Читать книгу Ludowingerblut - Thomas L. Viernau - Страница 14

Оглавление

Der Tote im Fels

Eine Phantasie

Auch ich war in Arkadien geboren, Auch mir hat die Natur An meiner Wiege Freude zugeschworen, Auch ich war in Arkadien geboren, Doch Tränen gab der kurze Lenz mir nur.

Friedrich Schiller , aus »Resignation«, 1786

I

Donnerstag, 10.Juli, 2008

Am Arnsberg, Steinbach-Hallenberg


Die sommerlichen Temperaturen der letzten Tage hatten viele Wanderer in die Wälder gelockt. Rings um den Arnsberg, einem bewaldeten Gipfel zwischen dem Städtchen Steinbach-Hallenberg und dem Dorf Unterschönau gelegen, waren die Freizeitsportler unterwegs. Zumal ein Abstecher auf die Burgruine Hallenburg eine willkommene Abwechslung für die Naturfreunde bot.

Die Wanderwege am Arnsberg waren vorbildlich ausgeschildert und mit vielen Bänken zum Verweilen ausgestattet.

Auch der heutige Tag versprach ein sonniger zu werden. Am tiefblauen Himmel waren nur ein paar zerrupfte Federwölkchen zu sehen, die kaum für Schatten sorgen würden. Ideales Wanderwetter!

Zwischen den vielen Ausflüglern kämpfte sich ein Läufer durch die vormittägliche Hitze. Er war braungebrannt, fast kupferfarben, wirkte vollkommen durchtrainiert. Die leichte Steigung, die viele Ausflügler bereits zum Ächzen und Stöhnen nötigte, schien er überhaupt nicht mitzubekommen. Kontinuierlich stampfte er in einem unglaublich schnellen Schritt den Arnsberg hinauf.

Die Bäume boten halbwegs Schutz vor der unbarmherzig strahlenden Sonne. Endlich hatte er es geschafft und die meisten Wanderer hinter sich gelassen. Nur sein eigener Atem war noch zu vernehmen, der gleichmäßig wie bei einer Dampflokomotive den Rhythmus vorgab. Der Läufer hatte wenig Sinn für die Schönheiten der Natur, schaute nur ab und zu auf sein Chronometer und beschleunigte den Schritt.

Nach zwanzig Minuten Power-Run gönnte er sich endlich eine kleine Pause. Lockerungsübungen sollten verhindern, dass er Krämpfe bekam – er hüpfte auf und ab, ließ die Arme kreisen und streckte die Wadenbeine. Ein schriller Schrei ließ ihn innehalten. Der Schrei gehörte zu einer Frau, eindeutig. War einer Ausflüglerin etwas passiert?

Der Läufer lokalisierte, woher der Schrei gekommen war. Auf alle Fälle nicht vom Wanderweg. Irgendwo aus dem Dickicht. Doch woher genau?

Er kämpfte sich durch das Unterholz und lauschte immer wieder. Ein Schluchzen aus nächster Nähe führte ihn zu einer Stelle im Wald, die durch dunkle Felsvorsprünge in eine nur schwer zugängliche Kuhle mündete. Vorsichtig begab sich der Läufer hinab in die Kuhle. Dort fand er sie.

Eine junge Frau, möglicherweise knapp Dreißig, saß am Boden und weinte vor sich hin. Der Läufer sprang hinab in die Kuhle und war beinahe über etwas Großes gestolpert, das am Rande der Kuhle lag. Die junge Frau deutete mit ausgestrecktem Finger genau dahin. Kein Wort brachte sie dabei heraus.

Der Läufer schaute sich die Stolperfalle genau an. Es war ein Mensch, unschwer zu erkennen als solcher. Er rührte sich nicht, war in einer seltsamen Position wie erstarrt, erinnerte an Mumienfunde in den unwirksamen Bergregionen der Anden.

»Ist er tot?«

Die Frau nickte nur den Kopf.

»Kennen Sie ihn?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Seit wann sind Sie denn hier? Und was machen Sie in dieser Kuhle?«

»Ich hab‘ mich verlaufen.«

»Gehören Sie zu der Wandergruppe?«

Wieder schüttelte sie den Kopf.

