden, dass ihr Schwiegersohn zu Hause bei seiner Familie hätte sein sollen, um sie zu beschützen, auch wenn dies bedeutet hätte, dass er vielleicht ebenfalls in den Flammen ums Leben gekommen wäre. Sie würde später kommen, diese Wut, die Bereitschaft, jemandem die Schuld zu geben, und sei es nur dafür, dass er nicht da gewesen war.

»Könnte es vielleicht trotzdem sein, dass er mit irgendjemandem aneinandergeraten ist? Mit jemandem, der sich womöglich an ihm rächen wollte?«

»Sie haben ihn doch kennengelernt, oder?«, sagte Mrs. Lowther schniefend. »Sie sehen doch, dass er harmlos ist. Was könnte er jemandem angetan haben, dass derjenige so etwas Schreckliches tun würde, nur um es ihm heimzuzahlen? Das ergibt doch keinen Sinn.«

Ihr Ehemann nickte. »Außerdem verkehrt Brian nicht mit Leuten, die zu so etwas imstande wären. Er leitet die Versandabteilung in einem Vertriebszentrum.«

Auf einem Ecktisch standen mehrere silberfarben gerahmte Fotos. Lächelnde Gesichter, jungenhaftes Grinsen, ein Baby, das jemand auf dem Knie balancierte: die Enkelkinder der Lowthers. Fry sah, dass Jack und Liam blond waren und den blassen Teint ihres Vaters geerbt hatten. Doch das Baby, Luanne, war wesentlich dunkler. Im größten Rahmen befand sich ein Foto der gesamten Familie – Brian und Lindsay mit allen drei Kindern, das jüngste stolz ins Bild gehalten, sodass es im Mittelpunkt stand, als habe es Geburtstag.

Fry verspürte das Bedürfnis, die Fotos in die Hand zu nehmen und genauer zu begutachten, doch sie fürchtete, es könne die Lowthers ablenken. Bilder von den Brandopfern für die Fallakten und für die Medien hatten sie bereits. Im Büro konnte sie in Ruhe einen Blick darauf werfen.

Stattdessen senkte sie den Kopf und sah in ihr Notizbuch. »Könnten wir uns kurz über das Haus unterhalten? Ich meine, über das Zuhause Ihrer Tochter in der Darwin Street. Ich gehe davon aus, Sie kennen es recht gut?«

»Ja, natürlich«, sagte Mrs. Lowther. »Wir haben sie oft dort besucht. Beim Einzug waren wir auch dabei. Ich habe Lindsay geholfen, einen Teil der Möbel auszusuchen.«

Als Fry das hörte, wusste sie, dass sie ihre Worte bei den nächsten Fragen sorgfältig wählen musste, da sie sonst Gefahr lief, den Zugang zu Moira Lowther ganz zu verlieren. Der unbehandelte Polyurethanschaum war zwar nicht ihr Fehler, doch Schuldgefühle kannten keine Logik.

»Zunächst einmal zum Rauchmelder. In der Küche war einer installiert.«

»Ja, den haben sie sofort nach dem Einzug installiert. Brian hat darauf bestanden.«

»Wer hat ihn beraten, wo er montiert werden soll?«

»Ihn beraten? Ich glaube, das hat niemand getan. Die Küche war der naheliegende Ort. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, ist dort am größten.«

»Ich verstehe.«

In gewisser Weise war die Küche tatsächlich der naheliegende Ort für einen Rauchmelder. Die Feuerwehr konnte jeden Tag fest damit rechnen, zur Abendessenszeit irgendwohin zu einer überhitzten Fritteuse gerufen zu werden. Wenn sich Brian Mullen jedoch die Mühe gemacht hätte, die Anleitung des Herstellers zu lesen, hätte er dort eine andere Empfehlung gesehen. Und wenn er diese zur Kenntnis genommen hätte, wäre seine Familie vielleicht noch am Leben. Doch in dieser Gleichung gab es zu viele »wenn«.

