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Tagebuch

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19.3.1999

Bin gerade aus Prag zurückgekommen. Es gibt keine großartigere Stadt. Der Flug hätte länger dauern sollen. In der Reihe neben mir saß jemand, mit dem es sich um die ganze Welt zu fliegen gelohnt hätte. Habe ihn in Düsseldorf aus den Augen verloren.

Nein, so war es ja gar nicht. Ich bin ihm sogar noch mit der S-Bahn in Richtung Köln gefolgt und habe ihn dort erst aus den Augen verloren. Ich weiß gar nicht einmal, wo er ausgestiegen ist; nur dass ich plötzlich in Köln saß und nicht mehr wusste, wie ich nach Hause kommen sollte, das ist leider die Realität. Eigentlich so wie immer.

22.3.1999

Seit dem Rückflug aus Prag habe ich eine unglaubliche Sehnsucht. (Warum hört sich die Wahrheit immer so banal an?) Ich möchte eine Geschichte schreiben, in der jemand nach Prag fährt, dort bei einem Konzert in der Franziskus-Kirche jemanden trifft, in den er sich verliebt. Er verliert ihn aber aus den Augen und sucht ihn überall. Natürlich findet er ihn nicht, weil man solch einen Menschen gar nicht finden kann und dies eine Geschichte sein soll nicht über eine alberne Liebesbeziehung, sondern über die Sehnsucht. Oder man müsste gleich eine Geschichte schreiben, in der von vornherein klar ist, dass alles nur eine Konstruktion des Ich-Erzählers ist; er macht sich auf die Suche und muss sich Geschichten ausdenken, um die Versatzstücke aus der Realität zurecht zu biegen, damit sie zu seiner Sehnsucht passen. Nicht unbedingt zu ihrer Befriedigung; denn die gibt es wahrscheinlich für die Sehnsucht ohnehin nicht. (Warum ist das schon wieder so banal?) Und die ganze Sache spielt in Prag.

Wo auch sonst? Sie kann nur in Prag spielen.

26.3.1999

Langsam aber sicher bekommt meine Geschichte Konturen. Der Ich-Erzähler fährt nach Prag, und bei dem Mozart-Konzert am letzten Montag in der Franziskus-Kirche trifft er den Mann aus dem Flugzeug. Er verliert ihn aus den Augen und sucht ihn überall.

Man müsste das verfilmen! Die Menschen sind schließlich Augen-Tiere, alles andere ist zu abstrakt. Obschon es ja oft passiert, dass die Verfilmung eines Buches einem im Gegensatz zum Buch gar nicht gefällt, weil man sich alles ganz anders vorgestellt hat. Aus diesem Grund dürften in meinem Film die Rollen nicht von dem üblichen albernen und exaltierten Schauspielerpack, sondern zum Beispiel von dem Mann aus dem Flugzeug (oder besser all den Männern aus all den Flugzeugen) gespielt werden. Die Realität überzeugt alle, und die eigentliche Kunst der Regie besteht nur darin, für die richtige Zusammensetzung der Versatzstücke aus der Realität zu sorgen. Und immer wenn er oder die Erinnerungen an ihn oder die Geschichten über ihn auftauchen, kommt als Hintergrundmusik nur das Adagio aus Mozarts Klavierkonzert Nr. 21 in Frage. Ich laufe den ganzen Tag mit dem Kopfhörer durch die Wohnung und höre Mozarts Klavierkonzert. Ich stelle mir dabei den Mann aus dem Flugzeug vor.

28.3.1999

Habe heute noch eine Melodie als mögliche Filmmusik gefunden: Mendelssohn-Bartholdys Lied ohne Worte. Ich denke immer noch an den Mann aus dem Flugzeug, oder besser gesagt an das, was davon noch in meinem Kopf übergeblieben ist. Vielleicht nicht mal mehr ein Bild, sondern nur noch ein Bild von einem Bild. So ist übrigens auch das Schreiben: Nur ein Bild von einem Bild, und darum hat es auch nicht diesen Impact (gibt es dafür eigentlich kein deutsches Wort?) wie die Darstellung der Realität. Nur einen Vorteil hat das Schreiben: Man kann sich eine Rolle aussuchen und doch dabei im Hintergrund bleiben.

Ich möchte gerne der Klavierspieler aus dem Konzert in der Franziskus-Kirche sein. Auch wenn hunderttausend Menschen bei dem Konzert zugegen wären, ich würde nur für den Mann aus dem Flugzeug spielen. Nur Klavier spielen und sonst nichts. Das Lied ohne Worte ist dann allerdings keines mehr. Es ist das großartigste aller Liebeslieder.

Aber was soll es: Ich kann ja noch nicht einmal Klavier spielen.

4.9.1999

War heute zum ersten Mal in meinem Leben mit Lars im Burgtor in Dortmund. Habe dort Klaus kennen gelernt. Er hat mich nicht interessiert, ich ihn aber schon. Das habe ich sofort gemerkt. Es ist bis jetzt nichts passiert, aber es wird sicher etwas passieren. Klaus ist nämlich sehr submissive (mir fällt einfach das deutsche Wort nicht ein!), und das kann mir eventuell noch gefallen.

Manchmal ist alles nur noch verkehrte Welt! Ich bin gerade erst aus Dortmund zurückgekommen. Ich habe da einen Mann kennen gelernt, der mich bis auf einen kleinen und wahrscheinlich verzichtbaren sexuellen Kick überhaupt nicht interessiert. Und nun höre ich gerade wieder Mendelssohns Lied ohne Worte; ich habe den CD-Spieler auf unendliche Wiederholung eingestellt. Ich möchte jemandem, den ich wirklich liebe, dieses Lied auf dem Klavier vorspielen, und er soll selber entscheiden, ob es ein Frühlings-, ein Liebes- oder sonst ein Lied ist.

Aber stattdessen schleppt man in einer Schwulenkneipe einen x-beliebigen Hanswurst ab, der einen nicht im geringsten interessiert.

Das ist alles so absurd.

So ohne jede Würde.

9.9.1999

Etwas anderes ist schon passiert. Ich weiß nicht, ob es passiert ist, weil ich es darauf angelegt habe oder weil es einfach passieren musste; aber mit Klaus kann natürlich gar nichts anderes passieren! Wir waren in seiner Wohnung, und nach kurzer Zeit hat er zwischen meinen Oberschenkeln gesessen und meine Jeans geöffnet. Ich kann den Kerl nicht anfassen, aber wenn er vor mir hockt und ich ihm mein Dings in den Mund schiebe, werde ich geil wie von sonst gar nichts. Es ist nicht nur das angenehme Gefühl am Schwanz; es ist die gesamte Situation, wenn er vor mir auf dem Boden hockt, was mich geil macht. Ich habe ja gesagt, Klaus ist ziemlich unterwürfig, und somit musste es einfach passieren. (PS: Eigentlich stört mich diese verdammte, ordinäre Sprache. Warum können wir über Sexualität immer nur in klinischen oder schweinischen Begriffen reden? Diese Sprache bringt nicht das zum Ausdruck, was ich meine und worum es geht. Das gleiche gilt für die schwule Subkultur insgesamt. Lars meint, es sei gut, dass ich endlich zu meinem coming-out gekommen sei. Ich weiß wirklich nicht, was er damit meint; denn in dieser schwulen Karnevalsumgebung habe ich nichts verloren und suche deshalb dort auch nichts.)

15.9.1999

Klaus interessiert mich immer weniger, nur sein Mund. Ich habe diesen Mann wirklich auf seinen Mund reduziert. Es macht mir mittlerweile sogar Spaß, mir ständig neue Hosen zu kaufen, die ihn noch mehr anmachen sollen. Wir haben bereits unsere Rituale entwickelt: Ich stelle mich breitbeinig ins Zimmer und er kniet bittend und bettelnd vor mir, oder ich sitze möglichst unbeteiligt aussehend mit weit gespreizten Beinen auf der Couch. Gestern haben wir solch ein Ritual in Klaus’ Schlafzimmer veranstaltet und ich konnte mich aus allen Perspektiven in dem großen Spiegel des Kleiderschranks beobachten. (Diese Bilder sind perfekt und ich werde sie noch fotografieren; was stört, ist das Drumherum: dass wir uns in dem unaufgeräumten Schlafzimmer einer kleinen, popeligen und durch und durch spießigen Mietswohnung irgendwo im Dortmunder Norden befinden und so genau wissen, was Gelsenkirchener Barock bedeutet. Das ist so würdelos.)

Vielleicht bekommt es umso mehr Würde, je mehr ich ihm seine nehme. Als nächstes möchte ich nun unbedingt, dass andere sehen, wie ich ihn behandele. Es würde mich unglaublich geil machen. Warum interessiert er mich kein bisschen? Nicht nur das: Ich verachte ihn, und gerade das macht mich geil. Die Tatsache, dass ich ihm seine Würde genommen habe. (Mein Gott! Ist das wirklich so? Das macht mich schon ein wenig nachdenklich.)

Geht es anderen Schwulen wohl auch so? Die Abende im Burgtor oder anderen Kneipen sind mir jedenfalls schon zuwider. Da sitzen immer die gleichen Trinen und warten alle auf den Märchenprinzen. Aber der kommt nicht. Und wenn er denn käme, wären die meisten ohnehin schon zu besoffen oder sonstwie zu abgefahren, um ihn überhaupt zu erkennen. (Von Märchen haben diese Homoletten doch so offensichtlich keine Idee.)

20.9.1999

Gerade über das Wort schwul in meinem gestrigen Eintrag nachgedacht. Was heißt das eigentlich? Ich weiß es jedenfalls nicht. Für jemanden, der, wie Lars zumindest meint, gerade sein coming-out hatte, bin ich anscheinend ziemlich unbedarft. Ich selber glaube das aber nicht. Ich habe ganz einfach eine unglaubliche Sehnsucht. Und bevor ich nicht gelernt habe, die auszuleben, kann von irgendeinem „coming-out“ gar nicht die Rede sein. Und wie das dann zu nennen ist, das ist doch völlig gleichgültig.

26.9.1999

Bin gerade erst von einer Fete bei Lars zurückgekommen. Ich habe es geschafft, Klaus vor anderen mein Ding in den Mund zu schieben. Es hat viel Aufsehen erregt, und je mehr es die anderen interessiert hat, desto cooler habe ich mich gegeben. Ich habe mich dabei mit jemandem unterhalten und Bier getrunken. Am liebsten hätte ich noch ein Telefongespräch geführt oder dabei auf dem Klo gesessen. Ich verachte diesen Kerl unheimlich. Eigentlich verachte ich alle Schwulen.

5.10.1999

Habe Lars heute getroffen. Er hat sofort angefangen mit meinem Auftritt auf seiner Fete. Er hat irgendetwas geredet von meinem Sklaven und von einer Sado-Maso-Szene, die ich mit Klaus unbedingt mal besuchen soll. Warum müssen die Leute immer Wörter benutzen, um etwas zu bezeichnen, von dem sie doch ohnehin keine Ahnung haben? Dieses ganze schwule Gerede ist Karnevalsgelaber. Ein großer Selbstbetrug. Selbst in Köln dauert der Karneval nur ein paar Tage. Was soll man mit dem Rest des Jahres machen?

Was Klaus betrifft, so geht er mir mittlerweile auf die Nerven. Das einzige, was ich mir mit ihm noch vorstellen kann ist, dass ich ihn in den Arsch ficke oder umlege. Letzteres meine ich ganz im Ernst: Diese Vorstellung macht mich manchmal ungeheuer an. Ich stelle mir dann vor, ihn mit meinem Ding zu ersticken oder ihm die Kehle durchzuschneiden, wenn ich in seinem Mund zum Orgasmus komme. Es ist wohl besser, wenn ich ihn in die Wüste schicke. (Die eine Sache muss ich allerdings unbedingt noch ausprobieren.)

13.10.1999

Klaus wollte nicht, dass ich es mache, und gerade deshalb habe ich es doch getan. Das stand schließlich noch auf dem Programm. Wenn ich ihn vorher nur verachtet habe, dann widert er mich nun an. Immer wenn ich in ihn eingedrungen bin, kam es mir vor, als steche ich ihn ab. Als steche ich ein Schwein ab. Wie kann ein Mann so etwas mit sich machen lassen? Ich habe ihm heute gesagt, dass ich ihn satt habe. Er glaubt es wohl noch nicht. Was für Klaus gilt, das gilt übrigens für alle Schwulen.

29.10.1999

Ich habe Druck, aber es ist mir zu dumm, Klaus anzurufen. Er war beleidigt oder so etwas ähnliches, nachdem er gemerkt hatte, dass ich es ernst meine. Ich hätte ihn seine eigene Scheiße von meinem Ding lecken lassen sollen. (Eigentlich ist das eine grandiose Idee! Ich möchte wissen, ob er das auch tun würde.)

Ich kann ihn ja anrufen, wenn ich ihn umlegen möchte!

4.11.1999

Kann ich es eigentlich auch mit einer Frau machen? Seit ein paar Tagen interessiert mich diese Frage ungeheuer. Einen Mann zu ficken ist vielleicht auch für den, der es tut, würdelos. Aber warum soll es mit einer Frau eigentlich nicht funktionieren? Ich werde es auf jeden Fall ausprobieren.

Ich stelle mir stundenlang vor, wie es ein wird. Ich muss mir vorher allerdings genau überlegen, wo es passieren kann und wie die Frau sein muss, mit der es passieren kann.

