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Tantra und Neo-Tantra
ОглавлениеTantra ist historisch gesehen eine in Indien entstandene esoterische Form des orthodoxen Hinduismus und später des Buddhismus. Die Ursprünge des Tantra liegen in den frühgeschichtlichen, möglicherweise matriarchalischen Kulturen des zweiten Jahrhunderts n. Chr., in voller Ausprägung existiert die Lehre jedoch frühestens seit dem 7./8. Jahrhundert. Als charakteristisch für matriarchalische Kulturen wird häufig die „natürliche“ Verbindung von Spiritualität und Sexualität angesehen, die als göttliche Lebenskraft rituell zelebriert und im Alltag gefeiert wird. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden zahlreiche Strömungen und Traditionen des Tantra, die keine eindeutige Übertragungslinie erkennen lassen. Die Kolonialisierung Indiens und das Interesse zahlreicher Gelehrter brachte die alte Tradition des Tantra in den Westen. Die Auseinandersetzung mit dem Thema blieb allerdings als Studium östlicher Religionsformen meistens eher theoretisch.5 Sir Richard Francis Burton war einer der ersten Gelehrten, der sich intensiver mit Tantra befasste und verschiedene Texte ins Englische übersetzte.6 Die Auslegung der tantrischen Lehren und ihre Wirkung im Westen (und in Indien selbst) sind auch heute noch sehr unterschiedlich und vielfältig. Die Verbreitung des Tantra im Westen bzw. dessen, was heute im Westen unter Tantra verstanden und als solches praktiziert wird, geht hauptsächlich auf den indischen Philosophen und Lehrer Osho zurück.7
Das Innovative an seiner Lehre ist die Verknüpfung moderner (körper-)therapeutischer Ansätze, die auf Wilhelm Reich zurückzuführen sind, mit den Lehren des traditionellen Tantra, woraus er das sogenannte Neo-Tantra schuf, eine Form der Körperarbeit, deren verschiedene Interventionen in den vielfältigen körpertherapeutischen Methoden wiederzufinden sind.8 Das Neo-Tantra nach Osho hat auch in Deutschland Fuß gefasst und wird in allen ernstzunehmenden Tantra-Instituten nach seinem Vorbild unterrichtet, auch wenn diese nicht immer eine einheitliche Linie vertreten.