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II. Frühes Mittelalter
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1. Die Völkerwanderung führte auf der Alpensüdseite zur Gründung von unabhängigen Staaten auf dem Gebiet des römischen Reiches durch germanische Eroberer, in denen auf Untertanen römischer Herkunft anderes Recht (römisches bzw am römischen Recht orientiertes) angewendet wurde als auf die Germanen. Diese hatten wiederum unterschiedliche Rechtsordnungen aus ihren Ursprungsstämmen mitgebracht. Die dadurch entstehenden Kollisionen wurden nach dem Personalitätsprinzip (vgl Rn 20) gelöst; jeder konnte in allen Rechtssachen beanspruchen, nach seinem angeborenen (Heimat-) Recht behandelt zu werden. Welches Recht dies war, wurde durch eine in Urkunden oder zu Prozessbeginn abgegebene professio iuris (lat. Bekenntnis des Rechts) durch den Betroffenen bestimmt, was eine nahezu freie Rechtswahl bedeuten konnte.
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Das warf Probleme auf, wenn Personen verschiedener Stammeszuordnung in dasselbe Rechtsgeschäft verwickelt waren. Dies galt schon für Vertragsschlüsse, insbesondere aber in familienrechtlichen Beziehungen. In römischer Zeit prägt sich hierbei ein Mannesvorrang aus: Ein Römer, der eine Germanin heiratet, macht sie zur Römerin, so dass römisches Recht anwendbar ist. Andererseits zeigen sich bereits gewisse Zugeständnisse hinsichtlich der Form eines Rechtsgeschäfts. Eheschließung zwischen Angehörigen verschiedener Stämme wird alternativ nach dem Recht eines der beiden Stämme beurteilt.
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2. Mit zunehmender Vermischung der Bevölkerung war dieses hohe Maß an Personalität im Kollisionsrecht (das weit über den Rahmen des Personalstatuts hinausging) nicht mehr zu verwirklichen; es wurde ersetzt durch den Grundsatz der Territorialität des Rechts. Nur Personen, die sich zumindest seit (einem) Jahr und (einem) Tag in einem Territorium aufhielten, waren der dortigen Rechtsprechung und dem dortigen Recht unterworfen. Teilweise entstanden in einigen germanischen Städten Gastgerichte für Rechtsstreitigkeiten mit Beteiligung von Fremden.