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1.1. Untersuchungsgegenstand und Terminologie

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Den Gegenstand der Untersuchung bilden in der vorliegenden Arbeit die Konstruktionen Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen sowie ihre Äquivalente im Polnischen. Die Konstruktionen bestehen aus einem verbalen – stellen, geben, treffen – und einem nominalen Element – Frage, Antwort, Entscheidung – und bilden gemeinsam eine semantische Einheit, die mit einem korrespondierenden Basisverb zusammengefasst werden kann, wie fragen, antworten und entscheiden (vgl. Kamber 2008; Heine 2006: 49, Hermann 2019). Derartige Verbindungen aus einem Nomen und einem Verb – häufig als Funktionsverbgefüge bezeichnet (Kamber 2008) – zu definieren, gestaltet sich insgesamt jedoch problematisch und ist Ágel (2017: 315) zufolge „eine der undankbarsten grammatischen Aufgaben“. Der Gegenstand müsste nach Ágel (2017: 315) einerseits von angrenzenden Disziplinen, wie der Phraseologie- und Kollokationsforschung, abgegrenzt werden. Und andererseits ergeben sich durch die Abgrenzungsproblematik unterschiedliche Auffassungen darüber, welche Konstruktionen zum Untersuchungsgegenstand Funktionsverbgefüge gerechnet werden können und welche nicht. Denn es existieren verschiedene Typen von Gefügen, die sich nicht nur semantisch, morphologisch und (morpho)syntaktisch, sondern auch pragmatisch voneinander unterscheiden (vgl. Helbig/Buscha 2011: 83ff.).

Semantische Besonderheiten weisen beispielsweise Nomen-Verb-Verbindungen, wie in Kontakt kommen und in Gang bringen, auf, denn in Kontakt kommen im Sinne von ‚jemand kommt mit etwas in Kontakt‘ unterscheidet sich von kontaktieren durch den Ausdruck von Passivität (vgl. Eroms 2000: 168f.) und in Gang bringen von gehen durch die Anzeige von Kausativität (vgl. Helbig/Buscha 2011: 84) im Sinne von ‚jemand bewirkt, dass etwas in Gang gebracht wird‘. In anderen Gefügen, wie z.B. Antwort geben oder Entscheidung treffen, ist der Ausdruck von Passivität oder Kausativität in Gegenüberstellung mit den Basisverben antworten und entscheiden nicht zu verzeichnen (vgl. Hoffmann 2017: 225; Heringer 2014: 115; Storrer 2013: 198). Morphologische Unterschiede zu Nomen-Verb-Verbindungen, wie in Kontakt kommen und Entscheidung treffen, finden sich in Gefügen, wie Angst haben und Dienst leisten: Denn Angst haben steht nicht mit einem Verb in einem Ableitungsverhältnis, wie bei Kontaktkontaktieren und Entscheidungentscheiden, sondern mit einem Adjektiv (vgl. Welke 2007: 219; Helbig 1979: 274; Kamber 2008: 22), d.h. Angst steht mit ängstlich in Relation, und außer Kraft setzen weist kein korrespondierendes Basisverb auf (vgl. Helbig/Buscha 2011: 70ff.), vgl. *kraften. Morphosyntaktisch können die Gefüge aus einem Verb und einer Nominalphrase bestehen, wie z.B. Arbeit und Hilfe leisten, oder aus einem Verb und einer Präpositionalphrase, wie z.B. zum Staunen oder Laufen bringen (vgl. Helbig/Buscha 2011: 68; Hinderdael 1985; Heidolph et al. 1984: 440). Zudem weisen einige Nomen der Gefüge die Fähigkeit zur freien Artikelwahl und zur Pluralbildung sowie die Möglichkeit zur Attribuierung auf, andere dagegen nicht (vgl. Helbig/Buscha 2011: 89f.; Heidolph et al. 1984: 441f.), vgl. z.B. die richtigen Entscheidungen treffen vs. *in die richtigen Fahrten kommen.