Dennoch speicherte Fry ihr Bild von Brian Mullen als einem Typ von Mann im Gedächtnis ab, der die Anleitung verächtlich beiseitewarf, einen Schraubenzieher zückte und sich auf seine maskulinen Instinkte verließ, um die Sache zu erledigen.

»Lindsay war stolz auf ihre Küche«, sagte Mrs. Lowther. »Es ist keine sechs Monate her, dass sie neue Küchenschränke und eine Dunstabzugshaube mit Doppelabzug einbauen ließ. Sie war immer makellos sauber.«

»Ja, das habe ich gesehen«, sagte Fry. »Mich würde interessieren, ob Lindsay oder Brian in den letzten Wochen erwähnt haben, dass irgendjemand bei ihrem Haus herumlungerte oder eine verdächtige Person an der Tür geklingelt hat.«

»Nein, nichts dergleichen.«

Kurze Zeit später hatte Fry alle ihre Fragen gestellt. Und um ehrlich zu sein, war sie froh, aus dem Wintergarten und von den Pflanzen wegzukommen.

»Welche Art von Unternehmen leiten Sie, Sir?«, fragte sie.

»Ich besitze eine äußerst erfolgreiche Exportfirma. Wir handeln überwiegend mit Werkzeugmaschinen, die wir weltweit verkaufen. Wir planen zwar seit geraumer Zeit, uns auf Computertechnologie zu verlegen, aber das ist momentan noch nicht unser Hauptgeschäft.«

Also kein Blumengroßhändler. Es hatte sie nur interessiert. Als sie zurück durchs Haus gingen, sah sie im Wohnzimmer Begonien und Chrysanthemen. Und überall standen Grünpflanzen: Monstera, Yucca, Palmen. Im Bungalow der Lowthers sah es aus wie im Treibhaus in Kew Gardens.

»Oh, Sie bekommen Besuch«, stellte sie fest, als sie bei der Eingangstür ankamen.

Ein Mann kam den Pfad zur Tür der Lowthers herauf. Er ließ sich Zeit, blieb stehen, um den Engel aus Stein traurig anzulächeln, und trat vorsichtig auf die flachen Schildkröten. Er war etwa Mitte zwanzig, hatte ein glattes Gesicht und trug einen altmodischen Mantel, wie man ihn heutzutage nicht mehr oft zu sehen bekam. Fry fragte sich, ob er ein Journalist war.

»Oh, das ist John«, sagte Mr. Lowther. »Unser Sohn.«

»Wohnt er hier?«

»Nein, er hat eine eigene Wohnung in Matlock. Armer John, das hat ihn sehr getroffen – er und Lindsay standen sich so nahe.«

»Ist er älter als Ihre Tochter?«

»Nein, zwei Jahre jünger.«

John Lowther sah Fry und Murfin neugierig an, als sie sich an der Türschwelle begegneten.

»Diese Leute sind von der Polizei, John«, sagte sein Vater. »Sie sind wegen Lindsay und den Jungs hier.«

»Wir standen uns sehr nahe. Haben sie Ihnen das gesagt?«

»Ihre Eltern? Ja, das haben sie.«

»Ich bin untrüglich.«

»Wie bitte?«

Doch Lowther sah Gavin Murfin an. »Ihre Krawatte gefällt mir.«

Murfin war fassungslos, dass er ein Kompliment bekommen hatte.

»Äh, danke.«

»Wie geht es Ihnen, Mr. Lowther? Ich weiß, das muss eine sehr schwierige Zeit für Sie sein.«

Sein Blick wanderte zurück zu ihr, blieb jedoch nicht an ihr hängen. »Entschuldigung. Was sagten Sie?«

»Haben Sie schon daran gedacht, einen Arzt aufzusuchen?«

Lowther lachte. »Ich suche keinen Arzt, weil ich schon einen habe.«

Er betrat das Haus, wo seine Mutter ihn mit einem Schluchzen und einer Umarmung begrüßte. Fry und Murfin gingen zum Wagen zurück. Eine kurze Zeit lang sagte keiner von beiden etwas. Dann ließ Fry den Motor an und fuhr langsam zurück zur Straße.