»Nein, wollte nur heute früh schon zur Burgruine, bin dann aber falsch abgebogen und merkte es zu spät. Dann wollte ich abkürzen und bin in diese Kuhle gestürzt. Beim Aufstehen habe ich den … da liegen gesehen, dachte es wäre ein Herumtreiber, der hier übernachtet hat …«

Der Läufer nickte. Ja, so könnte es passiert sein. Er hatte seine Erfahrungen mit solchen Momenten. Tom Hainkel, Journalist beim »Rennsteig-Kurier«, einem Südthüringer Lokalblatt, wusste Bescheid.

Im vergangenen Jahr hatte er bereits durch zwei spektakuläre Leichenfunde am Großen Hermannsberg auf sich aufmerksam gemacht und seine Artikelserie über die Einbruchsdiebstähle in den Thüringer Residenzschlössern war ein Knüller.

»Bleiben sie am besten da sitzen. Ich informiere erst einmal die Polizei.«

Vorsichtig schaute sich Hainkel das leblose Bündel an, das einmal ein lebendiger Mensch gewesen war. Schwer erkennbar, wer da lag. Etwas graubraunes Haar war zu sehen, ein Regencape bedeckte den größten Teil des Körpers. Auch das Gesicht war unkenntlich, da der Kopf nach unten gedreht war. Eine unnatürliche Haltung, möglicherweise eine durch Angst ausgelöste Meidstellung, oder auch eine durch den Sturz bedingte Verrenkung. Aber das sollten die Spezialisten klären. Hainkel wusste, dass im Umfeld des Toten nichts verändert werden durfte.

Er setzte sich neben die Frau und versuchte, etwas Trost zu verbreiten.

»Wie heißen Sie?«

»Grommisch, Nina Grommisch.«

»Sind Sie von hier?«

»Nein, aus Machdeburch. Wir machen Urlaub …«

»Wir?«

»Naja, mein Freund und ich.«

»Ach!«

»Ja, der wartet bestimmt schon auf mich.«

»Wo ist er denn?«

»In der Pension. Er hatte keine Lust mitzukommen.«

»Hmm. Sie sollten ihn anrufen. Es kann noch ein bisschen dauern bis die Polizei hier ist.«

»Meinen Sie?«

Hainkel nickte.

Er wusste Bescheid über die langen Anfahrtswege.

Vorsichtig näherte er sich dem leblosen Körper. Wie lange mochte er schon tot sein? Hainkel schniefte. Wenigstens wollte er klären, ob es ein Mann oder eine Frau war, was da am Boden zusammengekrümmt lag. Nichts deutete auf das Geschlecht der Person hin. Die graubraunen Haare ließen jedoch auf ein reiferes Exemplar Mensch schließen.

Inzwischen hatten, angelockt durch den Schrei, ein paar Wanderer ebenfalls den Rand der Kuhle erreicht und blinzelten nervös auf das Szenario.

»Gönne mer helfe?«

Breitestes Schwäbisch, oder war es Badisch, tönte vom Kuhlenrand herab. Hainkel winkte ab.

»Hier kommt jede Hilfe zu spät.«

»Ei, ischer dood?«

Hainkel nickte stumm.

»Gennse den? Ä bissel zu warm angezooche isser eh, bei där Hidsche rennder mit ner Schaagge rum. Seldsam!«

Hainkel bemerkte die unpassende Bekleidung des Toten ebenfalls. Schien wohl doch schon etwas länger hier zu liegen. Fliegen umschwirrten die Leiche. Die Magdeburgerin hatte sich ans andere Ende der Kuhle verzogen. Ihr waren die vielen Leute suspekt, die ihre fachkundigen Kommentare zu dem Toten abgaben.

Wieder gab es Bewegung oben auf dem Weg. Uniformierte kamen im Laufschritt herabgestolpert.

»Nichts anfassen!«, riefen sie schon von weitem.

Hainkel rollte mit den Augen. Als ob er das nicht selber wusste.

»Wer hat uns angerufen?«

Er hob die Hand, trat dem ersten Uniformierten gegenüber. »Das war ich.«

»Und wer sind Sie?«

»Hainkel, Tom Hainkel, Lokalredakteur beim »Rennsteig-Kurier« aus Schmalkalden. Ich war hier privat unterwegs. Training für den Senior Iron Man.«

»Für was?«

»Triathlon! Eine Sportart …«

»Aach sooo! Ja, kenn ich. Rennen, Schwimmen, Radfahren. So ziemlich das Anstrengendste, was es gibt.«

Hainkel nickte belustigt.

