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UNTERWEGS AUF SAÔNE UND RHÔNE
ОглавлениеNur noch eine Schleuse, dann sind wir auf der Saône. Sie ist hier noch schmal und gewunden, aber wir können endlich mal wieder schneller fahren und nach dem vielen Wald in den Vogesen freie Sicht genießen. Auch die Vögel sind hier am Fluss wieder zahlreicher vertreten, etliche Silberreiher sind eifrig auf Nahrungssuche.
Die braven Volvo-Motoren schnurren voller Dankbarkeit in etwas höheren Touren, endlich können die Turbos nach vielen Kilometern Kanal-Schleicherei mal wieder freigepustet werden. Während der gesamten Fahrt hierher sind wir, wenn irgend möglich, nur mit einer Maschine gefahren, der Dieselverbrauch lag dadurch bei 1l pro km. Nicht alle Getriebe sind dafür ausgelegt, aber bei unseren ist das problemlos möglich. Unsere Neptunus ist auch so kursstabil, dass sie sogar in den engen Kanälen bequem mit der Selbststeuerung gefahren werden konnte. Wir sind sehr froh, dass die Maschinen trotz der wochenlangen langsamen Fahrten weder Ruß- noch Rauchzeichen gaben.
In Port sur Saône machen wir an der Ortspier neben einer Reihe kleiner Häuser fest, ein quirliger Liegeplatz. Hier ist Chartergebiet und entsprechend viele Boote legen zum Abend an. Wegen eines großen internationalen Folklorefestivals ziehen Scharen von fröhlichen jungen Leuten an den Schiffen vorbei. Wir schauen abends eine sehr temperamentvolle Veranstaltung der Latino-Americanos an, die Festatmosphäre hat den ganzen Ort erfasst.
Zwei große niederländische Flachbodenschiffe liegen hinter uns. Ihre Eigner, die ganzjährig auf ihren Booten leben und sich durch Schiffs- und Motorenpflege Geld verdienen, können viel über die Gegend erzählen, wo man gut anlegen, einkaufen und preiswert tanken kann.
Gleich an der ersten Schleuse erstehen wir am nächsten Tag frisch aus dem Gartenbeet der éclusière einen knackig grünen Salat. Was für ein Unterschied zu den armen blassen Gewächsen, die wir zuhause im Supermarkt bekommen! Eine kleine Schnecke gibt’s gratis dazu.
Auch auf der Saône funktionieren die Schleusen automatisch, allerdings mit einem anderen System:
Gut 100m vorher ist quer über den Fluss ein hohes Seil gespannt, daran hängt eine lange Stange. Diese muss man anfahren und einmal kräftig drehen. Dadurch wird ein Signal gesandt und der Schleusenbetrieb in Gang gesetzt.
An der Schleuse Rupt nimmt ein Maultier im wahrsten Sinne des Wortes die Leinen an, Schafe und Hühner stehen daneben und verfolgen aufmerksam das Schauspiel (Das glaubt mir keiner, wenn ich das im Club erzähle…). Ich kann gerade noch die Filmkamera aktivieren, da beginnt schon die Schleusung, und das Wasser fällt. Jörn steht Auge in Auge mit dem großen Maultier, er hält die Achterleine in der Hand, das Tier hat sie zwischen den Zähnen. Es sieht so aus, als wolle es an Bord springen. Das Wasser ist schon ein ganzes Stück gefallen, da kann das Maultier mit einem Brotknust bestochen werden und lässt endlich doch die Leine los.
Nachmittags unternehmen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch das zauberhafte Ray-sur-Saône: Keine Touristen, keine Souvenirgeschäfte, beschauliche Ruhe. Ein großes Schloss thront auf dem Hügel. Von oben hat man einen wundervollen Blick über das Flusstal, und überall grünt und blüht es. Feigen und Pfirsiche reifen an den Bäumen – wir nähern uns dem Süden!
Es läuft wie am Schnürchen auf dieser Strecke, denn den 2. Tunnel der Saône und die Schleusen bewältigen wir in zügigem Tempo. Wieder scheint die Sonne, und es weht ein laues Lüftchen.