Um mit dem Letzteren anzufangen: Auch die Frau muss unterwürfig sein, so wie Klaus unterwürfig war. Dass das besonders unmännlich ist, glaube ich nicht: die meisten Männer können nur mit unterwürfigen Frauen Sex haben. Wirklicher Sex ist wahrscheinlich nie mehr als ein Machtspielchen, der große Knall zwischen möglichst großen Unterschieden. Nur habe ich weder Geld noch Lust, um für einen solchen Firlefanz nach Thailand zu fahren. Es muss also anderswo passieren. In den Puff gehen kann ich nicht, das steht auch fest. Da hätte ich Angst vor der ganzen Atmosphäre. Oder vielleicht nicht Angst: Aber in dieser professionellen und abgezockten Umgebung würde es nie funktionieren. Da könnte ich einfach nicht.

7.11.1999

Es müsste irgendwo auf dem Straßenstrich passieren. Wenn ich sie erst einmal in meinem Wagen habe, kann alles geschehen. Aber ich weiß immer noch nicht wo. Am liebsten wäre mir eine der Schlampen aus einem Ostblockland, die jetzt angeblich überall herumstehen. Oder eine, die es tut, weil sie Geld für Rauschgift braucht. Die finde ich noch widerlicher.

15.12.1999

Ich kann an nichts anderes mehr denken als an Nutten. Aber ich weiß immer noch nicht, woher ich eine bekommen kann.

20.12.1999

Vielleicht ist das die Lösung! Ein Kommilitone war am vergangenen Wochenende in Berlin und hat erzählt, dass auf der Oranienburger Straße alle Nase lang eine Nutte aus Russland steht. Ich werde in den nächsten Tagen nach Berlin fahren. Das ist auf jeden Fall besser als irgendwo hier in der Nähe.

24.2.2000

Morgen Mittag geht es los. Ich hoffe nur, dass Mutter nicht wieder fragt, wo ich denn die Nacht über war. Sie geht mir mit ihrer Fürsorglichkeit immer mehr auf die Nerven.

26.2.2000

Es ist jetzt schon Samstag, halb vier morgens. Ich sitze in meinem Auto irgendwo in einem Waldstück in Spandau und bin völlig frustriert.

Ich bin am Abend die ganze Oranienburger Straße ein paar Mal auf und ab gegangen, und es war genau so, wie Daniel gesagt hat: Nutten im Überfluss. Aber die Straße ist viel zu belebt, und ich habe mich nicht getraut. Dann habe ich gedacht, dass ich schon anderen Leuten aufgefallen sein musste und habe mich auf die Terrasse eines vietnamesischen Restaurants gesetzt, von wo aus ich zwei Nutten beobachten konnte. Mir ist noch ganz schlecht von dem Fraß.

Es ist nicht nur die Belebtheit der Straße, was die Sache für mich gefährlich macht. Ganz offensichtlich haben die Weiber auch Zuhälter, die im Hintergrund die ganze Umgebung im Auge behalten. Ab und zu bekamen die Nutten einen Anruf über ihre Handys und waren plötzlich verschwunden. Meistens ist kurz danach eine Polizeistreife vorbeigefahren. Ich kann die ganze Sache auf gar keinen Fall mit meinem eigenen Auto in Angriff nehmen. Es sollte mich nicht wundern, wenn die Zuhälter die Kennzeichen notieren. (Ich würde es jedenfalls tun, wenn ich einer wäre.)

Ich weiß jetzt nicht, was ich machen soll. Hier bleiben oder nach Hause fahren? Es wird langsam schrecklich kalt.

27.2.2000

Es war unglaublich! Gewaltig! Gott sei Dank, dass ich da geblieben bin und nicht zu früh die Flinte ins Korn geworfen habe.

Ich gebe zu, dass der Zufall mir geholfen hat, und wenn ich die ganze Sache einmal vor anderen erzählen will, werde ich einige Dinge besser auslassen. Am Samstagabend habe ich irgendwo in Spandau ein Auto am Straßenrand stehen sehen, das nicht verschlossen war und in dem der Zündschlüssel noch steckte. Ich bin damit zur Oranienburger Straße gefahren und dann ging alles wie von selbst. Nachdem ich sie erst einmal in meine Gewalt gebracht hatte, war der Rest der Nacht das Geilste, was ich je erlebt habe.

Ihre Tasche mit dem Handy hatte ich unterwegs bereits irgendwo aus dem Fenster geworfen, damit sie uns nicht stören oder sogar orten konnten. Ich war erst um zwei Uhr nachts wieder an meinem Auto im Spandauer Forst und bin sofort nach Hause gefahren. Ihren BH habe ich mitgenommen. Ich sehe ihn mir oft an, als wenn ich selber nicht glauben kann, dass ich das geschafft habe.

Es gibt nur ein wirkliches Problem: Mutter glaubt einfach nicht, dass ich zwei Nächte bei einem Bekannten in Bochum durchgebracht habe. Sie will unbedingt den Namen dieses Bekannten wissen und würde es mit Sicherheit auch fertig bringen, dort anzurufen. Sie geht mir langsam aber sicher derart auf die Nerven, dass ich sie umbringen könnte. (Wenn man so etwas von Müttern überhaupt behaupten darf.)

1.3.2000

Das mit Berlin hat hier nirgendwo in der Zeitung gestanden. Ich weiß nicht so recht, ob ich darüber froh oder enttäuscht sein soll. Das mit der Nutte muss ich unbedingt noch einmal machen. Im Augenblick bin ich dabei, mich nach geeigneten Gelegenheiten hier im Ruhrgebiet umzusehen. Ich kann dafür schließlich nicht jedes Mal nach Berlin fahren.

14.5.2000

Heute ist etwas Seltsames passiert. Ich bin völlig ziellos durch die Gegend gefahren. In Kirchhellen bin ich, ohne es zu wollen, plötzlich auf dem Parkplatz von Warner Brothers’ Movie World gelandet. Die Parkplätze waren völlig überfüllt, und ich habe die Leute verachtet, die ganz offensichtlich nur noch die Bilder im Kopf haben, die Hollywood ihnen präsentiert. Neben diesem perversen Vergnügungspark (schon dieses Wort!) liegt Schloss Beck, ein kleinerer Park mit ein paar Kinderkarussells und Buden. Vom Zaun aus habe ich hineingeschaut. Da war eine Ponyreitbahn, ein Rund, durch das zwei Mädchen die Pferde mit den Kindern geführt haben. Dann kam ein Junge, er war vielleicht 16 oder 17 Jahre alt, und sofort habe ich gemerkt, dass er etwas von den Mädchen wollte. Für sein Alter sah der Kerl ganz gut aus, er hatte fast gar keine Pickel und wegen der Hitze trug er nur ein T-Shirt und eine Turnhose. Als der Rummel einmal etwas nachließ, setzte sich der Typ plötzlich auf das hinterste und kleinste der Ponys. Die dummen Gänse protestierten zwar, aber irgendwie hatte man sofort das Gefühl, dass sie gar nicht meinten, was sie sagten, sondern hätten genau auf das gewartet, was der Junge tat. Außerdem war das ein Kerl, der sich ganz offensichtlich durchsetzen konnte und sich um das Geschnatter dieser blöden Gänse ohnehin nicht scherte. (Das Wort „durchsetzen“ ist seltsam in diesem Zusammenhang.)

Es war wirklich ein sehr kleines Pony, und der lange Kerl saß darauf wie auf einem Schemel: die Füße auf dem Boden, die Beine angewinkelt, und das Gewicht seines Körpers auf dem Tierrücken. Irgendwie geht mir dieses Bild nicht mehr aus dem Kopf.

10.6.2000

Schon mehrfach habe ich von dem Jungen aus dem Vergnügungspark geträumt. Wenn ich dann wach wurde, musste ich onanieren. Ich habe den Kerl schräg von hinten gesehen, und deutlich waren die Konturen seiner Arschbacken auf dem Tier zu sehen. Einmal hat er sich auf dem Hals des Tieres abgestützt, die Beine ganz angewinkelt, und sein gesamtes Gewicht von dem Tier tragen lassen. Ich weiß auch nicht warum, aber einen solchen Arsch kann niemand ficken. Natürlich habe ich den Kerl noch einmal sehen wollen und bin noch mehrfach nach Kirchhellen gefahren; aber wochentags ist dort gar nichts los, und an den beiden letzten Sonntagen war er nicht da. Ich möchte den Kerl fragen, ob es ihm Spaß gemacht hat. (Leider habe ich ihn nicht von vorn gesehen; dann hätte sich die Frage vielleicht erübrigt!)

Ich habe mittlerweile stundenlang neben dem Zaun gestanden und habe Angst, dort aufzufallen. Das will ich auf gar keinen Fall. In meinen Träumen hat es dem Kerl auf jeden Fall Spaß gemacht. Wenn ich ihm im Traum zwischen die Oberschenkel schaue, kann man nämlich sehen, dass es ihm Spaß macht.

11.6.2000

Warum hat der Junge einen Ständer, wenn er auf dem Tier sitzt? Er empfindet das gleiche, was ich empfinde, wenn Klaus oder die Nutte vor mir auf dem Boden knien. Es muss einfach geil sein, auf so einem Tier zu sitzen. (Ob der Junge auch zu den Nutten in Berlin gehen würde? Ich gehe immer mehr davon aus, dass er seine Sache dort sehr gut machen würde. Besser auf jeden Fall als ich. Den BH habe ich weggeworfen. Dass sich dieser Kerl mit jemandem wie Klaus abgibt, ist einfach unvorstellbar. Es sei denn, er hätte auch Bock, diesen Kerl umzulegen.)

15.6.2000

Pferde sind wirklich die unterwürfigsten Wesen, die diese Erde hervorgebracht hat. Seit Tagen schon beschäftige ich mich nur noch mit Pferden.

Grauenhaft finde ich diese überzüchteten Wesen, die halbe Elefanten sind und ganze Wagen durch die Gegend ziehen. Noch schlimmer sind die perversen Viecher, die mit einer Mücke von Mensch auf dem Rücken auf ein Signal hin durch die Gegend rennen, als sei der Teufel hinter ihnen her, und alles das nur, weil ein paar Verrückte eine Menge Geld auf ihren Sieg oder ihre Niederlage gesetzt haben. Auf all diesen Biestern hätte der Kerl aus dem Vergnügungspark ausgesehen wie ein Floh.

Der war aber kein Floh.

Am schlimmsten sind die Biester, auf denen irgendein dummes Arschloch seine soziale Position durch die Gegend tragen lässt. Die findet man auch hier zuhauf, vor allem am Wochenende. Dann kommen sie mit ihren Pferdeanhängern und lassen sich im teuren Reiterdress durch die Gegend tragen. Widerlich!

Mich interessieren nur die Tiere, die uns erlauben, die Zeit zurückzudrehen bis zu dem Zeitpunkt, als zum ersten Mal ein Mensch auf die naheliegende Idee kam, dieses unterwürfige Wesen für sich arbeiten zu lassen, es für seinen Spaß zu gebrauchen und sich auf dessen Rücken setzte. Das war kein Arbeitstier und auch kein Rennpferd: Das war ein zu friedliches und zu gutmütiges Wesen, wenig größer als wir, das ganz einfach die Schlechtigkeit des Menschen nicht erkannt hatte. Also ein dummes Wesen, das selber die Schuld trägt für das, was dann mit ihm passierte. (Der Ausdruck „die Schuld tragen“ passt in diesem Zusammenhang wirklich sehr gut!)

Zunächst hat es mich gestört, dass diese Tiere ganz offensichtlich eine Art Lieblingsbeschäftigung für kleine Mädchen sind. Aber das habe ich schon überwunden. Die kleinen Gänse sehen in diesen Tieren lediglich Wesen, die sie streicheln, verwöhnen und lieb haben können. Ich habe damit etwas anderes vor. Etwas ganz anderes. Etwas, das nur Männer tun können. (Schwule auch? Interessante Frage. Ich weiß es wirklich nicht. Aber eigentlich glaube ich es nicht. Nein, Schwule können es nicht! Schwule können das definitiv nicht. Schwule sind gar keine Männer. Schwule sind eher wie die Pferde: Dumm und blauäugig und damit selber Schuld an dem, was man mit ihnen macht.)

2.7.2000

Endlich habe ich gefunden, was ich suche. Es ist schon verrückt: Manchmal fährt man tagelang suchend durch die Gegend und findet nichts, und plötzlich erledigt sich alles wie von selbst. Dieser reiche Sack hat vor seinem Haus ein Tier stehen, das genau meinen Vorstellungen entspricht. Ich kann jetzt nicht weiterschreiben. Ilona heiratet übermorgen, und heute Abend spielen sie unten Polterabend. Ich muss nach unten gehen, sonst kommen sie gleich noch und holen mich.

Ich hasse diese spießbürgerlichen Rituale, aber noch mehr hasse ich den Ärger, den man sich einhandelt, wenn man sich ihnen entziehen will. Das ist einfach Verschwendung von Energie. Und ich habe nun Wichtigeres zu tun.

Gregor hat mich heute an der Uni gefragt, ob ich das Wort Pollack eigentlich noch als Beleidigung empfinde. Natürlich hat er das nur getan, um mich zu ärgern; aber ich weiß mich dann nie zu wehren. Ich war nie ein Pollack und werde nie einer sein!

9.7.2000

In den letzten Tagen habe ich stundenlang im Gebüsch gesessen und das Tier beobachtet. Das alles ist sehr mühsam, weil ich nicht wage, mit dem Auto dorthin zu fahren. Das wäre viel zu gefährlich. Ich gehe zu Fuß und muss das letzte Stück querfeldein laufen. Die permanenten Fragen gehen mir gegen die Natur. Wo willst du denn jetzt noch hingehen? Wo bist du eigentlich jeden Abend? Was soll man darauf schon sagen?

