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Kapitel 5

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Noch immer stand Andrej vor dem Absperrband am Weg hinter dem Deich und ließ die Besucher erst auf ausdrückliche Anweisung seines Chefs passieren. Als Rike den angenagelten Schädel sah, ahnte sie, dass dies alles andere als ein netter Ausflug werden würde. Sie versuchte, sich auf die Schnelle alte Fälle ins Gedächtnis zu rufen, es war selten, dass die Täter ihre Opfer zerstückelten. Fälle mit abgetrennten Köpfen hatten sie nur theoretisch in der Polizeischule behandelt.

»Was für eine Tatwaffe wurde wohl hier benutzt?«, fragte sie Volker Hendrichs. Der kleine rundliche Mann mit Vollbart, der in einem weißen Overall steckte, zuckte mit den Schultern. Geschwätzigkeit konnte man ihm nicht gerade vorwerfen. Das war Rike aber allemal lieber als die makabren Witze, die einige Kollegen gerne rissen, am Tatort oder bei der Obduktion. Wohl ihre Art, Distanz zu den Ereignissen und den grausamen Schicksalen zu schaffen, aber Rike konnte mit diesem Versuch, die schrecklichen Bilder ihres Berufes zu verarbeiten, nur wenig anfangen.

Der Inselbürgermeister riss sie aus ihren Gedanken. »Das war noch nicht alles.« Er führte sie über die Brücke, an deren Geländer der Schädel aufgespießt war, auf einen kleinen Friedhof, auf dem Holzkreuze um einen Gedenkstein mit einer Inschrift standen, und zeigte ihr den Körper dahinter. »Kennen Sie den Mann?«, fragte sie König.

»Das ist nicht schwierig bei 30 Einwohnern.«

Rike wurde ungeduldig: »Name, Alter, Anschrift – ginge es denn bitte etwas genauer?«

König schüttelte entschuldigend den Kopf. »Sie müssen wissen, das ist mein erstes Mal … äh, mein erster Mord … als Bürgermeister. Hier passiert sonst nicht viel.« Er zeigte auf den Toten: »Das ist Peter Hein, er betrieb den Laden und die Gastronomie am Leuchtturm. Geschieden.« Rike notierte die Personalien und die Namen der Angehörigen, nachdem sie die Taschen des Opfers durchsucht hatte. Kein Handy, keine Papiere, kein Portemonnaie.

»Wir müssen den Toten abkleben, um die Faserspuren zu sichern«, sagte sie zu Hendrichs. »Er muss noch heute Abend nach Butenfeld, wenn wir hier fertig sind.« Das war ihr interner Name für die Gerichtsmedizin, nach der rückwärtigen Anfahrtsstraße für die Leichenwagen am Universitätsklinikum Eppendorf benannt, wo die Klienten der Mordkommission eingeliefert wurden. Der Hubschrauber stand bereits auf dem Landeplatz bereit, sie hatte die beiden Kollegen Robert Galinowski und Mareike Schmidt nur kurz empfangen und dann damit beauftragt, Wohnung und Arbeitsort des Opfers auf mögliche Kampfspuren und Auffälligkeiten zu überprüfen und dann zu versiegeln. Der Inselcowboy hatte die beiden zu dem Haus gebracht, das sich direkt neben dem Leuchtturm befand. Volker Hendrichs war noch damit beschäftigt, die Faserspuren am Körper des Toten zu sichern und den Tatort aus allen Perspektiven aufzunehmen. Sie würde die unangenehme Aufgabe übernehmen, die Angehörigen zu benachrichtigen und außerdem die Personendaten des Opfers prüfen.

Auf dem Weg zum Leuchtturm, wo sie wohnen und ihr provisorisches Büro einrichten sollten, überlegte sie. Was für ein schauriger Ort, dieser Friedhof der Namenlosen. Der Inselbürgermeister hatte ihr erklärt, dass dort bis zum Zweiten Weltkrieg alle Toten bestattet worden waren, die das Meer an den Strand der Insel gespült hatte. Warum hatte der Mörder den Toten ausgerechnet dort abgelegt? Dann dachte sie an den Kopf, der auf den Zaun genagelt worden war. An irgendetwas erinnerte sie dieses Bild. Sie dachte angestrengt nach, was für Fälle sie an der Polizeiakademie behandelt hatten. Diese Art, den Toten zur Schau zu stellen, hatte sie irgendwo schon einmal gesehen.

Störtebekers Erben

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