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Bottichspielchen

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Nun aber zurück zur kalten Jahreszeit. Wie vorhin schon erwähnt, war es noch Winter und dazu auch so richtig schön frostig. Eines Abends half ich wieder im Stall mit. Normalerweise befinden sich in den Boxen für die Pferde auch Tränken. Damit sie aber nicht einfrieren, wurde das Wasser für diese abgestellt und die Leitungen leerlaufen gelassen. Die Pferde wurden nun über große, mit Wasser gefüllte Bottiche versorgt. Diese werden jeden Morgen und Abend dann per Hand und Gartenschlauch befüllt. Vorher muss, wenn es denn so ist, die sich darauf gebildete Eisschicht entfernt werden. Normalerweise wird die Arbeit immer zu zweit erledigt, aber an diesem Abend hatte Chris einen dringenden Termin und ich stand nun mit meinem Gartenschlauch so gefühlten 20 Bottichen mit Eisschicht bei hübschen Minusgraden alleine gegenüber.

Als erstes kam nun die Box, in der auch Big-Boy zusammen mit anderen Pferden stand, dran. Diese ist eigentlich eine Doppelbox mit angeschlossenem Paddock. In dieser waren zwei Bottiche zu befüllen. Also ging ich frischen Mutes ans Werk. Eisschicht entfernen, Schlauch in den ersten Bottich und Wasser marsch. Mit Eis und Frost hab ich gerechnet, mit dem Big-Boy-Spaßfaktor aber nicht. Da das Ganze eine Weile dauern würde, ging ich schon mal zu den anderen Bottichen, die Eisschicht abfischen. Bei der dritten Box angekommen, bemerkte ich plötzlich einen Tumult in der ersten. Mit dem Gedanken „Was ist denn da schon wieder los?“ ging ich nichts ahnend hin und bekam gleich eine Dusche von oben. Zunächst war ich sprachlos. Da steht doch Big-Boy mit dem Schlauchende im Maul und hatte sichtlich Spaß daran, seine „Mitbewohner“ nass zu spritzen. Diese fanden das natürlich gar nicht so lustig und versuchten durch den Ausgang auf den Paddock zu entkommen. Dumm nur, das Big-Boy mit seinem alles ausfüllenden Hinterteil in der Türöffnung stand und seelenruhig mit seiner frostigen „Waschaktion“ weiter machte. Mit den Worten „Das gibt’s doch gar nicht!“ und „Was soll denn das!“ machte ich mich auf in die Box meinen Gartenschlauch zurück zu erobern, was sich als etwas heikles Unternehmen erwies. Nicht nur, weil ich immer noch etwas zu viel Respekt vor großen Pferden hatte, nein, hier „tänzelten“ drei davon herum und „Gigantus“ namens Big-Boy war nun wirklich nicht klein. Du musst dir das gefühlte Größenverhältnis so vorstellen. Du möchtest jemandem, der gefühlte 2,50 Meter groß ist, etwas aus der hochgehobenen Hand wegnehmen. Der versucht das natürlich zu verhindern, indem er zusätzlich noch mit seinen Füßen vor dir herum trampelt. Irgendwie ging dieser Plan nicht auf und es wurde langsam wirklich etwas sehr feucht in der Box. Also musste „Plan B“ her. Ich machte dem Spaß ein abruptes Ende, in dem ich den Schlauch weiter hinten einfach abknickte und dem „Möchtegern -Bade- und Duschmeister“ damit die Grundlage, nämlich das Wasser entzog. Hurra, der menschliche Geist hatte gesiegt. „Gigantus“ ließ, nachdem er mitbekommen hatte, dass er sprichwörtlich trockengelegt wurde, den Schlauch einfach fallen. Also zurück mit dem Schlauchende in den Bottich und gut ist. Damit er sein Spielchen nicht wiederholen konnte, hatte ich sogar „Plan C“ auf Lager. Ich blieb in der Stallgasse stehen und jedes Mal, wenn er den Schlauch erneut klauen wollte, war ich schneller und duschte ihm die Schnauze. Das fand er dann gar nicht so lustig. Ich aber schon…

