Читать книгу Störtebekers Erben - Susanne Ziegert - Страница 17
Kapitel 12
ОглавлениеGlücklich schloss Rike die Tür ihres weißen Hauses auf, öffnete die Fensterläden und ließ etwas Luft hinein. Diese duftete noch immer nach Lavendel und Rosen, zumindest diese Pflanzen ihrer geliebten Großmama hatte sie nach deren Tod retten können.
Jetzt lebte sie schon seit 14 Jahren in dem früheren Fischerhäuschen im Treppenviertel von Blankenese. Damals schien ihr Hamburg einfach wie die große weite Welt, und sie war froh, bei der Omama eine Bleibe zu finden, als sie als unerfahrenes Erstsemester vom Lande in die Großstadt kam. Zwölf Jahre hatten sie zusammengelebt, und es waren die glücklichsten Jahre in Rikes Leben. Die Omama hatte ihr beigestanden, als sie sich traute, ihren eigenen Weg zu gehen.
Es war eine schwierige Entscheidung, die sie noch stärker von ihrer Familie in Soltau, einem südlich von Hamburg in der Lüneburger Heide liegenden Städtchen, entfremdet hatte, als sie beschloss, die Juraausbildung an den Nagel zu hängen und sich an der Polizeiakademie zu bewerben.
Eigentlich war sie als Nachfolgerin im Notariat ihres Vaters vorgesehen gewesen. Der hatte sich irgendwann damit abgefunden, dass er »nur zwei Töchter« bekommen hatte, wie er sich ausdrückte, und keinen Stammhalter. Aber dann hatte er sich mit der Idee versöhnt, dass seine Tochter Friederike die Kanzlei und die Rolle als örtliche Honoratiorin übernehmen würde. Rike hatte das Jurastudium gelegen, sie lernte fast mühelos Paragrafen und Fälle, schrieb bei den Klausuren Bestnoten und hatte keinerlei Probleme, ein Referendariat bei Waissmayr, dem berühmtesten Strafverteidiger Hamburgs, zu bekommen. Doch bei der praktischen Arbeit war sie gleichsam vom Glauben abgefallen. Natürlich war es die Pflicht des Verteidigers, all diese Totschläger, Vergewaltiger oder gar Mörder zu vertreten. Aber Rike konnte sich nicht damit abfinden, von Berufs wegen auf der falschen Seite stehen zu müssen. Nach fünf Monaten übergab sie dem völlig perplexen Waissmayr ihre Kündigung, er hatte gedacht, dass sie sich abwerben lassen hatte, und wollte nicht glauben, dass eine so brillante Studentin tatsächlich in die schlecht bezahlte Beamtenlaufbahn bei der Polizei wechseln wollte. Rike hatte auch ihre privaten Gründe für den Wechsel, die sie allerdings geheim halten wollte.
In der Heide, bei ihrer Familie, hatte sie sich erst wieder sehen lassen, als sie schon das erste Jahr an der Polizeiakademie hinter sich hatte. Ihr alter Herr hatte getobt, gebettelt und schließlich angekündigt, sie zu enterben. Ihre Mutter hatte nur vorwurfsvoll geschluchzt. Und ihre Schwester Felicitas schien das Spektakel zu genießen. »Sieh an, die Streberin … bald in blauer Uniform.«
Das war der vorletzte Kontakt, bis sie schließlich auf Omamas Beerdigung wieder mit ihrer Familie zusammentraf. Dass die alte Dame ihr Hamburger Häuschen an Rike vererbt hatte, trug nicht unbedingt zu einer Verbesserung des Verhältnisses bei.
Wie sehr erinnerte sie alles hier an Omama, die ihr noch bei vielen Gelegenheiten fehlte. Aber immer in einem solchen Moment, wenn sie die Traurigkeit und das Gefühl der Einsamkeit überfielen, kam ihr tollpatschiger verspielter Vierbeiner und warf ihr einen unwiderstehlichen Blick zu. Er stupste Rike an und legte ihr bettelnd seine schmutzige Pranke auf den Schoß, um sie zu einer kleinen Tour an den Elbstrand zu überreden. Prinz hatte ein sehr feines Gespür für die Gemütsregungen seines Frauchens. Auch heute sprang er ungeduldig um sie herum und hatte sein neuestes Lieblingsspielzeug, ein halb zerkautes Stoffkrokodil, im Maul, das er überall hin mitschleppte. Hinter dem fröhlich bellenden Hund lief sie die kleine Gasse vor ihrem Haus entlang und stieg dann eine der vielen Treppen, denen das Viertel seinen Namen verdankte, hinab zum Strand. Von unten sah ihr Treppenviertel in Blankenese mit seinen in den Berg hinein gebauten weißen Fischerhäusern fast aus wie ein kleines griechisches Dorf auf einer Mittelmeerinsel. Früher fuhren hier fast alle Männer zur See, die Frauen hielten am Ufer Ausschau und warteten manchmal vergeblich. Aus dem armen volkstümlichen Viertel war mittlerweile eine wohlhabende Wohngegend geworden. Wenn es nicht einen chronischen Mangel an Parkplätzen gäbe, würden wohl noch mehr Porsches und dicke Geländewagen vor den Häusern parken.
Als sie mit Prinz über den Sand entlang der Elbe schlenderte, kehrten Rikes Gedanken zum Fall zurück. Erst hatte es keinerlei Ansatzpunkte gegeben, aber dann hatten sich die Touristen gemeldet, die den Verdächtigen abends zum Friedhof gehen gesehen hatten, und ihn identifiziert. Bei der Hausdurchsuchung am Vortag hatten sie bei ihm 50.000 Euro und eine Quittung von Hein gefunden, die bestätigte, dass er das Geld erhalten hatte. Sie wurden gerade noch auf Fingerabdrücke untersucht. Hoffentlich konnten sie noch DNA-Spuren isolieren, und stimmten diese überein, dann konnten sie die Akte schließen. Auch wenn noch wesentliche Fragen offenblieben. Computer und Handy des Inselkaufmanns fehlten, das Haus war von Einbrechern durchsucht worden, nachdem sie die Siegel angebracht hatten. Sie hatten auch die Frage nicht klären können, was der Historiker von Hein gewollt hatte und weshalb er bereit war, diesem so viel Geld zu bezahlen.