Читать книгу Predictive Analytic und die Haftung für fehlerhafte Ergebnisse gegenüber betroffenen Einzelpersonen - Susanne Mentel - Страница 15
3. Erweiterte Scoring-Verfahren
ОглавлениеDie Vorgehensweise von Scoring-Verfahren ist jedoch nicht, wie eingangs bereits erwähnt, auf die Vorhersage von Kreditwürdigkeit beschränkt. Mit dem Stichwort „Scoring 2.0“44 oder „Scoring im weiteren Sinne“ werden seit längerem Anwendungsfälle bezeichnet, die weit über die Vorhersage von Bonität hinausgehen.45 Gerade in den letzten Jahren konnte ein Trend beobachtet werden, nach dem klassische Scoring-Verfahren auf verschiedenste Lebensbereiche ausgeweitet wurden.46 Das Prinzip des Scorings, als Einordnung eines Sachverhaltes oder einer Person in ein Ranking, ist heute Bestandteil des alltäglichen Lebens. Ein prominentes Beispiel hierfür ist das Ergebnis einer Suchanfrage bei Google. Das Ranking, welches der Google-Algorithmus von den gefundenen Suchergebnissen erstellt, ist nichts anderes als die Prognose einer Wahrscheinlichkeit, was den Nutzer in diesem Moment interessieren könnte.47 Eine solche Vorhersage von Interessen kann auch zu Marketingzwecken verwendet werden, wenn herausgefunden werden soll, welches Produkt ein Kunde demnächst kaufen will. Derartige Scoring-Verfahren sind auch unter dem Namen Predictive Behavioural Targeting bekannt.48 Durch die enorm gestiegenen technischen Möglichkeiten und die Verfügbarkeit vielfältiger Datenquellen, hat in den letzten Jahren der gesamte Bereich des Marketings Scoring-Verfahren für sich entdeckt. Neben dem Marketing nutzen auch Vertriebsabteilungen Wahrscheinlichkeitswerte, um den Erfolg von Märkten, Standorten und Zielgruppen zu untersuchen. Gleichwohl es sich bei solchen Fällen nicht um klassisches Kredit-Scoring handelt, ist die Methode von derartigen Verfahren mit dem der Bonitätsvorhersage vergleichbar. Überschneidungen werden auch dadurch deutlich, dass Auskunfteien wie die Creditreform solche Markt- und Standortanalysen neben ihren standardmäßigen Bonitätsauskünften anbieten.49 Hinzu kommt, dass sich auch andere menschliche Verhaltensweisen, über Bonität und Kaufinteressen hinaus, mittels Scoring-Methoden prognostizieren lassen. Erwähnenswert sind dabei vor allem die Versuche der Versicherungsbranche mittels datengetriebener Vorhersagen die Risiken ihrer Versicherten besser einzuschätzen und ihren Tarif dementsprechend anzupassen.50 Immer größerer Beliebtheit erfreuen sich auch Scoring-Verfahren für die Bewertung von Arbeitnehmern.51 Diese und viele weitere Beispiele machen deutlich, dass Scoring-Verfahren nicht mehr nur auf die Vorhersage von Kreditwürdigkeit beschränkt sind. Der Anwendungsbereich von Wahrscheinlichkeitsprognosen wandelte sich immer mehr hin zu einer generellen Bewertung menschlichen Verhaltens.52