Die Bottiche der nächsten Boxen konnte ich ohne Probleme mit Wasser füllen und ich dachte schon, wenn das so weitergeht, bist du bald fertig. Zeit wurde es auch, denn mit nassen Handschuhen und Hose macht es nun wirklich keinen Spaß mehr. Zu Deutsch, mir wurde langsam schei… kalt. Dass sich dieses aber gleich durch eine wirkliche Fitnesseinlage ändern würde, ahnte ich natürlich noch nicht. Ich war gerade dabei, den Bottich in Direx Box in einen kleinen Teich zu verwandeln und ging schon mal zum nächsten, das Eis entfernen. Hier stand damals Fanny, eine große schwarze Stute, die ich eigentlich noch nicht richtig kennengelernt hatte. Diese hatte das ganze bisherige Geschehen aufmerksam beobachtet und wartete, so dachte ich, geduldig auf die Befüllung ihres Bottichs, der war nämlich, bis auf eine Ladung Stroh, leer und stand auch „ordnungsgemäß“ in der rechten Ecke der Box. Soweit so gut. „Mit den Worten „Na so ein Schitt…“ ging ich in die Box und wollte den Bottich vom Stroh befreien. In dem Moment, als ich diesen greifen wollte, kam blitzschnell ein großer schwarzer Kopf, öffnete das Maul und biss in den Rand des Bottichs. Bevor ich überhaupt reagieren konnte, befand sich dieser in ihrem Maul hängend in der anderen Ecke der Box. Mit den Worten „Nö ne, so nicht!“ wollte ich mir diesen zurückholen. Aber nicht bei Fanny. Sie drehte sich noch weiter weg bis ich unmittelbar hinter ihr stand. In diesem Moment glaubte ich ihre Gedanken zu spüren „Komm doch, wenn du dich traust…“ Na gut, mir blieb weiter nichts übrig, als mich zu trauen. Dieses Mal ließ sie mich den Bottich greifen, ließ diesen aber nicht los. Hier hab ich zu spüren bekommen, wie viel Kraft so ein Pferd eigentlich hat. Ohne große Anstrengung zog sie den Bottich mit mir als „Anhängsel“ weiter durch ihre Box. Ich wehrte mich mit Leibeskräften, aber das erhöhte bei ihr wahrscheinlich nur den „Spaßfaktor“. Dabei passte sie aber enorm gut auf, mir nicht aus Versehen auf die Füße zu treten. So nach ca. zwei Minuten „Bottichtanz“ ließ sie diesen einfach los und ich durfte mich als Sieger fühlen. Wie gesagt, nur fühlen. In ihrem Blick konnte ich lesen „So, danke für das Spielchen, du darfst diesen jetzt voll Wasser machen.“ Ich verließ die Box mit den Gedanken „Ein Stall braucht Personal, Fannys haben welches.“ Obwohl meine vorher nassen Handschuhe, die ich zuvor auf dem Stahlrand der Boxentür „geparkt“ hatte, den Aggregatzustand von „stoffig-weich“ in „granit-hart“ gewechselt hatten, war mir nun nicht mehr kalt. Der Rest des Abends verlief dann „ohne besondere Vorkommnisse“ und „Banana-Joe“ kam auch noch zu Direx.

Zur Ehrenrettung von Fanny: Sie ist eine wohlerzogene und auch sehr menschenfreundliche Stute, die immer darauf bedacht ist, dass „ihrem Menschen“ nichts passiert. Sie hatte an diesem Abend nur etwas Lange Weile, da sie krankheitsbedingt mehrere Tage in ihrer Box bleiben musste. Wie menschenbezogen sie wirklich ist, habe ich vier Monate später erfahren dürfen. Dazu aber später mehr.

Von Levin und anderen Pferden

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