Dieses Tier ist wirklich perfekt. Es ist schneeweiß, sein Fell ist so kurz, dass man auf die Haut des Tieres sehen kann, und von der Größe und Statur entspricht es genau meinen Vorstellungen. Es ist feingliedrig, fast grazil (seltsames Wort, aber es trifft zu). Außerdem hat es etwas geradezu Laszives, als wolle es auch noch herausfordern, was ich mit ihm vorhabe. Es benimmt sich wie die Nutte, und es wird auch erleben, wohin das führt. Ein erwachsener Mann könnte mühelos auf seinen Rücken springen, seine Füße würden dann dicht über dem Erdboden baumeln.

13.7.2000

Ich habe es mir lange überlegt: Ich kann es nicht selber tun. Es würde mich einfach nicht anmachen. Ich will, dass Jonas Z. es für mich tut. Er wohnt hier in der Nachbarschaft und er wird es tun, er hat es mir bereits versprochen.

Manchmal denke ich, dass dieser Jonas ein dummer Mensch ist; aber dann finde ich mich jedes Mal selber arrogant. Jonas sieht auch ganz gut aus und ist einfach so, wie er ist, und ob er auch ganz anders sein könnte, darüber macht Jonas sich nie Gedanken. Für nichts wäre er im Theater weniger geeignet als für die Rolle des Hamlet! Und das finde ich gut. Bei ihm ist jedenfalls gar nichts mit der frischen Farbe der Entschließung, der des Gedankens Blässe angekränkelt wird. Manchmal wünsche ich mir, ich könnte genau so unbeschwert leben wie Jonas. Aber das kann ich nicht. Ich kann es einfach nicht. So ist das eben, es gibt Dinge im Leben, mit denen man sich am besten abfindet.

Auch der Platz ist ideal. Dieser Teil der Weide ist vom Haus aus kaum einsehbar.

Jonas ist einssiebenundachtzig, und wenn er erst auf dem Rücken des Tieres sitzt, werden seine Füße dicht über den Grasspitzen schweben. Ich habe Jonas heute auf die Waage gestellt. Das war gar nicht so einfach! Ich musste mir irgendeine dumme Geschichte ausdenken, die rechtfertigt, weshalb ich das Gewicht eines anderen Mannes wissen möchte. Aber es ist mir gelungen: er wiegt 81 Kilogramm. Ich war ein wenig enttäuscht und will versuchen, dass er schwerer wird. Außerdem muss ich mir einen Namen für dieses Tier ausdenken.

20.7.2000

Wenn ich neben dem Zaun sitze, werde ich mittlerweile fast verrückt, und allein die Erinnerung an den penetranten Pferdegeruch macht mich geil. Das ist nicht übertrieben und auch nicht unanständig: Alleine der Geruch macht mich geil. Und wenn es mich anschaut, empfinde ich es nur noch als lasziv. Es wartet auf nichts anderes als auf das, was Jonas mit ihm tun wird. Es ist für gar nichts anderes geschaffen worden. Ich habe Jonas heute erneut auf die Waage gestellt. Es ist immer noch enttäuschend. Trotz seiner Fresserei hat er nur drei Kilo zugenommen. (PS: Wie viel wiegt eigentlich so ein Tier? Ich muss es unbedingt wissen.)

21.7.2000

Es kann gar nicht schwerer sein als 200 Kilogramm. Es wird mit Sicherheit leichter sein.

Aber sagen wir einmal, es wiegt 200 Kilogramm. Jonas wiegt jetzt 84,5 Kilogramm. (Es bedurfte einiger Überredungskünste, um ihn heute wiederum auf die Waage zu stellen! Jonas ist gar nicht der Typ für so etwas. Es ist ihm ziemlich gleichgültig, ob er zu schwer, zu leicht oder zu sonst etwas ist. Vielleicht mag ich ihn gerade deshalb so sehr.) Ich möchte aber auf jeden Fall wissen, wie viel Gewicht ich tragen muss, um genauso viel zu tragen, wie dieses Tier, wenn Jonas sich auf seinen Rücken setzt. Das müssten um die 40 bis 45 Kilo sein. (Ich hoffe, es wiegt weniger und meine Bemühungen um Jonas’ Gewicht haben noch Erfolg.)

22.7.2000

Mit der Personenwaage habe ich heute in meinem Zimmer 45 Kilo an Büchern abgewogen, in einen Koffer gepackt und hochgehoben. Ich fand das ganz schön schwer. Ich konnte mir den Koffer aber nicht auf den Rücken legen, und das war blöd: Das Vieh wird Jonas auch nicht auf den Vorderbeinen durch die Gegend tragen, sondern auf seinem Rücken. (Jonas nimmt kaum noch zu. Immer noch knapp unter 85 Kilo.)

30.7.2000

Es ist jetzt 4 Uhr 15 und noch immer gießt es in Strömen. Heute Nacht haben wir es gemacht! Seit Tagen hatte ich die Wettervorhersage studiert, und ich wusste, dass es heute Nacht stark regnen würde. Du brauchst also nur noch einen Regenschirm und einen festen Willen. Bereits die Episode in Berlin hatte gezeigt, dass das Verwirklichen von Träumen nichts anderes ist als ein logistisches Problem. Du musst dir deine Umwelt vom Hals halten, sie täuschen und verbindliche Absprachen mit Jonas treffen. Das ist alles. Sogar im Haus des Alten war alles dunkel.

Im strömenden Regen sah es besonders geil aus, so, als hätte Jonas das Biest bis zur Erschöpfung über die Weide getrieben und schwitze es nun aus allen Poren. (Warum sage ich eigentlich „es“? Dieses Tier war eine Frau, das wusste ich schon seit langem, und wenn es eben möglich ist, werde ich für Jonas nur noch Frauen nehmen. Schließlich ist Jonas ja nicht schwul, haha!)

Regenjacke, Hemd und Unterhemd hat er schließlich ausgezogen und sich mit Jeans und bloßem Oberkörper auf sie gesetzt. Es sah einfach umwerfend aus, und ich habe bedauert, dass ich in diesem Augenblick noch nicht einmal ein Foto von ihm machen konnte. Sie hat es sich einfach gefallen lassen, sie hat sich sein Gewicht auf ihrem Rücken einfach gefallen lassen! Diese Biester sind wirklich lasziv, sie sind von Natur aus masochistisch veranlagt! Auch ansonsten hatte ich Recht: Nur mit den Zehenspitzen konnte Jonas gerade noch die Grasspitzen berühren. Minutenlang hat er auf ihr gesessen und sie musste sein gesamtes Gewicht tragen. Ich werde Jonas noch einmal bequatschen müssen, obschon mir langsam die Geschichten für ihn ausgehen. Aber wir müssen unbedingt wiederkommen. Ich will, dass Jonas sie nackt reitet. (Warum habe ich ihn das nicht schon machen lassen? Er wird es tun. Ich weiß es. Und ich weiß, dass es ihm Spaß machen wird!)

6.8.2000

Heute Nacht waren wir wieder dort, aber es ist alles schief gelaufen.

Dabei hatte sich Jonas wohl von Anfang an vorgenommen, auch ohne meine Anweisungen seinen Spaß zu haben. (Vielleicht ist gerade deshalb alles schief gelaufen. Ich darf mir die Regie nicht aus den Händen nehmen lassen!)

Als wir dort waren, hat Jonas sofort alle Kleidungsstücke ausgezogen, sogar die Jeans, die ich ihm gestern erst gekauft habe. Es sah gewaltig aus, als er ihren Kopf genommen hat und ihren Mund zu seinem immer größer werdenden Dings geführt hat. Aber als es dann kerzengerade stand, hat sie ihn nicht auf ihren Rücken gelassen. Sie hat sich mit aller Macht gegen sein Gewicht gewehrt, und es muss ein schlimmes Bild abgegeben haben. Erst ganz am Schluss, nachdem auch ich alles Menschenmögliche versucht hatte, habe ich zumindest für kurze Zeit Jonas’ großen Hintern auf ihrem Rücken gesehen. Aber sein Ding war mittlerweile klein und schlaff.

Sie wird das kein zweites Mal tun! Sie wird dafür büßen! Genau wie die Nutte. Auch das habe ich insgeheim immer schon gewusst: Diese Biester sind nicht nur lasziv, sie sind auch gemein und gefährlich.

Wenn etwas nicht so geht, wie ich es will oder wie es sich gehört, dann kann ich so wütend werden, dass ich manchmal vor mir selber Angst habe.

7.8.2000

Ich will, dass sie Angst hat, aber ich weiß nicht, wo ich die Dinge finde, die sie Mores lehren könnten. In der näheren Umgebung auf gar keinen Fall. Dabei ist es doch eigentlich ganz verrückt: Warum soll ein junger Mann nicht einfach in ein entsprechendes Fachgeschäft gehen und sich eine Reitgerte und Sporen kaufen können?

Aber aus irgendeinem Grund habe ich dabei ein ungutes Gefühl.

11.8.2000

Heute habe ich in der Innenstadt in Bochum in einem Sportgeschäft eine Reitgerte gekauft. Es war wirklich ganz verrückt: Ich hätte dieses Ding ganz einfach kaufen sollen, aber ich hatte wieder dieses alberne Bedürfnis, mich zu rechtfertigen. Ich habe dem pickeligen Verkäufer gesagt, dass ich das Ding haben will für meine kleine Nichte, und dann erst hat der Kerl dämlich gegrinst, als hätte er mich durchschaut.

Ich werde in Zukunft noch genauer aufpassen, welche Geschichten ich mir ausdenken muss, um das zu erreichen, was ich will, ohne dass andere in irgendeiner Weise argwöhnisch werden.

Jonas fand die Gerte übrigens ganz ulkig. Er hat mir aus Spaß damit auf den Hintern gehauen. Es hat ganz schön weh getan und Striemen hinterlassen.

12.8.2000

Heute habe ich auch die Sporen bekommen. Bei Deichmann habe ich Cowboystiefel gefunden, an denen Blechsporen befestigt sind. Das sieht zwar lächerlich aus, aber wenn man sie abnimmt und bearbeitet, werden sie messerscharf. Unter Jonas’ Gewicht werden sie in den gespannten geilen Bauch des Viehs gehen wie in Butter.

Jonas hat wieder nur gelacht und gesagt, wenn er mir eine Freude damit machen kann, will er dem Mistvieh schon Angst damit einjagen. Mich hat diese Bemerkung unglaublich angemacht. (In der letzten Zeit hat mich mein Verhältnis zu Jonas etwas des öfteren nachdenklich gemacht: Ich suche seine Nähe, weil ich etwas von ihm will, weil er so gutmütig und unbedarft ist. Oder ganz ehrlich: Weil ich ihn benutze für meine Zwecke. Aber was hält Jonas eigentlich von mir? Warum meidet er zum Beispiel nicht meine Nähe? Wenn er alles tut, weil es ihm selber Spaß macht, dann ist es natürlich umso besser. Also gehe ich mal davon aus, dass es ihm selber Spaß macht! Und doch machen mir solche Gedanken manchmal Angst. Warum tut Jonas eigentlich das, was er tut? Ich weiß es einfach nicht genau und muss wohl vorsichtig sein.

19.8.2000

Es war großartig! In der vergangenen Nacht hat es wieder geregnet, und Jonas saß nur mit einer dünnen Turnhose bekleidet auf dem Tier. Wir hatten es zunächst mit einem Seil an einen Baum gebunden, Jonas ist auf seinen Rücken gesprungen und den Rest haben die Gerte und die Sporen erledigt. Irgendwann haben wir gesehen, dass sich das Tier hinlegt, wenn man gegen seine Vorderbeine schlägt. Als es auf dem Boden lag, hat Jonas sich schnell in seinen Nacken gesetzt. Es sah unbeschreiblich aus, wie er mit weit gespreizten Beinen auf dem Tier saß. Er hat gesagt, dass ihn die ganze Sache noch geiler macht als alles, was er bis jetzt gemacht hat, und das hat alle Bedenken bei mir ausgeräumt.

Zu Hause habe ich erst gesehen, dass die Sporen voller Blut waren. Ich hätte nicht gedacht, dass Jonas derart grausam sein kann! Mich macht diese Tatsache sehr glücklich. Bis jetzt war es für mich immer mit viel Energie verbunden, Jonas meine wahren Beweggründe zu verheimlichen, wieder Distanz herzustellen zu dem, was passiert ist. (Ich kann sie ihm eigentlich auch nur verheimlichen, weil ich sie selber noch nicht genau benennen kann.) Er sollte schließlich nur tun, was er auch selber tun wollte, weil es ganz einfach in ihm steckt. Das war ja gerade so wichtig für mich. Aber heute Nacht ist diese Distanz zwischen uns verschwunden bis auf den kleinen Rest, ohne den das Leben keinen Spaß mehr machen und völlig uninteressant sein würde.

21.8.2000

Heute war ich wieder bei Deichmann, weil ich neue Sporen für Jonas brauchte. Die alten will ich verwahren. Weil ich kein Geld ausgeben wollte für ein neues Paar Stiefel, habe ich kurzerhand im Geschäft die Sporen von einem Paar Stiefel abmontiert und geklaut. Es ist schon ulkig, mit welchen Banalitäten man sich manchmal herumschlagen muss, um Großes auf die Beine zu stellen!

23.8.2000

Wir waren heute Nacht wieder auf der Weide. Aber wir mussten vorsichtig sein. Es war im ganzen Haus kein Licht zu sehen, und gerade das fand ich verdächtig. Ich könnte es nicht ertragen, wenn der alte Sack sehen würde, was wir machen.

