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Den Chef der Feuerwehr hatte Kristina schon flüchtig kennengelernt, auf einer Tagung für Führungskräfte, die von der Gemeinde auf einer der Finnlandfähren veranstaltet worden war. Etliche Teilnehmer laborierten bis heute an ihrem Kater.

Nicht so Laszlo Hindeguti. Er stammte von ungarischen Eltern ab, die nach dem mißglückten Aufstand von 1956 ihr Land überstürzt verlassen hatten, war aber in Schweden geboren. Er hatte im Brandschutz Karriere gemacht, obwohl weder seine Vorgesetzten noch seine Untergebenen seinen Namen aussprechen konnten. In stiller Übereinkunft nannten sie ihn Puskas, nach dem legendären ungarischen Fußballspieler.

Puskas brachte eine Taucherin vom Lebensrettungsdienst mit und vier Feuerwehrmänner, die ein Rettungsboot der leichteren Bauart trugen.

Ihre Fahrzeuge hatten sie dreihundert Meter von der Unfallstelle entfernt parken müssen. Der Volvo der Polizei war schon vorher in einer tiefen Wasserpfütze steckengeblieben, die der Regen der letzten Wochen hinterlassen hatte.

Das Team machte sich an die Arbeit, ohne ein Wort zu verlieren. Jeder wußte offenbar, was er zu tun hatte. Das Boot wurde ins Wasser gesenkt, die Taucherin kletterte an Bord, zwei Feuerwehrmänner folgten ihr. Sie paddelten einige Meter auf den See hinaus, hielten an und schauten nach oben, zum Chef. Er nickte zustimmend. Die Taucherin machte sich fertig und sprang.

Das alles dauerte etwa drei Minuten. Kristina konnte nicht umhin, die Leute zu bewundern, und schüttelte respektvoll den Kopf. »Das einzige, was an einem solchen Tag noch funktioniert«, dachte sie, »ist die Feuerwehr.«

Eine Schar Schwalben zog über den Himmel, in Formation wie ein Kampfgeschwader. Sie flogen mit normaler Wandergeschwindigkeit, sie hatten eine lange Reise vor sich. Ihr Schatten zeichnete sich als großes V auf dem See ab.

Niemand sagte etwas.

Malena Persson, dreiundzwanzig Jahre alt und eine der wenigen Frauen unter den Berufstauchern, war unterwegs zu dem gesunkenen Flugzeug. Schon nach drei Metern konnte sie außerhalb der Zone, die ihre Lampe erfaßte, nichts mehr sehen. Der See war stark verschmutzt, auch wenn in der Öffentlichkeit nie darüber geredet wurde.

Sie mußte einen Felsvorsprung umrunden und ging vorsichtig tiefer. Man weiß nie, was auf dem Grund eines Sees liegt. Es wurde immer dunkler. In fünfzehn Metern Tiefe erkannte sie die Tragfläche des Flugzeugs. Sie schwamm darauf zu. Die Maschine schien unbeschädigt. Ihr Herz klopfte schneller. Es war immer noch möglich, daß jemand überlebt hatte, es war ja kein Absturz gewesen. Vielleicht hatte sich eine Luftblase gebildet.

Als sie sah, daß zwei Fensterscheiben sich gelöst hatten, wußte sie, daß es zu spät war. Wer sich dort drinnen befand, war mit Sicherheit tot, ertrunken.

Sie schwamm um das Flugzeug herum, um zu erkunden, ob es irgendwo einen Einlaß gab, versuchte die Passagierluke zu öffnen, ohne Erfolg. Sie mußte sich mit dem Versuch begnügen, von außen die Anzahl der Insassen festzustellen. Sie konnte nur Umrisse sehen, aber sie zählte sechs Passagiere. Mit dem Piloten sieben.

Bevor sie das Signal gab, daß man sie hochziehen sollte, entzifferte sie den Namen der Fluggesellschaft auf dem Rumpf. Nikki Air.

Auf dem Weg nach oben ließ sie ihre Gedanken wandern, zu fernen Sommern am Mittelmeer, in denen sie von einem jungen Griechen ihren ersten Tauchunterricht erhalten hatte und in die Magie der Tiefe eingeweiht worden war, die sie seitdem nicht mehr losließ.

Als sie an die Oberfläche kam, war das versonnene Lächeln wieder aus ihrem Gesicht verschwunden, und sie war bereit zur Berichterstattung.

Puskas zog die Schlußfolgerung, die alle befürchtet hatten. Sie konnten nichts tun. Es fehlte ihnen an Ausrüstung. Nur die Marine war imstande, eine solche Operation auszuführen.

Er bat Kristina, die beiden Polizisten, die nun auch endlich eingetroffen waren, zur Bewachung des Unfallortes abzustellen. Lagerrud ließ telefonisch die Alarmbereitschaft abblasen.

So traurig es auch war, es gab ganz einfach nichts, was man im Moment noch hätte tun können. Man konnte in der Zwischenzeit versuchen, etwas über die Identität der Opfer herauszufinden, aber das war nicht die Aufgabe der Feuerwehr. Das wußte auch Kristina.

Lagerrud fuhr sie zum Flugplatz zurück, wo sie ihren Wagen geparkt hatte. Unterwegs redeten sie nicht viel. Er gab ihr nur den Rat, sich an den Flughafen Bromma zu wenden, den die Unglücksmaschine angesteuert hatte, bevor sie, nun ja, im Jenseits landete. Vielleicht wußte man in Bromma mehr, zum Beispiel, von wo aus das Flugzeug gestartet war. Er bezweifelte jedoch, daß man ihr dort weiterhelfen würde, was die Passagiere betraf. Von Nikki Air hatte er noch nie etwas gehört.

Der sechste Passagier

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