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Kapitel 7

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Köln, 3. November im Jahre des Herrn 1067

Eine zerlumpte Gestalt kauerte in der Ecke einer dunklen, baufälligen Scheune. Als der Verschlag geöffnet wurde und der Schein einer Lampe ins Innere fiel, erhob sie sich lautlos, verharrte jedoch außerhalb des Lichtkreises.

Der Mann, der durch den niedrigen Türsturz eintrat, war groß und mit breiten Schultern ausgestattet. Das Licht der Lampe milderte die tiefen Falten um seine Augen, doch die grauen Spuren in seinem Haupthaar und dem sorgsam gestutzten Bart verrieten sein fortgeschrittenes Alter.

Erst nachdem er den Verschlag hinter sich geschlossen hatte und seine Lampe suchend umherschwenkte, trat die Gestalt im Bettelgewand auf ihn zu.

Mit einer raschen Bewegung schlug der Mann seinen Umhang zurück und zog sein Schwert halb aus der Scheide.

»Verdammtes Lumpenpack, was treibst du hier?«, bellte er. »Schaff dich hier schleunigst fort, sonst mache ich dir Beine!«

»Wie ich sehe, habt Ihr meine Botschaft erhalten, Vater«, sagte das Lumpenpack mit einem spöttischen Beiklang in der Stimme.

»Was zum Teufel ...? Lothar?«

»Ganz zu Euren Diensten.«

Für einen Augenblick stand Lothar seinem Vater Auge in Auge gegenüber und fand sich missbilligend gemustert.

Schließlich schüttelte Thorald von Kalborn den Kopf. »Zum Henker noch eins! Was soll denn dieses Bettelgewand? Und wieso musste ich drei Meilen reiten, um Euch zu treffen?«

»Man möchte meinen, es hätte Euch in einige Verlegenheit gebracht, wäre ich im Festtagsgewand durch das Portal in den Palas des Erzbischofs marschiert. Oder irre ich mich?«, meinte Lothar leichthin. »Es wird Euch doch nicht entgangen sein, dass ich noch immer unter Acht und Bann stehe?«

»Herrje, dieser Fetzen an Euch stinkt nach Jauche.« Angewidert rümpfte Thorald die Nase. »In diesem Aufzug solltet Ihr Eurer Mutter besser nicht unter die Augen treten.«

Lothar lächelte. »Das ist nicht meine Absicht.«

»Wenigstens hättet Ihr Euch barbieren können«, knurrte Thorald, während er seine Lampe auf einer leeren Futterkrippe abstellte. »Mit diesem Gestrüpp in Eurem Gesicht hätte ich Euch fast nicht erkannt.«

»Nun, dann hat es seinen Zweck erfüllt.«

»Vermutlich.« Thorald zuckte mit den Schultern. Dann warf er Lothar einen forschenden Blick zu. »Wollt Ihr mir jetzt erklären, warum ich mitten in der Nacht drei Meilen geritten bin?«

»Mir kam zu Ohren, dass Ihr mich sprechen wolltet.«

»Verdammnis! Ich schickte Euch diese Botschaft vor einem Jahr! Wieso meldet Ihr Euch erst jetzt?« fuhr er seinen Sohn an. »Wo, zum Teufel, habt Ihr Euch herumgetrieben?«

Lothar zögerte einen Augenblick. »Zuerst in Burgund, später in England«, antwortete er schließlich.

»So. England also. Und wie macht sich Roberts Bastard auf dem Thron?«

»Die Krone steht ihm gut zu Gesicht«, meinte Lothar mit einem Schulterzucken. »William wird sich halten.«

»Pah! Ich höre, es gibt Aufstände«, schnaubte Thorald. »Noch höchstens ein Jahr gebe ich dem normannischen Bankert. Dann hängt sein Kopf aufgespießt auf einer Lanze vor Londons Stadttor.«

»Das denke ich nicht«, widersprach Lothar. »William hat Macht geschmeckt. Sie gefällt ihm, und er wird sie nicht wieder aus der Hand geben. Er ist hart, unnachgiebig, zuweilen grausam, aber er ist auch ein kluger Mann, der seine Karten auszuspielen versteht. Nein. Die Aufstände werden ihn nicht aufhalten.«

Energisch schüttelte Thorald den Kopf. »Ihr irrt Euch«, beharrte er, doch Lothar zuckte nur schweigend mit den Schultern.

»Gut, lassen wir das«, knurrte sein Vater. »Ich wollte dazumal mit Euch sprechen, weil ich beschlossen habe, dass Euer Vagabundenleben nun ein Ende haben muss.«

»Tatsächlich? Das habt Ihr also beschlossen«, konstatierte Lothar erheitert. »Und dabei war mir doch so, als hättet Ihr dieses Vagabundenleben für mich gewählt.«

»Ich tat nur, was jeder gute Vater tut. Ich habe Euch Euren Gaben gemäß an den Platz gestellt, der mir am klügsten dünkte. Und ich tat recht daran. Ihr habt den Fürsten gut gedient.«

»Nicht zu Eurem Schaden«, bemerkte Lothar trocken.