Mittlerweile lebe ich wirklich in zwei Welten. Ich meine das nicht in dem Sinne, wie es wohl von einem Schizophrenen behauptet werden kann. Es gibt die eine Welt, die man nur mit Mühe und Not ertragen kann; und es gibt die andere Welt, die ich nachts stattfinden lassen muss und die dieses Leben erst rechtfertigt. Für mich gibt es selbstverständlich nur eine einzige Welt, aber die anderen Menschen verstehen das nicht. Also sind die pervers und nicht ich. Manchmal habe ich das Bedürfnis, aus diesen zwei Welten eine zu machen, andere an meinen Erfahrungen teilhaben zu lassen. Aber das wage ich nicht. Vielleicht noch nicht. Im Augenblick ist es sogar noch so, dass ich alles tun würde, um zu verhindern, dass meine Aktivitäten in die erste Welt gerückt würden. Alles, und das meine ich im Ernst. Es würde eh niemand verstehen. Aber auf Dauer kann ich diese Einstellung nicht durchhalten. Ich will, dass auch andere Menschen beginnen zu sehen.

Dazu braucht es Geduld. Und die richtige Einstellung. Ich glaube, dass jeder Mensch in seinem Leben nur ein Rätsel wirklich lösen kann. Und dieses Rätsel muss er zum Mittelpunkt seines gesamten Lebens machen, muss dem alle anderen Probleme und Problemchen unterordnen, ohne Rücksicht darauf, was andere davon halten.

24.8.2000

Heute habe ich in der Bochumer Innenstadt zufällig Klaus wiedergetroffen. Ich hatte sofort die Idee, ihm von Jonas zu erzählen. Aber dieser Kerl ist wirklich ein dummes, ignorantes Schwein. Irgendwann hat er gesagt, wenn Jonas wirklich solch einen geilen Arsch habe, dann sei es ihm jedenfalls völlig gleichgültig, ob dieser Arsch auf einem Fahrradsattel oder einem Pferderücken sitze. Aber wenn ich so sehr darauf stehe, sollte ich doch mal Ferien auf dem Immenhof machen. Ich gehe davon aus, dass er das nur gesagt hat, um mich zu treffen, und hier und heute schwöre ich, dass er dafür büßen wird. Anschließend ist er mit einem Typen verschwunden, wahrscheinlich sein neuer Freund, auf jeden Fall auch einer von der Sorte Mensch, um die es nicht schade ist und die ich mit der Kneifzange nicht mehr anfassen würde.

25.8.2000

Ich bin gerade von Klaus’ Wohnung nach Hause gekommen. Er hat tatsächlich einen neuen Freund, diese Kreatur, mit der ich ihn in der Stadt gesehen hatte. Das hat ihn aber nicht davon abgehalten, mich ein weiteres Mal zu bedienen. Oder besser gesagt: Das hat mich nicht davon abgehalten, mich ein weiteres Mal von ihm bedienen zu lassen. (Ich kann schon die Idee nicht mehr ertragen, dass einmal zwischen mir und diesem Kerl etwas passiert, was nicht einzig und allein von mir gewollt und in Szene gesetzt wird. Heute hätte es mir am meisten Spaß gemacht, wenn sein angeblicher Freund bei dem hätte zusehen müssen, was ich mit ihm gemacht habe!) Auf jeden Fall ist er jetzt ganz heiß auf Jonas, und das nächste Mal wird er mitkommen. Er war sogar ganz aufgeregt und hat irgendetwas geredet von anonymem Sex auf nächtlichen Autobahnparkplätzen. Ich weiß gar nicht, was dieser Mensch von dem versteht, was man ihm erzählt. Der Kerl kotzt mich einfach an. Aber er wird nicht mehr lange dummes Zeug reden; wenn er Jonas gesehen hat, muss er ohnehin weg. Ich war bei meinem heutigen Besuch bereits besonders vorsichtig. Den Wagen habe ich ein paar Häuserblocks entfernt geparkt und darauf geachtet, dass mich in dem Wohnhaus und in der näheren Umgebung niemand bewusst wahrgenommen hat.

1.9.2000

Heute Nacht war auch Klaus dabei. Und wenn ich bisher noch Zweifel daran hatte, dass Jonas die ganze Sache Spaß macht, dann sind diese Zweifel seit der vergangenen Nacht restlos ausgeräumt. Jonas hat diese Wurst nach allen Regeln der Kunst vorgeführt!

Zunächst hat er mit dem Tier gespielt, wie er es noch nie getan hat, und dann hat er sich von dieser armseligen schwulen Kreatur auf dem Pferderücken bedienen lassen. (Für Klaus war es ohne jeden Zweifel der Höhepunkt seines Scheißlebens, und wenn etwas am schönsten ist, sollte man bekanntlich damit aufhören.) Ich muss unbedingt eine Möglichkeit finden, derartige Bilder festzuhalten. Zu fotografieren wage ich nicht, weil ich alles vermeiden muss, was die Aufmerksamkeit des Alten wecken könnte.

An der Uni habe ich heute Mittag diesen verrückten Märchenerzähler wieder getroffen, der vor ein paar Tagen mit Lars auch auf dem Unifest war. Eigentlich ist das ein alberner Kerl und ich weiß noch immer nicht einmal seinen Namen, aber beim Essen in der Mensa ist er doch einmal ganz hellhörig geworden, als ich mein Interesse für Pferde bekundet habe. Natürlich habe ich das ganz allgemein und unverbindlich getan und er hat dann irgend etwas von der mythologischen Bedeutung dieser Tiere erzählt. Er studiert wie Lars Germanistik und interessiert sich für Volkspoesie. (Was immer das im einzelnen sein soll.)

Interessanter war die Tatsache, dass er im Augenblick ein Seminar über den Kriminalroman besucht. Er war ganz begeistert über meine Behauptung, dass nur der Kriminalroman wirklich von Bedeutung ist, in dem deutlich wird, dass das Opfer seinen Mörder immer schon gekannt hat, weil es ihn ansonsten nicht so zielstrebig suchen kann.

Ich glaube, er hat überhaupt nicht verstanden, was ich meine. (Vielleicht habe ich das ja selber noch nicht so ganz. Ich habe es irgendwann mal in einem Krimi gelesen und fand es interessant.)

Aber mit Klaus habe ich jetzt ein Problem.

3.9.2000

Mir ist eine grandiose Idee gekommen. Erwachsene zum Sehen zu bringen ist äußerst schwierig, weil ihnen schon die Sprache der ersten Welt in jeder Beziehung im Wege steht. Aber bei Kindern ist das etwas anderes. Kinder sind noch weitgehend unverdorben, was die Einflüsse der ersten Welt betrifft. Die Vorstellung, ein Kind zum Sehen zu bringen macht mich unendlich geil.

4.9.2000

Auf keinen Fall darf es ein Kind aus der Nachbarschaft sein. Es wäre zu gefährlich. Und außerdem ist die Rolle, die ich spiele, mittlerweile so unendlich weit entfernt von all dem spießigen Getue rings um mich. Ich will andere aufrütteln, aber ich habe keine Lust, dies mit einem Wust an Worten tun zu müssen, die letztendlich ohnehin bei diesem Spießerpack nichts fruchten. Überhaupt verachte ich die Sprache immer mehr, weil sie das Leben verhindert. Man muss Bilder sehen und überzeugt sein. Und wenn man sie sieht, ganz einfach die Klappe halten.

6.9.2000

Ich bin heute bis ins südliche Ruhrgebiet gefahren, aber ich habe nichts Geeignetes gefunden. In den letzten Tagen lebe ich in einer fürchterlichen Unruhe, weil ich genau weiß, was ich will, aber nicht weiß, wie ich dies umsetzen kann. Um zu finden, muss man vorher genau festlegen, was man sucht, und planen, wie man es bekommt.

Es kann kein Kind aus den sogenannten besseren Kreisen sein. Die Gefahr einer sofortigen Entdeckung ist viel zu groß. Es muss ein Kind sein, das weniger behütet ist, dessen Verschwinden für eine ganze Nacht sogar unentdeckt bleiben kann. Bei den behüteten Kindern besteht zudem die große Gefahr, dass sie sich von dem Gerede der Erwachsenen einfangen lassen, dass sie schon davon infiziert sind und diese altklugen Gören sich möglicherweise verplappern und alles zunichte machen. Ich suche also ein weniger behütetes Kind, das möglichst wenig Gelegenheit hat, mit Erwachsenen zu reden.

9.9.2000

Ich fahre herum, und es bringt gar nichts.

10.9.2000

Nichts. Gar nichts. Bin heute bis ins Bergische Land gefahren. Nur eine Erkenntnis gewonnen: Auf dem Land ist es auf jeden Fall viel zu gefährlich. Da fällt ja schon ein fremdes Auto auf. Es muss in einer Stadt sein.

11.9.2000

Dieses sinnlose Herumfahren macht mich völlig fertig. Ich war schon seit Tagen nicht mehr an der Universität. Die Prüfung in der nächsten Woche interessiert mich nicht im geringsten, und doch muss ich sie unbedingt bestehen; Mutter spricht mich andauernd darauf an. Ich darf nicht auffallen. Auf gar keinen Fall darf ich jetzt auffallen.

13.9.2000

Ich glaube, es klappt. Auf einem Spielplatz in Essen-Stoppenberg. Ziemlich heruntergekommene Gegend. Die Mutter ist alleinerziehend und berufstätig. Die Kleine ist nach dem Kindergarten bei ihrer Oma, und das heißt meistens draußen und unbeaufsichtigt. Nur auf dem Spielplatz muss ich aufpassen: Ein Mann fällt dort auf.

Ich will dort nicht als Schwuler gelten. Ein paar türkische Jugendliche dort sind ziemlich unerträglich.

14.9.2000

Es ist verblüffend, wie ohne allen Argwohn dieses Mädchen ist. Es macht mir mittlerweile einen unglaublichen Spaß, mir Geschichten auszudenken, die ich ihr erzählen kann. Nur müssen wir von diesem verdammten Spielplatz weg; diese Janitscharenhorden, die dort herumlungern, sind einfach ekelhaft. Ich hasse diese unzivilisierte Bande jeden Tag mehr.

Mittlerweile habe ich der Kleinen ein Foto gezeigt, und sie fand das Tier von der Weide nur süß. Natürlich tut sie das, weil es mittlerweile die einzig mögliche Sichtweise auf diese Viecher ist. Sie sind süß, weil eine Herde bekloppter Zicken es so bestimmt. Das ist einfach ekelhaft! Die ganze Gesellschaft lässt sich von kleinen Blagen kastrieren!

Ich habe der Kleinen gesagt, dass es aber ein böses Tier ist. Sie wollte es natürlich kaum glauben. Ich muss es ihr möglichst bald zeigen.

Mittlerweile macht es mich schon geil, wenn sie das Tier süß findet und ich schon weiß, was Jonas mit ihm vorhat. (Nur die maximale Differenzierung bringt die maximale Befriedigung.)

15.9.2000

Heute ließ es sich nicht vermeiden, dass ich mich kurz an der Uni sehen ließ. Und letztendlich war es gut so. Mehr als das! (Auf jeden Fall war alles kein Zufall mehr. Es gibt gar keine Zufälle.)

Ich habe diesen Volkspoesie-Heini wieder getroffen, und obschon ich mich zuerst verstecken wollte, haben wir letztlich über zwei Stunden lang in der Cafete gesessen und am Ende hat er mir die Geschichte vom Pferdestricker erzählt. Genauer gesagt: die Sage vom Pferdestricker. (Oder habe ich ihn womöglich dazu gebracht, mir diese Geschichte zu erzählen? Ihn gezwungen, sich diese Geschichte auszudenken?)

Es ist die Geschichte der letzten Wildpferde im Emscherbruch. In regelmäßigen Abständen werden sie gefangen, um dem Menschen zu dienen. Und ein Kerl, eben der Pferdestricker, tut sich dabei besonders hervor, weil auch die wildesten Tiere nicht in der Lage sind, ihm Widerstand zu leisten. Er besiegt sie alle.

Und macht mit ihnen, was er will.

18.9.2000

Heute habe ich der Kleinen endlich die Geschichte vom Pferdestricker erzählen können. Nur dass die Wildpferde nicht gefangen werden, um zu arbeiten, sondern weil sie böse sind. Böse und gefährlich. Sie bringen Verderben über die Menschen, wenn man sie nicht bekämpft. Vor allem nehmen sie kleinen Kindern ihre nächsten Angehörigen. Das stimmt natürlich nicht ganz mit der Geschichte überein, aber wenn es hilft ... Ich habe ihr noch einmal das Bild gezeigt, und ich hatte das Gefühl, dass sie mir schon mehr glaubt als noch vor ein paar Tagen. Ob sie das alles versteht, weiß ich natürlich nicht. Aber sie wird ja schon sehen!

Dass ihr dieses Vieh mit Sicherheit noch im Traum begegnen wird, habe ich ihr auch erzählt. Und vor allem habe ich ihr eingehämmert, dass sie mit niemandem über dieses Tier reden darf, bevor der Pferdestricker es unschädlich gemacht hat, weil es ansonsten sein verderbliches Werk sofort beginnen und sie ihre Mutter und ihre Oma niemals mehr wiedersehen wird. (Auf Sachen kommt man! Vielleicht sollte ich selber mal anfangen, eine zeitgemäße Version des Pferdestrickers zu schreiben!)

Wie ich gehofft hatte, war sie völlig schockiert und hat alles versprochen. Ob ich den Pferdestricker schon einmal gesehen habe, wollte sie wissen.

Nun will sie ihn auch noch sehen!