»Eigenartiger Typ«, sagte Murfin.

»Was?«, fragte Fry.

»Dieser Lowther-Knabe. Er ist ein eigenartiger Typ.«

»Meinst du John? Komm schon, Gavin, er war dir nur unsympathisch, weil du denkst, dass er schwul ist.«

»Und wenn schon«, protestierte Murfin. »Wegen so was verurteile ich Leute nicht. Na ja, zumindest nicht mehr. Ich habe dazugelernt.«

»Ja, genau. Du hast gelernt, nicht laut zu sagen, was du denkst, das ist alles.«

Murfin schniefte, widersprach jedoch nicht.

»Außerdem«, sagte er, »muss man nicht schwul sein, um meine Krawatte zu bewundern.«

»Nein, nur farbenblind.«

»Fandest du ihn etwa sympathisch?«, fragte Murfin.

»Er ist tatsächlich ein bisschen seltsam, nehme ich an.«

»Ich würde eher sagen, er ist ein bisschen weich in der Birne.«

Fry seufzte. »Ist etwa schon wieder Mittagessenszeit?«

»Na ja, wo du gerade davon sprichst …«

»Schon gut, schon gut.«

Fry wusste, wann es galt, der Notwendigkeit nachzugeben. Trotzdem verstand sie nicht, warum Gavin lebte, um zu essen, anstatt andersherum.

Manchmal hatte sie den Eindruck, dass die Menschen um sie ihr Leben verkehrt herum oder im Rückwärtsgang lebten. Die Lowthers zum Beispiel – sie hatten den Garten voller Möbel und das Haus voller Pflanzen. Irgendetwas stimmte da doch nicht, oder?

In Foxlow hielt an diesem Nachmittag um Viertel nach eins ein Streifenwagen vor dem Tor von Bain House an. Exakt um dreizehn Uhr sechzehn, dem Ereignisprotokoll zufolge. Police Constable Andy Myers drückte mehrmals auf den Klingelknopf der Sprechanlage am Torpfosten, erhielt jedoch keine Antwort.

»Vielleicht funktioniert die Klingel nicht«, sagte sein Kollege.

»Ich höre sie aber summen.«

»Tja, die Zentrale kann uns keine Telefonnummer von ihr geben.«

»Dann steht sie nicht im Telefonbuch.«

»Und was machen wir jetzt?«

Myers warf einen Blick auf das schmiedeeiserne Tor und die Steinsäulen auf beiden Seiten. »Einer von uns beiden muss seinen Hintern über das Tor schwingen. Auf der anderen Seite gibt es bestimmt eine Entriegelung. Pass auf die Zacken auf, wenn du drübersteigst, Phil. Die sehen gemeingefährlich aus.«

»Oh, vielen Dank. Streng dich bloß nicht zu sehr an, ja?«

»Ich bin schließlich der Fahrer. Ich muss beim Wagen bleiben.«

Myers sah seinem Kollegen zu, als dieser mühsam über das Tor kletterte und schimpfend versuchte zu vermeiden, sich seine Uniform zu zerreißen oder sich die Hand an einer der Zacken aufzuspießen. Schließlich landeten seine Stiefel knirschend auf dem Kies auf der anderen Seite, und er fand die Entriegelung, mit der sich das Tor öffnen ließ.