»Ha’m Sie den Toten entdeckt?«

»Nee, das war die Dame da hinten. Die hatte einen Schrei losgelassen und ich bin daraufhin hierher in die Kuhle gekommen.«

Der Polizist nickte ihm zu und wandte sich der weinenden Frau zu. Die aufgeregt schnatternden Schwaben bat er um etwas mehr Ruhe und Abstand.

Der zweite Uniformträger hatte inzwischen den Fundort der Leiche gesichert und mit seinem Mobiltelefon kurze Anweisungen an noch unsichtbare Kollegen durchgegeben.

Tom Hainkel jedoch ahnte, dass es sich hier um den Beginn einer äußerst vielversprechenden Ermittlung handeln könnte. Einen Toten mitten im Wald unter einem Felsvorsprung fand man nicht alle Tage.

II

Donnerstag, 10.Juli, 2008

Polizeidirektion Schmalkalden


Die kleine Abteilung der Schmalkaldener Polizei, die sich mit Kapitalverbrechen beschäftigte, bestand aus nur zwei Beamten. Es war eigentlich nur eine Außenstelle der Meininger Polizeidirektion, die für den gesamten Landkreis zuständig war. Durch das Zusammenlegen von den drei ehemaligen Landkreisen Meinigen, Schmalkalden und Teilen von Suhl-Land war ein großer Landkreis mit dem schönen Namen Schmalkalden-Meiningen entstanden. Meiningen war neuer Verwaltungssitz geworden, dennoch verblieben in der ehemaligen Kreisstadt Schmalkalden ein paar Behörden, die für den nördlichen Part des Kreises zuständig waren. Synergieeffekte, die man eigentlich erzielen wollte durch das Zusammenlegen, wurden durch die Beibehaltung der alten Strukturen aufgefangen.

Der neue Rennsteigkreis besaß mehr Verwaltung als die alten Landkreise zusammen. Viele nannten das administrative Spiel mit den Verwaltungsstrukturen auch nur einen sinnlosen Zeitvertreib der Landesregierung, womit sie Statistiken schöne und den Bürgern Einspareffekte vorrechnete, die es in Wirklichkeit gar nicht gab.

Den beiden Beamten der Schmalkaldener Polizeidirektion war das jedoch egal. Sie hatten es sich gemütlich in dem altehrwürdigen Gründerzeitbau eingerichtet. Im Rennsteigkreis, speziell in ihrem Einzugsbereich, gab es wenig zu tun für sie. Das meiste waren Verkehrsdelikte, ab und an gab es einen Arbeitsunfall, Mord und Totschlag kamen hingegen nur äußerst selten vor.

Der letzte Fall, der nun auch schon drei Jahre zurück lag, war ein Familiendrama im Trinkermilieu. Ein stark alkoholisierter Mann hatte seine Frau in der Silvesternacht mit der Axt erschlagen. Ein unschöner Anblick, sicherlich, aber kein großer Aufwand beim Ermitteln des Täters. Der hatte sich selbst gestellt, weinte vor sich hin als er ausgenüchtert seine Tat bitter bereute und kooperierte mit der Polizei. Seine Verteidiger plädierten auf Unzurechnungsfähigkeit aufgrund des hohen Alkoholgehalts im Blut.

Die beiden Beamten schüttelten nur den Kopf, als sie das milde Urteil erfuhren.

Bernd-Dieter Hoffmann und Klaus-Uwe Hellmann, so hießen die beiden schon etwas angegrauten Mitfünfziger, die sich ein Büro teilten, waren jedenfalls elektrisiert, als sie von dem Fund unterm Fels informiert wurden. Ein mysteriöser Todesfall. Ein unbekannter Toter, der von niemandem vermisst wurde. Das klang doch nach wirklicher Ermittlerarbeit.

Die beiden Beamten hatten ihren Dienstwagen, einen ebenfalls schon etwas angegrauten Opel-Astra, gestartet und sich Richtung Haseltal auf den Weg gemacht.

Das langgezogene Tal zog sich vom Kamm des Rennsteigs durch die Schönau-Dörfer, über Steinbach, Herges bis nach Rabenau. Das namensgebende Flüsschen hieß jedoch die meiste Zeit Schönau, erst nachdem es sich mit Lichtenau und Schwarza vereinigt hatte, zwei weiteren kleinen Gebirgsbächen, wurde auf den letzten Kilometern der Name in Hasel umgewandelt.