Den „Geheimtipp“ der netten Holländer, den Anleger von Mantoche, kennen die Charterer leider auch. Es herrscht wuseliges An- und Ablegen. Das kleine Schloss, vor dem wir liegen, hat schon bessere Tage gesehen, der Ort wohl auch. Trotzdem hat dieser Liegeplatz an einer breiten Wiese einen ganz besonderen Charme.
Nachmittags wird uns ein kräftiger Schauer beschert, und es ist wieder nichts mit „dolsche vieta auffe Fleiingbritsch“. Mein Traum, mit einem bunten Cocktail dekorativ an Deck zu sitzen wird leider viel zu selten Realität. Jörn is taking advantage of free water (wie der Engländer aus Antigua so schön zu sagen pflegte) und putzt das Schiff.
Unsere „Kleentjes“, ein junges Paar mit einem offenen Minimotorboot aus Stuttgart, kühlen ihren Abschiedssekt bei uns an Bord, weil sie morgen mit Auto und Anhänger nach Hause müssen. Seit Épinal haben wir sie jeden Tag getroffen, und sie werden uns fehlen. Neben einem Zelt und Sektgläsern hatten die beiden sogar einen Sack mit Eichenholz an Bord für’s abendliche Lagerfeuer. Das Bötchen ist perfekt ausgerüstet.
Es ist Mitte August. Laut Revierführer sollen die schönsten Kurven der Saône folgen, aber wir sind nicht so begeistert. Zu viel dunkler Wald engt uns ein, wir wollen nach unserer Vogesentour lieber freie Sicht. Der Sporthafen von Pontailler ist geschlossen, die Pier belegt. Also fahren wir ein kleines Stück zurück und machen erstmals – und von mir sehr argwöhnisch betrachtet – neben einem Feld an Bäumen fest. Hier hat die Strömung eine Abrisskante geformt. „Geht auch!“, der Kapitän ist sehr zufrieden und badet zum ersten Mal nach langer Zeit wieder in einem Fluss. Dinah übt sich bravourös im Balancieren über Baumstämme. Unsere Kleine Münsterländerin nimmt alle Herausforderungen voller Freude an.
Den Nachmittag verbringen wir mit der Instandsetzung unseres wieder einmal nicht funktionierenden Signalhorns:
Abgebaut, Membran gereinigt, zusammengebaut: Kein Ton. Abgebaut, Gebrauchsanleitung studiert(!), zusammengebaut: Kein Ton. Abgebaut, reingeschaut, gewundert über gewaltigen, nach Honig riechenden Pfropfen. Was soll der? Soll der Wassereindringen verhindern? Verhindert er gar den Ton? Rausspülen des Pfropfens – zum Vorschein kommt fette Made = Pfropfen gehörte nicht ins Horn! Zusammengebaut, falsche(!) Gebrauchsanleitung zur Seite gelegt: Ton!!
Wir sind einfach gut.
Apropos gut: Um 08.30 am nächsten Morgen wirft Jörn etwas zu eilig die Leinen los – sofort und unkontrolliert wird das Boot von der Strömung erfasst. Ich muss hektisch die Festmacher an Bord ziehen, damit sie nicht in der Schraube landen. Nur fünf Minuten später touchieren wir die Schleuseneinfahrt und fahren einen sauschlechten Anleger. Das stimmt nicht gerade heiter, und nachdem der Capitain auch noch in den falschen Saône -Arm abgebogen war (zur Freude eines verdutzten Anglers) beenden wir diesen Törn, bevor Schlimmeres passiert und legen uns aufatmend an eine Abrisskante.
Mit Auxonne lassen wir auch Napoleon und sein Museum links liegen und fahren weiter zum Yachthafen von St. Jean de Losne. Werften und ein Yachtservice sind vor Ort. Hier haben viele Ausländer ihren ständigen Liegeplatz. Vor allem hat sich eine große Community aus Großbritannien gebildet, die es sich behaglich eingerichtet hat. In den Waschräumen gibt es eine Tauschbörse für Bücher und Klamotten, und regelmäßig werden Friseurtermine angekündigt. Am Schwarzen Brett hängen Einladungen zu Festen und Termine für Shopping-Ausflüge der Damen.
Eine gemütliche Fahrt führt uns weiter nach Seurre. Am Kopf eines Schwimmstegs liegen wir behaglich in Sonne und Wärme und genießen abends einen wunderbaren Blick auf Häuser und die romantisch angestrahlte Brücke. Das fühlt sich schon beinahe mediterran an.