»Der Typ, der angerufen hat, war ein Farmer namens Cross«, sagte Myers vom Fenster des Wagens aus. »Er behauptet, dass irgendwo auf der Rückseite des Hauses ein Fenster offen steht und das Licht brennt.«

»Warum ist er dann nicht über das verdammte Tor geklettert?«

»Der Farmer? Der ist bestimmt längst weg und pflügt seine Schafe oder so.«

»Du kommst nicht oft aufs Land, was, Andy?«

Die beiden Polizisten gingen zur Eingangstür und klopften. Wieder keine Antwort. Myers ging seitlich ums Haus.

»Ja, ich sehe das offene Fenster«, rief er. »Ich versuch’s mal mit der Hintertür.«

»Und?«

»Nichts.«

»Hier auch nichts. Meinst du, wir sollten einfach reingehen?«

»Das offene Fenster gefällt mir nicht«, sagte Myers. »Es gibt eine Alarmanlage – man sieht den Kasten da oben an der Wand. Und Sicherheitsbeleuchtung gibt’s auch. Sie ist keine von diesen achtlosen Hausbesitzern, die ihr Zuhause ungesichert verlassen.«

»Ich sage in der Zentrale Bescheid, was wir machen.«

»Okay, Phil. Dann musst du dir ein Fenster im Erdgeschoss suchen, um einzusteigen. Ich glaube nicht, dass du große Chancen hast, an das offene zu gelangen.«

»Hey, Moment mal …«

Als Fry und Murfin in der Darwin Street eintrafen, stand ein Mann im Garten von Hausnummer 34. Offenbar hatte er sich selbst zu einer Art Aufseher ernannt, der darauf achtete, dass alle am Schauplatz des Brandes ihren Job ordentlich erledigten. Er hielt eine kleine Digitalkamera in der Hand und blickte durch den Sucher auf einen Spurensicherer im Schutzanzug, der zwei prall gefüllte Plastiksäcke zum Kleintransporter trug.

»Hoffen Sie, Fotos an die Presse verkaufen zu können, Sir?«, erkundigte sich Fry.

Er sah sie finster an. »Schön wär’s. Die waren alle schon hier und haben selber Fotos geschossen und mit Fernsehkameras gefilmt. Die hier sind für meine Akten.«

»Akten?«

»Ich bin bei der Nachbarschaftswache. Das wird ein Thema der nächsten Versammlung, darauf können Sie wetten. Ich war von Anfang an hier, wissen Sie. Ich war nämlich derjenige, der den Notruf getätigt hat.«

»Dann sind Sie Mr. Wade?«

»Der bin ich: Keith Wade.«

Der Mann war entweder übergewichtig oder in so viele Pullover eingepackt, dass seine Formen nicht mehr zu erkennen waren. Er schwitzte ein wenig, doch Fry konnte nicht beurteilen, ob das auf Anstrengung oder Aufregung zurückzuführen war. Keith Wade sah aus wie jemand, der sein ganzes Leben auf dem Fahrersitz eines Lastwagens verbracht hatte, Rühreier und Pommes frites an Raststätten gegessen hatte und im Lauf der Zeit birnenförmig geworden war.

»Haben Sie zufällig Fotos während des Brandes gemacht, Sir?«, fragte sie.

»Natürlich habe ich das. Sehen Sie …«

Er drehte den Fotoapparat um, hielt ihn hoch und fummelte an den Knöpfen herum. Auf dem Display erschien ein Bild. Es war sehr dunkel, beinahe schwarz, bis auf ein schwaches rötliches Leuchten. Nur die unscharfen Umrisse eines Daches und eines Schornsteins waren am oberen Rand des Bildes auszumachen.

»Sind alle Aufnahmen so?«

»Ich habe die Entwicklung des Brandes fotografiert und dokumentiert, wie schnell die Notdienste gekommen sind. Als die Feuerwehrleute hier waren, habe ich ein paar Fotos mit Blitz gemacht, aber auf denen waren nur die grellen Reflexionen von den Streifen auf ihren Jacken zu sehen.«

»Wir hätten gerne Kopien von allen Aufnahmen, die Sie während des Brandes gemacht haben.«

Wade wirkte geschmeichelt, dann machte er ein langes Gesicht. »Ich habe aber keinen Farbdrucker.«

»Das macht nichts. Haben Sie einen Internetanschluss? Sie können sie uns einfach per E-Mail schicken.«

»Ja, das kann ich machen.«

Fry gab ihm ihre Karte, und er drehte sie erfreut in den Fingern hin und her.