19.9.2000

Heute habe ich ihr ein Bild vom Pferdestricker gezeigt. Es ist Jonas, der mit weit gespreizten Beinen und mit dem Rücken zur Kamera steht. Sein Kopf ist nicht zu sehen, und ich habe ihr gesagt, dass niemand das Gesicht des Pferdestrickers sehen dürfe, bevor er seine schwierige Aufgabe erfüllt hat. Erst danach werde sie ihn sehen. Und das stimmt ja auch.

Mehr kann ich ihr im Augenblick nicht zeigen! Es ist der Ausschnitt eines Bildes, das ich vor kurzem in unserem Garten aufgenommen habe, als Mutter zur Arbeit war. Ansonsten hätte ich Jonas in unserem Garten doch gar nicht fotografieren können! Ich hatte ihn gebeten, sich mit dem Rücken zur Kamera und mit in die Hüften gestemmten Armen von mir fotografieren zu lassen, ein richtiges Machofoto halt. Ihn darum zu bitten, ist mir schwer genug gefallen, aber ich wollte unbedingt ein Bild von seinem geilen Arsch haben.

Nun glaubt sie mir, dass Jonas mit dem üblen Vieh fertig wird und auch sie errettet! Ihre Reaktion macht mich geil. Es gibt keinen größeren Anreiz für das Erfinden von Geschichten als das Geilsein.

20.9.2000

Die kleine Ziege kommt nicht mehr! Heute war sie schon zum zweiten Mal nicht an unserem Treffpunkt. Hoffentlich hat sie niemandem etwas erzählt. Ich muss vorsichtig sein. Ich bin schon Stunden vor unserer Verabredung in der Gegend und inspiziere genau die Umgebung.

21.9.2000

Sie ist wieder da. Sie war für ein paar Tage bei ihrer anderen Oma, weil ihre Mutter im Krankenhaus lag. Dieses ganze Brimborium ringsum ist so entsetzlich banal! Sie hat mir hoch und heilig versprochen, dass sie niemandem etwas erzählt hat von mir und unserem Geheimnis. Ich glaube ihr. Der Vorteil von Kindern ist, dass sie nicht lügen können, weil man es sofort merken würde. Trotzdem muss ich mich beeilen. Ich habe ihr noch einmal das Bild des Tieres gezeigt und gesagt, dass es nun so weit ist. ...

24.9.2000

In meinem Kopf dreht sich alles. Wie in einem Karussell, das sich stets schneller dreht und droht, in einem schrecklichen Chaos zusammenzustürzen. Es ist, als wenn man die Zeit anhalten muss.

Die Zeit läuft einfach zu schnell, alles wird lächerlich wie in einem Charlie-Chaplin-Film, und man bekommt Kopfschmerzen. So hat gar nichts einen Sinn.

Ich lebe nur noch von Bildern, oder besser gesagt: von den Bildern aus Bildern. Es fehlt der begründende Überbau, und dann verliert alles auf Dauer seine Würde.

Spätestens seit heute ist mir überdeutlich, dass jeder Mensch in seinem Leben nur ein einziges Geheimnis lösen kann; dass er überhaupt nur existiert, weil ihm von irgendeiner Instanz der Auftrag zur Enthüllung und vielleicht sogar Lösung dieses einen Problems erteilt wurde. Dass die meisten Menschen sich zeit ihres Lebens nicht einmal dieses Problems bewusst werden, das spricht nicht dagegen; es spricht nur für die Dummheit der meisten Menschen und die grauenhafte Ignoranz und Oberflächlichkeit unserer Zeit.

Das Wort Enthüllung ist wortwörtlich zu nehmen: Die Wirklichkeit ist ein chaotisches Nebeneinander von Erscheinungen, die man vom wahnsinnigen Karussell unserer Zeit reißen muss, um sie zu ordnen und zu sehen als das, was sie sind: Abbilder des Ewigen oder Schrott.

Die Realität ist der Steinbruch dieser Arbeit; außerhalb der Realität gibt es nichts. Die Realität als solche ist aber wertlos; sie muss geordnet werden. In das Ewige, die Träume davon, den Schrott.

Die Erfüllung dieser Aufgabe rechtfertigt den Einsatz aller Mittel.

Aller. Es wäre nun leicht zu sagen, sie rechtfertige auch den Mord. Aber dieses Wort bewertet, und hier geht es nicht um Wertungen. Der Tod des alten Mannes war nicht geplant, war aber insofern notwendig, weil er sich der Aufgabe in den Weg gestellt hat, die getan werden muss. Muss!!!! Die Zeit zur Erledigung dieser Aufgabe ist begrenzt. Ich habe schon viel zu lange gewartet und bin ungeduldig. Der Tod des Alten war auch ein Startsignal.

Ich hoffe nur, er hat keine weiteren Aufzeichnungen hinterlassen. Im Prinzip wären sie wertlos, das Ewige lässt sich nicht in Sprache fassen, nur in Bilder. In wenige Bilder. Und diese Bilder sehen zu können, setzt den Seher voraus, nicht irgendeinen x-beliebigen Hanswurst wie diesen Alten, der über das, was er gesehen hat, lediglich banale Notizen für seine Anzeige bei der Polizei machen kann. (Und doch könnten Aufzeichnungen des Alten lästig werden, vielleicht sogar alles zunichte machen, weil die Dummheit der Menschen sie an die Sprache glauben lässt, nicht an die Bilder.)

Nur eines noch: Ich habe endgültig erkannt, dass ich nicht die handelnde Person sein kann. Ich erfinde die Geschichten, und damit bin ich auch die einzige Person, die weiß, dass sie möglicherweise nicht stimmen. Erst wenn ich andere dazu bringe, die handelnden Personen meiner Geschichten zu werden, dann erst stimmen diese Geschichten. Dann sind sie wahr. Es muss einfach jemand kommen, der größer ist als ich. Größer auch als Jonas, der ja selten mehr sein kann als ein Instrument. Als Mittel zum Zweck.

Aber ich bin zuversichtlich: Die Realität hält fast zu viel bereit! Bis jetzt war ich nur zu feige. Das wird sich von nun an ändern. Ich muss mir noch über meine neue Rolle mehr Klarheit verschaffen.

PS: Der Tod der Kleinen war geplant. Und weil ich nicht will, dass wie bei einem x-beliebigen Triebtäter alles reduziert wird auf die aus Angst gegebene Notwendigkeit zur Beseitigung eines Zeugen, bezeichne ich sie von jetzt an als Opfer.

Ein Opfer für etwas viel Größeres.

Genau wie das Tier.

Genau wie Klaus.

2.10.2000

Der Tod des Alten wirbelt viel Staub auf. Die Zeitungen stehen voll davon. Anscheinend war er im Ruhrgebiet eine ziemlich bekannte Figur. Ich habe das nicht gewusst, und so etwas ist auch völlig unwichtig. Die Rolle, die wir in einer Gesellschaft einnehmen, hat eben fast nie etwas zu tun mit der Rolle, die wir im wirklichen Leben einnehmen.

Das Tier interessiert anscheinend niemanden, nur mich. Aber im Augenblick muss ich aufpassen. Ich will dort nicht auffallen.

Jonas habe ich seit der besagten Nacht nicht mehr gesehen. Einerseits ist das gut, weil wir wahrscheinlich beide im Augenblick etwas Distanz brauchen; andererseits ist es schlecht, weil ich ihn dann nicht steuern kann und somit auch nicht weiß, was er gerade macht.

Das Schlimme an Jonas ist, dass man mit ihm nicht wirklich reden kann. Er überlegt keine Sekunde, er tut die Dinge einfach. Bei mir ist es genau umgekehrt: Ich überlege viel zu lange und fühle mich letztlich oft handlungsunfähig. Jonas und ich zusammen in einer Person wären wirklich der ideale Mensch!

Aber schon wegen der polizeilichen Aktivitäten in den letzten Tagen will ich Jonas im Augenblick erst mal außen vor lassen.

22.10.2000

Ich weiß nicht, wo ich ihn suchen soll.

Manchmal denke ich, ich hätte Angst wegen des ganzen Medienrummels um den Alten, aber das ist Unsinn. Ich habe keine Angst. Wovor auch? Es ist einfach diese Leere, die ich nicht ertragen kann. Es muss etwas passieren, aber ich weiß nicht, wie ich das arrangieren soll. Dafür träume ich fast jede Nacht. Manchmal möchte ich nicht mehr wach werden.

24.3.2001

In den letzten Wochen war ich des öfteren auf dem Fußballplatz in Gelsenkirchen. Ich weiß selber nicht, warum in Gelsenkirchen; es ist vor allem so, dass ich hier auf gar keinen Fall gesehen werden möchte. Mir gefällt es dort. Nicht der Ort. Mir gefallen die Männer. Und auf gar keinen Fall bin ich schwul, wenn ich sage, dass mir diese Männer gefallen. Das alles hat mit dem karnevalistischen Treiben in der schwulen Subkultur überhaupt nichts zu tun. Überhaupt nichts!

Ich suche nach Handelnden für meine Geschichte.

‚Meine Geschichte’ ist falsch. Für die Geschichte.

Oder nennen wir es doch gleich Mythos.

15.4.2001

In der letzten Zeit träume ich wieder, und ich weiß, dass ich diese Träume nicht mehr lange werde aushalten können. Nicht weil diese Träume fürchterlich sind, sondern weil sie grandios, letztlich aber so unendlich weit entfernt scheinen von der ekeligen Realität, in der ich mich im Augenblick befinde. In dieser Realität scheinen die Träume nichts zu sein als belanglose Schatten, die man wegwischt, wenn man erwacht. Wenn man sie zu interpretieren versteht, sind sie zwar als solche schon großartig, aber letztendlich doch wertlos: Sie müssen verwirklicht werden.

Ich bin durch die Zwischenprüfung gefallen, und der Rechtfertigungsdruck gegenüber meiner Umgebung treibt mich in den Wahnsinn! Ich werde überhaupt nicht mehr zur Uni gehen. Das ist nur Zeitverschwendung und hält mich von dem ab, was ich tun muss. Außerdem empfinde ich eine riesengroße Verachtung für Menschen, die so ganz offensichtlich die ihnen im Leben gestellte Aufgabe in der Beschäftigung mit dem Schwachsinn suchen, den ihnen eine Uni präsentiert. Noch mehr verachte ich nur noch die Menschen, die den Sinn des Lebens dort auch noch finden.

Ich werde dort auf gar keinen Fall mehr hingehen, für meine Umgebung aber so tun, als ginge ich dort noch hin.

Gerade deshalb brauche ich eine eigene Wohnung. Dieses schamlose Behütetsein durch die Eltern macht mich krank und aggressiv.

29.4.2001

Wie weit die Träume von der eigenen Realität entfernt sind, das bestimmt man doch nur selber. Unsere Träume sind nichts anderes als die Bauanleitung, um die einzelnen Bausteine der Realität umzuformen in ein Bild des Ewigen. (Warum klingt die Wahrheit schon wieder so pathetisch?)

Wenn ich sonntags zum Fußballplatz nach Gelsenkirchen fahre, muss ich mittlerweile aufpassen. Ich will nicht, dass ich irgend jemandem auffalle und sie mich in irgendeine ihrer Schubladen stecken können. Ich achte sehr darauf, immer mit anderer Kleidung dorthin zu gehen.

Auf gar keinen Fall sollen sie wissen, dass ich in Wahrheit derjenige bin, der die Strippen zieht und Regie führt.

Ich habe mir bereits einige der jungen Kerle genauer angesehen. Man sieht es einem Mann sofort an, ob er der Pferdestricker ist oder nicht. Es gibt dort einige Pferdestricker.

Der Rest liegt jetzt an mir. Das ist nur noch ein logistisches Problem. Ich bin bereit!

6.5.2001

Ich habe es gemacht! Es war noch einfacher, als ich gedacht hatte. Das Pferd stand auf einer Weide in der Nähe des Platzes und ich konnte es, ohne von irgend jemandem gesehen zu werden, nach dem Spiel bis zum Eingang der Umkleiden führen. In der Lokalausgabe der WAZ hat sogar ein kleiner Artikel darüber gestanden. (Es kam mir allerdings so vor, als habe der Journalist das alles nicht wirklich ernst genommen. Das hat mich gestört. Aber was will man von solchen Leuten schon erwarten?)

8.5.2001

Ich bin froh, dass ich es getan habe, aber es war letztlich sehr unbefriedigend. Es war viel Arbeit, nur mit meinem Traum hatte es wenig zu tun, was in der Zeitung stand. Ich möchte nicht als Pausenclown in der Zeitung stehen.

19.5.2001

Noch immer gehen mir die Bilder vom Fußballplatz nicht aus dem Kopf. Mich stört das, weil ich überhaupt nicht weiß, was dort passiert ist, ob überhaupt irgendetwas passiert ist. Und doch fesseln mich die Bilder in meinem Kopf. Und dann stelle ich mir vor, wie die jungen Kerle völlig verschwitzt in die Kabine gekommen sind und das Tier entdeckt haben. Dass sie sich wie eine Herde marodierender Landsknechte einen Spaß daraus gemacht haben, es nicht entkommen zu lassen, es letztlich mit in den Duschraum zu nehmen, um sich dort splitternackt auf dessen Rücken zu setzen. So muss es gewesen sein. Es muss einfach so gewesen sein, und natürlich kann so etwas nicht in der Zeitung stehen. Manchmal muss ich mehrmals in der Nacht onanieren und es macht mich der Gedanke wahnsinnig, dass ich nicht dabei war. Ausgerechnet ich war nicht dabei. Es ist ganz unerträglich.

Es ist so erniedrigend, ein einsamer kleiner Wichser zu sein, nur weil man nicht genau weiß, was passiert ist. Nur wenn man die Realität selber in die Hand nimmt und kontrollieren kann, ist man kein kleiner Wichser mehr.