Von Schmalkalden, das im Stillertal lag, kam man über den Stiller Berg ins Haseltal. Ein paar kühne Serpentinen und eine Schussfahrt hinab ins benachbarte Tal waren jedenfalls immer eine nette Abwechslung für Hoffmann und Hellmann. Sie hatten nicht oft zu tun im benachbarten Tal, Steinbach-Hallenberg verfügte über eine eigene Polizeidienststelle, die den größten Teil der Vorfälle eigenständig bearbeitete.

Ein mysteriöser Todesfall jedoch wurde umgehend an die zuständigen Beamten weitergeleitet. Die zu erwartende Schreibarbeit war den Kollegen in Steinbach wohl zu viel, zumal sie damit auch wenig Übung hatten.

Schnaufend und stöhnend stapfte das Duo den Arnsberg hinauf zur Ruine der Hallenburg. Ein Kollege in Uniform erwartete die beiden Ermittler bereits, sprang leichtfüßig vor ihnen her und dirigierte sie zum Fundort.

Stimmengewirr und mindestens zwanzig Leute empfingen sie an dem Felsvorsprung, der die Kuhle überdeckte. Direkt in der Kuhle hatte ein Kollege bereits rot-weißes Absperrband aufgespannt. Auf dem Boden lag die Leiche, bedeckt von einem Regencape. Hoffmann und Hellmann nickten allen zu.

Mit geübtem Blick sondierten sie die Lage, sahen, dass für den am Boden Liegenden jede Hilfe zu spät kam und ließen den Blick umherschweifen.

»War die Kriminaltechnik schon hier? «

»Nee, die kommen aus Suhl, dauert noch ein bisschen. Sind aber informiert.«

»Wer hat den Toten gefunden?«

Der uniformierte Polizist neben der Leiche deutete auf die Frau, die am anderen Ende der Kuhle neben Tom Hainkel auf einem Holzstubben saß. »Na, erzählen Sie mal …«

Hoffmann und Hellmann begannen ihre Ermittlungen.

III

Donnerstag, 10.Juli, 2008

Redaktion des »Rennsteig-Kuriers«, Schmalkalden

Tom Hainkel war frischgeduscht und im lässigen Outfit eines Sportlers am späten Nachmittag im Büro der Lokalredaktion aufgekreuzt. Die Hitze hatte ihren Höhepunkt erreicht, das Thermometer hatte die 30°-Celsius-Marke weit überschritten, drei Zimmerventilatoren versuchten wenigstens etwas Linderung zu bringen, aber in den Räumen blieb es drückend heiß.

Alle Anwesenden ächzten und schütteten lauwarmes Mineralwasser in sich hinein. Anwesend waren zwei Frauen, die vor ihren Displays saßen und leicht übermüdet auf den Monitor starrten und ein quirliger Mitdreißiger, der auf seinem Drehstuhl hin und her wackelte. Es war Hainkels Mannschaft, die genau wie er selbst für den Lokalteil des »Rennsteig-Kuriers« zuständig war.

Täglich mussten sie sieben Seiten füllen. Der »Rennsteig-Kurier« kämpften seit seiner Gründung ums Überleben. Nicht nur, dass es Konkurrenz gab, nein, die Leute wurden immer träger, lasen nur noch wenig Zeitungen, schauten dafür öfter ins Netz.

Hainkel hatte bereits vor zwei Jahren begonnen, eine eigene Internetpräsenz der Zeitung mit auf zu bauen. Er wusste, dass die Zukunft des Zeitungswesens nicht mehr im klassischen Bereich der Abozeitungen lag, sondern im virtuellen Bereich. Trotz der Bemühungen um ein modernes Outfit und aktueller Lokalberichte sackten von Jahr zu Jahr die Verkaufszahlen des Blattes ab. Es reichte immer noch aus, um die Mitarbeiter zu bezahlen und die modernen Druckmaschinen zu unterhalten.

Ohne den Verbund mit anderen Lokalblättern, die unter dem Dach der »Thüringer Media-Gruppe« zusammengefasst waren, wäre die Arbeit nicht zu bewältigen. Man tauschte Artikel aus, konnte so die überregionalen Seiten füllen und hatte sogar einen gemeinsamen Foto-Pool, der für alle zugänglich war und keine zusätzlichen Kosten verursachte.

Hainkel seufzte. Er wusste um die ökonomischen Zwänge, hatte in seiner Jugend immerhin Ökonomie studiert. Weniger Auflage hieß auch weniger Einnahmen durch Werbekunden. Ein Teufelskreis …

Doch jetzt war er froh. Mitten in der größten »Saure-Gurken-Zeit«, so wurden die ereignislosen Wochen im Hochsommer genannt, gab es etwas Spektakuläres.

