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Haare färben

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Zu den Haarfarben schweigen die archäologischen Quellen. Die Germanen haben ihre Toten verbrannt und dabei die DNS weitgehend zerstört. Erst in wenigen Fällen ist es gelungen, dem Leichenbrand Erbgutinformationen abzugewinnen. Lediglich im Falle des Mannes von Grauballe, der berühmten dänischen Moorleiche eines Mannes aus dem vierten Jahrhundert v. Chr., konnte genetisch die Haarfarbe ermittelt werden – er war wahrscheinlich rothaarig.

Zwar kamen vor allem in Mooren immer wieder einzelne Zöpfe und ganze Schöpfe zu Tage. Doch in nur wenigen Fällen meinten Forscher, histologische Hinweise auf die Haarfarbe von Menschen, die ein Römer als Germane bezeichnet hätte, gefunden zu haben: Der Mann von Husbäke (1936) sei eher schwarz-, der Mann von Windeby dunkelhaarig, der „Rote Franz“ blond oder rot-, und das Mädchen von Yde hellhaarig gewesen. Die Häupter, die man in Mooren bei Osterby und Dätgen fand, sollen hellblonde Schöpfe besessen haben. Doch die Moorsäuren haben die einstige Färbung des Haares zerstört. In den extremen chemischen Milieus der Moore erweist sich das dunkle Eumelanin weit weniger stabil als das helle Phäomelanin. Dadurch hellten die Haare auf. Gleichzeitig trat die so genannte Melanin-Reaktion hinzu, die Haar und Haut der Moorleichen ihr ledrig-braunes Antlitz gibt. Deshalb ist es mit histologischen und mikroskopischen Verfahren allein nicht möglich, die Farbe der Haare aus den Mooren zu ermitteln.

Offenbar aber waren die Germanen, ebenso wie die Kelten, mit ihrer eigenen Haarfarbe nicht ganz zufrieden. Jedenfalls finden sich einige Hinweise darauf, dass sie mit Färbemitteln nachhalfen. Tacitus schrieb in seinen Historien, dass Civilis, Anführer des aufständischen Bataver-Stammes am Rhein um 70 n. Chr., sein Haar lang wachsen ließ und es rot färbe. Ebenso sollen sich laut Ammianus Marcellinus’ Res gestae die Alamannen ihre Haare gefärbt haben. Plinius dem Älteren zu Folge färbten sich auch Kelten das Haar bevorzugt rot. Römerinnen bleichten ihr Haar mit „spuma Batava“ (Schaum der Bataver), „spuma Chattica“ (Schaum der Chatten) und „Mattiacae pilaetto“ (Haarmittel der Bataver). Diese Haarfärbemittel werden die Germanen wohl kaum für den Export allein hergestellt haben.

Ein Mythos ist schließlich auch der angeblich schwunghafte Handel mit germanischem Haar. Schon vor Heinrich von Kleist hatte sich Friedrich Nicolai 1801 in einer Zusammenstellung von antiken Perücken ausgedacht, dass die Römer auf germanisches Haar versessen gewesen wären. Dieser Mythos vom germanischen Exportschlager „Haar“ hält sich bis heute. Neben Fellen, Häuten, Bernstein und Getreide, hätten germanisches Haar und Haarmittel „einen nicht unwesentlichen Beitrag Germaniens am römischen Luxusartikelmarkt dargestellt“, wie gelegentlich auch in der Fachliteratur zu lesen ist.

Das Gerücht vom germanischen Exportschlager Haar beruht auf Textpassagen antiker römischer Historiker. Ovid und Martial schrieben, dass Römerinnen das Haar einer Sugambrerin und Chattin tragen würden. Der Archäologe und Althistoriker Reinhard Wolters hat darauf hingewiesen, dass die römischen Historiker Ovid und Martial von gefangenen Germaninnen schreiben – beim erwähnten Haar handelt es sich somit um Beute und nicht um Handelsware. Damit eignen sich diese Textstellen nicht, um daraus einen freiwilligen Handel abzuleiten. Zudem scheinen sie den römischen Autoren der literarischen Ausschmückung gedient zu haben, in der das Darbringen des Haares zum Symbol der Unterwerfung stilisiert wurde.

Übrigens: Blauäugig zu sein kennzeichnet Unwissen- und Unbedarftheit, hat aber nichts mit den üblichen Klischees von blonden Haaren und blauen Augen zu tun. Der Spruch rührt daher, dass Kinder überwiegend blauäugig zur Welt kommen und die Melanine ihre Augen erst allmählich einfärben.

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