1.7.2001

Ich habe eine eigene Wohnung. Und neue Probleme: Die Finanzen. Die Eltern wollen mir noch zwei Semester Geld geben und haben mich vor die Alternative gestellt: Auto oder Wohnung. Also habe ich nun keinen Wagen mehr, und das ist unerträglich. Es klingt natürlich respektlos und undankbar, aber ich finde es zum Kotzen, wenn erwachsene Menschen ihre zwei Kinder zum Sinn ihres Lebens gemacht haben.

Ich brauche mehr Geld. Ich könnte Ilona fragen, aber ich habe Angst, dass sie dumme Fragen stellt.

12.8.2001

Eine eigene Wohnung ist mit Geld nicht zu bezahlen! Endlich kann ich tun und lassen, was ich will, ohne dass ich permanent überwacht werde.

Oft sitze ich den ganzen Tag bis tief in die Nacht vor dem Computer. Als ich mir vor ein paar Tagen bei Saturn ein Fotoprogramm gekauft habe, habe ich eine digitale Spiegelreflexkamera für fast tausend Euro mitgehen lassen. Ich war erstaunt, wie einfach das war. Und wer wegen so etwas ein schlechtes Gewissen hat, der hat wirklich ein Problem! In einem Land, in dem nur das Geld über das Umsetzen des eigentlich Notwendigen entscheidet, stimmt etwas definitiv nicht.

26.8.2001

Das Arbeiten mit dem Fotoprogramm füllt mich völlig aus. Oft sitze ich den ganzen Tag vor dem Computer. Ich mache Aufnahmen von Pferden und Pferdestrickern, und auf meinem Bildschirm verbinde ich sie. Die Resultate sind wirklich grandios!

Ich fasse jeweils mehrere zueinander passende Bilder zu Sequenzen zusammen und denke mir dazu Geschichten aus. Aber ich habe im Augenblick nicht die Zeit, diese Geschichten aufzuschreiben. Nur ab und zu füge ich in einige Bilder Texte hinzu, und das ist schon aufregend genug.

16.9.2001

Ich habe bereits mehrere CD-Rom mit Bildern gebrannt. Es stört mich jedoch immer mehr die Vorstellung, dass alle diese Bilder zwar aus der Realität stammen, in ihrer Gesamtheit aber eben nicht die Realität abbilden, sondern eigentlich „fakes“, Fälschungen, sind. Ich will sie von jetzt an nur noch als Ansporn nehmen, die Realität zu beeinflussen. (Deutlicher als bei der Arbeit mit dem Fotoprogramm kann die ganze Sache doch gar nicht auf den Punkt gebracht werden! Die Elemente sind schließlich in der Realität alle gegeben; man muss sie nur zusammenbringen. Ich werde mich davon durch gar nichts mehr abhalten lassen.)

Nur eine Sache macht mir manchmal Sorgen: Ich will auf gar keinen Fall, dass irgendjemand diese CDs findet und sich dann seine Vorstellungen über mich macht, Vorstellungen, die natürlich völlig falsch wären. Ich würde die Scham nicht überleben! Und mein schlimmster Alptraum ist, dass ich z.B. durch einen Unfall zu Tode komme und irgendwelche kleinkarierte Spießer diese CDs finden. Diese Vorstellung ist einfach unerträglich! Mir als Person könnte es gleichgültig sein; jedem Toten kann es am Arsch vorbeigehen, was die Nachwelt über ihn denkt. Das gilt aber nicht für die Sache, für das Projekt.

21.10.2001

Seit einer Woche habe ich einen Internetanschluss. Bis auf wenige Anregungen bin ich enttäuscht über das Sammelsurium aus Dreck und Belanglosigkeiten, das über dieses Medium verbreitet wird. Ich hatte etwas anderes erwartet.

Die virtuelle Realität ist eben keine. Sie ist höchstens die Messlatte unserer Träume.

Träume müssen aber verwirklicht werden.

28.12.2001

Seit ein paar Tagen bin ich Mitglied in einer Yahoo-Gruppe. Man kann dort die Bilder sehen, die ich meine. Aber die meisten sind schlecht und stümperhaft. Aber immerhin! Außerdem kann man dort chatten. Da ist ein Typ aus München, vielleicht kann ich bald seine wirkliche Identität herausfinden.

24.2.2002

Der Kerl aus München heißt Georg. Er ist einundfünfzig und hat mir ein paar Bilder zukommen lassen. Nicht mehr das Frischeste, aber irgendwie geil. Eigentlich ist Georg nicht der Typ für Bilder; mich macht es eher geil, mit ihm zu chatten, wenn wir das, was uns beiden durch den Kopf geht, versuchen auf den Punkt zu bringen. Ich glaube übrigens, ich habe ihn mehr als neugierig auf mich gemacht. Trotzdem (oder gerade deshalb!) muss ich aufpassen. Für ihn heiße ich jedenfalls Jonas, und das wird auch in Zukunft so bleiben.

29.4.2002

Georg war am Wochenende in Bochum, und ich weiß jetzt, dass er mehr als nur neugierig auf mich ist. Er sagt zwar, dass er verheiratet ist, aber das glaube ich nicht. Dass er Ingenieur ist, das glaube ich schon eher: Er hat anscheinend ziemlich viel Geld.

Natürlich konnte ich ihn nicht in meine Wohnung nehmen. Es reicht, wenn er mich Jonas nennt; ich will nicht, dass er weiß, wo ich wohne. Ich will ihn loswerden können, wenn ich es will. Also haben wir die Nacht in seinem Hotelzimmer verbracht.

Es war heiß!

Georg will mit mir nach Mallorca. Ich habe erst an einen Scherz geglaubt, dann hat er erzählt, dass er erst vor ein paar Wochen dort war. In Can Picafort im Norden der Insel. (Ich musste erst einmal im Internet nachsehen, wo das ist.) Er hat gesagt, dass er da mit Gäulen schon sehr viel Spaß hatte und es dort ein Kinderspiel sei, jeden Gaul zu bekommen, den man haben wolle. Irgendwie bin ich schon neugierig.

5.5.2002

Georg hat tatsächlich einen einwöchigen Urlaub auf Mallorca gebucht. Ich bin einfach mal gespannt.

Aber es gibt ein Problem: Ich hoffe, dass wir am Flughafen oder sonst wo nicht unsere Ausweise vorlegen müssen. Ich will nicht, dass Georg meinen Namen erfährt. Im Reisebüro hat er mich schließlich als Jonas Zimmermann angemeldet und dann steht dieser Name doch wohl auch auf dem Flugticket. Hoffentlich gibt es keine Probleme. Eher lasse ich alles sausen!

Es kann einen verrückt machen, wenn man sieht, mit welchen Kinkerlitzchen diese Scheißwelt die wirklich wichtigen Dinge behindert und zu vereiteln sucht.

10.5.2002

Ich habe heute Lars an der Uni den Reisepass gestohlen. Er wird es, wenn überhaupt, erst später merken, so dass es wohl keine Probleme geben wird. Am Flughafen schauen sie schließlich nur kurz in den Pass, und die Behörden führen schon lange keine Passkontrollen mehr durch. Wie gut übrigens, dass Lars mit Nachnamen Zimmermann heißt. Jonas ist ja ohnehin nur der Rufname!

Ich habe sofort Georg in München angerufen und ihm alles erklärt, damit er beim Reisebüro die Sache mit dem Vornamen noch in Ordnung bringt.

Jetzt darf Lars nur nicht sofort den Verlust seines Passes bemerken und bei der Polizei melden!

27.5.2002

Wir sind auf Mallorca und Georg hat nicht zu viel versprochen! Can Picafort ist zwar ein typischer Touristenort, und es würde mich eigentlich gar nichts hierhin ziehen; aber gleich am ersten Tag sind wir ein Stück rausgefahren.

Wenn man von Can Picafort in Richtung Osten fährt, kommt man durch eine Gegend, die aussieht wie eine Dünenlandschaft an der Nord- oder Ostsee. Sobald man aus dem Wagen steigt und in einen der nach links und rechts abzweigenden Wege geht, ist man mutterseelenallein und kann tun und lassen, was man will.

Etwa einen Kilometer hinter dem Ort steht auf der rechten Seite ein Junge, der ein paar Gäule vermietet. Georg hat mir erzählt, dass man mit dem Kerl machen kann, was man will, weil er keine Konzession hat und es somit illegal ist, was er tut.

Mich interessiert nur ein Tier: ein weißes, ziemlich unterernährtes Ding, bei dem man sich eigentlich wegen seines Gesamtzustandes schon weigert, die Frage zu beantworten, ob es ein Pferd oder ein Pony ist.

Natürlich ist es ein Pony. Wenn ich daneben stehe und ihm erwartungsvoll über den Rücken streiche, reicht es mir bis knapp über den Hosenbund.

Bei den Verhandlungen mit diesem Typen halte ich mich aber völlig im Hintergrund, Georg spricht ein paar Brocken spanisch und tut genau das, was ich ihm vorher gesagt habe.

Ich habe meinerseits lediglich gleich am ersten Abend Jonas angerufen und ihn gebeten, ebenfalls nach Mallorca zu kommen; mit Georg allein wird mir die ganze Sache auf Dauer zu langweilig. Ich hatte natürlich selber kaum daran glauben wollen, aber bereits am nächsten Nachmittag haben wir Jonas hier begrüßen können.

Georg ist natürlich ganz hin- und hergerissen von Jonas; manchmal habe ich das Gefühl, er glaubt, ich sei neidisch oder sogar eifersüchtig auf Jonas, aber natürlich ist das alles großer Unsinn. Georg hat mich schließlich von Anfang an kaum interessiert und auch ich bin mehr als froh, dass Jonas hierher gekommen ist.

Noch am gleichen Nachmittag bin ich mit Jonas in ein Sportgeschäft hier im Ort gegangen und wir haben mehrere Sporthosen für ihn gekauft. Ganz offensichtlich ist Jonas so fasziniert von der Wirkung, die er auf Georg hat, dass er bei der Auswahl der Kleidung sehr wählerisch war und sich außerdem auf mein Urteil verlassen hat. Er hat mich dann übrigens noch im Geschäft wissen lassen, worauf er beim Kauf der Turnhosen achtet: Knapp müssen sie sitzen, keinen Innenslip haben und durchsichtig werden, wenn sie nass sind. Ich bin gespannt, was Jonas vorhat!

28.5.2002

Es war grandios! Georg hat dem Kerl ganz kaltschnäuzig das weiße Pony abgeschwatzt, wir waren damit den ganzen Tag unterwegs in den Dünen und am Strand und Jonas war völlig in seinem Element. Der Kerl ist wirklich eine geile Sau! Er weiß auf dem armseligen Gaul die Vorzüge seines Körpers in Szene zu setzen wie kein anderer!

Aber gleich beim ersten Mal hat es sich auch wieder gezeigt, dass Jonas ebenfalls ein durch und durch oberflächlicher Mensch ist. Zum Hamlet wirklich so geeignet wie eine Kuh zum Klavierspielen. Nicht, dass ich eifersüchtig bin – keine Spur davon, und doch glaube ich manchmal, er ist ein ziemlich von sich überzeugter Tölpel, den es unglaublich anmacht, wenn er mit seinen bewusst gewählten Sprüchen und seinem Gehabe bei Georg seine Wirkung nicht verfehlt. Manchmal habe ich sogar die Befürchtung, der Kerl ist lediglich ein kleiner Sadist, dem es Spaß macht, das Tier zu quälen, und sonst gar nichts, und das würde mich stören, wäre mir auf keinen Fall genug. Heute Abend kann sie wieder zu ihren Kumpels, hat er gesagt, als wir am Morgen schon mit dem Vieh losgezogen und durch die Dünen gegangen sind; aber jetzt gehört sie mir. Aber jetzt gehört sie mir! Und das war auch so!

Und außerdem zeigt er völlig ungeniert, wie sehr er es genießt, wenn Georg fast die Augen aus dem Kopf fallen, weil er seine Blicke nicht mehr von Jonas Hintern und Schwanz abwenden kann, wenn die Hose immer transparenter wird, je weiter er das Vieh ins Meer treibt.

Ich bin nicht eifersüchtig, auf Georg schon gar nicht und auf Jonas auch nicht; aber wo ich bei dem ganzen Spiel bleiben soll, das weiß ich noch nicht.

29.5.2002

Es ist hier wirklich wie im Paradies! An dem menschenleeren Strand ist Jonas heute praktisch den ganzen Tag durch das seichte Wasser geritten. Ob die Hose transparent wird oder nicht, spielt keine Rolle mehr: er zieht sie gar nicht mehr an. Das Bild haut einen wirklich um, vor allem wenn wir am Abend im Hotelzimmer die Videoaufnahmen betrachten.

(Manchmal wird mir fast angst und bange, wenn ich sehe, mit welcher Brutalität Jonas zu Werke geht. Dann schäme ich mich fast, dass ich so etwas geil finde.)

Aber das ist es.

Ich will jetzt hier keine weiteren Aufzeichnungen mehr für das Tagebuch machen; ich habe ohnehin keine andere Chance als jede Sekunde mit Jonas zu genießen. Ich freue mich schon auf den Höhepunkt!

Jonas hat ihn schon angekündigt, und ich will ihn auch nicht mehr beeinflussen. Morgen Abend kommt die Ärmste nicht mehr zurück zu ihren Kumpels zurück, hat er nur gesagt. Ich will nur noch der Beobachter und Chronist sein in einer Geschichte, deren Ablauf ohnehin feststeht.

In einem Mythos eben.

31.5.2002

Irgendetwas ist völlig schiefgelaufen, und ich kann immer noch nicht genau sagen, was.