»Und nicht zu Eurem«, gab Thorald zurück. »Aber nun wird es an der Zeit, dass Ihr zu Eurem angestammten Platz zurückkehrt.«

»Nun, und wie habt Ihr Euch das gedacht?«, erkundigte sich Lothar freundlich. »Auch auf die Gefahr hin, dass Euch die Wiederholung langweilt, möchte ich doch noch einmal die Acht erwähnen, die der König über mich verhängt hat.«

»Darüber macht Euch keine Gedanken«, winkte Thorald ab. »Als Ihr verschwunden seid, war ich bereits im Begriff, alles in die Wege zu leiten, damit der Bann aufgehoben wird. Und ja, es mag sich sogar als Glück erweisen, dass seither ein Jahr vergangen ist.«

Als Lothar schwieg, fuhr er fort: »Wie Ihr zweifellos schon wisst, hat Ekbert von Braunschweig die Markgrafschaft Meißen erhalten. Und nicht zuletzt hat er das meinen Bemühungen zu verdanken. Ich war der Mann, der den Erzbischof von Köln überredete, Ekberts Pläne beim König zu unterstützen. Ekbert ist mir einen Gefallen schuldig. Also versprach er mir, sich beim König für Euch zu verwenden. Die Gelegenheit ist günstig, denn just jetzt steht er auch in König Heinrichs Gunst.«

»Ich fürchte, da seid Ihr falsch unterrichtet«, meinte Lothar. »Noch vor kurzem mag der Markgraf in der Gunst des Königs gestanden haben. Aber wenn er weiterhin die Absicht verfolgt, sich von seinem Weib zu trennen, wird es rasch aus damit sein. Irmingard ist eine nahe Verwandte der Königin. Es mag daher sein, dass Ekberts Scheidungspläne dem König gallig auf stoßen werden.«

»Keine Sorge, dazu wird es nicht kommen«, versicherte Thorald. »Oder was denkt Ihr, warum ich in Köln bin? Der Erzbischof wird Ekbert diese Flause auszutreiben wissen.

Nein, der Aufhebung Eures Banns wird nichts im Weg stehen, das versichere ich Euch.«

»So einfach wird es wohl ...«, meinte Lothar, doch sein Vater unterbrach ihn mit einer unwirschen Geste.

»Hört mir zu. Das Weihnachtsfest wird der Markgraf am Hof des Königs verbringen und bei dieser Gelegenheit mit ihm über Euren Bann sprechen. Ihr sollt ihm lediglich für eine Angelegenheit noch einmal zur Verfügung stehen, doch wenn Ihr zurückkehrt, werdet Ihr es als freier Mann tun. Und ich habe dafür gesorgt, dass Ekbert Euch diesen letzten Dienst mehr als angemessen entlohnen wird.« Listig lächelnd fuhr er sich mit der Zunge über die Lippe wie ein Kater, der den Rahmtopf gefunden hat. »Es hat mich nicht geringe Zeit und Mühe gekostet, das für Euch auszuhandeln. Aber ich habe es erreicht. Ekbert hat einem Verlöbnis zwischen Euch und seiner Tochter Gertrude zugestimmt.«

Für einen Augenblick runzelte Lothar ungläubig die Stirn, dann brach er in Gelächter aus. »Ekberts Tochter? Herrje, das kann nicht Euer Ernst sein, Vater!«

»Doch, das ist es. Ihr dürft mir danken.«

Die Erheiterung verschwand schneller aus Lothars Zügen, als sie gekommen war. »Das schlagt Euch aus dem Kopf! Ich werde kein Kind zum Weib nehmen.«

»Stellt Euch nicht dümmer, als Ihr seid!«, rief Thorald verärgert. »Gertrude wird einst Ekberts väterliche Güter erben, und durch diese Vermählung rückt unsere Familie in unmittelbare Nähe des Hofs. Was wollt Ihr denn mehr? Ein Kind wird sie außerdem nicht mehr lange bleiben und Euer Bett rascher wärmen, als Ihr glaubt.«

»Nein«, antwortete Lothar ruhig.

Für einen Augenblick schien es Thorald die Sprache verschlagen zu haben. Dann schnappte er hörbar nach Luft. »Mir ist gleich, ob Euch das behagt oder nicht«, donnerte er. »Das Verlöbnis ist beschlossene Sache! Punktum!«

Für eine Weile herrschte tiefe Stille in der alten Scheune, während Lothar gedankenverloren das halb verrottete Stroh auf dem Boden betrachtete. Sein Vater war ein Mann mit Stolz und noch mehr Ehrgeiz, der sich nicht scheute, auch seine Kinder diesem Ehrgeiz zu opfern. Und Widerspruch war etwas, das er selten zu hören bekam. Dennoch war er seinem Vater zugeneigt, und ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, die Klinge mit ihm kreuzen zu müssen.

Endlich hob er den Kopf und musterte Thorald, der mit abwartend verschränkten Armen stehengeblieben war. Als er bemerkte, wie Thorald seinen Blick mit kampfbereit vorgerecktem Kinn beantwortete, huschte ein Lächeln über Lothars Züge.