Die nächste Station nach problemlos schnellen Schleusen ist die Stadt Chalon-sur-Saône mit einem richtigen Yachthafen und allem Komfort. Hier legen wir einen Ruhetag ein, kaufen herrlichen Käse und Wein und bei einem Traiteur traumhafte Crevette-Mousse in Aspik.
Ein alter ehemaliger Fischgroßhändler („man nennt mich einfach Père de Gray“) empfiehlt uns wärmstens ein Restaurant. Die Spezialität seien grenouilles. Jörn bestellt also mutig diese grenouilles, ohne zu wissen, was das ist. Als sein Teller kommt, erkenne ich sofort, von welchen Tieren diese kleinen Beinchen stammen. Aber erst nach einigen Hüpf - und Quak-Zeichen erkennt Jörn den Ernst der Lage. Er isst sie tapfer, die Froschschenkel á la provencale, allerdings mit sehr langen Zähnen.
Père de Gray sitzt gern auf einem Campingstühlchen auf dem Steg und hält eine Angel zum Baden in den Fluss. In den Ufersteinen soll eine sehr große Muräne wohnen. Der Sitzplatz ist strategisch gut gewählt, denn alle Stegnachbarn müssen an ihm vorbei, und jeder hält zu einem kleinen Schwätzchen an. Jörn kommt vom Einkaufen, in der Hand einen großen Blumenstrauß. Père de Gray möchte wissen, ob es etwas zu feiern gibt? Jörn daraufhin mit stolzgeschwellter Brust:“ Non, c’est presque normal!“ Nein, das sei ja fast normal. Der Franzose ist sehr beeindruckt, und ich versuche derweil zu ergründen, wann Jörn mich das letzte Mal mit einem Blumenstrauß erfreut hat…
Nach kurzer Fahrt erreichen wir das malerische Tournus. An Land locken eine kleine Platanenallee, mittelalterliche Häuser im Ort und eine sehr schöne Klosterkirche. Neben der Kirche ist im ehemaligen Dormitorium des Klosters eine hochkarätige Gemälde- und Skulpturenausstellung untergebracht. Der Maler ist anwesend, führt uns stolz herum und erzählt uns die Geschichten seiner Bilder. Was für ein beneidenswertes Ambiente!
Am Hafen baute leider inzwischen ein Jahrmarkt neben unserem Liegeplatz auf, es verspricht am nächsten Tag sehr laut zu werden. So verlassen wir Tournus, obwohl man von hier aus wunderbar mit dem Touristenbus zu einer Weinprobe hätte fahren können.
2 Jahre später werden wir auf unserer Herbstfahrt in den Norden wieder in Tournus vorbeikommen. Über Tage werden wir wegen eines starken Hochwassers zusammen mit zahlreichen Booten hier festliegen. Die friedlich mit 2-3km Strömung dahintreibende Saône ist also keine Selbstverständlichkeit.
Wir sind perplex: Wo sind die anderen Schiffe? Auf dem wunderschönen Flusslauf fahren wir praktisch allein, toll! Am Ufer gibt es viel zu sehen: Seidenreiher, Charolais-Rinder, Hüttchen für Entenjäger, es ist einfach zauberhaft. Und: Wir sehen in der Ferne die ersten Weinberge!
In Mâcon liegen wir wieder wie fast überall umsonst, hier sogar mit Strom- und Wasseranschluss. Am Schwimmponton, mit freiem Blick auf die Stadt und die Brücke St. Laurent, hat hinter uns ein holländisches Boot festgemacht. Der männlichen Besatzung werden, sehr zur Gaudi der Einheimischen, auf dem Steg die Haare geschnitten.
Mein Mann meint, wenn wir schon mal in einer richtigen französischen Stadt sind, müssten wir für mich auch etwas Modisches einkaufen. Nach langem Suchen kommen wir mit unserer Beute zurück an Bord: Ein langes rotes T-Shirt-Kleid für sage und schreibe 6,90€. Das darf man niemandem erzählen…
Kurz hinter Mâcon hält Jörn nichts mehr: Per Rad fährt er „ in den Wein“, er lässt sich dabei von unserem Navi TomTom führen. Nach mühevoller Suche landet er vor einem formidablen Schloss, das von zwei beeindruckend großen Deutschen Doggen bewacht wird. Zum Glück erscheint bald die Winzerin. Sie sperrt die Hunde ein und führt Jörn in ein riesiges Kellergewölbe neben dem Schloss. Hier lagert der Wein in großen Holzfässern und darf verkostet werden. Nach zwei Stunden kehrt mein lieber Mann im Auto der Winzerin mit zwölf Flaschen Beaujolais und seinem Fahrrad auf der Ladefläche beschwipst und glücklich zurück. Ein erfolgreicher Ausflug in die Weinberge von Chénas!
