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Krieger

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Natürlich waren die Germanen furchterregende Krieger. Sie verachteten Feind und Tod, zelebrierten Menschenopfer und verschreckten ihre Gegner durch bestialisches Geschrei. „Ruhe behagt diesem Volke nicht, und inmitten von Gefahren wird man leichter berühmt. … und nicht so leicht könne man einen Germanen dazu bringen, das Feld zu bestellen und die Ernte abzuwarten, als den Feind herauszufordern und seine Wunden zu holen,“ umschrieb der römische Geschichtsschreiber Tacitus den ganz und gar kriegerischen Charakter der Germanen. Entsprechendes deuten die archäologischen Funde an: Germanische Männer massakrierten auf bestialische Weise die Bewohner römischer Gutshöfe, versenkten in den Mooren Nordeuropas die Ausrüstung ganzer untergegangener Armeen und bekamen Lanze, Schwert und Schild ins Grab.

Bei Regensburg-Harting fanden sich in zwei Brunnen dreizehn Schädel von Männern. Manche hatte man im 3. Jahrhundert n. Chr. skalpiert, anderen mit einer axtähnlichen Waffe die Stirn eingeschlagen. Die Schläge trafen die Opfer alle auf die gleiche Weise, offenbar konnten sie sich nicht wehren und waren gefesselt. Solche Befunde sind keine Ausnahme. Im Brunnen einer römischen Siedlung von Kaiseraugst (Schweiz) fanden sich die knöchernen Überreste zahlreicher Leichen bzw. Kadaver von Menschen, Pferden, Eseln und Hunden. Auch hier hatte man den Menschen mit Axthieben den Schädel gespalten. Ähnliche Massaker könnten sich in Regensburg (Bayern) sowie bei Pforzheim (Baden-Württemberg) zugetragen haben.

Allerdings unterschied auch das die Germanen nur wenig von ihren Nachbarn. Auch Skythen, Gallier, Kelten und Awaren bekamen ihre Waffen mit ins Grab. Griechen und Römer bekriegten ständig andere Völker. Auch ein Blick in die Ethnologie lässt ahnen, dass es in den meisten ursprünglichen Gesellschaften wohl selten friedlich zuging: Der amerikanische Archäologe Lawrence H. Keeley hat in seinem 1996 erschienen Werk „War before Civilization: The Myth of the Peaceful Savage“ dargelegt, dass über 90 % der von ihm betrachteten Gruppen gegen andere zu Felde zogen. Friedliche Völker waren die Ausnahme. Und ihre Fehden waren tödlich: Dass 20 % der Männer im Krieg starben war „normal“ bei einigen Völkern waren es sogar über 50 %. Nicht viel anders wird es sich in Europa vor zweitausend Jahren verhalten haben. Und sicherlich waren die Germanen nicht zimperlich und nach Schlacht und Gefecht entluden sich die Reste von aufgestautem Zorn und Hass.

Wahrscheinlich lag Orosios mit der eingangs zitierten Schilderung des eigentümlichen Brauches von Kimbern und Teutonen, die nach der Schlacht von Arausio Ross und Reiter, Gold und Silber in den Fluten des Stromes versenkt haben sollen, gar nicht so falsch. Archäologen förderten aus mehr als fünfzig Mooren der jütischen Halbinsel und Südskandinaviens unzählige Schwerter, Lanzen, Schilde und Pfeile zu Tage, die von Raubzügen entlang der Küsten der Ostsee stammten. Doch mit wilden germanischen Horden hatten diese Trupps 300 Jahre nach Caesar nur noch wenig gemein. Die Ausrüstungen waren standardisiert und der Kampfstil kompliziert. Bauern kämpften nicht mit den Waffen aus den Mooren. Stattdessen heuerten Heerführer junge Männer an und bewaffneten sie, um Nachbarstämme und Gutshöfe in den römischen Provinzen zu plündern. Sie geizten nicht an Prunk: Die silberne und teilweise vergoldete Gesichtsmaske, die goldenen Zierscheiben und Schlangenkopfarmringe, die aufwändigen und reich verzierten Schwertgarnituren legen davon Zeugnis ab. Selbst die Pferde waren in silbernes Dekor gewandet. Die Truppen besaßen eine strenge hierarchische Gliederung. Funde wie Nadeln, Knochensägen, chirurgische Messer und Pipetten zum Beispiel aus Illerup belegen ärztliche Versorgung; Werkzeuge von Schmieden und anderen Handwerkern bezeugen die Kunst, Waffen zu reparieren. Das Know-how stammte von den Römern. Doch auch hier kämpften nicht Massen – die größten Kriegsbeuteopfer spiegeln in ihren umfangreichen Inventaren Kämpfe von nur einigen hundert bis zu tausend Kriegern auf jeder Seite wider.

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