Читать книгу Keine halben Sachen - Thomas Klappstein (Hrsg.) - Страница 37

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Handeln wie Jesus

36 | Handlungskonzepte, Terebinthen und glückliche Gemeinschaften

Die Fülle konkreter ethischer Fragestellungen nimmt immer mehr zu. Die Auswirkungen des Handelns Einzelner werden durch die zunehmende Vernetzung der Welt immer sichtbarer. Diese kaum mehr zu durchschauende Komplexität lähmt oder führt in nicht hilfreiche Verengungen. Dementsprechend wird die Frage nach konkreten, im Alltag umsetzbaren ethischen Handlungskonzepten immer lauter. Das grundlegende Konzept Gottes für diese Welt ist natürlich der „10-G-Plan“ aus 2. Mose 20. Es gibt aber auch noch andere biblische Handlungskonzepte. Die „Genesis-Basics“ (1. Mose 1,28; 2,15) z. B. fordern uns zu Wachstum, Vervielfältigung und Verantwortung heraus. Sie sind ein eher öko-demographisches Konzept, während die „Deuteronomiums-Aktion“ in 5. Mose 14,22 - 29 einen sozio-hygienischen Handlungsrahmen skizziert. Der „Jes-58-Check“ schließlich verknüpft gesellschaftlich-soziale Verantwortung mit der Verheißung persönlichen Wohlergehens.

Auch im Neuen Testament finden wir Handlungskonzepte, unter anderem die „Lazarus-Mission“ (Johannes 11,43 und 44), die eine gruppendynamische Perspektive für die Befreiung eines Menschen nach seiner Bekehrung oder Wiederbelebung entwickelt.

Das Ziel aller biblischen Handlungskonzepte ist, zusammenfassend gesagt, die Verherrlichung Gottes durch eine glückliche Gemeinschaft, an der man Jesus erkennen kann. Eine Gemeinschaft, die an die „Terebinthen der Gerechtigkeit“ erinnert, eine „Pflanzung des Herrn, dass er sich durch sie verherrliche“, wie es in Jesaja 61,1 - 3 heißt. Terebinthen sind im Mittelmeerraum weit verbreitet und als Schattenspender sehr geschätzt. Selbst nach Zufügung einer Wunde fließt aus ihnen noch ein äußerst wohlriechendes und sehr beliebtes Harz. Das wäre doch eine ethische Frucht, an der man Gottes theologisches Ziel mit dieser Welt klarer erkennen würde, als es alle Rechtgläubigkeit je vermitteln kann. Darum wollen wir in den nächsten drei nichtalltäglichen Impulsen einmal, exemplarisch für die vielen biblischen Handlungskonzepte, das „Nazareth-Programm“ aus Jesaja 61,1 - 3 betrachten.

Mickey Wiese

37 | Nazareth-Programm I

JESAJA 61,1 - 3

Das „Nazareth-Programm“ aus Jesaja 61,1 - 3, das Jesus in seiner programmatischen Antrittsrede in der Synagoge von Nazareth (Lukas 4,18) als Grundlage seines messianischen Handelns vorstellt, beinhaltet sechs „Außendienste“ und drei „Innendienste“, die ein gutes ethisches Layout für ein modernes, gesellschaftlich relevantes Christenleben darstellen.

1. Außendienst: Die Armen durch frohe Botschaft erfreuen!

Die Armen haben aufgrund mangelnden Landbesitzes keinen vollen Anteil mehr an der Volksgemeinschaft. Das Nichtzugehörigkeitsgefühl ist auch eine Grundbefindlichkeit des modernen Menschen. Wir müssen uns fragen: „Was ist für diesen Menschen in diesem Augenblick seines konkreten Lebens wirklich eine frohe Botschaft, und wie wird das auch als frohe Botschaft bei ihm ankommen?“

Das hebräische Wort für „erfreuen“ (baser) hat denselben Stamm wie das Wort für „Fleisch“ oder „Leib“ (basar). Die frohe Botschaft soll in dem Menschen ein Erkennen auslösen, wie es Adam in 1. Mose 2,21 erlebte: Es geht um etwas, das zu ihm gehört.

2. Außendienst: Zerbrochene Herzen verbinden!

Zerbrochene Herzen sind wie alte, rissige Zisternen, die das Wasser nicht mehr halten können. Alles, was man an Gutem in sie hineingießt, kommt an anderer Stelle sofort wieder heraus und versickert im Sand. Ein zerbrochenes Herz zu verbinden heißt ganz einfach, mit liebevollen, absichtslosen Gemeinschaftsaktionen ein Pflaster mit einem schmerzstillenden Mittel auf die Wunde zu legen.

3. Außendienst: Für Gefangene öffentlich die Freilassung ausrufen!

Die Vertreibung des Menschen aus dem Paradies leitet den Verlust aller Freiheit ein. Die Auswirkung des Ungehorsams gegen Gott ist genau das Gegenteil von dem, was der Mensch sich eigentlich an Freiheit nehmen wollte. Diesen Menschen sollen wir öffentlich zurufen (das hebräische Wort meint lautes, von jedermann vernehmbares Schreien): „Ihr seid schuldig, aber dennoch frei, das Kreuz Jesu macht aus lähmender Amnesie eine befreiende Amnestie!“

Mickey Wiese

38 | Nazareth-Programm II

JESAJA 61,1 - 3

Weil Jesus uns in der gleichen Weise aussendet, wie ihn der Vater in die Welt gesandt hatte (Johannes 20,21), und wir mindestens die gleichen Werke tun werden wie er (Johannes 14,12), hat gerade das „Nazareth-Programm“ aus Jesaja 61,1 - 3 für unseren Alltag eine starke Bedeutsamkeit.

