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Das Pinguin-Prinzip

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Beschränkter Blick, mangelnde Planungso geht es mit unserer Wirtschaft abwärts.

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leich und gleich gesellt sich gern." „Gegensätze ziehen sich an." Der Volksmund hat für jede Lebenslage einen Spruch. Für die deutsche Wirtschaft galt lange Jahre aber nur die alte Personalerweisheit: „Pinguine stellen Pinguine ein!" Oder, um mit Siemens-Chef Peter Löscher zu sprechen, der sein Amt im Jahr 2008 in München mit einem frischen Blick von außen antrat: Die deutschen Führungsetagen sind „zu weiß, zu deutsch, zu männlich".

Warum war und ist das in vielen Teilen der Wirtschaft so? Wir Deutschen sind Exportweltmeister, viele Firmen sind innovative Weltmarktführer, Deutschland gilt als das Land der Denker und Tüftler, und wir sind aufgrund unserer jüngeren Geschichte eigentlich sehr politically correct. Und was uns an Feingefühl in Bezug auf Diskriminierung fehlte, haben wir uns von den Amerikanern abgeschaut. Warum waren und sind die Rekrutierungsmechanismen bei uns so beschränkt?

Weil es bequem war und vielerorts noch ist … Sie kennen das alle. Heterogene Teams sind schwierig zu managen. Kollegen zu haben oder Mitarbeiter zu führen, die sehr unterschiedlich sind, andere Backgrounds haben als man selbst, ist herausfordernd. Das fängt bei der anderen Universität und dem Kleidungsstil an und geht über das Geschlecht bis zu Hautfarbe und Religion. Nur: Frische, freche Meinungen und Ideen kommen bei Einfältigkeit nicht auf.

Weil es Tradition war und noch ist … Die Biedermeier-Familie: Er geht das Geld verdienen, und sie kümmert sich um Küche, die (zwei) Kinder, Kirche. Klappt das nicht, ist sie eine „Rabenmutter" oder er ein „Weichei", und die lieben Kleinen sind „Schlüsselkinder". Schrecklich schöne deutsche Begriffe.

Weil sorgloser Wohlstand herrschte … Die Wirtschaft wuchs, die Produktivität stieg durch technischen Fortschritt, die internationale Konkurrenz war überschaubar, und die eigenen Ansprüche waren bescheiden. Da konnte einer allein gut und gerne mit der Vier-Tage-Woche bei Volkswagen die Familie ernähren, sich im besten Alter in die Rente verabschieden und die ausgebildete Frau den Herd, das Heim und die Hobbys hüten.

Mit Bequemlichkeit, Tradition und Wohlstandssorglosigkeit haben wir uns den Fachkräftemangel eingebrockt. Und dieser kommt uns schon jetzt (und zukünftig noch mehr) teuer zu stehen. Im Jahr 2025 werden Prognosen zufolge 6,5 Millionen Arbeitskräfte fehlen. Ein großes Potenzial liegt bei den Frauen. Ein Viertel der Frauen im erwerbsfähigen Alter ist nicht berufstätig, das sind rund sechs Millionen.

Wie lange können und wollen wir es uns als Volkswirtschaft noch leisten, mehr als die Hälfte der Hochschulabsolventen zu ignorieren? Denn die gut ausgebildeten Frauen finden sich nicht in den Führungsetagen wieder. Das Geld, das die Gesellschaft für die Bildung dieser Frauen ausgegeben hat, ist damit schlecht investiert.

Dass unsere Welt so einfältig bleibt, wie es Thomas Sattelberger, der politisch denkende Primus unter den Personalchefs (Continental, Deutsche Telekom), mit seinem Statement „Karrieren werden beim Pinkeln gemacht!" auf den Punkt gebracht hat, kann nicht unser Ziel sein. Denn diese Aussage bezeichnet ja nicht nur die deutsche Männer AG. Darin kommt auch zum Ausdruck, dass es keine langfristige Personalstrategie gibt, sondern nur beiläufiges Handeln und intuitiven Aktionismus. So lösen wir den Fachkräftemangel bestimmt nicht.

Und, ach ja, der natürliche Lebensraum der Pinguine ist die Antarktis.

Erschienen am 17.06.2011 im Handelsblatt

Faktor Mensch

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