Читать книгу Alles Mythos! 20 populäre Irrtümer über die Germanen - Thomas Brock - Страница 21

Gene

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Nur zwei Stoffe entscheiden über die Haarfarbe eines Menschen. Eumelanin sorgt für nussbraunes bis schwarzes Haar, Phäomelanin für rotes und blondes Haar. Fehlen die Pigmente, wird das Haar bleich. Über die Leuchtkraft entscheiden farblose Schuppenzellen der Haaroberfläche. Abstehende Schuppen lassen das Haar matt wirken, anliegende leuchten.

Wie viel von welchem Typ Melanin in den Melanozyten, das sind Zellen, die in dem Haarbalg (auch -Follikeln), der die Haarwurzel umgibt, sitzen, produziert werden, ist genetisch bestimmt. Ebenso steht es mit der Augen- und Hautfarbe. Auch diese werden durch Melanine bestimmt. Hellhäutige und blonde Menschen besitzen eher blaue, grüne, rote oder graue Augen, dunkelhäutige mit dunklen Haaren meist braune.

Doch die Ermittlung der Haarfarbe von Toten und damit auch der Germanen erweist sich als außerordentlich komplex. Der Forensiker Manfred Kayser von der Erasmus Universität Rotterdam hat im Jahr 2011 den bislang genauesten genetischen Haarfarben-Test vorgestellt: Mit 80-prozentiger Sicherheit offenbaren Blut-, Speichel- oder Hautpartikel, ob jemand blond oder braunhaarig war. Für Schwarz- und Rothaarige steigt die Trefferquote auf über 90 Prozent.

Immerhin ergaben genetische Analysen von archäologischer DNS aus 26 Gräbern aus der Gegend um die heutige Stadt Krasnojarsk zwischen 1500 v. Chr. bis 400 n. Chr., dass die hier bestatteten überwiegend blau- und grünäugig, hellhäutig sowie blond waren. Germanen waren diese Menschen nicht, eher Skythen. Zwar gelingt es immer häufiger alten Knochen und Leichenteilen Erbgutinformationen abzuringen, doch nach wie vor ist es selbst bei jüngeren Leichenfunden schwierig, anhand des Erbgutes die Haarfarbe zu ermitteln.

Eine wichtige Rolle für die Haarfarbe spielt das Melanocortin-Typ-1-Rezeptor-Gen (MC1R). Von diesem sind mehr als 70 Varianten bei Homo sapiens sapiens bekannt. Wird das Gen gebremst oder ausgeschaltet, werden Haare rötlich, die Haut hell und sommersprossig. Schon ein Teil der Neandertaler habe möglicherweise rote oder helle Haare und helle Haut gehabt, fanden Genforscher anhand von MC1R heraus.

Heute sind nur etwa zwei Prozent der Weltbevölkerung blond bzw. hellhaarig. Doch dass Blondinen aussterben könnten, wie es gelegentlich kolportiert wird, ist unwahrscheinlich. Zwar werden die Gene für die Phäomelanin-Produktion (helle Haare) rezessiv und die für die Produktion von Eumelanin (dunkle Haare) dominant vererbt. Doch die rezessiven Hell-Alelle werden auch an den dunkelhaarigen Nachwuchs weitergegeben. Treffen er oder seine Erben Generationen später auf ein Blond- bzw. Rot-Alell, kann das helle Haar wieder zum Vorschein kommen.

Überdurchschnittlich viele Blonde finden sich heute in Schweden, Norwegen und Dänemark, entlang der Nordseeküste Großbritanniens, der Niederlande und Deutschlands, wenngleich auch hier die überwältigende Mehrheit dunkelhaarig ist. Die Finnen sind von allen am häufigsten blond und blauäugig. Sie sprechen übrigens mit dem Finno-Ugrischen eine Sprache, die mit dem Germanischen nichts zu tun hat. Des Weiteren gibt es Blonde in bestimmten Regionen und unter bestimmten Bevölkerungsgruppen in Afghanistan, Pakistan, der Türkei, dem Iran, den Ländern der Levante und unter den Berbern Nordafrikas. Am häufigsten sind blonde Haare jedoch unter Kindern und Jugendlichen der Aborigines in manchen Regionen Australiens und auf manchen Inseln Ozeaniens. Über 90 % kommen dort blond zur Welt. Erst im Verlauf der Adoleszenz verdunkelt sich das Haar der meisten von ihnen. Rothaarig sind heute vor allem Iren. Jeder zehnte ist es dort, in Schottland jeder vierzehnte, in den USA und England jeder fünfundzwanzigste und in Deutschland jeder fünfzigste. Deutlich seltener sind Rothaarige unter Asiaten, Afrikanern und Südamerikanern.

Dass die Blonden im Norden häufig sind, könnte tatsächlich klimatisch bedingt sein. Unter der schwachen Sonne Mittel- und Nordeuropas waren sie weniger anfällig für Rachitis, weil ihre helle Haut mehr Vitamin D3 bilden konnte. Diese so genannte Vitamin-D3-Mangel-These vertreten unter anderem Jonathan Rees, Dermatologe an der University of Edinburgh und die Oxforder Genetikerin Rosalind Harding. Unter der starken UV-Strahlung im Süden waren Hellhäutige dagegen deutlich benachteiligt, unter anderem durch ein höheres Krebsrisiko. Stimmt dies, wäre die Menschheit, die Jahrhunderttausende vor allem in den warmen Regionen der Erde mit hoher Sonneneinstrahlung lebte, die längste Zeit dunkelhaarig gewesen. Erst mit der Besiedlung nördlicherer Regionen vor etwa 600.000 Jahren konnten sich rote und blonde Haare häufiger durchsetzen.

Auch die Augen werden von Melaninen gefärbt. Deswegen verteilen sich Blauäugige wie Blonde auf der Landkarte: Sie sind in den baltischen Staaten und in Skandinavien häufiger als im Rest der Welt. Etwa 90 % der Finnen sollen blauäugig sein. Ein wichtiges Gen hatte der Australische Genetiker David Duffy mit seiner Arbeitsgruppe von der University of Queensland erst Anfang 2007 entdeckt: OCA2. Es trägt Informationen für den Bau von P-Proteinen, aus denen die Farbstoffe gebildet werden. Wird es unterdrückt, werden Haut und Haar weiß und die Augen verlieren ihre Pigmentierung. Vor dem blutgefärbten Augenhintergrund verdünnt sich ihre Farbe bei schwachem Verlust bläulich, bei vollständigem Verlust bleibt das Rot.

Der Genetiker Hans Eiberg von der Universität Kopenhagen stellte im Erbgut von fast achthundert blauäugigen Skandinaviern, Türken, Indern und Jordaniern eine bestimmte Mutation eines Nachbargenes von OCA2 fest, die die Braunfärbung durch Eumelanin bremst. Ursprünglich hätten alle Menschen braune Augen besessen, so Eiberg. Durch eine einmalige, so genannte „Gründungsmutation“, wäre aber der Defekt entstanden. Eiberg zu Folge wäre dies vor 6.000 bis 10.000 Jahren nordwestlich des Schwarzen Meeres gewesen. Von dort sei der „Gen-Defekt“ ins nördliche Europa gelangt. Eiberg kam zu dem Schluss, dass alle Menschen mit blauen Augen einen bestimmten gemeinsamen Vorfahren nordwestlich des Schwarzen Meeres gehabt haben sollen – das aber ist äußerst umstritten.

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