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Grundlagen der Tantramassage

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Es gibt grundsätzliche Unterschiede zwischen einer fundierten Tantramassage, die eine längere Ausbildung, intensive Selbsterfahrung und Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität voraussetzt, und ähnlich klingenden Angeboten, weil der Begriff „Tantramassage“ nicht geschützt ist und daher beliebig verwendet werden kann.9

Folgende Aspekte charakterisieren eine Tantramassage als Heilbehandlung, so wie Andro sie entwickelt und weitergegeben hat:

1.Das klare Setting und der strukturierte Ablauf: Das klare Setting sorgt für eine deutliche Trennung zwischen der gebenden und der empfangenden Person. Durch den strukturierten Ablauf und das Abstecken von eventuellen Grenzen entsteht ein sicherer Rahmen für Selbsterfahrung. Dieser Aspekt ist besonders wichtig, weil es hier nicht darum geht, alles auf einmal zuzulassen, sondern sich auf eine Entdeckungsreise zu begeben.

2.Die meditative Haltung: Sie ermöglicht einen Zustand der Achtsamkeit, bei dem Berührungen zwar mit einer wertschätzenden und die Sinne erweckenden Absicht geschenkt werden können, diese jedoch ergebnisoffen und frei von Erwartungen bleibt.

3.Die Begegnung im Hier und Jetzt und der Mut zu Lust und Nähe: Angestrebt ist ein Zustand größtmöglicher Authentizität, in dem eine reale Begegnung und nicht eine einfache Dienstleistung zustande kommt.

4.Der Fokus auf Selbstwahrnehmung und Selbsterfahrung: Das Erfahrungsspektrum dieser Massage geht über Entspannung und Wohlgefühl hinaus. Es wird ein Raum geöffnet und offengehalten, in dem tiefgreifende Selbsterfahrung stattfinden kann. Dabei wird die „Anwesenheit“ im Körper gefördert.

5.Die Achtung des ganzen Menschen als sexuelles und spirituelles Wesen mit all seinen Gefühlen und Empfindungen: Dieser Aspekt ist hier zentral.

6.Die ganzkörperlichen intimen und sinnlichen Berührungen: Tantrisch wird eine Massage durch ihre Ganzheitlichkeit. Sie berührt den ganzen Menschen, sie lässt keinen Körperteil aus. Dabei kann die Berührung am ganzen Körper auch allmählich und in Absprache stattfinden. Es ist möglich, beispielsweise zu Anfang eines solchen Erfahrungsweges, eine Tantramassage angezogen zu erleben und dabei keine direkte Intimmassage durchzuführen. Ausschlaggebend in der Massage ist vor allem die ganzheitliche Haltung und weniger die nackte Haut. Insbesondere integriert sie die Sexualität und weckt ihre Energie als Lebenskraft. Jede Folge davon, sei es Atem, Stimme oder Bewegung, sei es Erregung oder aufsteigende Erschütterung, seien es Tränen bis hin zur lustvoll-mystischen Erfahrung oder einfach nur ein schlichter Orgasmus – alles ist willkommen und in Ordnung.10

7.Das fundierte Wissen über Energiebahnen und Anatomie: Die Tantramassage nach Andro beruht auf der ebenfalls von ihm entwickelten Yin-Yang-Massage und auf dem fernöstlichen Wissen über Energiezentren und -bahnen im Körper.11

Diese Grundelemente ermöglichen beiden Beteiligten, aus dem Alltagsgeschehen herauszutreten und in einem achtsamen Rahmen den eigenen Körper zu feiern und die eigene Sinnlichkeit in Würde und Schönheit zu erleben. Dadurch entsteht ein Gefühl von Angenommen-Sein, das eine wichtige Voraussetzung für die heilende Wirkung dieser Erfahrung ist.12 All diese Komponenten ermöglichen der empfangenden Person eine ganzheitliche Erfahrung. Diese setzt oft einen tiefgreifenden Entwicklungsprozess in Gang, der das eigene sexuelle Erleben, aber auch darüber hinaus das Leben im Allgemeinen positiv beeinflussen kann.

Eine fundierte Tantramassage, wie Andro sie entwickelt hat, ist eine gefühlsintensive Ganzkörpermassage und als solche eine sexualtherapeutische Heilanwendung. Sie ist ein offiziell eingetragenes Markenzeichen in der Kategorie „therapeutische Behandlung“ (Klasse 44). Am 7. Oktober 2004 wurde unter der Leitung von Andro der Tantramassage-Verband e. V. (TMV) gegründet, um Qualitäts- und Ausbildungsstandards zu definieren.13

Obwohl gerade in den letzten Jahren viele Schritte unternommen wurden, die Tantramassage bekannter zu machen, ist sie in der Landschaft körperorientierter sexualtherapeutischer Ansätze zur Förderung des sexuellen Wohlbefindens und zur Lösung sexueller Probleme dennoch eine der breiten Öffentlichkeit bislang unbekannte Option geblieben, auch deshalb, weil sie oft missverstanden und darum ihr reales Potenzial nicht wahrgenommen wird. Die immer noch nicht ausreichend klare Trennung zwischen der sexuellen Dienstleistung einer „erotischen Massage“ und dem Angebot professionell geschulter Menschen, die einen neo-tantrischen Hintergrund und eine fundierte Tantramassage-Ausbildung haben, trägt dazu bei, die Vorurteile und Zweifel über diese Berührungsform und ihr Heilpotenzial zu verstärken. Deshalb ist diese therapeutische Möglichkeit bis heute in einer spezifischen Subkultur angesiedelt und wird vom therapeutischen Mainstream offiziell nicht anerkannt, auch wenn einzelne Therapierende sie immer wieder empfehlen und sie eine eindeutige Anziehung auf viele Menschen ausübt.

In diesem Buch möchte ich, wie bereits zu Anfang erwähnt, die Wirkung achtsamer sinnlicher Berührung auf der Basis einer qualitativen Forschungsarbeit unter anderem mit der Intention vorstellen, diese besondere Form der Berührung vielen Menschen zugänglich zu machen, die davon profitieren könnten. Im folgenden Kapitel werde ich daher auf die Entdeckung der sogenannten CT-Fasern eingehen, die auf sanfte, streichelnde Berührungen reagieren, wie sie auch für die Tantramassage charakteristisch sind.

Sinnliche Intimität

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