»Ich erinnere mich noch gut, wie Ihr mich im Gebrauch von Schwert und Dolch unterwiesen habt«, sagte er leise. »Und Ihr habt mich gut unterwiesen. So gut, dass Ekbert von Braunschweig auf mich aufmerksam wurde, kaum, dass ich das Holzschwert gegen Eisen eingetauscht hatte. Ihr wusstet nur zu gut, was der Graf von mir wollte. Dennoch habt Ihr keinen Augenblick gezögert, mich ihm und den Fürsten zu unterstellen. Ebenso habt Ihr gewusst, wozu das letztlich führen würde.«

»Was? Und deshalb wollt Ihr diese günstige Gelegenheit ausschlagen?«, rief Thorald ungläubig. »Darum seid Ihr mir gram?«

Lothar schüttelte den Kopf. »Ich bin Euch nicht gram, Vater. Ihr mögt mich auf den Weg gestellt haben, aber ihn auch zu gehen war meine eigene Entscheidung. Nein, ich bin Euch nicht gram. Aber Ihr könnt das Rad der Zeit auch nicht mehr zurückdrehen.« Er seufzte. »Ich weiß nicht, ob es anders gekommen wäre, hätte ich ein Leben bei Hof oder auf Euren Gütern geführt. So aber tauge ich nicht mehr zum gehorsamen Sohn. Und das betrifft nicht zuletzt die Wahl des Weibes, mit dem ich mich vermählen werde.«

»Pah! Seid nicht albern«, schnaubte Thorald. »Wie wollt Ihr denn die Aufhebung der Acht erreichen? Ihr bildet Euch doch nicht ein, dass Ekbert auch nur einen Finger für Euch krümmen wird, wenn Ihr ihn beleidigt und die Hand seiner Tochter ausschlagt?«

»Das bezweifle ich nicht.«

»Noch steht Ihr in Ekberts Pflicht, also hört Euch an, was er zu sagen hat.«

Lothar zögerte. »Nun gut, wie Ihr wollt.« Er seufzte. »Wenn Ihr denn Euer Herz daran hängt, werde ich mir anhören, was Ekbert von mir will.«

»Und das Verlöbnis?«, beharrte sein Vater.

»Ekbert bietet mir die Hand seiner Tochter an, weil er glaubt, mich damit gänzlich an die Kandare nehmen zu können«, antwortete Lothar kalt. »Er wird dankbar über meine Ablehnung sein, wenn er erst merkt, dass ich nicht willens bin, vor seinen Karren gespannt zu werden.«

»Verdammnis!«, knurrte Thorald. »Ihr werdet niemals die Aufhebung der Acht erreichen, wenn Ihr den Markgrafen von Meißen gegen Euch aufbringt. Und mein Wort darauf, er wird mehr als aufgebracht sein, wenn Ihr diese Ehre ausschlagt, die er Euch erweist.«

»Ich habe mir nicht nur Feinde gemacht, Vater«, erklärte Lothar. »Ich werde meinen Kniefall vor dem König machen, ob Ekbert sich nun für mich verwendet oder nicht.«

»Euer Kniefall wird schwerlich genügen, wenn Ekbert sich gegen Euch stellt«, schnappte Thorald. »Und was wollt Ihr dann tun?«

»Als ich auf der Insel war, hat es sich ergeben, dass ich einen Anschlag auf William verhindern konnte. Zufall, Gottes Wille oder Glück. Nennt es, wie Ihr wollt.« Ein Lächeln spiegelte sich flüchtig in Lothars dunklen Augen und verschwand wieder. »William erwies sich als dankbar. Er lohnte mir diesen Dienst mit einem einträglichen Lehen. Falls König Heinrich also nicht gewillt ist, den Bann aufzuheben, werde ich mich dort niederlassen.«

»Redet doch keinen Unfug. Was wollt Ihr denn auf der Insel tun? Schafe zählen? Letzten Endes seid Ihr mein Sohn und werdet tim, was ich Euch sage, weil es so einfach das Beste ist.« Ein spöttisches Lächeln kräuselte Thoralds Lippen, das dem des Sohns nicht unähnlich war.

»Ich scherze nicht.«

»Verdammnis, Lothar!«, schrie Thorald unvermittelt mit vor Zorn verzerrtem Gesicht. »Ich habe zu lange auf eine solche Gelegenheit gewartet und werde nicht zulassen, dass Euer törichter Starrsinn meine Pläne durchkreuzt. Eine Verbindung mit dem Markgrafen von Meißen wird uns in den engsten Kreis bei Hof bringen, und wenn Ihr vergessen habt, was es heißt, der Pflicht zu gehorchen, so habe ich die Mittel, Euch daran zu erinnern.«

»Wollt Ihr mir drohen, Vater?«

Thorald antwortete nicht. Sein Blick bedurfte keiner Worte.

Mit zusammengepressten Lippen verbeugte sich Lothar. Dann drehte er sich um und verließ grußlos die Scheune.

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