Da war zunächst diese ekelige Alte, die uns ganz offensichtlich bei einem unserer Ausflüge beobachtet hat. Wir haben sie nur durch Zufall entdeckt, als wir abends im Hotelzimmer unsere Videoaufnahmen angesehen haben. Ganz deutlich war sie da im Hintergrund zu sehen, und ich wusste sofort, dass sie im gleichen Hotel wohnte wie wir.

Was mich allerdings überrascht hat, das war die Tatsache, dass der Tod der alten Vettel so wenig Aufsehen erregt hat. Ich glaube auch nicht, dass sie zuvor bei der Polizei gewesen ist. (In Spanien würden die sich doch über so eine dumme Kuh und ihr Problem ohnehin nur totlachen!)

Was mich viel mehr gestört hat, das war Georgs Reaktion. Er ist völlig zusammengebrochen und mir fürchterlich auf die Nerven gegangen.

Ach was, das ist doch Unsinn! Auf die Nerven gegangen! Für mich ist, was seine Person betrifft, eine Welt zusammengebrochen, und das tut weh. Wie kann man denn bloß den großen Seher spielen, und wenn es dann darauf ankommt, sich benehmen wie eine kleine Schickse aus dem Mädchenpensionat! Was glaubt dieser Mann eigentlich, was wir da gemacht haben? Ich empfinde für diesen Kerl eine riesige Verachtung.

Im Augenblick kann ich nur hoffen, dass dieser erbärmliche Mensch den Mund hält. Ich bin jetzt heilfroh, dass er weder meinen Namen, noch meine Adresse kennt. Es könnte sonst heikel werden.

Die Videoaufnahmen von Jonas habe ich auf jeden Fall.

9.6.2002

Mir ist heute die Idee gekommen, dass ein gewisser Georg Wenzel aus München zahlen muss für das, was er mir angetan hat.

Ich habe inzwischen herausbekommen, dass er tatsächlich verheiratet ist. Als wir auf Mallorca waren, war er für seine Familie auf Montage im Ausland. Dieser Mensch ist wirklich eine ganz ekelhafte Wurst. Auf jeden Fall wird es jetzt teuer für ihn.

30.6.2002

Georg zahlt tatsächlich, und damit bin ich vorläufig meine Geldsorgen weitgehend los. Irgendwie beruhigt das.

Das andere ist allerdings viel wichtiger. Eigentlich wusste ich von Anfang an, dass Georg nicht derjenige war, den ich suche. Und jetzt kann ich wieder von vorne beginnen. (Nicht einmal Jonas Z. kann ich mehr fragen; es fühlt sich an, als sei der umgezogen, und ich weiß nicht mal mehr, wo er jetzt wohnt.) Nur gelegentlich schaue ich mir noch die Videoaufnahmen an. Die sind wirklich unglaublich. Aber letztlich führen sie einem immer nur vor Augen, dass Jonas Z. auch nicht mehr da ist.

28.7.2002

Ich habe einzelne Filmsequenzen aus Mallorca bei Youtube ins Internet gestellt; natürlich nur solche, bei denen niemand zu erkennen ist. Die Reaktionen sind enorm. Binnen kürzester Zeit sind begeisterte Kommentare aus der ganzen Welt eingetroffen. Natürlich auch negative, zumeist von kleinen Ziegen, die Angst um ihre Pferdchen haben. Ich hatte es ja gewusst! Im Grunde spornt einen das aber bloß noch mehr an!

Was mich schon seit geraumer Zeit stört ist die Tatsache, dass diese Art der Kommunikation im Internet keine wirkliche Kommunikation ist, sondern ein völlig belangloses Absondern von Meinungen und Befindlichkeiten, weil sich jeder hinter irgend einem beliebigen Kunstnamen versteckt und anonym bleibt. Irgendwie ist das eine bodenlose Feigheit, ein Leben in einer billigen second-hand Realität, das einen nicht befriedigt.

25.8.2002

Ich halte es nicht mehr aus. Wenn die meisten Menschen Probleme bekommen durch ein Zuviel an Reizen, so ist das bei mir ganz offensichtlich völlig anders. Es gibt nichts mehr, was mich anmacht, und das ist unerträglich. Das ganze Leben hat in dieser Spannungslosigkeit gar keinen Sinn mehr. Wenn ich morgens wach werde, ist alles grau, und den ganzen Tag über bleibt alles grau, bis ich abends ins Bett gehe, um gar nichts zu träumen.

Heute hat jemand unter meine Mallorca Filme im Internet als Kommentar geschrieben: Get a life! You are a silly retard! Ich habe nachgesehen und herausgefunden, dass es sich um ein 15jähriges Mädchen gehandelt hat. Ich will nicht, dass diese kleine dumme Ziege so etwas schreibt. Sie soll ihren verdammten Mund halten.

28.11.2002

Gestern habe ich aus Wut und Verzweiflung meinen Computer demoliert, weil alles, was dieses Ding produziert, Schwachsinn ist, der mit der Realität nichts zu tun hat. Und nur das zählt: die Realität. Get a life, denke ich jetzt oft selber, you are a silly retard. (Es tut mir allerdings schon ein klein wenig leid: als Hilfsmittel, um sich die Realität gefügig zu machen, kann dieses Gerät doch gute Dienste leisten. Aber dazu müsste mich die Realität erst wieder interessieren. Und das tut sie nicht. Wenn ich jetzt durch die Stadt gehe und die überall schon vorhandene Weihnachtsbeleuchtung sehe, könnte ich Leute ermorden.)

Am schlimmsten ist es, wenn ich die Bilder von Jonas sehe und nichts mehr empfinden kann. Wenn sein geiler Körper auf einmal auch nichts anderes mehr ist als ein von der Evolution hervorgebrachter ebenso hässlicher wie überflüssiger Verdauungssack, der zu allem Überfluss auch noch auf zwei Stelzen gestellt wurde.

21.2.2003

Heute habe ich es gewagt, in Essen in den Puff zu gehen. Ich weiß selber nicht, warum, und wie es dazu kommen konnte. Es war grauenhaft, ein völliges Desaster! Sie wollte es mir mit der Hand machen, aber es lief gar nichts. Ich schäme mich zu Tode. Diese Schweineweiber und ihre ekeligen Aufpasser werden dafür noch bezahlen.

5.3.2003

Tiefer geht es nicht.

Und wenn es tiefer nicht geht, dann kann es ja angeblich nur noch aufwärts gehen.

Ich habe einen Selbstmordversuch hinter mir und liege im Krankenhaus. Selbstmordversuch ist übrigens ein dämliches Wort, weil es sich anhört, als habe man aus irgendeinem dubiosen Grund einmal etwas ganz unverbindlich ausprobiert. Das habe ich aber nicht getan. Ich hatte mit allem abgeschlossen und wurde nur durch einen puren Zufall gerettet. Und wie noch nie zuvor habe ich die Gewissheit, dass ich alleine mit meinem neuen Leben tun und lassen kann, was ich will. (Es ist ganz verrückt, dass das Personal hier ganz offensichtlich von meinem neuen Lebensmut nicht überzeugt ist; andauernd schauen sie – vor allem nachts – nach, ob ich noch da bin oder schon wieder etwas angestellt habe, das für sie natürlich nur Unfug sein kann.)

6.3.2003

Es hat mich heute fast umgehauen, dass Jonas plötzlich neben meinem Bett stand. Ich weiß selber nicht, wie er von meiner Dummheit erfahren hat, ich will es auch gar nicht wissen, aber wir sind uns seit diesem Tag nahe wie noch nie zuvor. Jonas hat mich übrigens auch in meiner schon längst gewonnenen Überzeugung gestärkt, dass ich von nun an nur noch ich selber sein soll und auf gar keinen Fall dem dummen Zeug hinterher laufen darf, das mir die Psychologen oder gar der Krankenhausgeistliche einreden wollten. Wir haben uns beide bis tief in die Nacht unterhalten und uns köstlich amüsiert über den Unsinn, den diese Leute erzählen.

7.3.2003

Jonas hat mir versprochen, dass er mit mir zusammen in den Puff nach Essen geht und mir zunächst einmal zeigen will, wo – wie er es ausdrückt - der Hammer hängt. Es macht mich unheimlich an, wenn ich daran denke, dass ich Jonas zusehen darf, wenn er sich diese verdammten Weiber gefügig macht.

8.3.2003

Seit gestern bin ich wieder in meiner Wohnung. Ich hoffe, dass andere nichts von meiner Dummheit mitbekommen haben. Vor allem zu Hause nicht. Ich habe angerufen und ihnen erzählt, dass ich für ein paar Tage bei Bekannten in Berlin war. Ich weiß nicht, ob Mutter irgendwelchen Argwohn hegt; eigentlich brauche ich davon aber wohl nicht auszugehen. Natürlich hat sie mich am Schluss wieder gefragt, wann ich denn nun endlich mein Examen machen werde. (Ich denke mal, sie würde verrückt, wenn sie wüsste, dass ich seit Monaten die Universität nicht mehr von innen gesehen habe.)

Was mir viel mehr Sorgen macht ist die Tatsache, dass Jonas sich noch nicht hat blicken lassen und ich auch nicht weiß, wie ich ihn erreichen kann. Ich habe das selber nie gewollt, aber im Augenblick muss ich es einfach als gegeben hinnehmen: Ich bin auf Jonas angewiesen. Ich habe mir stundenlang die Videoaufnahmen von ihm in Mallorca angeschaut; der Kerl ist für mich wieder eine ziemlich geile Schnitte! (Das klingt viel zu ordinär und schmutzig für das, was ich eigentlich meine.)

Vielleicht nur soviel: Ein ekelhafter Verdauungssack auf Stelzen ist sein Körper auf jeden Fall nicht mehr.

Ganz im Gegenteil.

3.5.2003

Heute hat er endlich angerufen. Ich bin unglaublich erleichtert. Sofort ist es ihm mit seiner lockeren Art gelungen, meine Lebensgeister wieder zu wecken, und obschon ich eigentlich ziemlich sauer auf ihn war, kann man diesem verrückten Kerl nicht wirklich böse sein. Dass ihm die Pfeife jucke, hat er am Schluss gesagt; ob ich immer noch mitgehen wolle zu den Nutten.

Ich konnte schon die Frage nicht verstehen; es gibt nämlich seit Wochen nichts, was ich noch lieber machen möchte.

18.5.2003

Es war ganz unglaublich! Wir haben uns auf dem Straßenstrich in Essen eine Nutte genommen, und schon wie Jonas das angestellt hat, war einfach grandios. Man darf mit diesem Zeugs nicht lange reden, hat er mir erklärt; man muss ihnen gleich sagen, wo es lang geht.

Wir sind mit der Nutte (auch so eine Schlampe irgendwo aus Osteuropa) in den Emscherbruch zwischen Gelsenkirchen und Wanne gefahren. Im Wald hat Jonas mir dann eine Lektion erteilt, wie man mit dieser Sorte Mäuse umgeht. Sie ganz bewusst und gezielt behandeln als das, was sie sind: ein erbärmliches Stück Scheiße, um das es nicht schade ist. Das überhaupt nur besteht, um jemandem wie Jonas Spaß zu bereiten. Um ihn noch größer zu machen, als er ohnehin schon ist. (In der letzten Zeit ist mir immer klarer geworden, dass ich über meine Beziehung zu Jonas noch einmal genauer nachdenken muss; ich glaube nämlich mittlerweile, dass ich ziemlich verknallt bin in ihn. Wie kann das eigentlich sein? Wir kennen uns seit eh und je, und auf einmal ist dieses unglaubliche Gefühl da. Und in diesem Zusammenhang stört mich ein Wort wie schwul überhaupt nicht; es spielt aber auch gar keine Rolle mehr! Es bedeutet einfach gar nichts!)

Das Spielen mit einer Nutte ist doch noch etwas ganz anderes als das Spielen mit irgendwelchen Pferdchen! Das ist es einfach, findet auch Jonas. Das Tollste daran war, dass sie irgendwann genau wusste, was Jonas mit ihr vorhatte, und ihre panische Angst hat mir einen unheimlichen Kick gegeben.

Es war schade, dass ich keinen Fotoapparat dabei hatte. Beim nächsten Mal werde ich einen Fotoapparat oder zumindest ein Tonbandgerät mitnehmen.

Außerdem muss es länger dauern.

22.5.2003

Die tote Nutte hat in der WAZ gestanden! In der Gelsenkirchener Ausgabe sogar ganz groß. Beim nächsten Mal müssen wir uns anderswo umsehen. Jetzt sind sie wahrscheinlich vorsichtiger geworden, und ich habe keine Lust wegen solch einem Firlefanz mit der Polizei zu tun zu bekommen. Aber auf jeden Fall muss es wieder sein. Und zwar möglichst bald.

28.6.2003

Heute Abend ist es wieder ganz schlimm, und ich wünsche mir nichts so sehr wie Jonas’ Anwesenheit.

24.8.2003

Ich werde verrückt. Ohne Jonas bin ich nichts.

6.9.2003

Es war noch weit besser als beim ersten Mal. Selbst die Fotos sind eine Sensation, und ich kann mir vorstellen, dass es viele Leute gibt, die dafür ein Vermögen ausgeben würden.

Wir waren in Bochum und haben uns eine Nutte genommen. Sie ist sofort zu uns in den Wagen gestiegen, und dann ging es ins Ruhrtal. Dieses Mal hat Jonas ihr sofort gezeigt, wo es lang geht und sie gleich gefesselt und geknebelt. (Wahrscheinlich hat er mir einen Gefallen tun wollen, weil ich ihm vorher erzählt habe, was mich am meisten anmacht.)