»Bei der Kriminalpolizei sind Sie?«

»Das ist richtig.«

»Ist das üblich?«

»Was?«, sagte Fry, bereit, auf eine sexistische Bemerkung zu reagieren.

»Dass bei einem Feuer die Kriminalpolizei geschickt wird.«

»Wenn es Todesopfer gibt, dann schon.«

»Todesopfer, ja. Die beiden Kinder sind ums Leben gekommen, nicht wahr? Sie hatten keine Chance, heißt es.«

»Und ihre Mutter auch.«

Er nickte. »Tragisch. Ich kannte Lindsay und Brian ziemlich gut. Wir sind seit sechs Jahren Nachbarn.«

Wades Haus stand so nahe an dem der Mullens, dass der Rauch auch seine Wände geschwärzt hatte. In seinem Garten standen Wasserpfützen, und jemand war auf dem Weg zum Feuer durch ein Blumenbeet getrampelt.

»Mr. Wade, war in den letzten Wochen irgendjemand hier und hat sich nach den Mullens erkundigt?«

»Sich erkundigt? Abgesehen von Ihnen, meinen Sie?«

»Das ist ein wichtiges Ermittlungsverfahren, Sir.«

»Entschuldigung. Nein, es war niemand da.«

»Bitte denken Sie genau nach. Es könnte jemand gewesen sein, der zu dem Zeitpunkt vollkommen harmlos gewirkt hat. Jemand, der an der Tür geklingelt hat, um Marktforschung zu betreiben, und dann irgendeine beiläufige Frage zu Ihren unmittelbaren Nachbarn gestellt hat?«

»Nein, daran könnte ich mich erinnern.«

»Was ist mit Ihrer Frau? Womöglich kann sie sich an jemanden erinnern, der gekommen ist, während Sie unterwegs waren.« Als sie merkte, dass Wade zögerte, bohrte sie weiter. »Verzeihung, sind Sie überhaupt verheiratet, Sir?«

»Ich bin geschieden.«

»Okay. Erzählen Sie mir noch einmal, wie Sie auf das Feuer aufmerksam geworden sind.«

»Tja, ich glaube, ich habe den Rauch gerochen. Ich nehme an, der Geruch war so stark, dass ich davon aufgewacht bin. Zuerst dachte ich, irgendjemand muss ein Feuer gemacht haben. Kinder tun das hier manchmal, wissen Sie – die finden es lustig, wenn die Feuerwehr kommt. Aber als ich aufstand, sah ich ein seltsames Licht hinter den Schlafzimmervorhängen. Es flackerte irgendwie, als ob draußen ein riesiger Fernseher laufen würde. Wissen Sie, was ich meine?«

»Und was haben Sie dann getan?«

»Ich habe mich angezogen, bin rausgegangen, um nachzusehen, und dann habe ich den Notruf verständigt.«

Ja, und dieser Pullover war vermutlich das erste Kleidungsstück gewesen, das er angezogen hatte. Er sah aus, als hätte er ihn schon seit Monaten angehabt. Das Ding war braun und zottelig, und überall hingen kleine Wollfäden weg.

