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PROLOG EIN MOTORBOOT??
ОглавлениеAlle Frauen, die schon einmal im Frühjahr mitten in der Kieler Förde in den schlingernden Mast eines Segelbootes gekurbelt wurden, um mit klammen Fingern das Fockfall in 16m Höhe zu klarieren, werden mich verstehen können. Wer sein Baby auf der schrägen Koje bei Windstärke 5 am Wind wickeln durfte, wohl auch: Das Segeln fordert die ganze Frau.
Mein Mann Jörn und ich segelten 30 Jahre auf der Ostsee, von April bis in den Herbst hinein an fast allen Wochenenden und in den Ferien.
Hochzeiten von Freunden, Geburtstagsfeiern der Großeltern, sonstige hohe Würdentage? Oft hieß es: „Tut uns leid, aber wir sind unterwegs!“
Anfangs segelten wir noch zu zweit oder mit Gästen, später kamen die Kinder dazu, und als die beiden aus dem Gröbsten raus waren, noch ein Hund. Ausführlich bereisten wir Dänemark. Aber auch die Küsten von Norwegen und besonders Schweden hatten es uns angetan.
Unsere Kinder kannten die Namen der Butterdampfer, denen wir unterwegs begegneten, bevor sie einen VW von einem Opel unterscheiden konnten. Und der Hund rollte sich immer schon auf die andere Seite der Koje, wenn er von oben nur das Kommando “Klar zur Wende!“ hörte.
Da „wir“ gern schnell segelten, hatte unsere eigentlich eher gemütliche Hallberg Rassy 352 trotz praktischer Rollfock einen kompletten Satz Vorsegel und sogar einen Faltpropeller. Auch die spätere Bavaria 42 besaß 3 Genuas und einen Spinnaker von 120qm. Wir waren immer sportlich unterwegs.
Auf einem unserer Überführungstörns von der Ostsee ins Winterquartier in Hamburg, es war bereits November und Eiszapfen hingen an der Reling, wurden wir im Schneegestöber vor Glückstadt auf der Elbe von der Wasserschutzpolizei gestoppt. Auf unsere besorgte Frage, ob irgendetwas nicht in Ordnung sei kam nur: „ Nö, wir wollten nur mal sehen, welche Verrückten bei diesem Wetter noch unterwegs sind!“ Für das Anlegemanöver bei starkem Seitenwind brauchten wir ein paar Stunden später im Wedeler Yachthafen mehrere Versuche, weil die Stege vereist waren und ich mich nicht zu springen traute.
Aber je länger wir segelten desto mehr malte ich mir aus, was alles passieren könnte, und immer öfter sackte mir das Herz schon vor dem Törn in die Hose.
Als wir dann eines Tages im Kattegat auf dem Weg nach Anholt den Spinnaker setzten, um vor einem düster aufziehenden Gewitter noch schnell in den schützenden Hafen zu kommen, beschlich mich doch der Gedanke, dass das Leben vielleicht noch andere schöne Erlebnisse bereit hielt, die gern noch etwas mit Wasser, aber nichts mehr mit Segeln zu tun haben würden. Oder anders ausgedrückt: Ich hatte mal wieder fürchterliche Angst.
Wir preschten unter voller Beseglung in den Vorhafen von Anholt, und die Zuschauer applaudierten auf der Mole. Für mich stand nun aber endgültig fest, dass die Zeit reif für einen Wechsel war.
Jedenfalls für mich...
Die „Wechseljahre“ dauerten nämlich etwa zwei Jahre, bis mein Mann endlich etwas widerstrebend buchstäblich die Segel strich und sich zu einem Motorbootversuch bereit erklärte.
Glücklich buchte ich das letzte noch freie Charterboot in der Müritz-Elde-Wasserstraße in Mecklenburg-Vorpommern, einen 11m langen Stahlverdränger. Wir lernten auf der guten alten, miefigen, lauten „Cassandra“ das Motorbootleben kennen. 14 Tage tuckerten wir gemütlich durch die Kanäle, genossen das quallenfreie Süßwasser, schwellfreies Ankern, die Nähe zur Natur, und wenn es mal wehte, hatten wir keine hohen Wellen. Dieses Binnenrevier war ein völlig neues Reiseerlebnis, und: Es gefiel uns! Es gefiel uns so sehr, dass wir uns auf die Suche nach einem passenden Motorboot begaben.
Nur ist für eingefleischte Segler schon der Gedanke an den Umstieg auf ein Motorboot eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Unsere Freunde reagierten entsprechend ungläubig, als wir von unseren Plänen berichteten. Denn auch wir hatten natürlich wunderschöne Anekdoten von den Goldkettchen und Kapitänsmütze tragenden „Schwellmakern“ erzählt. Legendär ist unsere Geschichte von einem Motorboot aus Travemünde, das wir irgendwo im Kattegat, weitab von Land, trafen:
Frage an uns über Lautsprecher:“ Wo bitte geht es hier nach Anholt?“ Fassungslos zeigten wir in die ungefähre Richtung, worauf man sich artig bei uns bedankte und röhrend davon sauste…
Auch als wir später schon jahrelang mit einem Motorboot unterwegs waren, versäumte es mein lieber Mann nie, beim Schnack auf der Pier schnellstmöglich einzuflechten, dass er jahrzehntelang gesegelt sei. (30 Jahre! Aber, leider, meine Frau…) So richtig wahrgenommen wurden wir von den Seglern unter den Wassersportlern auch erst wieder, als wir eine schmucke kleine Rennjolle unter den Davits hängen hatten. Wenn Jörn im Trockenanzug lässig von der Badeplattform unseres Motorbootes ablegte und mit der spritzigen Jolle sportlich aus dem Hafen sauste, schaute so mancher Dickschiffsegler wehmütig zu. Und Jörn war glücklich.