Er war so lustig bei der ganzen Sache, wie ich ihn selten erlebt habe. Ich habe zwar nur ‚mit Hand’ bezahlt, hat er gesagt, aber den Rest werde die Dame ihm gratis geben. Und dann hat er angefangen.

Am Schluss hat er mir sogar seine Jeans gegeben. Als kleines Souvenir sozusagen. Aber ganz wohl war ihm bei dieser Sache dann doch nicht. Ich solle gut darauf aufpassen, hat er nur gesagt; es gebe genügend Leute, die keinen Spaß verstehen.

Ich habe ihm versprochen, diese Hose zu hüten wie meinen Augapfel; es ist aber auch wohl nötig: Vor allem an den Innenseiten der Oberschenkel ist sie voller Blut.

Wenn ich mir dann die dazu passenden Bilder ansehe, könnte ich jedes Mal fast verrückt werden!

19.9.2003

Ich habe Jonas heute gesagt, dass ich ihn liebe. Ich konnte einfach nicht mehr anders.

Ich hatte schlimmste Befürchtungen gehabt, dass ihn das vielleicht kompromittieren könnte; aber das war völlig überflüssig. Jonas hat nur gelacht und gesagt, dass er das toll findet. Er mag es, wenn Leute ihn lieben. Ob Männchen oder Weibchen sei ihm ganz egal.

Ich könnte Jonas nie wirklich anfassen, und auch das habe ich ihm gesagt, und er hat wiederum nur gelacht: Eigentlich finde er das sogar schade, er lasse sich nämlich ausgesprochen gerne verwöhnen, aber ich müsse selber entscheiden, was ich tue oder lasse.

Es macht mich am meisten an, wenn ich Jonas stundenlang nur ansehen darf und er es immer gekonnter darauf anlegt, mein Interesse zu wecken. Er steht breitbeinig vor mir, stemmt die Arme in die Hüften oder fasst sich wie absichtslos in den Schritt. Am erregendsten ist es aber, wenn er ganz lässig vor mir auf der Tischkante sitzt, seine Beine baumeln lässt und es ganz offensichtlich genießt, wenn ich gar nicht anders kann als ihm zwischen die gespreizten Oberschenkel zu sehen und dabei insgeheim die beiden Nutten zu beneiden. (Jetzt kenne ich Jonas schon so lange, aber ich weiß nicht, ob ich es wagen würde, ihm das zu sagen. Ich möchte es ihm aber sagen; alleine die Vorstellung macht mich unglaublich an. Insgeheim weiß ich auch schon lange, dass ich mir auch für mich ein ebensolches Ende herbeisehne, wie es die Nutten hatten. Selbst wenn auch ich dann nicht mehr bin als ein Opfer, das seinen Mörder immer schon gekannt hat.)

Jonas muss bleiben, weil ich ohne ihn weder leben noch sterben kann!

19.4.2004

Ich habe es Jonas tatsächlich endlich sagen können, was ich ihm immer schon habe sagen wollen und bis heute nie gewagt habe ihm zu sagen, und wieder hat Jonas nur gelacht: Es gebe zwar nichts, was ihm noch mehr Spaß bereite, aber mich wolle er nicht leiden lassen; dafür seien schließlich die Nutten da. Meine eigentliche Aufgabe sei eine ganz andere.

Wir waren anschließend abends in Dortmund. Es war großartig. Mittlerweile versteht Jonas es, aus der ganzen Sache ein Ritual zu machen. Das gibt dem Ganzen etwas Feierliches, fast Heiliges. Und ganz genau das ist es doch auch: etwas Heiliges.

Jonas hat aber auch gesagt, ich solle darüber nichts mehr schreiben. Man wisse nie, und leider sei es so: Einige Leute verstehen so etwas einfach nicht.

Das Schreiben werde ich also lassen. Wenn nur Jonas da ist, dann ist die Welt in Ordnung.

6.3.2006

Heute habe ich einen Gott getroffen.

Ich weiß, dass sich das verrückt anhört, aber es ist so: Dieser Mann muss ein Gott sein.

Ich musste gleich mit Jonas darüber reden. Jonas hat diese Nachricht ziemlich gelassen zur Kenntnis genommen: Ich solle in dieser Beziehung einfach tun, was ich wolle, und auf ihn keine Rücksicht nehmen. Eifersüchtig sei er auf gar keinen Fall, weil er nie wirklich verliebt in mich gewesen sei wie ich in ihn. Irgendwie hat mich diese Bemerkung zwar getroffen, aber insgesamt war ich froh, dass Jonas diese Sache so sieht; denn schließlich muss es doch auch so sein.

Ich habe ihn im Kaufhof getroffen. Er muss Mitte zwanzig sein und ist ein Riese. Er misst bestimmt zwei Meter. Wenn ich mir vorstelle, dass dieser Kerl mit einer Nutte spielt, dann ist das endgültig nicht mehr nur geil, sondern etwas ganz anderes: etwas Heiliges, eine Art Gottesdienst.

9.3.2006

Ich habe nichts anderes mehr zu tun als diesem Mann auf Schritt und Tritt zu folgen. Es bleibt einfach keine Zeit mehr für mich selber. Aber das ist wohl auch gut so. Wer bin ich schließlich schon? Ohne diesen Mann auf jeden Fall gar nichts.

Er ist Polizist, aber das ist mir völlig gleichgültig; denn für mich ist er ohnehin etwas ganz anderes: ein Gott eben.

Nur: Wie lernt man einen Gott kennen?

12.3.2006

Habe gerade noch einmal die letzte Eintragung gelesen. Wie will man einen Gott kennen lernen? Für manche Menschen mag sich schon die Frage verrückt anhören, aber für mich ist das im Augenblick sehr wichtig.

Mittlerweile kenne ich seinen Beruf, seinen Wohnort und sogar seinen Namen; aber das alles sind Dinge, die mehr oder weniger unwichtig sind. Denn natürlich kann man keine persönliche Beziehung zu diesem Mann aufbauen, wie man sie zu Hinz oder Kunz aufbauen kann, sondern nur so, wie man zu einem Gott eine Beziehung aufbaut. Und da sind Namen, Wohnort und Beruf Schall und Rauch.

In dem üblichen Sinne will ich diesen Mann also gar nicht kennen lernen mit all seinen Problemen und Problemchen. Das interessiert mich nicht im Geringsten. Ich will zunächst seinen Körper kennen lernen und einen neuen Menschen aus ihm erschaffen. So ist das in allen Religionen. Das einzig Göttliche an ihm ist bisher sein Körper.

Ich weiß, er will wahrscheinlich nur der nette Junge von nebenan sein, der Schwarm aller Schwiegermütter, everybody’s darling eben. Das ist er ganz sicherlich auch, aber das wird natürlich nicht mehr möglich sein. Wer hat mich denn gefragt, ob ich die Rolle übernehmen will, die ich nun spielen muss? Niemand. Wer von uns wäre er selber geworden, wenn man ihm eine Wahl gelassen hätte?

Der Kerl ist ein Riese, groß, stark und schwer, aber eben nicht dieser dumme und aufgeblasene Bodybuilding-Typ unserer Tage. Kurzum: Er ist, wie er ist. Einfach perfekt.

Vor ein paar Tagen musste ich sogar lachen: Da hat er sich in der Stadt eine Riesenportion Pommes mit Soße und Majonäse gekauft. Ich wollte in diesem Augenblick an Wunder glauben, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, wie aus diesem fettigen rot-weißen Matsch etwas derart Perfektes werden kann. Manchmal denke ich sogar darüber nach, mich von diesem Kerl töten und aufessen zu lassen. Was seltsam, geradezu monströs, klingt, wenn man es in Sprache fasst, finde ich unheimlich erstrebenswert. Und saugeil.

Er hat eine Freundin, und wenn die Langeweile einen Namen bräuchte, so müsste man diese Dame nach ihrem Namen fragen. (Sie heißt natürlich Inga, ihr Vater ist Studienrat, sie studiert in Bochum, hat dort auch eine Wohnung und ist eine ziemliche Zicke. Ich weiß das alles, seit ich die Anlage in seiner Wohnung installiert habe. Aber diese nebensächlichen Details gehen mir einfach nur gegen die Natur. Auch Details über Stefan stören eher, als dass sie helfen: Er kommt zum Beispiel aus einem Kaff im Sauerland. Aber man stelle sich das einmal vor: Gott kommt aus dem Sauerland! Einfach lächerlich.)

19.3.2006

Ich hasse es mittlerweile, wenn Stefan betrübt ist wegen dieser dummen Ziege. Sie ist wirklich zickig durch und durch, und er geht immer auf sie ein, anstatt dieses überflüssige Geschöpf einfach aus seiner Wohnung und seinem Leben zu werfen. Ich kann es kaum noch ertragen, wenn er ihr seine Liebe gesteht. Ich werde sie beseitigen wie die Nutten. Beseitigen lassen. Von Stefan selber.

Damit er endlich Zeit hat für andere Nutten.

4.5.2006

Heute ist etwas völlig Unglaubliches passiert. Ich bin den beiden heute den ganzen Nachmittag gefolgt. Sie sind am Kanal gewesen. Dort ist eine ziemlich versteckte Weide mit kleinen Pferden, und ich werde diesen Tag niemals vergessen. Das kann doch alles kein Zufall sein!

Es war unglaublich geil, ich habe vor, seine Bilder ins Internet zu stellen, damit jeder die Chance hat, ihn zu sehen. Und schon stört mich wieder dieses Wort geil, weil es zu dem nicht passt, was dieser Mann wirklich ist: ein Gott eben.

Was mich allerdings stört ist seine ganz offensichtliche Abhängigkeit von den Launen dieses Weibsbilds. Das macht mich rasend.

Wenn schon Jonas weiß, wie man mit diesen Nutten umgeht, dann muss er es doch allemal wissen.

Warum tut er es dann nicht endlich?!

5.5.2006

Ich habe die Fotos ins Internet gestellt. Die Kommentare wildfremder Leute machen mich noch viel mehr an als die Bilder selber.

Von Gott soll man sich ja kein Bild machen. Haha!

Aber diese Bilder können nur der Anfang sein: Ich will, dass er es mit Nutten macht.

7.5.2006

Ich will von nun an nichts mehr schreiben. Je öfter ich die Eintragungen der letzten Tage lese, um so mehr kommen sie mir vor wie eine schlechte Kopie des Evangeliums. Und das kann immer erst im Nachhinein geschrieben werden. Das Schreiben ist im Augenblick nicht wichtig. Die Veränderung der Realität ist wichtig.

Auch Stefans Leben wird sich verändern. Aber so ist das in allen Religionen.

22.6.2006

Heute habe ich es zum ersten Mal geschafft, dass er zumindest ansatzweise das getan hat, was nur ihm alleine zusteht: Über Leben und Tod zu entscheiden. (Sonst kommen die verdammten Nutten noch ungeschoren davon.)

Ich rede mir im Augenblick immer wieder ein, dass er diesem schwulen Schwein Gnade gewähren wollte, weil mich diese Vorstellung zumindest noch anregt. Aber ich will noch nicht einmal, dass er gnädig ist. Er soll brutal, grausam und gnadenlos sein. (Irgendwie macht er zu wenige Fortschritte, und ich musste ihn einmal ärgern.) Und diese exaltierte Tunte auf dem Autobahnrastplatz ist doch der beste Beweis dafür, dass jedes Opfer seinen Mörder immer schon gekannt hat.

Dieses Mal habe ich noch Jonas gebeten, das zu tun, was getan werden musste.

Es ist jetzt Samstag der 24. Juni 2006 um 3 Uhr 30 morgens.

Sie glauben allen Ernstes, sie könnten mich erledigen. So wie man einen Hirsch oder eine Wildsau erlegt. Ich werde sie Mores lehren.

Diese dumme Polizeitussi hält mich wohl allen Ernstes für einen retardierten Vollidioten. Das ist doch einfach nicht zu glauben. Das Unglaublichste ist der Zeitpunkt: Sie wollen die Angelegenheit gegen Mittag erledigt haben, damit sie ab 17 Uhr wieder die Spiele dieser albernen Fußball-Weltmeisterschaft verfolgen können. Ich habe Jonas schon darüber in Kenntnis gesetzt, und auch er war augenblicklich in dieser seltsamen Stimmung zwischen Empörung und Belustigung. Er hat mir sofort seine Hilfe zugesagt.

Sie haben sich am Freitagabend bereits getroffen, um ihre alberne Komödie aufzuführen. Um mich mit einem Köder anzulocken wie ein dummes Wildschwein und mir dann den Fangschuss zu geben. Und dabei glaubt die dumme Sau, ich hätte nicht einmal mitbekommen, dass sie für mich nur eine Attrappe aufbaut, eine Scheinwelt, die mich in die Falle locken soll. Die eigentliche Arbeit sollen ein paar Hilfsschlächter erledigen, von denen sie nicht einmal ihren Kumpanen etwas erzählt hat. Was glaubt diese Kreatur eigentlich, wen sie vor sich hat! Sie haben wirklich allesamt nichts kapiert, gar nichts, und jetzt werden sie für ihre Ignoranz bezahlen. Sie werden mit ihrem Leben bezahlen. Jeder andere Preis wäre Gotteslästerung.

Es gibt keine Bilder mehr in meinem Kopf. Es gibt nur noch eine Realität, die ich mir von diesem Gesocks nicht mehr zerstören lasse.

Ich werde Jonas sagen, er solle sie Stefan widmen.

Obschon ich ihn als Gott längst aufgegeben habe. Er ist ein armer kleiner Mensch. Aber .......

Das Schlimmste ist es, seine Götter zu verlieren.

Der Pferdestricker

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