»Haben Sie draußen irgendjemanden gesehen, Mr. Wade?«

»Nein, keine Menschenseele. Aber ich habe nicht die Straße auf und ab geschaut, sondern nur auf das Feuer. Inzwischen war das Wohnzimmerfenster zersplittert, und die Flammen wanderten an der Wand hinauf. Wenn ich es mir jetzt so überlege, könnte es sein, dass es das Geräusch des splitternden Fensters war, was mich geweckt hat, und nicht der Geruch des Rauches.«

»Wie kommen Sie darauf, Sir?«

»Na ja, wie ich schon sagte, ich bin bei der Nachbarschaftswache. Ich habe mir sozusagen antrainiert, nachts das Geräusch von zersplitterndem Glas zu hören. Wir hatten hier in der Gegend einige Einbrüche, wie Sie vermutlich wissen. Also muss ich in Alarmbereitschaft sein.«

»Ich verstehe. Aber erinnern können Sie sich nicht daran, letzte Nacht gehört zu haben, wie Glas zersplittert ist?«

Wade machte ein enttäuschtes Gesicht. »Nein, nicht wirklich.«

Er war so durchschaubar. Fry nahm an, dass er bei Versammlungen der Nachbarschaftswache eine ziemliche Plage war, weil er vermutlich stets behauptete, etwas gesehen zu haben, was er gar nicht gesehen hatte, nur um sich interessant zu machen. Sie fragte sich, ob Wade auch noch in anderen Organisationen Mitglied war. Beim Police Liaison Committee, bei der »Edendale soll sauber bleiben«-Gruppe – irgendwo, wo er die Gelegenheit hatte, die Nase in das Leben anderer Menschen zu stecken.

»Was ist mit dem Verkehr, Mr. Wade? Sind irgendwelche Fahrzeuge vorbeigefahren, als Sie das Feuer entdeckt haben?«

»Nicht, dass ich wüsste«, sagte er. »Einen Moment.«

Er hielt sich den Fotoapparat vors Gesicht und richtete ihn auf irgendetwas hinter Fry. Als sie sich umdrehte, sah sie einen Streifenwagen vor der Nummer 32 anhalten, und der Fahrer sprach mit einem uniformierten Polizisten, der davor Wache hielt.

»Hätten Sie was dagegen, wenn ich Sie auch fotografiere?«, erkundigte sich Wade. »Ich glaube nämlich, eine Kriminalpolizistin habe ich noch nicht in meiner Sammlung.«

»Ja, ich hätte was dagegen.«

Er seufzte. »Na gut.«

»Mr. Wade, haben Sie irgendeinen Versuch unternommen, ins Haus Ihrer Nachbarn zu gelangen, nachdem Sie das Feuer bemerkt hatten? Oder waren Sie zu sehr damit beschäftigt, Fotos zu machen?«

Er machte ein gekränktes Gesicht. »Natürlich habe ich versucht hineinzukommen. Nachdem ich den Anruf getätigt hatte, bin ich wieder nach draußen gerannt und über den Zaun in ihren Garten geklettert. Aber die Flammen sind bereits aus den Fenstern gekommen, und ich konnte vor lauter Rauch nichts mehr sehen.«

»Dann haben Sie sicher Brian Mullen nach Hause kommen sehen.«

Er steckte den Fotoapparat in die Hosentasche und wischte sich die Handflächen an seinem Pullover ab.

»Ja, der arme Kerl. Er war völlig außer sich. Wissen Sie, ob mit Brian alles in Ordnung ist?«

»Er hat nur leichte Verletzungen.«

»Immerhin etwas.«

Sogar im Freien roch es stark nach Rauch und Ruß. Mr. Wade selbst schien ebenfalls verbrannt zu riechen wie ein geräucherter Hering. Falls er während des Feuers im selben Pullover im Garten gestanden hatte, war dieser vermutlich mit dem Gestank von brennendem Holz und versengtem Fleisch durchtränkt worden.