Engelen (1968) beispielsweise zählt nur präpositionale Verbindungen, wie zur Entscheidung kommen oder in Vergessenheit geraten, zum Gegenstandsbereich der Funktionsverbgefüge. Dagegen finden sich bei von Polenz (1963), Daniels (1963), Schmidt (1968) und Popadić (1971) sowohl präpositionale Gefüge als auch akkusativische, wie in Ordnung und zur Aufführung bringen oder Entscheidung treffen und Antwort geben. Welke (2007: 219), Helbig (1979: 274) und Kamber (2008: 22) rechnen zu Nomen-Verb-Verbindungen sowohl Verbalsubstantive, wie in Fahrt kommen von fahren, als auch Adjektivableitungen, wie in Gefahr sein von gefährlich. Die Definitionsproblematik ist jedoch nicht nur der Grund für die unterschiedlichen Ein- und Abgrenzungskriterien der Gefüge, sondern auch für die terminologische Vielfalt in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand:

 Funktionsverbformel (von Polenz 1963)

 Nominale Umschreibung (Daniels 1963)

 Streckform (Schmidt 1968)

 Funktionsverbgefüge (Engelen 1968, Herrlitz 1973, Persson 1975, Helbig 1979/1984, von Polenz 1987, Gautier 1998, Pottelberge 2001, Heringer 1988, Seifert 2004, Heine 2006, Storrer 2006a, Storrer 2006b, Storrer 2013, Kamber 2008, Zifonun et al. 1997, Burger 2015, grammis 2019: Elementare Prädikate1, Ágel 2017, Taborek 2018)

 Funktionsverbfügung (Heringer 1968, Bahr 1977)

 Analytische Verbalverbindung (Popadić 1971)

 Nominalisierungsverbgefüge (von Polenz 1987, Storrer 2006a, Storrer 2006b, Zifonun et al. 1997, grammis 2019: Elementare Prädikate2, Ágel 2017)

 Verbonominale Konstruktionen (Pottelberge 2001)

 Streckverbindungen (Heringer 1988)

 Streckverbgefüge (Storrer 2006b, Storrer 2013)

 Verbale Phraseme und singuläre Kollokation (Burger 2015)

 Kollokativgefüge (Ágel 2017)

Nach der Einteilung der Autoren und Autorinnen handelt es sich bei den in der vorliegenden Arbeit untersuchten Gefügen Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen (s. Kap. 2.1) nach Storrer (2006b, 2013, Taborek 2018) um Streckverbgefüge, nach Heringer (1988) um Streckverbindungen, nach Zifonun et al. (1999) um Nominalisierungsverbgefüge, nach Ágel (2017) um Kollokativgefüge und nach Kamber (2008) um Funktionsverbgefüge im weiteren Sinn. Die verschiedenen Termini können sich dabei auf den gesamten Gegenstandsbereich beziehen oder sie fokussieren einen bestimmten Subtyp der Nomen-Verb-Verbindungen.

Trotz der verschiedenen Herangehensweisen der Autoren und Autorinnen haben sich v.a. drei Definitionsansätze durchgesetzt: Erstens bezieht sich der Terminus ‚Funktionsverbgefüge‘ als Oberbegriff auf verschiedene Nomen-Verb-Verbindungen (vgl. z.B. Gautier 1998, Helbig/Buscha 2001/2011, Seifert 2004, Heine 2006, Kamber 2008), d.h. sowohl in Gang kommen, in Kontakt treten, in Frage stellen und in Kauf nehmen als auch Frage stellen, Schaden nehmen und Anwendung finden werden als Funktionsverbgefüge bezeichnet, auch wenn sie sich syntaktisch, semantisch und funktional voneinander unterscheiden (Abbildung 1). Zweitens wird in Anlehnung an von Polenz (1987) sowohl der Terminus ‚Nominalisierungsverbgefüge‘ als auch ‚Funktionsverbgefüge‘ verwendet (vgl. von Polenz 1987, Zifonun et al. 1997, Storrer 2006a, grammis 2018: Elementare Prädikate3, Ágel 2017). Als ‚Funktionsverbgefüge‘ werden lediglich die Konstruktionen bezeichnet, die sich durch den Ausdruck einer bestimmten Aktionsart vom entsprechenden Verb unterscheiden – Kontakt halten unterscheidet sich von kontaktieren durch den Ausdruck von Durativität (Abbildung 2). Mit ‚Nominalisierungsverbgefüge‘ werden dagegen verschiedene Nomen-Verb-Verbindungen als Oberbegriff zusammengefasst, also z.B. Antwort geben oder in Wegfall kommen. Drittens wird diese Unterscheidung mit ‚Nominalisierungsverbgefügen‘ als Oberbegriff und ‚Funktionsverbgefügen‘ als Terminus für einen bestimmten Subtyp durch einen weiteren Subtyp ergänzt: Funktionsverbgefügen, wie in Gang bringen oder in Wegfall kommen, werden Streckverbgefüge, wie Frage stellen oder Entscheidung treffen, gegenübergestellt (vgl. Storrer 2006b, 2013; Taborek 2018; Abbildung 3).4

Abbildung 1:

‚Funktionsverbgefüge‘ als Oberbegriff für Nomen-Verb-Verbindungen

Abbildung 2:

‚Funktionsverbgefüge‘ als Teilmenge von Nominalisierungsverbgefügen

Abbildung 3:

‚Funktionsverbgefüge‘ und Streckverbgefüge als Subtypen von Nominalisierungsverbgefügen

Die Gegenüberstellung von Gefügen, wie in Gang bringen oder in Wegfall kommen, einerseits und Nomen-Verb-Verbindungen, wie Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen, andererseits (Abbildung 3) basiert v.a. auf morphosyntaktischen und semantischen Unterschieden in Bezug auf den Grad der Festigkeit und Lexikalisierung des jeweiligen Konstruktionstyps, der sich beispielsweise a) in der Attribuierungsfähigkeit, b) der freien Artikelwahl, c) der Möglichkeit zur Pluralbildung und d) der Referenzfähigkeit der Gefüge manifestiert (vgl. Heidolph et al. 1984: 441f.; Helbig/Buscha 2011: 87ff.; s. Kap. 3; 4.2.1):5

a) Attribuierung

Gruppe 1 Gruppe 2
*in guten Gang bringen *in richtigen Wegfall kommen ?in schneller Bewegung bleiben gute Fragen stellen die richtigen Antworten geben wichtige Entscheidungen treffen

b) Artikelwahl

Gruppe 1 Gruppe 2
?in einen/den/keinen Gang bringen *in einen/den/keinen Wegfall kommen ?in einer/der/keiner Bewegung bleiben eine/die/keine Frage stellen eine/die/keine Antwort geben eine/die/keine Entscheidung treffen

c) Pluralbildung

Gruppe 1 Gruppe 2
*in (die/viele) Gänge bringen *in (die/einige) Wegfälle kommen *in (den/zahlreiche) Bewegungen bleiben (viele) Fragen stellen (einige) Antwort(en) geben (zahlreiche) Entscheidungen treffen

d) Referenzfähigkeit

Gruppe 1 Gruppe 2
*Das Auto wurde in Gang gebracht. Er/Der Gang… *Vergünstigungen kommen in Wegfall. Er/Der Wegfall… ?Man sollte immer in Bewegung bleiben. Sie/Die Bewegung… Die Fragen wurden erneut gestellt. Sie/Die Fragen… Er hat ihm Antworten gegeben. Sie/Die Antworten… Die Entscheidungen wurden getroffen. Sie…

Die Gefüge der Gruppe 1 (in Gang bringen) drücken eine Aktionsart aus und verhalten sich syntaktisch wie Phraseologismen im engeren Sinn (vgl. Burger 2015: 57/161; Helbig/Buscha 2011: 69f.), d.h. die Gestalt der Konstruktionen ist in Bezug auf die Möglichkeit zur Attribuierung, Artikelwahl und Pluralbildung festgelegt und die Konstruktionen sind nicht referenzfähig.6 Die Verbindungen aus Gruppe 2 weisen eine starke Bedeutungsähnlichkeit zum Basisverb auf (vgl. grammis online 2018:7 Nominalisierungsverbgefüge; Hoffmann 2017: 225; Heringer 2014: 115) und verhalten sich im Satz wie freie Wortverbindungen aus Nomen und Verben (vgl. Helbig/Buscha 2011: 88ff.; Storrer 2006b: 286), d.h. sie sind attribuierbar, der Artikel ist frei wählbar, Pluralbildung ist möglich und die Nomen der Gefüge sind referenzfähig – sie können also je nach kontextuellen Gegebenheiten und Erfordernissen verändert und angepasst werden.

Durch die obigen Beispiele zu in Bewegung bleiben und der Bedeutungsveränderung in in einer/der Bewegung bleiben von unspezifischer zu spezifischer Lesart und der dadurch möglichen Referenzfähigkeit wird deutlich, dass auch Konstruktionen der Gruppe 1 einen geringeren Grad an Festigkeit und Lexikalisierung aufweisen können, d.h. auch Gefüge der Gruppe 1 – Funktionsverbgefüge im engeren Sinn – , können mehr oder weniger fest und lexikalisiert sein. Ich schlage deswegen eine skalare Betrachtungsweise der verschiedenen Konstruktionstypen nach ihrem Festigkeits- und Lexikalisierungsgrad vor, von links nach rechts mit absteigendem Grad:

Abbildung 4:

Mehrworteinheiten nach Grad der Festigkeit und Lexikalisierung

Den linken Endpunkt der Skala in Abbildung 4 bilden Phraseologismen, die sich durch ihre übertragene Bedeutung von Funktionsverbgefügen unterscheiden (vgl. Tao 1997: 26f.; Helbig/Buscha 2011: 69f./85), sie teilen aber mit einigen Gefügen Eigenschaften: In grün hinter den Ohren sein und in Gang bringen ist beispielsweise die Artikelwahl und die Möglichkeit zur Pluralbildung festgelegt und die Nomen sind nicht referentiell zu verstehen (vgl. Burger 2015: 17f.;/19ff.; Basarić/Petrič 2015: 183), vgl. ?in die Gänge bringen. Die Gänge… und ?grün hinter dem Ohr sein. Das Ohr… .8

Abstufungen finden sich z.B. in der Attribuierung von in schnelle Vergessenheit geraten oder große Anstrengungen unternehmen. Rechts in der Skala stehen Konstruktionen mit einem niedrigen Grad an Festigkeit und Lexikalisierung. Den rechten Endpunkt bilden Kollokationen (vgl. Burger 2015: 38), wie Zähne putzen, die sich von Funktionsverbgefügen dadurch unterscheiden, dass es sich bei den Lexemen Zähne und putzen im Saussure’schen Zeichenbegriff um mehrere Signifikate und Signifikanten handelt (vgl. Saussure 1967), die nicht mit einem bedeutungsverwandten Lexem in Relation stehen, wie z.B. *zähnen im Sinne von ‚Zähne putzen‘. Dagegen korrespondieren Frage stellen, Anstrengungen unternehmen und in Vergessenheit geraten beispielsweise mit fragen, sich anstrengen und vergessen (vgl. Helbig/Buscha 2011: 69; Tao 1997: 12ff.).

Wie ich im Ergebnisteil der vorliegenden Arbeit zeigen werde, können weniger lexikalisierte und feste Gefüge, wie Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen verschiedene Verknüpfungsrelationen im Text herstellen, wie z.B. die Wiederaufnahme von oder den Verweis auf vorerwähnte oder nachstehende Informationen im Text: Sie haben die Frage gestellt, sie wurde aber nicht beantwortet (s. Burger 2015: 161; Gautier 1998). Es wäre jedoch denkbar, dass auch die linkspositionierten und festeren Gefüge, bestimmte Leistungen im Textzusammenhang entfalten können, wie z.B. in:

Die Maschine wurde in Gang gebracht – das In-Gang-bringen hat lange gedauert;

Die Opfer sind in Vergessenheit geraten – das Vergessen schreitet schnell voran;

Sie sind miteinander in Kontakt getreten – Der Kontakt hielt lange an.

In (1) bezieht sich das In-Gang-bringen rückwärtsgewandt auf in Gang bringen, das Vergessen auf Vergessenheit in (2) und Kontakt auf das Nomen des Gefüges in Kontakt kommen in (3). Da sich die Gefüge durch eine starke Heterogenität auszeichnen, ist die in Abbildung 4 präsentierte skalare Betrachtungsweise von unterschiedlichen Typen von Funktionsverbgefügen in Bezug auf ihren Grad der Lexikalisierung und Festigkeit nicht in regelmäßigen Abstufungen aufzufassen, sondern vielmehr mit sich kreuzenden Merkmalen, wie z.B. der Möglichkeit zur Attribuierung von bspw. große Anstrengungen unternehmen oder in lange Vergessenheit geraten trotz ungrammatischer Singular- bzw. Pluralform bspw. in *eine Anstrengung unternehmen oder *in Vergessenheiten geraten. Und weil sich textuelle Leistungen womöglich gar nicht nur auf einen spezifischen Typus von Nomen-Verb-Verbindungen beziehen können, sondern auch auf andere Arten von Gefügen, wähle ich für die Zwecke der Untersuchung von Nomen-Verb-Verbindungen auf ihre Leistungen im Textzusammenhang die weite Definition nach Kamber (2008: 22ff.; s. Abbildung 1).

Im Folgenden bezeichne ich die Gefüge Frage stellen, Antwort geben und Entscheidung treffen als Funktionsverbgefüge, die sich aus den Funktionsverben stellen, geben und treffen und den nominalen Komponenten Frage, Antwort und Entscheidung zusammensetzen. Analog zu ‚Funktionsverb‘ verwende ich den Terminus ‚Funktionsnomen‘ (Wotjak/Heine 2007, Basarić/Petrič 2015). Der semantisch-funktionale Vergleich von Funktionsverbgefügen und ihren Basisverben bildet die Basis für verschiedene Forschungsarbeiten und Positionierungen sowohl von Laien als auch Expert*innen, die im folgenden Abschnitt vorgestellt werden.

Leistungen von Funktionsverbgefügen im Text

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