4. Außendienst: Den Gefesselten die Öffnung des Kerkers verkünden!

Im Kerker sind die Türen zugesperrt. Die Gefangenen sind mit Ketten gefesselt. Selbst wenn sie die Freilassungsbotschaft hören, können sie sich nicht bewegen. Da muss jemand hingehen und die Ketten mit dem richtigen Schlüssel aufschließen. Das kann ein Wort der Erkenntnis sein, etwa in einem Gespräch, und geht über eine liebevolle „Erste-Hilfe-Behandlung“ bis hin zum Befreiungsdienst.

5. Außendienst: Öffentlich ein Jahr des Wohlgefallens für Jahwe ausrufen und einen Tag der Rache für unseren Gott!

Woran hat Jahwe Wohlgefallen? Grundsätzlich natürlich an unserer ganzheitlichen Liebe zu ihm und untereinander, denn daran hängt das ganze Gesetz und die Propheten. Aber auch, wenn wir öffentlich so leben, als sei Jesus unser Herr, bereitet das Gott Freude und Befriedigung.

Der Tag der Rache meint, dass diese Gott überlassen werden soll. Menschen würden an diesem Punkt nur überziehen. Schon in 2. Mose 21,24 schiebt Gott ja dem Hang zur Blutrache mit einer klar eingegrenzten Schadensersatzregelung einen Riegel vor.

6. Außendienst: Alle Trauernden trösten!

Das hebräische Wort „trösten“ (nachem) bedeutet „zu Herzen reden, sodass man durchdringt“, im Sinne einer konkreten Hilfeleistung. Die Konkordanz offenbart eine Fülle von praktischen Anregungen, was man tun kann: sich aufmachen und zu dem Trauernden hingehen; ihn in die Arme nehmen und herzen; mit ihm essen und trinken; einen Brief schicken; ihn ermutigen, etwas Schönes zu unternehmen, oder einfach nur da sein, ohne zu reden; mit dem Trauernden weinen oder mit ihm zusammen nach Erklärungsmustern suchen.

Letztendlich ist es einfach unsere Aufgabe, die Ströme lebendigen Wassers von Gott durch unseren Leib fließen zu lassen und so die „Trauernden“ zu erfrischen (abelim heißt „Trauernde, Vertrocknete“).

Jeden Tag wenigstens einen der neun Punkte aus dem „Nazareth-Programm“ umzusetzen ist eine durchaus praktikable ethische Möglichkeit, im Alltag auf das Ziel Gottes hin zu leben.

Mickey Wiese

39 | Nazareth-Programm III

Die drei Innendienste des Nazareth-Programms aus Jesaja 61,1 - 3 umgreifen die körperlichen, seelischen und geistlichen Bedürfnisse der Christen. Kopfschmuck, Freudenöl und Lobpreishüllen kommen dabei nicht von alleine, sondern müssen als normaler Umgang miteinander in unseren Gruppen festgelegt werden, was das hebräische Wort „sim“ (festsetzen, festlegen, etwas zu etwas machen) am Anfang von Vers 3 zum Ausdruck bringt.

1. Innendienst: Kopfschmuck statt Asche!

Der „Kopfschmuck“ (peer) ist ein Turban, der sowohl zur Tracht der Priester als auch zur Festbekleidung des Bräutigams gehört. Er deutet darauf hin, dass Gott sich ein festliches Verhalten von uns wünscht statt trauriger, ritueller, traditioneller und gesetzlicher Ausstrahlung. Jesus hat sich so sehr um das Körperliche gekümmert, dass seine Feinde ihm schließlich vorwarfen, er sei ein Fresser und Weinsäufer. Da könnte es auch den Christen guttun, wenn sie wieder mehr miteinander essen und trinken (5. Mose 14,22 - 29), feiern (Johannes 2,1 - 12), wandern (Matthäus 12,1) und sich aneinanderkuscheln (Johannes 13,23/​1.Korinther 16,20) würden.

2. Innendienst: Freudenöl statt Trauer!

Ich kann mir gut vorstellen, dass es Christen gibt, deren Dienst es ist, neue Witze zu schreiben, um unsere Seelen von den Mafiabetonschuhen der Ernsthaftigkeit und dogmatischen Korrektheit zu befreien. Schon Augustinus sagte: „Die Seele nährt sich von dem, an dem sie sich erfreut.“ Aber auch Musik, Tanz, Malerei, Theater, Steinbildhauerei und Kunst jeglicher Stil- und Ausdrucksrichtung sollten in der Kirche gefördert werden, weil sie der Seele guttun. Denn Jesus will zwar die ganze Welt gewinnen, aber nicht auf Kosten unserer Seelen.

3. Innendienst: Eine Lobpreishülle statt eines erlöschenden Geistes!

Damit ein glimmender Docht nicht ausgelöscht wird, stülpt man das Glas eines Windlichts darüber, sodass die Flamme wieder aufflackern kann. Das ist das Bild, das der hebräische Urtext vermitteln will. Darum müssen unsere Gottesdienste wieder mehr Feste zur Ehre Gottes werden, voll von ermutigenden und aufbauenden Wahrheiten über Gott – und weniger Briefings mit Informationen darüber, was wir alles noch nicht geschafft haben.

Mickey Wiese

Keine halben Sachen

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