Inzwischen ist es schon Mitte August.Es ist kühl und windig, die Luft fühlt sich irgendwie herbstlich an. In Trévoux liegen wir aber angenehm in der Kalme und machen einen ausgedehnten Spaziergang in der parkähnlichen Landschaft am Fluss entlang und auf den Hausberg. Wir werden mit einem großartigen Blick auf das Sâonetal belohnt.
In Lyon gibt es leider nur einen kurzen Zwischenstopp an der Steinpier vor der Kathedrale. Wie gut, dass wir diese wunderbare Stadt schon von früheren Besuchen kennen, denn wir trauen uns nicht, das Schiff längere Zeit unbeaufsichtigt zu lassen. Unter den Yachties kursieren zu viele Geschichten über die dreisten Diebe von Lyon. So laufen wir notgedrungen getrennt durch die großartige Altstadt und besuchen den gigantischen, traumhaften Markt am Ufer.
In Lyon mündet die Saône in die Rhône, die auf den ersten Kilometern sehr vorsichtiges Fahren erfordert. „Passt auf mit das Holz!“ war der liebevolle Rat eines Belgiers, und richtig: Es treiben jede Menge dicke Baumstämme im Wasser, und die gilt es sorgfältig zu umfahren.
Die riesigen Rhône-Schleusen müssen per Funk angerufen werden, und endlich können einige der sorgfältig gelernten Vokabeln zum Einsatz kommen. Es ist aber nicht so einfach, das Schleusenpersonal zu verstehen. Die Mundart ist eine andere als in Paris, und es fällt uns schwer, aus dem schnellen Wortschwall die relevanten Vokabeln herauszuhören. Meistens wird wohl mitgeteilt, wie lange gewartet werden muss, welches Schiff zuerst einfahren darf, und an welcher Stelle festgemacht werden soll. Einige Male versuchen wir, nachzufragen. Aber das Ergebnis ist immer ein gleich schneller und genauso unverständlicher Text. Also legen wir uns brav an den Warte-Schwimmsteg, bis das grüne Einfahrtsignal leuchtet. Immerhin nehmen uns die riesigen Schleusen ohne nennenswerte Wartezeiten hinter einem großen Kreuzfahrtschiff auf. So kommen wir erstaunlich zügig voran.
Jörn hatte schon vor Antritt der Reise sorgfältig recherchiert, wo man an der Rhône das Boot während eines Heimaturlaubs liegenlassen kann. Neben der Sicherheit spielen dabei natürlich auch der Preis und die Verkehrsanbindung (Bahn oder Autovermietung) eine Rolle. Im Yachthafen von La Roche de Condrieu hatte er schon vor Wochen reserviert, und wir sind nun überglücklich über den wunderbaren Liegeplatz am Schwimmsteg.
Bei aller Schönheit, die wir auf dieser Strecke gesehen haben zieht es mich mit Macht nach Hause zu einem Urlaub vom Urlaub. Den letzten Abend verbringen wir mit einem bunt dekorierten Sundown unter südlicher Sonne an Deck und genießen noch einmal den grandiosen Ausblick auf den Fluss und die Weinberge am anderen Ufer.
Mit einem Mietwagen geht es zurück nach Hamburg. Für diese Oneway-Tour werden uns allerdings entgegen der Abmachung über 2000€ berechnet. Es kostet viel Schriftverkehr und die Einschaltung der europäischen Verbraucherzentrale, bis uns letztlich Wochen später doch ein Preis von nur 200€ zugestanden wird. Künftig werden wir die Leihwagen immer an der Grenze von Frankreich nach Deutschland tauschen. Das ist zwar mühsam, aber somit fällt nur der jeweilige Inlandspreis an. Reisen bildet.