»Sind Sie normalerweise tagsüber zu Hause, Mr. Wade?«

»Manchmal arbeite ich Spätschicht«, antwortete er. »Ich beliefere Supermärkte.«

»Ich verstehe.«

»Eigentlich sollte ich um diese Zeit im Bett liegen. Aber ich konnte nicht schlafen bei all dem Drunter und Drüber hier.«

Fry blickte über den Zaun auf die Nummer 32. Die Spurensicherung hatte vor dem Eingang ein Zelt aufgestellt, sodass man nicht mehr ins Haus blicken konnte, sondern nur noch hin und wieder eine verschwommene Gestalt hinter einem der verdunkelten Fenster vorbeigehen sah. Die Leichen der Opfer waren längst abtransportiert worden, und die Feuerwehr war mit den Löscharbeiten fertig und hatte nichts außer ein paar Rinnsalen schmutzigen Wassers zurückgelassen, die in den Rinnstein flossen.

»Ja. Spannend, oder?«

Als Fry wieder im Hauptquartier der E-Division in der West Street ankam, hatte sie Kopfschmerzen. Sie suchte in ihren Schreibtischschubladen nach einer Schmerztablette, fand jedoch nur eine leere Schachtel, nicht einmal einen angebrochenen Folienstreifen. Sie blickte sich wütend in der Einsatzzentrale um. Langfingerige Mistkerle. Da sie es nie so weit kommen ließ, dass ihr die Schmerztabletten ausgingen, musste einer ihrer Kollegen sie aus ihrer Schublade stibitzt haben, ohne sie zu fragen. Hier wurden einem sogar die Zahnfüllungen geklaut, wenn man den Mund zu lange offen stehen ließ.

Sie atmete einige Male tief durch und trank ein Glas Wasser. Sie musste fit und am Ball bleiben. Dies war der falsche Zeitpunkt, um Fehler zu machen; es war die perfekte Gelegenheit für sie, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Hatte sie alles getan, was im Augenblick zu tun war?

Sie hatte Gavin Murfin in der Darwin Street zurückgelassen, damit er mit dem Brandinspektor zusammenarbeiten und der Spurensicherung Dampf machen konnte. Ferner hatte sie einen Suchtrupp angefordert, der die Umgebung des Hauses durchkämmen sollte. Was sie brauchte, war irgendein Hinweis auf böswillige Absicht, damit sie dem Detective Inspector ein paar Fakten zu dem Fall präsentieren konnte. Damit hätte sie unter Beweis stellen können, dass sie mit einer Herausforderung umzugehen verstand.

Ihre Schmerzen hinter der Stirn wurden stärker. Sie hätte Cooper bitten sollen, ihr einen neuen Vorrat an Schmerztabletten aus der Apotheke mitzubringen. Der Tag hatte gerade erst begonnen, und früher oder später würde sie mit neuen Problemen konfrontiert werden. Ganz bestimmt stand ihr wieder eine dieser unsäglichen Wochen bevor.

Die Leiche lag in einem seltsamen Winkel da, zur Hälfte auf einem Schaffell-Vorleger neben dem Bett. Dieser war einst schön weich und weiß gewesen – bevor er den Großteil von Rose Shepherds Blut aufgesaugt hatte. Jetzt war er dunkelrot verfärbt und verkrustet. Miss Shepherd hatte zum Zeitpunkt ihres Todes ein Nachthemd aus Baumwolle getragen, das eher zweckmäßig als modisch war und genug Falten besaß, um den Ursprung des Blutes zu verbergen.

Police Constable Myers hob die Hand zum Lichtschalter, merkte dann jedoch, dass das Licht bereits brannte. Sein Kollege stand in der Türöffnung und griff zu seinem Funkgerät.

»Was, glaubst du, hat sie sich angetan?«

»Schwer zu sagen«, sagte Myers. »Auf jeden Fall ist sie tot.«

»Dann geh weg. Fass sie nicht an.«

Doch Myers beugte sich tiefer über die Leiche und sah das kreisrunde Loch, das sich in der Nähe von Rose Shepherds Herz im Baumwollstoff befand.

»Um Himmels willen, Phil«, sagte er. »Das alte Mädchen wurde erschossen.«

Todesnacht

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