Er erinnerte sich noch mit Vergnügen an das Auflagenhoch im vergangenen Jahr, als er die Serie über die Einbrüche in den Residenzschlössern und die mysteriösen Todesfälle am Großen Hermannsberg auf der Titelseite abgedruckt hatte. Alle wollten damals den »Rennsteig-Kurier« lesen.

So ein Event wäre in diesem Sommer ebenfalls hochwillkommen. Auch wenn der Tod eines Menschen stets etwas Tragisches und Unwiderrufliches hatte, aber letztendlich zählten im harten Kampf um die Auflage solche Moralbedenken nicht. Hainkel berichtete nicht reißerisch und unseriös über die Vorfälle, versuchte sachlich zu bleiben und spekulierte nicht über Motive und mögliche Täter.

Seine beiden Mitarbeiterinnen, die Lokalreporterinnen Annette Sprocknagel und Heidemarie Moosberger, lauschten ihm mit großen Augen, ahnten, dass der Fund unterm Fels etwas Aufregendes war und nickten. Annette holte ihre teure Spiegelreflexkamera aus dem Schrank und machte sich auf den Weg. Ein paar Fotos wollte sie schießen vom Fundort und vielleicht auch von der Zeugin, die den Toten gefunden hatte. Mit ihrem Scooter war sie flink unterwegs, konnte überall parken und sogar Wege befahren, die für ein Auto unpassierbar waren.

Vom Drehstuhl am Fenster kam ein meckernder Einwurf.

»Eh, Domm! Hosd wiedorr ähn Griminalfau uffgerisse?«

Der quirlige Mann auf dem Drehstuhl war Egon Lötinger, zuständig für den Sport, vor allem für die Spiele der Kreisliga und sonstige Großereignisse wie Kegeln, Tischtennis und Wandertage am Rennsteig.

»Woiß ma schu‘, währr drr Doode is?«

Hainkel schüttelte den Kopf.

»Is nich von hierr, oder? Gab jedenfalls keine Vermisstenmeldung, hab schon bei der Bolisei nachgehakt.«

Heidemarie blickte von ihrem Monitor auf.

»Du, sache mol, da warr doch unten in Veßrrra auch so eh eichenardicherrr Doodesfall … Errrinnerschde dich?«

Heidemarie war Steinbacherin und schnarrte mit Hingabe den heimischen Dialekt mit den rollenden R’s.

Hainkel nickte, natürlich hatte er auch schon daran gedacht. Ob es ein Zufall war, dass zwei Tote innerhalb von nur wenigen Tagen in der Gegend aufgefunden worden waren?

Aber der Tote von Veßra war ja seltsam inszeniert zur Schau gestellt worden. Hier jedoch sollte niemand so schnell den Toten finden. Er zweifelte an einem Zusammenhang. Milena war in Veßra, vielleicht sollte er sie mal anrufen.

Jetzt musste er auf alle Fälle erst einmal einen kurzen Bericht schreiben, um daraus noch vor Redaktionsschluss einen passablen Artikel mit Foto zu machen. Annette würde ihm die Fotos per Email rüberschicken. Sie hatte ihren Laptop immer im Rucksack mit dabei.

IV

Freitag, 11.Juli, 2008

Ein Artikel im »Rennsteig-Kurier«

Unbekannter Toter im Fels gefunden

Am Morgen des 10. Juli wurde unweit der Burgruine Hallenburg in Steinbach-Hallenberg von Wanderern die Leiche eines unbekannten Toten entdeckt. Um wen es sich dabei handele, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Der Tote lag mindestens zehn bis zwölf Tage im Wald. Er scheint von niemandem vermisst zu werden. Auch über die Todesursache gibt es bisher nur Vermutungen. Ob ein Unfall oder ein Kapitalverbrechen den Tod des Mannes herbeiführten, konnte von einer Sprecherin der Schmalkaldener Polizeidirektion bisher noch nicht bestätigt werden. Man sei auf die Auswertung der kriminaltechnischen Untersuchung angewiesen. Die zuständigen Mitarbeiter der Kriminalpolizei können ein Fremdeinwirken zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ausschließen.

Wir werden die polizeiliche Ermittlungsarbeit in den nächsten Tagen weiterhin begleiten und darüber berichten.

Ludowingerblut

Подняться наверх